BT-Drucksache 16/12732

Europarechtskonformes und nachvollziehbares Nachzugsrecht schaffen - Metock-Urteil des EuGH sofort gesetzlich verankern

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12732
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Antrag
der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Gisela Piltz, Dr. Max Stadler,
Christian Ahrendt, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Europarechtskonformes und nachvollziehbares Nachzugsrecht schaffen –
Metock-Urteil des EuGH sofort gesetzlich verankern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die deutschen Regelungen zum Ehegattennachzug zu ausländischen Unions-
bürgern geben nicht die derzeit geltende Rechtslage wieder, wie sie sich aus
dem sog. Metock-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 25. Juli
2008 (C-127/08) ergibt, und sind daher unverzüglich anzupassen.

Der EuGH hat im konkreten Fall festgestellt, dass die Freizügigkeitsrichtlinie
(RL 2004/38/EG) der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach
sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der
sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt,
vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig in einem anderen
Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, um sich auf die Bestimmungen dieser
Richtlinie berufen zu können.

Aus dieser Entscheidung wird von allen Seiten – auch der Bundesregierung –
abgeleitet, dass zusätzliche Voraussetzungen im nationalen Recht für den Nach-
zug von Ehegatten, die über die Vorgaben der Freizügigkeitsrichtlinie hinaus-
gehen, europarechtswidrig sind, da die Richtlinie dem entgegensteht. In der

Bundesrepublik Deutschland geht es insbesondere um § 30 Absatz 1 Satz 1
Nummer 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes, wonach beide Ehegatten das 18. Le-
bensjahr vollendet haben müssen, und der nachziehende Ehegatte sich zumin-
dest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können muss. Diese
Regelungen finden nach dem Freizügigkeitsgesetz auch beim Ehegattennach-
zug zu nicht-deutschen Unionsbürgern Anwendung, die in der Bundesrepublik
Deutschland leben.

Drucksache 16/12732 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Zwar wird seit dem Urteil nach Aussage der Bundesregierung der Sprachnach-
weis für Ehegatten eines nicht-deutschen Unionsbürgers beim Nachzug nicht
mehr eingefordert, allerdings herrscht durch die fehlende Anpassung der Nor-
men Rechtsunklarheit für die Betroffenen. Beim Blick ins Gesetz finden sie die
geltende Gesetzeslage nicht wieder. Dies ist in einem Rechtsstaat ein unhalt-
barer Zustand.

Die Bundesregierung verweigert die Änderung der betroffenen Regelungen mit
den Hinweis, dass man sich derzeit auf europäischer Ebene bemühe, die der
vorgenannten Entscheidung zugrunde liegende Freizügigkeitsrichtlinie entspre-
chend abzuändern, so dass die deutsche Rechtslage davon dann gedeckt sein
werde.

Es ist jedoch momentan nicht absehbar, wann und ob überhaupt eine entspre-
chende Änderung erfolgen wird: Am 7. Juni finden Wahlen zum Europäischen
Parlament statt; auch die Europäische Kommission konstituiert sich neu. Am
27. September 2009 finden Bundestagswahlen statt, und erst danach wird sich
eine neue Bundesregierung konstituieren, die auf europäischer Ebene hand-
lungsfähig sein wird. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass eine Änderung
der Freizügigkeitsrichtlinie dem Initiativrecht der Europäischen Kommission
und dem Mitentscheidungsverfahren zwischen Rat und Europäischem Parla-
ment unterliegt.

Um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die Betroffenen – die in der Bun-
desrepublik Deutschland lebenden Unionsbürger und ihre drittstaatsangehöri-
gen Familienangehörigen – zu schaffen, ist es dringend erforderlich, auch im
Gesetz die geltende Rechtslage zu manifestieren.

Die durch das Metock-Urteil geschaffene Situation führt dazu, dass drittstaats-
angehörige Ehegatten, die zu deutschen Staatsangehörigen nachziehen,
Deutschkenntnisse nachweisen müssen, während drittstaatsangehörige Ehegat-
ten von Unionsbürgern, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, diesen
Nachweis nicht erbringen müssen. Diese Situation besteht im deutschen Recht
bereits jetzt für diejenigen Ehegatten aus Drittstaaten, die zu sich in Deutsch-
land aufhaltenden Ehepartnern aus privilegierten Staaten (z. B. USA, Korea)
nachziehen.

Diese Rechtszersplitterung ist vollkommen inakzeptabel. Es kann nicht darauf
ankommen, zu wem nachgezogen wird, sondern vielmehr darauf, wer nach-
zieht. Es ist daher dringend erforderlich, dass so schnell als möglich eine ein-
heitliche, für alle nachvollziehbare, europarechts- sowie verfassungskonforme
Regelung geschaffen wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Vorgaben des Metock-Urteils voll
umsetzt,

2. Rechtszersplitterung nachhaltig zu verhindern und sicherzustellen, dass
Ehegatten deutscher Staatsangehöriger nicht benachteiligt werden,

3. eine einheitliche, europarechts- und verfassungskonforme Nachzugsrege-
lung zu schaffen.

Berlin, den 22. April 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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