BT-Drucksache 16/12753

Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12753
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Burkhardt Müller-Sönksen, Marina Schuster,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt die Zahl der arbeitenden
Kinder (5 bis 17 Jahre) weltweit auf 218 Millionen. 126 Millionen von ihnen
verrichten schwere und gesundheitsschädigende Arbeit. Genaue Angaben über
den Umfang von Kinderarbeit sind allerdings schwer zu verifizieren, da viele
Kinder Heimarbeit leisten oder in hauseigenen Betrieben beschäftigt sind. In
Indien liegt die Zahl der arbeitenden Kinder nach Angaben der indischen Re-
gierung bei über 12 Millionen. Nichtregierungsorganisationen hingegen gehen
sogar von bis zu 90 Millionen arbeitenden Kindern aus.

Offiziell ist Kinderarbeit in Indien gesetzlich verboten. Die indische Verfassung
sowie weitere nationale Gesetze stellen Menschenhandel, Zwangsarbeit und
Kinderarbeit unter 14 Jahren unter Strafe. Auch international hat sich Indien
durch die Ratifikation der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zum
Schutz von Kinderrechten verpflichtet. Trotz der existierenden Gesetzgebung
werden Verstöße hiergegen nicht konsequent geahndet und Bemühungen im
Kampf gegen Kinderarbeit von der Korruption untergraben. Darüber hinaus
wurden sowohl die ILO-Konvention 138 über das Mindestalter für die Zulas-
sung zur Beschäftigung als auch die ILO-Konvention 182 gegen die schlimms-
ten Formen der Kinderarbeit von Indien noch nicht ratifiziert. Als einem der Un-
terzeichner dieser beiden Konventionen kommt Deutschland die Verantwortung
zu, den weltweiten Einsatz gegen Kinderarbeit zu unterstützen.
Die Ausbeutung von Kindern in indischen Steinbrüchen und ihre Schuldknecht-
schaft gehören zur schwersten Form von Kinderarbeit. Verschiedene Unter-
suchungen und Medienberichte weisen auch heute noch nach, dass die Beschäf-
tigung von Kindern beim Abbau von Steinen keinesfalls Einzelfälle sind.
Insbesondere Kinder ab 12 Jahren sind massiv in der Steinindustrie beschäftigt
und an der Produktion für das In- und Ausland beteiligt. Auch Deutschland ist
ein wichtiger Abnehmer von in Indien abgebauten Graniten und Natursteinen.

Drucksache 16/12753 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Umso wichtiger ist es, politisch und privatwirtschaftlich auf ein Ende dieser
Ausbeutung von Minderjährigen hinzuwirken. Die Fraktion der FDP hat bereits
2003 in einer Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 15/1817 das Problem
der Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen thematisiert und einen umfassenden
Einsatz der damaligen Bundesregierung gefordert.

Wir fragen nun die Bundesregierung:

1. Inwiefern hat die Bundesregierung bisher die Problematik der Kinderarbeit
in Steinbrüchen bei der indischen Regierung thematisiert, und welche Mög-
lichkeiten sieht die Bundesregierung auf eine Ratifikation der zwei ILO-
Konventionen 138 und 182 durch die indische Regierung hinzuwirken?

2. Wo sieht die Bundesregierung ihre Verantwortung bei der Durchsetzung der
ILO-Kernarbeitsnormen?

3. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass
Kinderarbeit auch ein Armutsproblem ist, seit 2003 im Rahmen der Ent-
wicklungszusammenarbeit unternommen, die geeignet sind, Kinderarbeit
einzudämmen bzw. ihr vorzubeugen?

4. Was wurde bezüglich einer Verwirklichung der Kernarbeitsnormen in Ko-
operation mit der ILO unternommen, und für welche Projekte wurden die
deutschen Gelder für das ILO-Programm für die Bekämpfung der Kinder-
arbeit (IPEC) verwendet?

5. Wie sehen die konkreten Rückschlüsse und Ergebnisse der Bundesregie-
rung aus, die aus den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tech-
nische Zusammenarbeit GmbH (GTZ) und des indisch-deutschen Export-
förderprojektes (IGEP – Indo-German Export Promotion Project) abgeleitet
wurden, nach denen es einen „identifizierten Bedarf an einem System zur
Zertifizierung von Unternehmen im Hinblick auf die sozialen und ökolo-
gischen Arbeitsbedingungen und auf begleitende Erziehungs- und Aus-
bildungsaktivitäten für betroffene Kinder“ gibt (siehe Antwort der Bun-
desregierung auf Frage 4 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf
Bundestagsdrucksache 15/1953)?

6. Inwieweit hat die Bundesregierung ihren Vorschlag weiterverfolgt, ein Sie-
gel für „faire“ (siehe Antwort der Bundesregierung auf Frage 4 der Kleinen
Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 15/1953) nach
Deutschland exportierte halbfertige und fertige Grabsteine sowie sonstige
Steinprodukte (z. B. Pflastersteine, Bordsteine, etc.) einzuführen, und wie
steht die Bundesregierung diesbezüglich mit den betreffenden Branchen im
Dialog?

7. Wann hat der Runde Tisch „Gütesiegel und Verhaltenskodizes“ seit der
Ankündigung 2003 durch die Bundesregierung als Instrument eines Aus-
tausches zwischen Unternehmen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorgani-
sationen und Regierung mit welchen Teilnehmern getagt, und welche Er-
gebnisse konnten erzielt werden?

8. Welche Probleme wurden an die Bundesregierung in Bezug auf die bereits
vorhandene Zertifizierung (z. B. durch Xertifix oder WiN=WiN) von Stei-
nen aus Indien von Seiten der Unternehmen herangetragen, und welche
Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus für eine weitere politische
Vorgehensweise?

9. Sind der Bundesregierung Missbrauchsfälle mit Zertifikaten bekannt?

10. Gibt es angesichts geschätzter 2000 Steinbrüche in Indien verlässliche Zer-

tifizierungsformen, die sicherstellen, dass die indischen Steine, die nach
Deutschland importiert werden, nicht durch Kinder abgebaut werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12753

11. Gibt es Beispiele von Zertifizierungsformen in anderen europäischen Län-
dern, die nach Ansicht der Bundesregierung geeignet sind, schwerste Kin-
derarbeit auszuschließen und auch für eine Zertifizierung deutscher Importe
dienen könnten?

12. Inwieweit hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, das Problem der Kinderarbeit bei seinem letzen Besuch in
Indien angesprochen?

Berlin, den 22. April 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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