BT-Drucksache 16/12474

Nachteile für den Forschungsstandort Deutschland aufheben - Für ein innova-tionsfreundliches Steuersystem

Vom 25. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12474
16. Wahlperiode 25. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund
Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Markus Löning, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Detlef Parr, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Nachteile für den Forschungsstandort Deutschland aufheben –
Für ein innovationsfreundliches Steuersystem

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ob Deutschland die Herausforderungen der Rezession, als Folge einer interna-
tionalen Finanz- und Wirtschaftskrise, meistern wird, hängt in entscheidendem
Maß auch davon ab, wie gut es Staat und Wirtschaft gelingt, einerseits geeignete
Bedingungen für einen schnellen und effizienten Transfer von Forschungs- und
Entwicklungsleistungen in innovative und marktgerechte Produkte zu schaffen
und andererseits die Zukunftsfähigkeit forschender Unternehmen durch Stär-
kung ihrer Investitionskraft zu sichern.

Deutschland ist ein hoch industrialisiertes Land und verfügt über erhebliche
FuE- und Innovationspotenziale (FuE = Forschung und Entwicklung). Die deut-
sche Wirtschaft hat ihre FuE-Ausgaben in den letzten zehn Jahren auch unter
dem Druck hoher Steuer- und Abgabenlasten gehalten, die Industrie sogar ge-
steigert. Dramatisch ist der Rückgang von Forschungsinvestitionen bei mittel-
ständischen Unternehmen bis 500 Mitarbeiter.

Der Anteil des Staates stagniert dagegen seit Jahren bei rund 0,7 Prozent vom

BIP. Die staatliche Förderung der FuE in den Unternehmen ist rückläufig. Der
Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand an den FuE-Aufwendungen der Wirt-
schaft ist in den letzten Jahren von 16,9 Prozent auf 5,8 Prozent gefallen. Er liegt
damit deutlich niedriger als bei der Mehrheit der OECD-Staaten. Die staatliche
FuE-Förderung ist heute von sehr unübersichtlichen Förderprogrammen und
einem hohen Bürokratieaufwand gekennzeichnet. Auch im Rahmen der Um-

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setzung der Lissabon-Strategie forderte die EU die Mitgliedsländer auf, eigene
nationale Förderstrategien für angewandte Forschung zu entwickeln.

Der drastische Rückgang der öffentlichen FuE-Beteiligung in Deutschland ist
besonders schädlich, wenn man an die Hebelwirkung der öffentlichen FuE-För-
derung denkt. Jeder Euro staatlicher FuE-Finanzierung mobilisiert im Schnitt
ungefähr 1,6 Euro für FuE von der Wirtschaft.

Im internationalen Standortvergleich zeigt sich, dass das Steuersystem ein wich-
tiger Faktor in der Standortbewertung ist. Ein heute bereits zu identifizierendes
Hindernis für eine weitere Steigerung der FuE-Aufwendungen der Wirtschaft
stellt die Unternehmensteuerreform 2008 der großen Koalition dar. Die restrik-
tiven Regelungen bei einer Funktionsverlagerung oder bei einem Mantelkauf
behindern in einem hohen Maße Investitionen in Forschung, technologische
Entwicklung und Innovation. Bei der Funktionsverlagerung muss insbesondere
sichergestellt werden, dass Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen im
Inland oder der Wissenstransfer innerhalb verbundener Unternehmen nicht
erschwert werden. Eine Verdoppelung von Funktionen darf hier nicht als Funk-
tionsverlagerung gelten. Beim Mantelkauf ist insbesondere der vollständige
Untergang des Verlustvortragspotenzials bei jeder Übernahme von mehr als
50 Prozent der Anteile durch einen Investor vor allem bei innovativen Unterneh-
men forschungsfeindlich. Zudem muss die innovationsfeindliche Zinsschranke
entfallen.

Will Deutschland sein selbst gestecktes Ziel, 3 Prozent des Bruttoinlands-
produkts für Forschung und Entwicklung aufzuwenden, erreichen, wovon zwei
Drittel von der Wirtschaft erbracht werden müssen, müssen die forschungsfeind-
lichen Hemmnisse der Unternehmensteuerreform fallen.

Die OECD stellte fest, dass immer mehr Staaten – heute sind es bereits 21 von
30 Staaten – zusätzlich zu einer FuE-Projektförderung breitenwirksame Förder-
instrumente – wie die steuerliche FuE-Förderung – zur Stimulierung des For-
schungsengagements der Unternehmen eingeführt haben. Beispielgebend hier-
für sind die USA, Kanada, Mexiko, Australien, Korea, Spanien, Portugal, Irland,
Großbritannien, Österreich, Niederlande und Frankreich sowie Japan.

Gerade die Innovationskraft der kleinen und mittelständischen Unternehmen
könnte durch eine unbürokratische steuerliche Förderung erheblich gesteigert
werden. Die Fraktion der FDP sieht in einer steuerlichen Forschungsförderung
einen geeigneten Weg zu einer weiteren Stärkung der FuE-Aktivitäten der Wirt-
schaft. Hierfür sind Regelungen zu finden, wie etwa die steuerliche Sonderab-
schreibung, die mit dem Ziel eines einfachen, gerechten Steuersystems verein-
bar sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die forschungsfeindlichen Regelungen der Unternehmensteuerreform 2008
zu beseitigen,

2. im Rahmen einer umfassenden Steuerreform das deutsche Steuerrecht inno-
vations- und forschungsfreundlich auszugestalten,

3. den Standortnachteil Deutschlands im europäischen Vergleich zu beseitigen
und zu prüfen und nach der Prüfung zu entscheiden, wie eine einfache und
unbürokratische steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung als
Instrument einer indirekten Förderung neben der direkten (Projekt-)Förde-
rung eingeführt werden kann,

4. bei der Definition der Bemessungsgrundlage für die Förderung sämtliche
FuE-Aufwendungen (Personal- und Sachaufwendungen sowie Aufwendun-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12474

gen für FuE-Auftragsforschung), die das steuerpflichtige Unternehmen auf
eigenes Risiko tätigt, zu berücksichtigen,

5. jene Teile der öffentlichen Projektförderung schon heute auf den Prüfstand zu
stellen, die nachweislich von den forschenden Unternehmen und Forschungs-
verbünden schlecht nachgefragt werden,

6. zur Vermeidung von Doppelförderungen die FuE-Zuwendungen des Bundes,
bundesnaher Einrichtungen und der Länder vorweg zu berücksichtigen.

Berlin, den 24. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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