BT-Drucksache 16/13165

Teilhabe ermöglichen - Kommunales Wahlrecht einführen

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13165
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Wolfgang Neskovic, Ulla Jelpke,
Dr. Hakki Keskin, Jan Korte, Katrin Kunert, Kersten Naumann, Petra Pau
und der Fraktion DIE LINKE.

Teilhabe ermöglichen – Kommunales Wahlrecht einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Zahl der Einbürgerungen ist im Jahr 2008 um ca. 15 Prozent gesunken,
gegenüber dem Jahr 2000 hat sie sich damit in etwa halbiert. Insbesondere
angesichts dieser dramatischen Entwicklung ist die Einführung eines kommu-
nalen Wahlrechts für Drittstaatenangehörige zwingend geboten, um eine politi-
sche Teilhabe hier lebender Migrantinnen und Migranten zu sichern. Denn es
verletzt einen Kerngedanken der Demokratie, wenn dauerhaft in der Bundes-
republik Deutschland lebende Menschen über eine längere Zeit hinweg von
allen Ebenen der politischen Mitbestimmung per Wahl ausgeschlossen werden.
Drittstaatenangehörigen darf das Wahlrecht nicht mit dem unzulässigen und
realitätsfernen Argument verwehrt werden, sie könnten sich doch einbürgern
lassen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich vor dem Hintergrund der massiv rückläufigen Einbürgerungszahlen für ein
kommunales Wahlrecht für Drittstaatenangehörige – auch gegenüber den
Bundesländern – einzusetzen und entsprechend gesetzgeberisch initiativ zu
werden.

Berlin, den 26. Mai 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung
Wie koordinierte Länderanfragen in den Bundesländern und journalistische
Recherchen ergeben haben, wird der Rückgang der Einbürgerungszahlen im
Jahr 2008 vermutlich über 15 Prozent – und damit seit dem Jahr 2000 etwa
50 Prozent – betragen (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 29. April 2009). Die
aktuellen Einbürgerungszahlen liegen damit sogar deutlich unterhalb der Werte,
wie sie zuletzt vor der Staatsangehörigkeitsrechtsreform des Jahres 2000 er-
reicht wurden.

Drucksache 16/13165 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zum kommunalen Ausländer-
wahlrecht vom 31. Oktober 1990 (BVerfGE 83, 37 und BVerfGE 83, 60) ent-
spricht es der „demokratische Idee“, „eine Kongruenz zwischen den Inhabern
demokratischer politischer Rechte und den dauerhaft einer bestimmten staat-
lichen Herrschaft Unterworfenen herzustellen“. Auf die infolge von Einwande-
rungsprozessen veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung müsse „nach
geltendem Verfassungsrecht“ mit Erleichterungen des Erwerbs der deutschen
Staatsangehörigkeit für dauerhaft hier lebende nichtdeutsche Staatsangehörige
reagiert werden, so das Verfassungsgericht. Da Einbürgerungen jedoch gerade
nicht wirksam erleichtert wurden, ist eine Änderung des Grundgesetzes zur
Ermöglichung des kommunalen Ausländerwahlrechts erforderlich. Vier von
sieben bei der Anhörung des Innenausschusses am 22. September 2008 zu die-
sem Thema befragten Sachverständigen (vgl. Protokoll 16/74) befanden, dass
nicht etwa die Ewigkeitsklausel nach Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes
einer solchen Verfassungsänderung entgegenstünde, wie dies von Gegnern des
kommunalen Ausländerwahlrechts regelmäßig vorgetragen wird. Ein Sachver-
ständiger hielt diese Frage rechtlich für offen, sie bedürfe einer politischen
Entscheidung und verfassungsrichterlichen Klärung. Der Sachverständige
Dr. Felix Hanschmann bewertete die Entwicklung seit der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts wie folgt: „Kombiniert man jedoch die Vorenthal-
tung des Wahlrechts mit einer restriktiven Einbürgerungspolitik, stellt man die
Inkongruenz zwischen Wahlberechtigten und Herrschaftsunterworfenen auf
Dauer“ (vgl. Ausschussdrucksache 16(4)459, S. 23).

Aus Sicht des Deutschen Bundestages sind sowohl Einbürgerungserleichterun-
gen als auch die Einführung des Wahlrechts für dauerhaft hier lebende Migran-
tinnen und Migranten erforderlich.

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