BT-Drucksache 16/12764

Auswirkungen der neuen Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug - Bilanz zum 31. März 2009

Vom 20. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12764
16. Wahlperiode 20. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Petra Pau
und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der neuen Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug –
Bilanz zum 31. März 2009

Der anhaltende Rückgang der erteilten Visa zum Ehegattennachzug im Zuge der
Gesetzesänderung um über 20 Prozent zeigt, dass der mit den Sprachanforderun-
gen verbundene Eingriff in das Ehe- und Familienleben erheblich und nicht nur
vorübergehender Natur ist. Bezogen auf bestimmte bedeutende Herkunftsländer
ist der Rückgang des Ehegattennachzugs noch drastischer: In Bezug auf
Kasachstan betrug er 58 Prozent, bei Russland waren es 41 Prozent, Thailand
39 Prozent, Vietnam 35 Prozent, Türkei 33 Prozent (Vergleich der Jahre 2006
und 2008, d. h. der Jahre vor bzw. nach der Gesetzesänderung im August 2007;
ähnliche Werte ergeben sich bei einem Vergleich der ersten Halbjahre 2007 und
2008; vgl. Bundestagsdrucksachen 16/11997, Frage 1. c) und 16/10732, Anla-
ge 4). Ließen sich die geforderten Sprachkenntnisse leicht erwerben, z. B. in
drei bis vier Monaten, wie vielfach suggeriert wird, hätte die Zahl der erteilten
Visa im 1. Quartal 2008 in etwa dem Wert von vor der Gesetzesänderung ent-
sprechen müssen, tatsächlich aber lag er immer noch um über 30 Prozent darun-
ter. Im 4. Quartal 2008 gab es wieder einen Rückgang der erteilten Visa, d. h. es
muss davon ausgegangen werden, dass sich der Ehegattennachzug nun auf
einem niedrigeren Niveau einpendeln könnte.

Die Einreiseerlaubnis und damit das Zusammenleben der Ehegatten verzögert
sich aufgrund der Neuregelung in vielen Konstellationen erheblich, in Fällen des
Analphabetismus oder anderer Erschwernisse beim Spracherwerb sogar um
Jahre. Der Spracherwerb im Ausland ist zudem mit hohen und zum Teil enormen
Kosten sowie erheblichen Belastungen für die Betroffenen verbunden. In Ein-
zelfällen zerbricht auch die eheliche Bindung an den sich aus den gesetzlichen
Anforderungen ergebenden Verpflichtungen. Die Auswirkungen der Neurege-
lung können aber auch in anderem Sinne tragisch sein: Die türkischen Zeitungen
„ZAMAN“ und „TÜRKIYE“ berichteten am 3. März 2009 von einer schwange-
ren Türkin, die infolge des mit dem Visumsverfahren verbundenen Stresses ihr
Kind verlor. Ausnahmeregelungen für Schwangere sieht das Gesetz ebenso
wenig vor wie für ältere Menschen oder Analphabetinnen und Analphabeten. In
Bezug auf Letztere musste die Bundesregierung einräumen, dass diesen die An-

eignung der geforderten Sprachkenntnisse im „Selbststudium“ nicht möglich ist
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/11997, Frage 8. e) – die Möglichkeit eines
Selbststudiums dient ansonsten aber regelmäßig als Argument dafür, dass die
Sprachanforderungen auch in den Fällen verhältnismäßig seien, in denen keine
Sprachkursangebote vor Ort zur Verfügung stehen (vgl. z. B. Bundestagsdruck-
sache 16/11997, Frage 8. b). Die Bundesregierung hält in diesem Zusammen-
hang angesichts der „betroffenen öffentlichen Belange“ selbst den Besuch eines

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1 000-stündigen, kostenaufwändigen Sprachunterrichts im Ausland für zumut-
bar und spricht von „persönlichen Erschwernissen beim Spracherwerb, wie etwa
aufgrund von Analphabetismus, die jedoch durch eigene Anstrengungen über-
wunden werden können“ (vgl. ebd. bzw. Antwort zu Frage 8c).

Vielfach wird zur Rechtfertigung der Neuregelung auch der Eindruck erweckt, die
Sprachanforderungen seien leicht zu erfüllen. Dagegen spricht jedoch bereits der
Umstand, dass über 40 Prozent aller Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer
– und zwar inklusive aller Wiederholungsprüfungen! – die Sprachprüfung „Start
Deutsch 1“ nicht bestehen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/10732, Anlage 6).

Den erwiesenen erheblichen Belastungen der Neuregelung für viele Ehegatten
steht der zweifelhafte und unbelegte „Nutzen“ der Regelung in Bezug auf die
vorgegebenen Ziele der Gesetzesänderung gegenüber. Zu unterscheiden ist da-
bei zwischen dem angeblichen Ziel der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen
und dem der angeblichen Förderung der Integration der Betroffenen (vgl. Bun-
destagsdrucksache 16/7288, Frage 22).

Die Einschränkung des Grundrechts nach Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) mit
dem Ziel der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen ist besonders begrün-
dungsbedürftig, weil sie einerseits alle betrifft (d. h. z. B. auch männliche Ehe-
gatten, die in der Regel keine schutzbedürftigen Opfer von Zwangsverheiratun-
gen sind, sowie Ehegatten beiderlei Geschlechts aus Ländern, in denen es keine
Zwangsverheiratungen gibt), während andererseits Zwangsverheiratungen beim
Ehegattennachzug nur im Ausnahmefall überhaupt eine Rolle spielen (so auch
die Bundesregierung, vgl. Bundestagsdrucksache 16/7288, Frage 23). Die Bun-
desregierung konnte bislang keine nachvollziehbaren Belege für die Behaup-
tung vorbringen, die Neuregelung diene dem Kampf gegen Zwangsverheiratun-
gen, nicht einmal genauere Zahlen über das Ausmaß von Zwangsverheiratungen
liegen vor (vgl. Bundestagsdrucksache 16/8121, Frage 7). Ebenso wenig gibt
es „Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen Fällen von Zwangs-
verheiratung und der Teilnahme an Integrationskursen“ (Bundestagsdrucksache
16/10732, Frage 6).

Es kommt hinzu: Ein überdurchschnittlich hoher Rückgang der erteilten Visa
zum Ehegattennachzug nach der Einführung von Sprachnachweisen ist wie
dargelegt z. B. in Bezug auf die Länder Kasachstan und Russland feststellbar,
betroffen ist vor allem der Nachzug zu deutschen Spätaussiedlerinnen und -aus-
siedlern (vgl. Migrationsbericht 2007, Bundestagsdrucksache 16/11300, S. 97).
Von Zwangsverheiratungen ist in diesem Zusammenhang bislang jedoch nichts
bekannt geworden, dennoch trifft die Neuregelung diese Gruppe offenkundig
besonders hart (gleiches gilt z. B. für die Länder Dominikanische Republik,
Kirgisien, Kuba, Usbekistan, die alle einen Rückgang von über 50 Prozent auf-
weisen, vgl. Bundestagsdrucksache 16/11997, Frage 1c).

Dass der Deutsch-Spracherwerb an sich nicht vor Zwangsverheiratungen
schützt, zeigt bereits der Umstand, dass auch in Deutschland aufgewachsene und
sozialisierte Frauen mit perfekten Deutschkenntnissen zwangsverheiratet wer-
den (sollen). Gleiches gilt für das Argument der Gesetzesbegründung zu § 30
des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), wonach „gebildete Männer und Frauen“
„nach dem Familienbild der betreffenden Kreise unattraktiver“ für Zwangsver-
heiratungen seien (allerdings sind einfache Sprachkenntnisse nicht mit „Bil-
dung“ gleichzusetzen). Da durch die Hürde der Sprachanforderungen Opfer von
Zwangsverheiratungen im Ausland (zunächst) keinen Zugang zu entsprechen-
den Beratungs- und Hilfsangeboten in Deutschland erhalten, solange sie
Deutsch lernen müssen, spricht vieles dafür, dass die gesetzliche Regelung
bezüglich des vorgeblichen Ziels der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen
sogar kontraproduktiv ist.

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Eine kontraproduktive Wirkung ist vor allem auch bezüglich des zweiten Ar-
guments, die Neuregelung diene einer besseren/vorbereitenden Integration der
Betroffenen, feststellbar. Denn natürlich ist das Erlernen der deutschen Sprache
in Deutschland, d. h. mit der Hilfe der hier lebenden Ehegatten und sonstigen
Familienangehörigen und Freunde, unterstützt durch die praktische Sprach-
anwendung im Lebensalltag und vor allem angesichts des hiesigen umfang-
reichen Sprachkursangebots viel leichter, schneller, kostengünstiger und weitaus
weniger belastend für die Betroffenen als im Ausland. Die Bundesregierung hält
dem entgegen, „dass das gesetzgeberische Anliegen, den Erwerb von Sprach-
kenntnissen tatsächlich sicherzustellen, nicht durch mildere Mittel wie etwa eine
Sprachkursverpflichtung nach der Einreise im Inland erreicht werden kann, da
letztere den erfolgreichen Abschluss nicht sicherstellt. Eine derartige Maß-
nahme ist daher zwar weniger belastend, aber zur Verwirklichung des gesetzge-
berischen Ziels nicht gleichermaßen geeignet“ (Bundestagsdrucksache 16/11997,
Frage 8c; vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/7288, Frage 23b und 23c). Eine
solche Argumentation unterstellt jedoch, dass Sprachkursteilnehmerinnen und
- teilnehmer in Deutschland selbst nach einem verpflichtenden mindestens
600stündigen Sprachunterricht (möglich sind bis zu 1 200 Stunden!) nicht das
Sprachniveau A1 erreichen würden, das beim Ehegattennachzug für die Einreise
verlangt wird! Dies ist absurd und wäre überdies eine Bankrotterklärung für die
ansonsten von der Bundesregierung hoch gelobten Integrationskurse.

Soweit zur Rechtfertigung in diesem Zusammenhang weiter vorgebracht wird,
etwa von Reinhard Grindel (CDU, Plenarprotokoll 16/209, S. 22637), „dass die
Familien, die es besonders nötig haben, … gerade diejenigen sind, von denen
diese Angebote [Integrationskurse] nicht angenommen werden“, und es deswe-
gen „auf die vorbereitende Integration in den Herkunftsländern“ ankomme, ver-
kennt dies dreierlei: Zum ersten kann nach § 44a Absatz 3 Satz 2 AufenthG die
gesetzliche Teilnahmepflicht an Sprachkursen „mit Mitteln des Verwaltungs-
zwangs“ durchgesetzt werden, und bei einer Verletzung dieser Teilnahmepflicht
kann der voraussichtliche Kostenbeitrag zudem durch Gebührenbescheid ein-
gefordert werden. Zum zweiten ist die Teilnahmequote an Integrationskursen
gerade bei Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderern aus der Türkei – d. h. ge-
nau bei der Zuwanderungsgruppe, mit der die Notwendigkeit eines Sprach-
erwerbs im Ausland zumeist begründet wird, – mit 94 Prozent bezogen auf die
Jahre 2005 bis 2007 besonders hoch (vgl. Bundestagsdrucksache 16/9137, An-
lage 3: der Durchschnitt liegt bei 70 Prozent, zu berücksichtigen sind unter-
schiedliche Fristen für die Aufnahme eines Kurses sowie Geburten, Kinderbe-
treuungszeiten, Krankheiten, Ausbildungen usw., die einer Sprachkursaufnahme
entgegenstehen können). Zum dritten ist auch die Argumentation, „das Aufent-
haltsrecht gibt es nicht her, jemanden abzuschieben, nur weil er die Integrations-
kurse nicht besucht“ (Reinhard Grindel, CDU, Plenarprotokoll 16/209,
S. 22 637), schlicht falsch: Nach § 8 Absatz 3 Satz 2 und 3 AufenthG besteht die
Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlängern, wenn die Pflicht, an
einem Integrationskurs teilzunehmen, wiederholt oder gröblich verletzt wurde.
Ohnehin kann Leistungsempfängerinnen und -empfängern die Hilfe zum
Lebensunterhalt bis auf Null reduziert werden, wenn der behördlichen Auffor-
derung zur Integrationskursteilnahme nicht gefolgt wird (etwa im Rahmen einer
Eingliederungsvereinbarung mit dem Leistungsträger, vgl. § 31 des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch – SGB II) – der angebliche Zweck einer besseren
Integration bzw. der Verhinderung eines so genannten „Zuzugs in die sozialen
Sicherungssysteme“ wird insofern bereits durch diese Regelungen erreicht.
Dafür ist ja leider gesetzgeberisch gesorgt worden.

Dass die Neuregelung der Sprachanforderungen vor allem eine Selektionswir-
kung hinsichtlich der sozialen Herkunft, des Bildungsstandes und des Altes hat,

musste die Bundesregierung zumindest indirekt einräumen. Als Erklärung für
den überdurchschnittlich hohen Rückgang des Ehegattennachzugs bei bestimm-

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ten Herkunftsländern gab sie an: „Ehegatten mit nur geringem Bildungsstand
und hohem Lebensalter benötigen häufig eine längere Sprachvorbereitung“
(Bundestagsdrucksache 16/11997, Frage 3). Diesen Rückgang hingegen „auch
auf die Einführung der Altersgrenze beim Ehegattennachzug“ zurückzuführen
(vgl. ebd.), ist angesichts eines Anteils von unter 18-Jährigen beim Ehegatten-
nachzug im Jahr 2006 in Höhe von 0,75 Prozent (Türkei: 1,7 Prozent) nicht
nachvollziehbar bzw. quantitativ zu vernachlässigen (vgl. Migrationsbericht
2006, Bundestagsdrucksache 16/7705, S. 93). Eine Benachteiligung von Ehe-
gatten, die „aufgrund phonetischer Schwierigkeiten regelmäßig eine längere
Sprachausbildung“ benötigen, hat die Bundesregierung in Bezug auf „thailändi-
sche Antragsteller“ eingeräumt (Bundestagsdrucksache 16/11997, Frage 3).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Visa zum Ehegattennachzug wurden im 1. Quartal des Jahres 2009
erteilt (bitte auch den Vergleichswert für das 4. Quartal 2008 sowie den
prozentualen Rückgang oder Anstieg benennen)?

a) Wie lauten die entsprechenden Angaben zu den 15 stärksten Herkunftslän-
dern, differenziert nach Ländern (bitte auch die Summe aller 15 Länder
nennen)?

b) Wie lauten die entsprechenden Angaben zu den 15 stärksten Herkunfts-
ländern, differenziert nach Zuzug zu Deutschen/Nicht-Deutschen/Ehe-
frauen/Ehemännern (bitte zusätzlich auch Angaben für das Gesamtjahr
2008 machen)?

c) Wie lauten die entsprechenden Angaben zu den Herkunftsländern Nigeria,
Dominikanische Republik, Kirgisien, Kasachstan, Kuba, Usbekistan, Sri
Lanka, Vietnam, Kosovo und Bosnien-Herzegowina (soweit sie nicht be-
reits in Frage 1a enthalten sind)?

2. Wie lautet die gesonderte Statistik des Auswärtigen Amts zum Sprachnach-
weis beim Ehegattennachzug für die zehn Hauptherkunftsländer (vgl. An-
lage 2 zu Bundestagsdrucksache 16/9137) für das 1. Quartal 2009 (bitte auch
die Vergleichswerte des 4. Quartals 2008 benennen)?

3. Geht die Bundesregierung angesichts eines Rückgangs der erteilten Visa zum
Ehegattennachzug im Zuge der Neuregelung der Sprachanforderungen um
über 20 Prozent bzw. in Bezug auf wichtige Hauptherkunftsländer sogar um
zum Teil weit über 33 Prozent und angesichts der zum 4. Quartal 2008 erneut
gesunkenen Zahlen (vgl. Vorbemerkung) immer noch davon aus, dass es sich
um einen „vorübergehenden“ Rückgang handelt, und wenn ja, wie begründet
sie ihre mit den statistischen Werten nicht in Einklang zu bringende Auffas-
sung – auch angesichts des Umstandes, dass der Rückgang der erteilten Visa
von 2002 bis 2006 unter anderem mit dem Beitritt von zehn Ländern zur Eu-
ropäischen Union erklärt werden muss und dass die seit 2002 rückläufige
Entwicklung im Jahr 2006 weitgehend gestoppt war?

4. Ist die Bundesregierung angesichts ihrer Aussage auf Bundestagsdrucksache
16/7408 (Frage 6) „Es kann derzeit auch nicht vorhergesagt werden, ob und
inwieweit diese Regelungen zu einem Rückgang der Antragszahlen führen
werden“ von dem dann erheblichen Rückgang der Visumszahlen überrascht
gewesen, und welche Schlussfolgerungen hat sie hieraus gezogen?

5. Wie erklärt die Bundesregierung die weit unterdurchschnittlichen Bestehens-
quoten (die im Übrigen auch alle Fälle wiederholter Prüfungen umfassen!) in
Höhe von 33 Prozent bis 48 Prozent bei der Prüfung „Start Deutsch 1“ an
Goethe-Instituten in den Ländern Äthiopien, Bangladesch, Ghana, Jordanien,
Kamerun, Kasachstan, Kosovo, Nigeria, Sir Lanka und Syrien (vgl. Bundes-

tagsdrucksache 16/11997, Anlage zu Frage 7; bitte differenzierte und mög-
lichst länderbezogene Angaben machen)?

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6. Wie erklärt die Bundesregierung unterdurchschnittliche Bestehensquoten in
Höhe von 34 Prozent bis 39 Prozent bezüglich der Länder Äthiopien, Bang-
ladesch und Nigeria und 47 Prozent bezüglich Jordanien bei Prüfungsteil-
nehmerinnen und Teilnehmern, die zuvor einen Sprachkurs des Goethe-
Instituts besucht haben (vgl. Bundestagsdrucksache 16/11997, Anlage zu
Frage 7), und welche Schlussfolgerungen zieht sie hieraus?

7. Wie erklärt die Bundesregierung, dass in den Ländern Albanien, Singapur
und Südafrika die Bestehensquoten der so genannten externen Prüfungsteil-
nehmerinnen und -teilnehmer (zum Teil wesentlich) besser waren als bei
denjenigen, die zuvor einen Sprachkurs des Goethe-Instituts besucht hatten
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/11997, Anlage zu Frage 7), und welche
Schlussfolgerungen zieht sie hieraus?

8. Wie hoch waren die Prüfungszahlen und Bestehensquoten bei Prüfungen
„Start Deutsch 1“ der Goethe-Institute im Jahr 2008 insgesamt (bitte den
Gesamtwert weltweit angeben und zusätzlich nach den zehn wichtigsten
Herkunftsländern sowie den zehn Ländern mit den niedrigsten Quoten und
jeweils immer auch nach internen und externen Prüfungsteilnehmern/-teil-
nehmerinnen differenzieren)?

9. Entspricht es der Auffassung der Bundesregierung, dass bei „älteren Men-
schen“ „aus humanitären Gründen keine Deutschkenntnisse verlangt wer-
den können“, wie z. B. Reinhard Grindel (CDU) im Plenum des Deutschen
Bundestages sagte (Plenarprotokoll 16/209, S. 22636), und wenn ja, warum
werden von älteren Menschen dennoch Sprachkenntnisse vor der Einreise
im Rahmen des Ehegattennachzugs verlangt?

10. Entspricht es der Auffassung der Bundesregierung, dass bei „behinderten
Menschen“ „aus humanitären Gründen keine Deutschkenntnisse verlangt
werden können“, wie z. B. Reinhard Grindel (CDU) im Plenum des Deut-
schen Bundestages sagte (Plenarprotokoll 16/209, S. 22636), und wenn ja,
wieso werden von behinderten Menschen dennoch Sprachkenntnisse vor
der Einreise im Rahmen des Ehegattennachzugs verlangt, es sei denn, die
Behinderung steht dem Sprachnachweis entgegen?

11. Ist es zutreffend, dass es „das Aufenthaltsrecht … nicht her“ gibt, „jeman-
den abzuschieben, nur weil er die Integrationskurse nicht besucht“, wie
Reinhard Grindel (CDU) im Plenum des Deutschen Bundestages sagte
(Plenarprotokoll 16/209, S. 22637; bitte begründen)?

a) In welchen Fallkonstellationen bzw. bei welchen Personen- oder Länder-
gruppen besteht kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
im Sinne des § 8 Absatz 3 Satz 2 AufenthG, so dass die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis bei verweigerter Integrationskursteilnahme versagt
werden soll?

b) In welchen Fallkonstellationen bzw. bei welchen Personen- oder Länder-
gruppen besteht kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
„nach diesem Gesetz“ im Sinne des § 8 Absatz 3 Satz 3 AufenthG, so
dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bei verweigerter Integra-
tionskursteilnahme versagt werden kann, und fallen insbesondere tür-
kische Staatsangehörige unter Berücksichtigung des Assoziierungs-
abkommens hierunter, und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

c) Inwieweit und unter welchen Umständen ist die Versagung einer Ver-
längerung der Aufenthaltserlaubnis bei Ehegatten von in Deutschland
lebenden Personen (bitte differenzieren nach ausländischer und deut-
scher Staatsangehörigkeit) unter Berücksichtigung von Satz 4 des § 8
Absatz 3 AufenthG vorstellbar bzw. rechtlich zulässig?

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d) Ist es zutreffend, dass bei Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis
eine Ausreisepflicht einsetzt, die auch zur Abschiebung führen kann,
wenn die betroffene Person nicht „freiwillig“ ausreist (bitte begründen)?

e) Welche empirischen Erkenntnisse und Einschätzungen zur Anwendung
des § 8 Absatz 3 AufenthG liegen der Bundesregierung vor?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie häufig die Aus-
länderbehörden Personen, die ihrer Teilnahmepflicht aus von ihnen zu ver-
tretenden Gründen nicht nachgekommen sind,

a) nach § 44a Absatz 3 Satz 1 AufenthG auf die möglichen rechtlichen Aus-
wirkungen ihres Handelns hingewiesen haben,

b) nach § 44a Absatz 3 Satz 2 AufenthG durch Mittel des Verwaltungs-
zwangs zur Erfüllung der Teilnahmepflicht „angehalten“ haben,

c) nach § 44a Absatz 3 Satz 3 AufenthG Gebührenbescheide in welcher
Höhe erhoben haben,

und welche näheren Kenntnisse über die Staatsangehörigkeit und den Auf-
enthaltsstatus der betroffenen Personen gibt es?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie häufig Personen
die Hilfen zum Lebensunterhalt gekürzt oder gänzlich versagt wurden, weil
sie ihrer Pflicht zur Integrationskursteilnahme nicht nachgekommen sind,
und welche näheren Kenntnisse über die Staatsangehörigkeit und den Auf-
enthaltsstatus der betroffenen Personen gibt es?

14. Wie ist die Aussage „Der Gesetzgeber fordert die darin liegende Integra-
tionsbereitschaft [Aneignung einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache
einschließlich der grundlegenden Lese- und Schreibfertigkeiten] der zu-
ziehenden Ehegatten daher – abgesehen von den gesetzlichen Ausnahme-
tatbeständen – auch dann, wenn die persönlichen Ausgangsbedingungen
wie im Fall des Analphabetismus zu einem vergleichsweise hohen Auf-
wand beim Spracherwerb führen“ vereinbar mit dem Grundsatz der Gleich-
behandlung und mit Artikel 6 GG?

a) Welche Zeit einer durch die Notwendigkeit des Spracherwerbs beding-
ten Trennung von Eheleuten hält die Bundesregierung in Anbetracht der
Schutzverpflichtung nach Artikel 6 GG für zumutbar (bitte nicht antwor-
ten, dass dies nur im Einzelfall beantwortet werden könne, da das Gesetz
eine solche Berücksichtigung der Einzelfallumstände – abgesehen von
den gesetzlichen Ausnahmetatbeständen – gerade nicht vorsieht; bitte
auch nicht antworten, hierzu könnten abstrakt keine Angaben gemacht
werden, weil solche Überlegungen Teil der Prüfung der Verhältnismä-
ßigkeit des Gesetzes sein müssen)?

b) Inwieweit sieht die Bundesregierung die Verhältnismäßigkeit der
Sprachanforderungen als Voraussetzung des Ehegattennachzugs in Fäl-
len des primären Analphabetismus als gegeben an, vor der Hintergrund,
dass sie einerseits behauptet: „Soweit kein Sprachkursangebot vor Ort
besteht, ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unter anderem durch die
Bereitstellung von Fernlernangeboten Rechnung getragen“ (Bundes-
tagsdrucksache 16/11997, Frage 8b), zugleich aber einräumen muss,
dass „primäre Analphabeten die lateinische Schrift nicht im Wege des
Selbststudiums erlernen“ können (ebd., Frage 8e)?

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15. Wie hat der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und ehemalige
Bundesminister des Innern Rudolf Seiters darauf reagiert, dass die Bundes-
regierung entgegen seiner dringlichen Bitte, die auf den praktischen Erfah-
rungen des DRK basierte, keine Änderung bzw. Rückgängigmachung der
Neuregelung der Sprachanforderungen plant (vgl. Bundestagsdrucksache
16/11997, Frage 10)?

16. Welche genaue Position hat die Kommission der Europäischen Union zu
der von ihr laut Nachbericht des Bundesministeriums des Innern vom
29. September 2008 zur Ratssitzung der Justiz- und Innenminister am
25. September 2008 aufgeworfenen Frage eingenommen, ob die vom Bun-
desminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble befürwortete Änderung der
Freizügigkeitsrichtlinie aufgrund der so genannten Metock-Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) überhaupt notwendig sei, weil die
Richtlinie nur die bestehenden Verträge ausgestalte, und bedeutet dies nicht
in anderen Worten, dass die Kommission der Auffassung ist, dass die Fol-
gen aus dem Metock-Urteil selbst mit einer Richtlinienänderung nicht um-
gangen werden könnten, weil dies einen Eingriff in Primärrecht der Euro-
päischen Union darstellen würde (bitte ausführlich begründen)?

17. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, die Metock-Entschei-
dung ergebe sich nicht bereits aus dem Primärrecht der Europäischen Union
insbesondere angesichts der Einführung von Artikel 18 Absatz 1 der Ver-
träge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG)?

18. Worauf genau bezieht sich das Eingeständnis der Bundesregierung, wonach
die Ausführungen vom Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble
zum Metock-Urteil im Europäischen Rat der Justiz- und Innenminister von
Ende Februar 2009 im Nachbericht des Bundesministeriums des Innern
„insoweit verkürzend“ wiedergegeben worden seien (vgl. Bundestags-
drucksache 16/12456, S. 11, Antwort auf Frage 15), und was hat der
Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble im Europäischen Rat
tatsächlich gesagt, um seine Forderung zu begründen, infolge des Metock-
Urteils müsse über eine Änderung der Freizügigkeitsrichtlinie nachgedacht
werden?

a) Was bedeutet es konkret, dass „zum Teil bis zu 40 Prozent der in
Deutschland geborenen türkischstämmigen Personen eines Jahrgangs
Ehepartner aus der Türkei heiraten“ (vgl. Bundestagsdrucksache 16/
12456, S. 11, Antwort auf Frage 15) – was bedeutet „zum Teil“, was be-
deutet „bis zu“ und welche Jahrgänge sind betroffen?

b) Hat der Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble im Rat von
„Ehepartnern aus ländlichen Regionen in der Türkei“ gesprochen, wie im
Nachbericht des Bundesministeriums des Innern dargelegt, oder nicht,
und wenn ja, ist die Herkunft aus einer ländlichen Region nach Auffas-
sung der Bundesregierung gleichbedeutend mit der oder ein hinreichen-
des Indiz für die Annahme, Heiraten mit einer solchen Person könnten
nur „arrangiert“ sein und die Betroffenen seien nur „schwer integrier-
bar“, wie der Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble laut
Nachbericht im Europäischen Rat dargelegt haben soll (bitte begründen;
Wiederholung der unbeantwortet gebliebenen zweiten Teilfrage 15 auf
Bundestagsdrucksache 16/12356, S. 11), und inwieweit sieht es die Bun-
desregierung vor dem Hintergrund der Eheschließungsfreiheit als ein
Problem an, dass in Deutschland lebende Menschen mit Einwanderungs-
geschichte Personen aus dem ursprünglichen Herkunftsland heiraten?

c) Auf welche konkrete Quelle hat sich der Bundesminister des Innern
Dr. Wolfgang Schäuble gestützt, als er im Plenum des Deutschen Bun-

destages am 14. Juni 2007 sagte (Plenarprotokoll 16/103, S. 10598),

Drucksache 16/12764 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

„dass bis zu 50 Prozent der dritten Generation bestimmter zugewander-
ter Ehegatten haben, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind“, und
wie ist seine Auffassung nachvollziehbar zu begründen oder zu belegen,
dies spreche bereits dafür, „dass es sich oft um arrangierte Ehen“ handele
und dies „ein integrationsverhindernder Missbrauch“ sei (bitte ausführ-
lich begründen)?

d) Inwieweit soll die Metock-Entscheidung überhaupt die gesetzliche
Regelung der Sprachnachweise vor Einreise in Bezug auf Eheleute aus
der Türkei „gefährden“ können, wie vom Bundesminister des Innern
Dr. Wolfgang Schäuble im Februar-Rat laut Nachbericht suggeriert,
obwohl die Metock-Entscheidung überhaupt keine Auswirkungen auf
die Nachzugsregelungen zu in Deutschland lebenden türkischen Staats-
angehörigen oder Deutschen mit türkischer Herkunft hat (Wiederholung
der unbeantwortet gebliebenen zweiten Teilfrage 16 auf Bundestags-
drucksache 16/12356, S. 12)?

19. Wie viele Aufenthaltskarten an drittstaatsangehörige Familienangehörige
von Unionsbürgerinnen und Unionsbürger wurden im Jahr 2008 insgesamt
bzw. im letzten Quartal 2008 ausgestellt, und welche näheren Angaben
lassen sich zu den Staatsangehörigkeiten der Beteiligten, zu den bisherigen
Aufenthaltszeiten der in Deutschland lebenden Unionsbürgerinnen und
- bürgern und zu dem Anteil der direkt aus einem Drittland nach Deutsch-
land zugezogenen drittstaatsangehörigen Familienangehörigen machen?

20. Wieso konnte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Bundestagsdruck-
sache 16/12356 zu Frage 16 nicht einmal – wie ausdrücklich erbeten –
geschätzte Angaben dazu machen, wie viele Fälle des Ehegattennachzugs
von der Metock-Entscheidung betroffen seien, obwohl

a) der Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der 89. Sitzung des
Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 25. März 2009 dann
durchaus die Einschätzung einer überschaubaren Anzahl bzw. einer nur
sehr kleinen Personengruppe abgeben konnte;

b) das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 12. September
2008 die Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Län-
der angeschrieben hat (vgl. Anlage zum Schreiben des Staatssekretärs
Peter Altmaier an den Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses
Sebastian Edathy vom 31. März 2009) und hierin Fallzahlen zur Er-
stellung eines Lagebildes zum 31. Dezember 2008 erbat, die exakt zur
Beantwortung der unbeantwortet gebliebenen Frage hätten dienen
können (bitte ausführlich begründen)?

c) Welche Antworten bzw. Angaben hat das Bundesministerium des Innern
auf das unter Buchstabe b genannte Anschreiben an die Innenressorts der
Länder erhalten, d. h. wie viele Aufenthaltskarten an drittstaatsangehö-
rige Familienangehörige von Unionsbürgerinnen und -bürgern wurden
im 4. Quartal 2008 erteilt, wie viele dieser Drittstaatsangehörigen waren
aus einem Drittstaat eingereist, wie lange hielten sich die betroffenen
Unionsangehörigen zuvor in Deutschland auf, in wie vielen Fällen hatten
Deutsche von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht und wie
lange hatten sie sich zuvor in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten
usw. (bitte der Nummerierung des Schreibens des BMI vom 12. Septem-
ber 2008 folgen und Angaben so differenziert wie möglich machen)?

d) Wie hoch schätzt die Bundesregierung nunmehr die Fallzahl der vom
Metock-Urteil betroffenen Familien- bzw. Ehegattennachzugsfälle ein –
gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Anteil

des Ehegattennachzugs am gesamten Familiennachzug nach den lang-
jährigen Erfahrungen der Visastatistik etwa drei Viertel ausmacht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/12764

e) Welche konkreten Angaben zu den Gründen der Ablehnung der Ausstel-
lung von Aufenthaltskarten im 4. Quartal 2008 haben die Bundesländer
auf das Anschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. Sep-
tember 2008 hin gemacht, und wie hoch schätzen die Länder bzw.
schätzt das Bundesministerium des Innern vor dem Hintergrund dieser
Angaben die reale Missbrauchsgefahr und den Umfang möglichen Miss-
brauchs beim Familien- bzw. Ehegattennachzug zu Unionsbürgerinnen
und -bürgern ein (bitte ausführlich begründen)?

f) Liegen entsprechende Angaben zu den Buchstaben c und e auch für das
1. Quartal 2009 vor, und wenn ja, wie lauten diese, und wenn nein, wa-
rum führt das Bundesministerium des Innern keine weiteren entspre-
chenden Länderabfragen durch?

21. Warum genügt es dem Bundesministerium des Innern nicht, die nach Arti-
kel 35 der Freizügigkeitsrichtlinie zur Bekämpfung von Missbrauch mög-
lichen Maßnahmen zu ergreifen, wie von der Kommission und vom EuGH
vorgebracht, zumal die Auswirkungen des Metock-Urteils ohnehin nur eine
sehr kleine Personengruppe zu betreffen scheinen, und warum hält sie statt-
dessen eine Richtlinienänderung für erforderlich, die mit Einschränkungen
des Freizügigkeitsrechts für alle Betroffenen (d. h. unabhängig davon, ob
ein Missbrauch vorliegt oder nicht) verbunden wäre?

a) Für wie wahrscheinlich und verbreitet hält die Bundesregierung die sich
aus dem Metock-Urteil ergebende angebliche „Missbrauchsgefahr“, wo-
nach Deutsche einen „grenzüberschreitenden Bezug“ herstellen könn-
ten, um sich als „Rückkehrer“ auf die Freizügigkeitsrichtlinie beziehen
zu können, nur um die Sprachregelung beim Ehegattennachzug zu um-
gehen – auch in Anbetracht des damit verbundenen erheblichen Aufwan-
des (bitte begründen)?

b) Für wie wahrscheinlich und verbreitet hält die Bundesregierung die sich
aus dem Metock-Urteil angeblich ergebende „Missbrauchsgefahr“, wo-
nach Drittstaatsangehörige nicht die eigentlich angestrebte Ehe, sondern
stattdessen eine „Scheinehe“ mit in Deutschland lebenden Unionsange-
hörigen eingehen könnten, nur um die Sprachregelung beim Ehegatten-
nachzug zu umgehen – auch in Anbetracht des damit verbundenen straf-
rechtlichen Risikos und der Lebensferne solcher Gedankenspiele (bitte
begründen)?

c) Welche sonstigen Missbrauchsgefahren, die sich aus dem Metock-Urteil
ergeben könnten, sieht die Bundesregierung im Zusammenhang der Re-
gelung der Sprachanforderungen vor der Einreise im Rahmen des Ehe-
gattennachzugs?

22. Welche konkreten Ergebnisse der Evaluierung der Freizügigkeitsrichtlinie
hinsichtlich möglicher Missbrauchsgefahren und ihrer Bekämpfung liegen
inzwischen auf der europäischen Ebene vor (z. B. von der Expertengruppe
der Kommission), und welche Schlussfolgerungen enthalten diese bzw.
zieht die Bundesergierung aus ihnen?

23. Wieso ist die Bundesregierung der Auffassung, die deutsche Regelung der
Sprachanforderungen sei „verhältnismäßig im Sinne des Berichts der Euro-
päischen Kommission“ zur Anwendung der Familiennachzugsrichtlinie
(Bundestagsdrucksache 16/11997, Frage 13a), obwohl in dem Bericht aus-
geführt wird, dass die Verhältnismäßigkeit von Integrationsmaßnahmen als
Einreisevoraussetzung im Rahmen des Familiennachzugs unter anderem
davon abhängt, „inwieweit der Zugang zu solchen Kursen oder Tests ge-
währleistet ist“, und obwohl die Bundesregierung zugleich nicht bestreitet,

dass sowohl Sprachkurse als auch Sprachprüfungen für viele Betroffene in

Drucksache 16/12764 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bestimmten Konstellationen oder Ländern nicht leicht zugänglich sind
(bitte ausführlich begründen)?

a) Was versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang genau un-
ter „Zugang zu solchen Kursen oder Tests“?

b) Setzt die von der Kommission geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung
im Rahmen der Familiennachzugsrichtlinie nicht voraus, dass es eine
Härtefallregelung zur Berücksichtigung der Einzelfallumstände geben
muss (bitte begründen)?

24. Wieso ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Bestehen eines
Tests über das Sprachniveau A1 der in der Gesetzesbegründung zu § 30
AufenthG genannten Anforderung entspricht, wonach „lediglich die Fähig-
keit, sich auf zumindest rudimentäre Weise im Gastland zu verständigen“,
verlangt würde (bitte begründen)?

25. Inwieweit ist von der Bundesregierung geplant, die Höhe der Bestehens-
quote bei den Sprachprüfungen Deutsch Start 1 zu erheben, bei der nur die
Erst- und nicht Wiederholungsprüfungen berücksichtigt werden, um eine
realistischere Einschätzung der Erfolgsquoten und des Schwierigkeitsgrads
der Prüfung erhalten zu können, und wenn nein, warum nicht?

26. Wie begründet Staatsministerin Dr. Maria Böhmer ihre in ihrem Türkei-
„Reisetagebuch“ vom 31. März 2009 geäußerte Auffassung, „die Zahlen
der erteilten Visa für nachziehende Ehegatten aus dem Jahr 2008“ würden
belegen, dass die neuen Sprachtests „den Familiennachzug nicht verhin-
dern“, obwohl die Zahlen aus dem Jahr 2008 um über 20 Prozent und bezo-
gen auf die Türkei sogar um 33 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2006
(d. h. dem Jahr vor Einführung der neuen Sprachtests) lagen (s. Vorbemer-
kung)?

27. Wie ist der Satz „Das Erlernen erster Sprachkenntnisse bereits im Heimat-
land ist ein wichtiger Beitrag zur raschen Integration in Deutschland“ im
siebten Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in
Deutschland (Bundestagsdrucksache 16/7600, S. 114) vor dem Hintergrund
zu verstehen, dass ein „rascher“ Erwerb der deutschen Sprache im Regelfall
nicht im Ausland, sondern vor allem in Deutschland angesichts des hiesigen
Integrationskursangebots und der Möglichkeit der Anwendung der deut-
schen Sprache im Alltag erfolgen kann, und vor dem Hintergrund, dass in
der Zeit des notwendigen Spracherwerbs im Ausland eben keine „Integra-
tion in (!) Deutschland“ möglich ist, während dies bei einem Spracherwerb
in Deutschland durchaus der Fall wäre (bitte begründen)?

28. Was folgte bis heute konkret aus der Aussage im siebten Lagebericht, wo-
nach „genau beobachtet“ werden müsse, „inwieweit problematische Härte-
fälle“ entstehen, die nicht bereits über das geltende Recht gelöst werden
können (Bundestagsdrucksache 16/7600, S. 114)?

a) Welche genauen Beobachtungen hat die Integrationsbeauftragte dies-
bezüglich gemacht, und hat sie dabei auch z. B. die Dokumentation
problematischer Härtefälle und entsprechend verzweifelter Menschen
vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften zur Kenntnis
genommen („Haben Sie noch eine Idee?“, vgl. Bundestagsdrucksache
16/10732)?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Integrationsbeauftragte aus ihren
diesbezüglichen Beobachtungen, und wird sie sich insbesondere für eine
Härtefallregelung bei den Sprachanforderungen im Rahmen des Ehegat-
tennachzugs einsetzten, die solchen Härtefällen Rechnung trägt (wenn

nein, warum nicht)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/12764

29. Inwieweit wird die Bundesregierung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtung
zum Schutz von Ehe und Familie gerecht, wenn sie auf Bundestagsdruck-
sache 16/7288 (zu Frage 21) antwortet: „Auch bei Vorliegen einer Lern-
schwäche oder Analphabetismus liegt es in der Verantwortung des Antrag-
stellers, in welcher Zeit der Erwerb einfacher Deutschkenntnisse des
Niveaus A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens stattfindet“
und damit das grundrechtlich geschützte Recht auf Ehezusammenleben von
individuellen Lernmöglichkeiten und Sprachbegabungen abhängig macht
(bitte begründen)?

30. Inwieweit hält es die Bundesregierung für verhältnismäßig, wenn einer seh-
behinderten Frau aus Russland der Ehegattennachzug zu ihrem in Deutsch-
land lebenden Ehemann wegen mangelnder Sprachkenntnisse verwehrt
wird, obwohl es in Russland keine Hörbücher für Blinde bzw. andere
Möglichkeiten des Deutsch-Spracherwerbs für diesen Personenkreis gibt
(http://www.ndr1niedersachsen.de/ausweisung100.html)?

31. Was konkret hat die laut Migrationsbericht 2007 (Bundestagsdrucksache
16/11300, S. 93, Fußnote 200) vorgesehene „Evaluierung der Anwendung
der Regelung zum Sprachnachweis“ erbracht, und falls diese noch nicht
vorliegt:

a) Wer unternimmt die Evaluation bis wann mit welchen Mitteln und mit
welcher Fragestellung?

b) Wird auch evaluiert, ob die vorgegebenen gesetzgeberischen Ziele er-
reicht wurden (Integration, Verhinderung von Zwangsverheiratungen),
und wenn ja, nach welchen Kriterien und auf welcher Datengrundlage
geschieht dies, und wenn nein, warum nicht?

c) Wird auch evaluiert, welche negativen Folgen die Neuregelung hatte und
werden diese abgewogen mit den Ergebnissen der Prüfung der Verwirk-
lichung der vorgeblichen Ziele, und wenn nein, warum nicht?

32. Wie hoch ist die Zahl der im Rahmen des Ehegattennachzugs erteilten
Aufenthaltserlaubnisse an visumspflichtige Drittstaatsangehörige nach An-
gaben des Ausländerzentralregisters für die Jahre 1998 bis 2008 (bitte nach
Jahren und jeweils auch nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern diffe-
renzieren), und wie hoch ist die Zahl der im Rahmen des Ehegatten-
nachzugs im Übrigen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach Angaben des
Ausländerzentralregisters für die Jahre 1998 bis 2008 (bitte nach Jahren und
jeweils auch nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?

Berlin, den 15. April 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Kleine Anfrage
Auswirkungen der neuen Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug – Bilanz zum 31.März 2009

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