BT-Drucksache 16/12668

Klarheit beim Konjunkturpaket II - Bildungspolitische Handlungsspielräume für Länder und Kommunen einräumen

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12668
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Antrag
der Abgeordneten Uwe Barth, Cornelia Pieper, Jens Ackermann, Christian
Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Mechthild Dyckmans, Jörg
van Essen, Ulrike Flach, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Dr. Werner Hoyer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael
Link (Heilbronn), Jan Mücke, Dirk Niebel, Detlef Parr, Dr. Konrad Schily,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Klarheit beim Konjunkturpaket II – Bildungspolitische Handlungsspielräume
für Länder und Kommunen einräumen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat im Rahmen des Gesetzes zur Sicherung von Beschäf-
tigung und Stabilität in Deutschland (Bundestagsdrucksache 16/11740, sog.
Konjunkturpaket II) Mittel für Infrastrukturmaßnahmen an Kindergärten, Schu-
len und Hochschulen zur Verfügung gestellt. Diese 6,5 Mrd. Euro wurden als
„Investitionsprogramm in die Bildung“ deklariert. Das Investitionsprogramm
soll sogar, nach Darstellung der Bundesregierung „sinnvoll an das bis zum Ende
2009 laufende Ganztagsschulenprogramm“ (http://www.bundesregierung.de/
nn_1264/Content/DE/Artikel/2009/01/2009-01-13-konjunkturpaket-bildung.html)
anknüpfen.

Bei der Darstellung des Konjunkturpakets II als „Bildungsprogramm“ wurden
die im Zuge der Föderalismusreform I getroffenen Vereinbarungen (Artikel 104b
des Grundgesetzes – GG) völlig ausgeblendet. Denn im Unterschied zu den
irreführenden Darstellungen der Bundesregierung und der Bundesministerin
für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, verhindert die Konstruktion
des Artikels 104b GG Finanzhilfen des Bundes außerhalb der Gesetzgebungs-
befugnisse. Mit Bundesfinanzhilfen können demnach „nur Investitionen geför-
dert werden, die in den Bereich seiner ausschließlichen (Artikel 73 GG) oder
konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Artikel 74 GG) fallen“ („Recht-
liche Grenzen für die Bildungsfinanzierung im Rahmen des Konjunkturpa-

kets II“; Wissenschaftlicher Dienst, Deutscher Bundestag). Investitionen in
allgemeine Baumaßnahmen im Schulbereich wären demnach unzulässig.

Ebenso wenig kann der von den Ländern zur komplementären Finanzierung
bereitgestellte Anteil des Programms für allgemeine Bildungsaufgaben heran-
gezogen werden. Nach Einschätzung eines von der Fraktion der FDP an den
Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags in Auftrag gegebenen

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Gutachtens ist auch der Finanzierungsanteil der Länder an die allgemeinen Vor-
gaben des Artikels 104b GG gebunden (vgl. „Rechtliche Grenzen für die Bil-
dungsfinanzierung im Rahmen des Konjunkturpakets II“, Wissenschaftlicher
Dienst, Deutscher Bundestag).

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in diesem Zusammenhang für
zusätzliche Unklarheit gesorgt. Mit dem Schreiben an die Finanzminister der
Länder (DOK 2009/0178275) sollte auf die „Abgrenzungsfragen insbesondere
in den Förderbereichen Schulinfrastruktur, Hochschulen und kommunale oder
gemeinnützige Einrichtungen der Weiterbildung“ eingegangen und Klarheit
geschaffen werden. Doch die Widersprüche werden schon innerhalb des Schrei-
bens des Bundesministeriums der Finanzen deutlich. Zum einen wird darauf
verwiesen, dass „Investitionsmaßnahmen in Bereichen, die der alleinigen Ge-
setzgebungskompetenz der Länder unterliegen, nicht förderfähig“ sind, zum
anderen jedoch in Aussicht gestellt das Investitionen in die Schulinfrastruktur
möglich sind, sofern „die energetische Sanierung bezogen auf das jeweilige
Investitionsvorhaben prägend sein muss“.

Angesichts des Umstandes, dass die Länder das Investitionsprogramm und die
Anforderungen an die „energetische Sanierung“ sehr unterschiedlich interpre-
tieren kann es kaum verwundern, wenn nun divergierende Weisungen und Vor-
gaben seitens der jeweiligen Landesregierungen ausgegeben wurden. Dement-
sprechend sieht das Land Berlin keinen Anhaltspunkt, um mehr als 40 Prozent
der summierten Schulinvestitionen an Maßnahmen der energetischen Sanie-
rung zu binden, der Freistaat Sachsen fordert die Kommunen dagegen dazu auf,
mindestens 51 Prozent der Mittel in die energetische Sanierung fließen zu las-
sen. Dass dies nicht unproblematisch ist, zeigt das Schreiben der Parlamentari-
schen Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, Nicolette Kressl,
wonach die energetische Sanierung „auf das jeweilige Investitionsvorhaben
prägend sein“ müssen (vgl. 2009/0218246). Länder oder Kommunen, die sehr
unterschiedliche Maßnahmen in ein Gesamtpaket zusammenfassen, um einen
kumulierten Sanierungsanteil aufweisen zu können, dürften entsprechend in die
Bredouille geraten.

Schließlich hat das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Konjunkturpaket II Richtungsent-
scheidungen „durch die Hintertür“ zu erwarten sind. Durch die hohe Neuver-
schuldung, daraus resultierende Zinszahlungen und Schuldentilgungszwängen
verringere sich der künftige Handlungsspielraum für Bildungsausgaben (vgl.
„Das Konjunkturpaket II: bildungspolitische Richtungsentscheidungen durch
die Hintertür“, WZBrief Bildung, Lena Ulbricht/WZB). Es ist zu erwarten, dass
sich die derzeitigen Ausgaben im Rahmen des Konjunkturpakets II, seien sie
sinnvoll, kurzsichtig oder verfehlt, maßgeblich auf kommende Bildungsinvesti-
tionen auswirken werden. Gerade deswegen ist sicherzustellen, dass Länder
und Kommunen die bereitgestellten Mittel möglichst bildungswirksam und
effektiv einsetzen können. Fehlinvestitionen aufgrund rechtlicher Unklarheiten
oder zeitlicher Restriktionen müssen nach Möglichkeit verhindert werden.

Dieser Umstand ist insoweit besorgniserregend, da die Höhe des zu bewältigen-
den Investitionsbedarfs im Bildungsbereich die Länder vor ein fast unlösbares
Problem stellt. Das deutsche Institut für Urbanistik (Difu) bezifferte jüngst den
Investitionsbedarf alleine für den Schulbereich auf rund 73 Mrd. Euro. Die im
Rahmen des Investitionsprogramms von Bund und Ländern bereitgestellten
8,2 Mrd. Euro könnten daher sicherlich etwas Erleichterung verschaffen, doch
die derzeitige Zweckbindung des Mitteleinsatzes für Maßnahmen der energeti-
schen Sanierung der Gebäude verhindert dies. Wenn die, auf dem sog. Bil-
dungsgipfel beschlossenen Investitionen in die Köpfe unserer Kinder tatsäch-

lich realisiert werden sollen braucht es ein entschiedenes Umdenken seitens der
politischen Akteure. Wir müssen, gerade auch in Zeiten der Krise, eine pragma-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12668

tische Zusammenarbeit von Bund und Ländern ermöglichen und den Weg für
eine bessere Bildung frei machen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf,

sich dafür einzusetzen, dass Länder und Kommunen von dem Zwang befreit
werden, die für den Bildungsbereich bereitgestellten Mittel des Konjunktur-
paketes II zum Zwecke der energetischen Sanierung einsetzen zu müssen, da-
mit Bildungsinvestitionen ohne Zweckbindung zulässig werden.

Berlin, den 21. April 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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