BT-Drucksache 16/12985

zu dem Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/9630- Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements aufheben

Vom 12. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12985
16. Wahlperiode 12. 05. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Ekin Deligöz, Kai Gehring,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/9630 –

Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements
aufheben

A. Problem

Der Antrag betont, dass bürgerschaftliches Engagement eine wichtige Möglich-
keit für die Beteiligung Älterer an der Gesellschaft sei. Von den ca. 23 Millionen
freiwillig Engagierten in Deutschland seien bereits heute 30 Prozent älter als
60 Jahre. Gleichwohl gebe es zahlreiche Beispiele für Altersdiskriminierung im
Bereich des bürgerschaftlichen Engagements. Der Antrag fordert, Gesetze und
Vorschriften des Bundes auf bestehende diskriminierende Altersgrenzen zu
überprüfen und diese gegebenenfalls aufzuheben.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/12985 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9630 abzulehnen.

Berlin, den 6. Mai 2009

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kerstin Griese
Vorsitzende

Markus Grübel
Berichterstatter

Sönke Rix
Berichterstatter

Sibylle Laurischk
Berichterstatterin

Elke Reinke
Berichterstatterin

Britta Haßelmann
Berichterstatterin

Gleichbehandlungsgesetzes zu halten.
ten oder es bis zu Beginn der Amtsperiode vollenden würden.
Dies bedeute, dass das Schöffenamt faktisch maximal bis in
III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Rechtsausschuss hat in seiner 139. Sitzung am 6. Mai

das 75. Lebensjahr hinein ausgeübt werden könne. Die Bun-
desregierung habe in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der
Fraktion der FDP auf die Bedeutung der physischen Stabilität
der an einem Verfahren beteiligten Personen hingewiesen, da
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12985

Bericht der Abgeordneten Markus Grübel, Sönke Rix, Sibylle Laurischk,
Elke Reinke und Britta Haßelmann

I. Überweisung der Vorlage

Der Antrag auf Drucksache 16/9630 wurde in der 179. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 25. September 2008
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur federführenden Beratung und dem Rechtsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag stellt fest, dass die gestiegene Lebenserwartung
und die Alterung der Gesellschaft mit einer Ausdehnung der
Jahre einhergingen, in denen eine selbstständige Lebensfüh-
rung möglich bleibe. Es sei daher an der Zeit, auch für diese
Lebensphase Angebote und Rahmenbedingungen zu schaf-
fen, die allen Menschen unabhängig von ihrem Lebensalter
Chancen eröffnen, ihre Fähigkeiten zu entfalten und ihre
Erfahrung sowie ihr Wissen einzubringen. Eine wichtige
Möglichkeit für die Beteiligung älterer Menschen an der Ge-
sellschaft sei das bürgerschaftliche Engagement. Diese be-
sondere Form der gesellschaftlichen Teilhabe stelle ein
wichtiges Element für eine solidarische und soziale Gesell-
schaft dar. Neue Möglichkeiten der Einmischung und Parti-
zipation im Alter zu finden werde aber bisher zu häufig den
Einzelnen überlassen. Für eine älter werdende Gesellschaft
sei es jedoch entscheidend, das Engagementpotenzial Älte-
rer auszuschöpfen. Auch aufgrund bestehender Altersgren-
zen in Gesetzen und sonstigen Vorschriften geschehe dies
bisher nicht in ausreichendem Maße.

Vor diesem Hintergrund fordert der Antrag die Bundesregie-
rung auf,

– sämtliche Gesetze und sonstige Vorschriften des Bundes
dahingehend zu überprüfen, ob diskriminierende Alters-
grenzen bestehen und diese gegebenenfalls zu ändern
seien;

– die bestehende obere Altersgrenze für Schöffinnen und
Schöffen in § 33 des Gerichtsverfassungsgesetzes aufzu-
heben;

– den notwendigen Infrastrukturausbau für das bürger-
schaftliche Engagement älterer Menschen zu unterstüt-
zen und langfristig zu sichern;

– sich dafür einzusetzten, die Beteiligungsmöglichkeiten
älterer Bürgerinnen und Bürger zu erweitern und beste-
hende Diskriminierungen abzubauen;

– auch auf die Länder und Kommunen dahingehend einzu-
wirken, die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie
umzusetzen und sich an die Vorgaben des Allgemeinen

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
im federführenden Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend

1. Abstimmungsergebnis

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 87. Sitzung am 6. Mai 2009 beraten und
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags.

2. Inhalt der Ausschussberatung

In der Ausschussberatung erklärte die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN, dass die Zahl der älteren Menschen, die
bei guter gesundheitlicher Konstitution seien und engagiert
im Leben stünden, deutlich gewachsen sei. Die kulturelle
und gesellschaftliche Teilhabe sowie das Einbringen von Er-
fahrung und Wissen älterer Menschen in bürgerschaftliches
Engagement so lange wie möglich zu erhalten, sei daher ein
wichtiges Anliegen. Es gebe jedoch eine Reihe von diskrimi-
nierenden Altersgrenzen im bürgerschaftlichen Engage-
ment, die es zu ändern gelte, da sie auf einem nicht mehr zeit-
gemäßen Altersbild beruhten. Der Antrag fordere daher,
bestehende diskriminierende Altersgrenzen im bürgerschaft-
lichen Engagement – insbesondere auf Bundesebene – auf-
zuheben. Eine konkrete Handlungsmöglichkeit stelle § 33
des Gerichtsverfassungsgesetzes dar, da dieser festlege, dass
die Benennung zum Schöffenamt nur bis zum 65. Lebensjahr
möglich sei. Auch in anderen Bereichen existierten zum Teil
verdeckte und unbewusste Altersgrenzen. In der Plenar-
debatte am 25. September 2008 habe die Bundesregierung
darauf hingewiesen, dass sie ein Gutachten zur Frage der
Altersgrenzen und der gesellschaftlichen Teilhabe in Auftrag
gegeben habe. Von allgemeinem Interesse sei, ob hierzu in-
zwischen Ergebnisse vorlägen.

Die Fraktion der CDU/CSU betonte, dass verschiedene
Fraktionen gegen diskriminierende Altersgrenzen aktiv ge-
worden seien. So habe beispielsweise die Fraktion der FDP
das Thema im Rahmen ihrer Großen Anfrage zu Seniorinnen
und Senioren in Deutschland beleuchtet, und die Bundes-
regierung habe hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass
mittlerweile im Entwurf vorliege. Nach § 33 Nummer 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes könnten Personen zum Schöf-
fenamt berufen werden, die das 70. Lebensjahr vollendet hät-
2009 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE.

bei einem krankheitsbedingten Ausfall Gerichtsverfahren
neu aufgerollt werden müssten. Insofern müsse eine Auf-

Drucksache 16/12985 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hebung der Altersgrenze im konkreten Fall gut überlegt sein.
Das Anliegen des Antrages sei im Übrigen mit dem Gutachten
der Bundesregierung bereits aufgegriffen worden. Die Ergeb-
nisse des Gutachtens würden dazu beitragen, diskriminieren-
de Altersgrenzen – nicht nur im Ehrenamt – zu überdenken.

Die Fraktion der FDP betonte, in Anbetracht einer al-
ternden Gesellschaft müssten bestehende Altersgrenzen
grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. Auch bei
Schöffinnen und Schöffen werde es immer schwieriger,
bürgerschaftlich Engagierte zu finden, die ein solches Amt
übernehmen. Der vorliegende Antrag sei insofern berechtigt,
greife jedoch ein wenig zu kurz, weil er ausschließlich auf
die Altersgrenzen im Ehrenamt fokussiert sei. Denn auch in
anderen Bereichen gebe es Formen der Altersdiskriminie-
rung, wie zum Beispiel bei der Kreditvergabe durch Banken.
Kreditverträge schrieben häufig vor, dass eine Geldrückzah-
lung bis spätestens zum 70. Lebensjahr zu erfolgen habe.
Dies erschwere beispielsweise auch die Unternehmensgrün-
dung von Personen, die aufgrund ihrer vielfältigen Erfahrun-
gen eines reichen Berufslebens erst in fortgeschrittenerem
Alter selbstständig werden wollten.

Die Fraktion der SPD konstatierte, Altersgrenzen zu ziehen

schlägt Brücken“ bereits aufgegriffen worden. Hinzuweisen
sei auch darauf, dass die Beteiligung von Seniorinnen und
Senioren hauptsächlich in den Ländern und Kommunen
stattfinde, weshalb hier noch stärkere Bemühungen zu unter-
nehmen seien, ältere Menschen einzubeziehen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, sie unterstütze das An-
liegen des Antrags, die Altersgrenze für Schöffinnen und
Schöffen aufzuheben. Über die Kritik an der vorgeschlage-
nen Aufhebung der Altersgrenze für Schöffinnen und Schöf-
fen sei sie verwundert, da einerseits das Renteneintrittsalter
von der Bundesregierung auf 67 Jahre erhöht worden sei,
andererseits die Altersbegrenzung für die Berufung zum
Schöffenamt erhalten bleiben solle.

Der Vertreter der Bundesregierung wies darauf hin, dass
das Gutachten zum Thema „Altersgrenzen und gesellschaft-
liche Teilhabe“ mittlerweile im Entwurf vorliege und vor-
aussichtlich noch im Mai dieses Jahres veröffentlicht werde.
Im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements ließen sich
zwei Arten von Altersgrenzen feststellen: Zum einen bestün-
den Altersgrenzen für bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten,
beispielsweise für die Ausübung von Funktionen in einem
Verein, und zum anderen für bürgerschaftlich engagierte,
sei sowohl nach unten, wie die Beispiele Führerschein oder
Wahlalter zeigten, als auch nach oben schwierig, wie das
Beispiel der Schöffinnen und Schöffen verdeutliche. Be-
stehende Altersgrenzen hätten häufig eine Schutzfunktion
und seien nicht Ausdruck eines Diskriminierungswillens.
Dies gelte auch für die Altersregelung beim Schöffenamt,
wie die Bundesregierung plausibel dargelegt habe. Aller-
dings sei auch in diesem Fall sicherlich diskussionswürdig,
ob die Altersgrenze richtig gewählt sei. Das Anliegen, Al-
tersgrenzen aufzuweichen, ältere Menschen noch stärker zu
beteiligen und bürgerschaftliches Engagement für diese
Gruppe attraktiver zu gestalten, sei von der Bundesregierung
durch die Programme „Aktiv im Alter“ und „Engagement

insbesondere sozial engagierte Tätigkeiten in der direkten
Sorge um Personen, beispielsweise bei der sozialen Betreu-
ung von kranken, alten und pflegebedürftigen Menschen
oder in der Telefonseelsorge. Die Bundesregierung lege
grundsätzlich Wert darauf, dass im Bereich des bürgerschaft-
lichen Engagements eine Offenheit für alle Generationen ge-
währleistet sei. So sei beispielsweise ergänzend zum Frei-
willigen Sozialen und Ökologischen Jahr ab dem 1. Januar
2009 der Freiwilligendienst aller Generationen eingeführt
worden, der allen Generationen offen stehe. Das Gutachten
bilde eine gute Grundlage dafür, die bestehenden Altersgren-
zen in den unterschiedlichen Handlungsfeldern differenziert
zu diskutieren.

Berlin, den 6. Mai 2009

Markus Grübel
Berichterstatter

Sönke Rix
Berichterstatter

Sibylle Laurischk
Berichterstatterin

Elke Reinke
Berichterstatterin

Britta Haßelmann
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.