BT-Drucksache 16/12793

Unterstützung der Bundeswehr für den Kameradenkreis der Gebirgstruppe und dessen Haltung zu Kriegsverbrechen

Vom 24. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12793
16. Wahlperiode 24. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Heike Hänsel, Inge Höger,
Kersten Naumann, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

Unterstützung der Bundeswehr für den Kameradenkreis der Gebirgstruppe
und dessen Haltung zu Kriegsverbrechen

Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe wird am 17. Mai 2009 seine traditionelle
Gedenkfeier für „gefallene“ Gebirgstruppenangehörige auf dem Hohen Brendten
bei Mittenwald (Bayern) durchführen.

Die Fragesteller haben schon mehrfach ausgeführt, dass der Kameradenkreis die
Wehrmachts-Gebirgstruppen trotz ihrer massenhaften Verbrechen für traditions-
würdig hält. Sein Ehrenpräsident war der in Nürnberg wegen Kriegsverbrechen
verurteilte General a. D. Hubert Lanz. Bis heute bekennt sich der Verein zu die-
sem faschistischen Massenmörder. Noch im vergangenen Jahr zitierte der Vor-
sitzende der Mittenwalder Ortskameradschaft Hubert Lanz mit den Worten, die
deutschen Gebirgstruppen hätten zur „Elite“ der Wehrmacht gehört.

Eine Darstellung von Hermann Frank Meyer aus dem vergangenen Jahr („Blu-
tiges Edelweiß“) zeigt, wie blutbesudelt diese Elite war. Auf 800 Seiten weist
Hermann Frank Meyer Dutzende von Massakern nach. Dennoch behauptet die
Bundesregierung, es sei „historisch falsch“, von einer verbrecherischen Ge-
schichte der Gebirgstruppen zu sprechen. Die Bundeswehr arbeitet intensiv
mit diesem Verein zusammen und unterstützt damit dessen geschichtsrevisio-
nistische Positionen.

Als aktueller Nachweis des Geschichtsrevisionismus mag ein in der Dezem-
berausgabe 2008 des Vereinsorgans „Die Gebirgstruppe“ erschienenes, von der
Redaktion als „ausgewogene Stellungnahme“ bezeichnetes Pamphlet des Chefs
des Bayerischen Soldatenbundes, Generalmajor der Bundeswehr a. D. Jürgen
Reichardt, dienen. Dieser nimmt Stellung zu einem Kriegsverbrecherprozess in
München (Scheungraber-Verfahren), in dem es um die Ermordung von 14 un-
bewaffneten Zivilisten durch eine Wehrmachtseinheit im Sommer 1944 geht.
Jürgen Reichardt empört sich zunächst darüber, dass sich im Sprachgebrauch der
Begriff „unschuldige Zivilisten“ eingebürgert habe, „was ja wohl bedeuten soll,
dass Soldaten immer irgendwie schuldig sind. Inzwischen schuldiger als
Partisanen und Freischärler!“ Nicht einmal die Wehrmacht hatte allerdings
behauptet, die im Juni 1944 Ermordeten seien Partisanen gewesen. Jürgen

Reichardt bezeichnet das Massaker als „Kriegshandlung“, die auch heute von
Bundeswehrangehörigen verübt werde könnte: „Auch unsere Soldaten können
heute noch in Situationen geraten, in denen sie aus Angst, Kurzschluss oder
Wut, etwa über eine grausame Behandlung gefangener Kameraden, überreagie-
ren, wie jüngst ein Vorfall in Kunduz gezeigt hat.“ Damit spielt Jürgen Reichardt
auf die Tötung mehrer Zivilisten durch einen Bundeswehrposten in Afghanistan
an.

Drucksache 16/12793 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wann immer die Fraktion DIE LINKE. auf die geschichtsrevisionistische Politik
des Kameradenkreises hinweist, zieht sich die Bundesregierung darauf zurück,
sie kommentiere nicht Äußerungen von „Privatpersonen“, ungeachtet des Um-
standes, dass es sich bei diesen Personen um führende Funktionäre des Kamera-
denkreises handelt. Durch die fortwährende Unterstützung des Kameradenkrei-
ses werden Bekundungen der Art, die Wehrmacht sei für die Bundeswehr nicht
vorbildstiftend, unglaubwürdig.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundeswehr die diesjährige Veranstaltung des Kameradenkreises
auf dem Hohen Brendten unterstützen, und wenn ja,

a) welche konkreten Unterstützungsleistungen sind geplant,

b) wie viele Soldaten sollen insgesamt zum Einsatz kommen,

c) mit welchen konkreten Aufgaben sollen diese betraut werden,

d) wird wieder ein Shuttle-Service für Besucherinnen und Besucher der Ver-
anstaltung angeboten,

e) werden Musikgruppen der Bundeswehr auftreten, und wenn ja, welche,

f) welche materiellen Unterstützungsleistungen werden erbracht,

g) welche weiteren Vergünstigungen werden dem Kameradenkreis gewährt,

h) welche Kosten entstehen für die Unterstützungsleistungen (bitte einzeln
aufgliedern), und wer kommt für diese auf,

i) werden im Vorfeld Unterstützungsleistungen für die Organisation und
Vorbereitung (inklusive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) gewährt, und
wenn ja, welche?

2. Wird, wie in den Vorjahren, ein Angehöriger der Bundeswehr und/oder der
Bundesregierung eine Ansprache halten, und wenn ja, wer?

3. Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass die offiziellen Vertreter
der Bundeswehr den Veranstaltungsort verlassen werden, sobald die Ordens-
gemeinschaft der Ritterkreuzträger, NPD-Gliederungen, rechtsextreme Bur-
schenschaften oder andere Rechtsextremisten den Platz betreten und dort
vom Veranstalter geduldet oder gar ausdrücklich begrüßt werden, und wenn
nein, warum nicht?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass der Vorsitzende der
Ortskameradschaft Mittenwald bei einer Feierstunde am Tragtierdenkmal in
Mittenwald im vergangenen Jahr den Kriegsverbrecher General a. D. Hubert
Lanz mit den Worten zitierte, die Gebirgstruppen (bezogen auf die Wehr-
macht) hätten zur „Elite des Herzens und des Geistes“ gehört (jW, 5. Mai
2008)?

a) Sieht die Bundesregierung in dieser apologetischen Annäherung an
Hubert Lanz sowie an die Wehrmachts-Gebirgstruppen einen Nachweis
dafür, dass sich der Kameradenkreis von den Verbrechen der Wehrmacht
distanziere?

b) Wird die Bundesregierung hieraus die Konsequenz ziehen, nicht mehr,
wie im Vorjahr, Tragtiere und Soldaten für Kameraden-Gedenkstunden
am Tragtierdenkmal abzustellen?

c) Hält es die Bundesregierung weiterhin für unproblematisch, dass sich der
Verein bis heute nicht vom Massenmörder Hubert Lanz lossagt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12793

5. Sieht die Bundesregierung in dem Artikel des Generalmajor der Bundes-
wehr a. D. Jürgen Reichardt den Nachweis für das Bemühen um eine seriöse
Geschichtsaufarbeitung, insbesondere in der Bezeichnung des Massakers
vom Juni 1944 als „Kriegshandlung“, in der Soldaten „überreagiert“ hät-
ten?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage, auch Soldaten der Bundes-
wehr könnten „in Situationen geraten“, in denen sie Zivilisten „aus Angst,
Kurzschluss oder Wut“ umbringen und den dabei benutzten Vergleich mit
dem genannten Wehrmachtsmassaker?

7. Bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass auch im vergangenen Jahr
der Brigadier a. D. des österreichischen Bundesheeres, Josef Paul Puntigam,
vom Kameraden-Vereinschef Manfred Benkel namentlich auf dem Hohen
Brendten begrüßt wurde, als problematisch, angesichts der Tatsache, dass
Josef Paul Puntigam die These vertritt, es gebe eine „ungebrochene
Traditionslinie“ von terroristischen Eliteeinheiten der Wehrmacht („Branden-
burger“) bis zum Kommando Spezialkräfte?

8. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen dem Kameradenkreis und der
Bundeswehr im Jahr 2008 entwickelt?

a) Welche Formen der Zusammenarbeit bestehen zwischen dem Kamera-
denkreis und der Bundeswehr?

b) Wie oft hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr der Zeitschrift des
Kameradenkreises Artikel und/oder Bildmaterial überlassen?

c) Welche Veranstaltungen hat der Kameradenkreis im Jahr 2008 bislang
innerhalb militärischer Liegenschaften durchgeführt?

d) Sind der Bundeswehr hierdurch Kosten entstanden, und wenn ja, wofür,
in welcher Höhe, und wer kommt für diese auf?

e) Wer hat die Entscheidung getroffen, dem Kameradenkreis für seine
Mitgliederversammlung am 25. Oktober 2008 Zutritt zu einer Kaserne
zu gewähren, warum, und um welche Kaserne handelt es sich?

f) Welche Angehörigen der Bundeswehr haben außer Brigadegeneral Erich
Pfeffer bei dieser Gelegenheit Ansprachen gehalten (Gebirgstruppe 6/De-
zember 2008), und inwiefern haben sie bei diesen Ansprachen auf die
Kriegsverbrechen der Gebirgstruppen hingewiesen, sich von der Ein-
ladungspraxis des Kameradenkreises gegenüber Rechtsextremisten und
der Ehrung des Kriegsverbrechers Hubert Lanz distanziert?

g) Wer hat die vom Kameradenkreis im Offiziersheim der Kaserne ver-
speisten Weißwürste und Brezeln bezahlt?

9. Bleibt die Bundesregierung ungeachtet zahlreicher Nachweise über Kriegs-
verbrechen der Gebirgstruppe bei ihrer Aussage, es sei „historisch falsch“,
„von einer verbrecherischen Geschichte der Gebirgstruppen zu sprechen“?

10. Ist auch diese Kleine Anfrage wie in den Vorjahren von einem Mitglied des
Kameradenkreises der Gebirgstruppe beantwortet worden, und geht die Bun-
desregierung weiterhin davon aus, es gebe da keinen Interessenkonflikt?

Berlin, den 23. April 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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