BT-Drucksache 16/12448

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/509- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes

Vom 25. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12448
16. Wahlperiode 25. 03. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/509 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes

A. Problem

Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999
(BVerfGE 100, 313 ff.) wurde das Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes
(G 10) durch Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254,
2298) novelliert. Anlässlich des Gesetzesbeschlusses forderte der Deutsche
Bundestag die Bundesregierung auf, ihn nach Ablauf von zwei Jahren über die
mit der Novellierung gemachten Erfahrungen zu unterrichten. Der Erfahrungs-
bericht der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 15/2042 vom 12. Novem-
ber 2003) zog eine insgesamt positive Bilanz, hat aber auch Prüfbedarf für
weiterführende Änderungen im Detail deutlich gemacht. Änderungsbedarf
besteht insbesondere mit Blick auf die Datenerhebung und -verarbeitung des
Bundesnachrichtendienstes im Bereich der strategischen Telekommunikations-
überwachung.

B. Lösung

Das Artikel 10-Gesetz wird um Befugnisnormen insbesondere zugunsten des
Bundesnachrichtendienstes ergänzt.

Der Bundesnachrichtendienst erhält verbesserte Möglichkeiten zur Aufklärung
der Proliferation und des internationalen Waffenhandels durch Zulassung einer
– eng begrenzten – Befugnis zur Individualüberwachung von Telekommuni-
kationsanschlüssen an Bord deutscher Hochseeschiffe außerhalb deutscher
Hoheitsgewässer.

Die Befugnis zur strategischen Telekommunikationsüberwachung im Gefah-
renbereich des „internationalen Rauschgifthandels“ wird redaktionell präzi-
siert. Die Befugnis zur strategischen Telekommunikationsüberwachung wird
durch die Einführung eines neuen Gefahren- und Beobachtungsbereiches „ille-
gale Schleusungen“ erweitert.

Drucksache 16/12448 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Durch eine Detailänderung des § 8 G 10 werden die Lokalisierungs- und damit
auch die Rettungsmöglichkeiten für gefährdete Personen (wie z. B. entführte
Deutsche im Ausland) verbessert.

Mit der Änderung werden ferner die Datenverarbeitung durch den Bundes-
nachrichtendienst und der Datenschutz beim Bundesnachrichtendienst opti-
miert.

Die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes zur Übermittlung der durch die
strategische Telekommunikationsüberwachung gewonnenen Daten wird im
Interesse von Rechtsklarheit und Datenschutz durch eine neue, eigenständige
Regelung dargestellt.

Die Individualüberwachung der Telekommunikation wird für alle Nachrichten-
dienste durch die ausdrückliche Zulassung der gerätenummernbezogenen Über-
wachung optimiert.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen

Auf Seiten des Bundes entstehen keine nennenswerten zusätzlichen Personal-
kosten. Gleiches gilt für Anschaffungs- und Betriebskosten für die technische
Ausrüstung der Nachrichtendienste des Bundes. Auch im Übrigen werden
Bund, Länder und Gemeinden nicht mit Kosten belastet.

E. Sonstige Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12448

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/509 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 1a eingefügt:

‚1a. § 2 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 4 wird nach der Angabe „Abs. 2“ die Angabe
„Satz 1“ eingefügt.

b) Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Der nach Absatz 1 Satz 1 oder 3 Verpflichtete hat vor Durch-
führung einer beabsichtigten Beschränkungsmaßnahme unver-
züglich die Personen, die mit der Durchführung der Maßnahme
betraut werden sollen,

1. auszuwählen,

2. einer einfachen Sicherheitsüberprüfung unterziehen zu lassen
und

3. über Mitteilungsverbote nach § 17 sowie die Strafbarkeit eines
Verstoßes nach § 18 zu belehren; die Belehrung ist akten-
kundig zu machen.“

c) Nach Absatz 2 Satz 2 wird folgender Satz 3 eingefügt:

„Nach Zustimmung des Bundesministeriums des Innern kann der
Behördenleiter der berechtigten Stelle oder dessen Stellvertreter
die nach Absatz 1 Satz 1 oder 3 Verpflichteten schriftlich auf-
fordern, die Beschränkungsmaßnahme bereits vor Abschluss der
Sicherheitsüberprüfung durchzuführen.“

d) In Absatz 3 Satz 1 wird die Angabe „Absatz 2 Satz 1 Nr. 1“
durch die Angabe „Absatz 2 Satz 1 Nr. 2“ ersetzt.‘

b) Nach Nummer 2 wird folgende Nummer 2a eingefügt:

‚2a. Nach § 3 werden folgende Vorschriften eingefügt:

㤠3a
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung

Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 sind unzulässig, soweit tat-
sächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass durch sie
allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
erfasst würden. Soweit im Rahmen von Beschränkungen nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmit-
telbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu
unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich pri-
vater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Bestehen
insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fort-
gesetzt werden. Automatische Aufzeichnungen nach Satz 3 sind
unverzüglich einem bestimmten Mitglied der G 10-Kommission
oder seinem Stellvertreter zur Entscheidung über die Verwertbarkeit
oder Löschung der Daten vorzulegen. Das Nähere regelt die Ge-

Drucksache 16/12448 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schäftsordnung. Die Entscheidung des Mitglieds der Kommission,
dass eine Verwertung erfolgen darf, ist unverzüglich durch die Kom-
mission zu bestätigen. Ist die Maßnahme nach Satz 2 unterbrochen
worden, so darf sie für den Fall, dass sie nicht nach Satz 1 unzuläs-
sig ist, fortgeführt werden. Erkenntnisse aus dem Kernbereich priva-
ter Lebensgestaltung, die durch eine Beschränkung nach § 1 Abs. 1
Nr. 1 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeich-
nungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der
Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die
Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutz-
kontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese
Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des
Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

§ 3b
Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen

(1) Maßnahmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, die sich gegen eine in § 53
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 der Strafprozessordnung genannte
Person richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden,
über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, sind unzuläs-
sig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden.
Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tat-
sache ihrer Erlangung und Löschung ist zu dokumentieren. Die
Sätze 2 bis 3 gelten entsprechend, wenn durch eine Maßnahme, die
sich nicht gegen eine in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 der
Strafprozessordnung genannte Person richtet, von einer dort genann-
ten Person Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis
verweigern dürfte.

(2) Soweit durch eine Beschränkung eine in § 53 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 der Strafprozessordnung genannte Person
betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt
würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist
dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Würdi-
gung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahr-
genommenen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung
der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen
besonders zu berücksichtigen. Soweit hiernach geboten, ist die Maß-
nahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme
möglich ist, zu beschränken.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit die in § 53a
der Strafprozessordnung Genannten das Zeugnis verweigern dürf-
ten.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, sofern die zeugnisverweige-
rungsberechtigte Person Verdächtiger im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2
ist oder tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass
sie dessen in § 3 Abs. 1 bezeichnete Bestrebungen durch Entgegen-
nahme oder Weitergabe von Mitteilungen bewusst unterstützt.“‘

c) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:

‚§ 4 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Nach Satz 3 werden folgende Sätze eingefügt:

„Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Durchführung der
Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Protokolldaten sind

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12448

am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung
folgt, zu löschen.“

bb) Im neuen Satz 6 werden die Wörter „Sie unterbleibt,“ durch die
Wörter „Die Löschung der Daten unterbleibt,“ ersetzt.

b) In Absatz 4 Nr. 1a wird die Angabe „§ 3 Abs. 1“ durch die Angabe
„§ 3 Abs. 1 und 1a“ ersetzt.“‘

d) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

‚4. § 5 Abs. 1 Satz 3 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

„4. der unbefugten gewerbs- oder bandenmäßig organisierten
Verbringung von Betäubungsmitteln in das Gebiet der Euro-
päischen Union in Fällen von erheblicher Bedeutung mit Be-
zug zur Bundesrepublik Deutschland,“.

b) Es werden in Nummer 5 das Wort „oder“ durch ein Komma
ersetzt, in Nummer 6 am Ende das Wort „oder“ eingefügt und fol-
gende Nummer 7 angefügt:

„7. des gewerbs- oder bandenmäßig organisierten Einschleusens
von ausländischen Personen in das Gebiet der Europäischen
Union in Fällen von erheblicher Bedeutung mit Bezug zur
Bundesrepublik Deutschland

a) bei unmittelbarem Bezug zu den Gefahrenbereichen nach
Nr. 1 bis 3 oder

b) in Fällen, in denen eine erhebliche Anzahl geschleuster
Personen betroffen ist, insbesondere wenn durch die Art
der Schleusung von einer Gefahr für ihr Leib oder Leben
auszugehen ist, oder

c) in Fällen von unmittelbarer oder mittelbarer Unterstützung
oder Duldung durch ausländische öffentliche Stellen“.‘

e) Nach Nummer 4 wird folgende Nummer 4a eingefügt:

‚4a. § 5 Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Es dürfen keine Suchbegriffe verwendet werden, die

1. Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Er-
fassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen, oder

2. den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betreffen.“‘

f) Nach Nummer 4a wird folgende Nummer 4b eingefügt:

‚4b. Nach § 5 wird folgender § 5a eingefügt:

㤠5a
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung

Durch Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 dürfen keine Kom-
munikationsinhalte aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
erfasst werden. Sind durch eine Beschränkung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2
Kommunikationsinhalte aus dem Kernbereich privater Lebens-
gestaltung erfasst worden, dürfen diese nicht verwertet werden. Sie
sind unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Be-
fähigung zum Richteramt hat, zu löschen. § 3a Satz 2 bis 7 gilt
entsprechend. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer
Löschung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen aus-
schließlich zum Zwecke der Durchführung der Datenschutzkon-

Drucksache 16/12448 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

trolle verwendet werden. Sie sind zu löschen, wenn sie für diese
Zwecke nicht mehr erforderlich sind, spätestens jedoch am Ende des
Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt.“‘

g) Nummer 5 wird wie folgt geändert:

‚5. § 6 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden nach Satz 3 folgende Sätze eingefügt:

„Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Durchführung der
Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Protokolldaten sind
am Ende des Kalenderjahres zu löschen, das dem Jahr der Proto-
kollierung folgt.“

b) In Absatz 2 Satz 3 wird die Angabe „§ 7 Abs. 1 bis 4“ durch die
Angabe „§ 7 Abs. 1 bis 4 und § 7a“ ersetzt.

c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes dürfen zur Prü-
fung der Relevanz erfasster Telekommunikationsverkehre auf An-
ordnung des nach § 10 Abs. 1 zuständigen Bundesministeriums die
erhobenen Daten in einem automatisierten Verfahren mit bereits
vorliegenden Rufnummern oder anderen Kennungen bestimmter
Telekommunikationsanschlüsse abgeglichen werden, bei denen
tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie in einem Zu-
sammenhang mit dem Gefahrenbereich stehen, für den die Über-
wachungsmaßnahme angeordnet wurde. Zu diesem Abgleich darf
der Bundesnachrichtendienst auch Rufnummern oder andere Ken-
nungen bestimmter Telekommunikationsanschlüsse im Inland ver-
wenden. Die zu diesem Abgleich genutzten Daten dürfen nicht als
Suchbegriffe im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 verwendet werden.
Der Abgleich und die Gründe für die Verwendung der für den Ab-
gleich genutzten Daten sind zu protokollieren. Die Protokolldaten
dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle ver-
wendet werden. Sie sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr
der Protokollierung folgt, zu vernichten.“‘

h) Nach Nummer 9 wird folgende Nummer 9a eingefügt:

‚9a. § 12 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 sind dem Betroffenen
nach ihrer Einstellung mitzuteilen. Die Mitteilung unterbleibt, so-
lange eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung nicht aus-
geschlossen werden kann oder solange der Eintritt übergreifender
Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes absehbar ist.
Erfolgt die nach Satz 2 zurückgestellte Mitteilung nicht binnen
zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere
Zurückstellung der Zustimmung der G 10-Kommission. Die G 10-
Kommission bestimmt die Dauer der weiteren Zurückstellung. Einer
Mitteilung bedarf es nicht, wenn die G 10-Kommission einstimmig
festgestellt hat, dass

1. eine der Voraussetzungen in Satz 2 auch nach fünf Jahren nach
Beendigung der Maßnahme noch vorliegt,

2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in
Zukunft vorliegt und

3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erheben-
den Stelle als auch beim Empfänger vorliegen.“‘

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/12448

i) Es wird folgende Nummer 11 angefügt:

‚11. In § 15 Abs. 6 werden die Sätze 4 und 5 wie folgt gefasst:

„In den Fällen des § 8 tritt die Anordnung außer Kraft, wenn sie
nicht binnen drei Tagen vom Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter
bestätigt wird. Die Bestätigung der Kommission ist unverzüglich
nachzuholen.“‘

2. Nach Artikel 1 wird folgender Artikel 1a eingefügt:

‚Artikel 1a
Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes
und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes

und über das Bundesamt für Verfassungsschutz

Das Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I
S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 2007
(BGBl. I S. 2590), wird wie folgt geändert:

a) § 11 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraus-
setzungen des § 10 Daten über Minderjährige vor Vollendung des
16. Lebensjahres in zu ihrer Person geführten Akten nur speichern, ver-
ändern und nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
der Minderjährige eine der in § 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genann-
ten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. In Dateien ist eine Spei-
cherung von Daten oder über das Verhalten Minderjähriger vor Voll-
endung des 16. Lebensjahres nicht zulässig. Satz 2 gilt nicht für Minder-
jährige, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, wenn nach den Um-
ständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die
Speicherung zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben
einer Person erforderlich ist.“

b) In § 14 Abs. 1 Satz 2 werden nach dem Wort „Datenschutz“ die Wörter
„und die Informationsfreiheit“ eingefügt.

c) § 18 wird wie folgt geändert:

aa) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 3a eingefügt:

„(3a) Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungs-
schutzbehörden der Länder dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben die
Finanzbehörden um Auskunft ersuchen, ob eine Körperschaft, Per-
sonenvereinigung oder Vermögensmasse die Voraussetzungen des
§ 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes erfüllt. Die Finanz-
behörden haben der ersuchenden Behörde die Auskunft nach Satz 1
zu erteilen.“

bb) In Absatz 6 Satz 1 wird die Angabe „§ 3 des Artikel 10-Gesetzes“
durch die Angabe „§ 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes“ ersetzt.

d) § 24 wird wie folgt geändert:

aa) In § 24 Abs. 1 Satz 1 werden nach der Angabe „§ 11“ die Wörter
„Abs. 1 Satz 1“ eingefügt.

bb) § 24 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über
das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres
dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische
sowie über- oder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. Ab-
weichend hiervon dürfen Informationen einschließlich personenbezo-

Drucksache 16/12448 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gener Daten über das Verhalten Minderjähriger, die das 14. Lebens-
jahr vollendet haben, übermittelt werden, wenn nach den Umständen
des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Über-
mittlung zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben
einer Person erforderlich ist oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass die Übermittlung zur Verfolgung einer der in § 3
Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten erforderlich ist.“‘

3. Nach Artikel 1a wird folgender Artikel 1b eingefügt:

‚Artikel 1b
Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst

Das BND-Gesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), zu-
letzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I
S. 2), wird wie folgt geändert:

a) § 4 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener
Daten über Minderjährige ist nur unter den Voraussetzungen des § 11 des
Bundesverfassungsschutzgesetzes sowie dann zulässig, wenn nach den
Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass von
dem Minderjährigen eine Gefahr für Leib oder Leben deutscher Staats-
angehöriger im Ausland oder für deutsche Einrichtungen im Ausland
ausgeht.“

b) Dem § 8 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Für das Bundesministerium der Verteidigung und die Dienststellen der
Bundeswehr gilt Satz 1 Nr. 2 mit der Maßgabe, dass die Übermittlung an
den Bundesnachrichtendienst zur Erfüllung der Aufgaben nach § 1
Abs. 2 erforderlich ist.“‘

4. Nach Artikel 1b wird folgender Artikel 1c eingefügt:

‚Artikel 1c
Einschränkung des Grundrechtes aus Artikel 10 des Grundgesetzes

„Das Grundrecht des Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnisses (Arti-
kel 10 des Grundgesetzes) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt.“‘

Berlin, den 25. März 2009

Der Innenausschuss

Sebastian Edathy
Vorsitzender

Helmut Brandt
Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/12448

Bericht der Abgeordneten Helmut Brandt, Klaus Uwe Benneter, Dr. Max Stadler,
Ulla Jelpke und Wolfgang Wieland

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/509 wurde in der
32. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. April 2006 an
den Innenausschuss federführend sowie an den Rechtsaus-
schuss zur Mitberatung überwiesen.

2. Votum des mitberatenden Ausschusses

Der Rechtsausschuss hat in seiner 132. Sitzung am 25. März
2009 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetz-
entwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der Koali-
tionsfraktionen der CDU/CSU und SPD empfohlen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache
16/509 in seiner 89. Sitzung am 25. März 2009 abschlie-
ßend beraten. Als Ergebnis der Beratungen wurde empfoh-
len dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Fassung
des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Aus-
schussdrucksache 16(4)568 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu-
zustimmen.

Zuvor wurde der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen
auf Ausschussdrucksache 16(4)568 mit demselben Stim-
menergebnis angenommen.

II. Zur Begründung

Zur Begründung wird allgemein auf Drucksache 16/509
hingewiesen. Mit den vom Innenausschuss auf Grundlage
des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Aus-
schussdrucksache 16(4)568 vorgenommenen Änderungen
werden fachlich notwendige Änderungen aufgenommen,
die sich gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung vom
2. Februar 2006 insbesondere aus der Weiterentwicklung
der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie den
fachlichen Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden ergeben
haben. Daraus ergeben sich Änderungen in Artikel 1 (Arti-
kel 10-Gesetz). Darüber hinaus werden die Artikel 1a und
1b aufgenommen, mit denen Änderungen des Bundesver-
fassungsschutzgesetzes und des BND-Gesetzes erfolgen
sollen. Mit der Aufnahme des Artikels 1c wird dem grund-
gesetzlichen Zitiergebot Rechnung getragen.

Im Einzelnen

Zu Nummer 1 Buchstabe a (Artikel 1 Nr. 1a Buchstabe a,
§ 2 Absatz 1 Satz 4 des
Artikel 10-Gesetzes)

Redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 1 Buchstabe a (Artikel 1 Nr. 1a Buchstabe b,
§ 2 Absatz 2 und 3 des
Artikel 10-Gesetzes)

Auf Grund praktischer Erfahrungen erscheint eine Konkre-
tisierung der Pflichten des Verpflichteten erforderlich. Ziel
ist es, dass die Auswahl und die Durchführung einer Sicher-
heitsüberprüfung so zeitnah erfolgen, dass die befristete
Überwachungsmaßnahme auch durchgeführt werden kann.
Daher wird dem Verpflichteten aufgegeben „unverzüglich“,
das heißt ohne schuldhaftes Zögern, seine Pflichten zu er-
füllen. Deshalb wird die Regelung um die Verpflichtung zur
unverzüglichen Auswahl des zu betrauenden Personals er-
gänzt. Bei der Auswahlentscheidung hat der Verpflichtete
einerseits die Eignung der zu betrauenden Person, anderer-
seits aber auch die Verlässlichkeit und Sorgfalt der Person
zu berücksichtigen. Dies bezieht sich insbesondere auf
deren erforderliche Mitwirkung bei der Sicherheitsüber-
prüfung.

Auch im Zusammenhang mit der Durchführung einer Sicher-
heitsüberprüfung obliegen dem Verpflichteten die Gestal-
tung und die Beobachtung des Ablaufs. So hat er der zu be-
trauenden Person die Sicherheitserklärung nach dem Sicher-
heitsüberprüfungsgesetz auszuhändigen sowie das Verfahren
der Sicherheitsüberprüfung und die Sicherheitserklärung zu
erläutern. Ferner muss er auf die unverzügliche, wahrheits-
gemäße und vollständige Ausfüllung der Sicherheitserklä-
rung hinwirken. Schließlich trägt er dafür Sorge, dass die aus-
gefüllte Sicherheitserklärung der zuständigen Stelle übermit-
telt wird.

Mit der Ergänzung eines Satzes 3 wird einem praktischen
Bedürfnis Rechnung getragen, im Einzelfall den berechtig-
ten Stellen zu ermöglichen, nach Zustimmung des Bundes-
ministeriums des Innern auf Weisung einer bestimmten
Stelle (z. B. der Amtsleitung des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz) auch ohne abgeschlossene Sicherheitsüberprü-
fung mit der Durchführung der Maßnahme beginnen zu
können.

Bei der Änderung in Absatz 3 handelt es sich um eine
redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 1 Buchstabe b (Artikel 1 Nr. 2a, § 3a des
Artikel 10-Gesetzes)

Die Vorschrift regelt den Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung bei Beschränkungen nach § 1 Absatz 1
Nr. 1. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach einen
Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt, der dem
staatlichen Zugriff schlechthin entzogen ist. In seinem
Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – hat das Bundes-
verfassungsgericht auch einfachgesetzliche Vorkehrungen
zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei
Maßnahmen der gefahrenabwehrrechtlichen Telekommuni-
kationsüberwachung gefordert, gleichzeitig aber anerkannt,
dass hier andere Maßstäbe als beim Kernbereichsschutz bei
Eingriffen in Artikel 13 des Grundgesetzes (GG) anzulegen
sind. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass

Drucksache 16/12448 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Schutz des Kernbereichs der persönlichen Lebensgestal-
tung bei Eingriffen in Artikel 10 GG anders ausgestaltet ist
als bei Eingriffen in Artikel 13 GG. Bei Anordnung einer
Telekommunikationsüberwachung und ihrer späteren
Durchführung ist regelmäßig nicht sicher vorhersehbar,
welche Inhalte die abgehörten Gespräche haben werden.
Eine Prognose, mit wem ein Telefongespräch zustande
kommt und in welchem Verhältnis die beiden Gesprächspart-
ner zueinander stehen, kann in der Regel angesichts der Viel-
gestaltigkeit von Telekommunikationsvorgängen gar nicht
getroffen werden. Vielfach wird sich ohne weitere Aus-
wertung gar nicht feststellen lassen, mit welcher Person ge-
sprochen wird, etwa wenn keine Namensnennung erfolgt,
oder bei Gesprächen in fremder Sprache. Dies gilt umso
mehr, als es Zielpersonen auch grundsätzlich möglich ist,
Vertrauensverhältnisse vorzutäuschen.

Nach Satz 1 ist eine Telekommunikationsüberwachung un-
zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass
durch die Überwachung allein Erkenntnisse aus diesem
Kernbereich erlangt würden. Bereits die Anordnung einer
solchen Maßnahme, aber auch deren Durchführung sind un-
zulässig. Diese Prognose verlangt, anders als bei der akusti-
schen Wohnraumüberwachung, keine besonderen, voraus-
gehenden Ermittlungen. Die Maßnahme ist daher nur dann
zulässig, wenn tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorliegen,
dass durch sie nicht allein Erkenntnisse aus dem Kern-
bereich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Satz 3 re-
gelt die Zulässigkeit des so genannten Richterbandes. Die
Regelung dient dem Schutz des Kernbereichs, indem sie be-
stimmt, dass auch in solchen Fällen, in denen keine eindeu-
tigen Anhaltspunkte für eine Kernbereichsrelevanz spre-
chen, eine unmittelbare Überwachung durch die ermitteln-
den Stellen ausgeschlossen ist. In Zweifelsfällen darf der
Kommunikationsinhalt vielmehr nur automatisch auf-
gezeichnet werden. Nach Satz 4 sind solche Aufzeichnun-
gen unverzüglich einem bestimmten Mitglied der G 10-
Kommission oder seinem Stellvertreter vorzulegen, das
dann die Feststellung zu treffen hat, ob eine Kernbereichs-
relevanz vorliegt oder nicht. Die Bestimmung des Mitglieds
oder seines Stellvertreters für diese Fälle ist nach Satz 5 in
der Geschäftsordnung der G 10-Kommission (vgl. § 15 Ab-
satz 4 Satz 2 G 10) zu regeln. Ähnlich einem Geschäftsver-
teilungsplan, der in der Justiz die Garantie des gesetzlichen
Richters (Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG) umsetzt, ist in der
Geschäftsordnung die Zuständigkeit für die Kernbereichs-
entscheidung vorab festzulegen. Die Zuständigkeit ist
abstrakt und daher ohne Rücksicht auf die Person der Betei-
ligten zu bestimmen. Um zu gewährleisten, dass diese Kon-
trolltätigkeit noch im Einklang mit der ehrenamtlichen
Funktion der Kommissionsmitglieder (§ 15 Abs. 1 Satz 4
G 10) steht, soll die Regelung auf Wunsch der G 10-Kom-
mission nach drei Jahren evaluiert werden.

Die Regelung für Zweifelsfälle trägt dem Umstand Rech-
nung, dass es häufig bei einmaligem Überwachen und Auf-
zeichnen nicht möglich ist, das Geschehen vollständig zu
erfassen. Es kann nämlich erforderlich werden, ein Ge-
spräch mehrfach abzuhören, um Inhalt, Betonungen und
Nuancen zu erkennen. Oftmals sind Dolmetscher erst nach
mehrfachem Abhören in der Lage, den richtigen Aussage-
gehalt einer Äußerung zu bestimmen und damit überhaupt
erst festzustellen, ob Anhaltspunkte für eine Kernbereichs-
relevanz gegeben sind. Zudem kann es vorkommen, dass

Aufzeichnungen der technischen Aufbereitung wie der Ent-
fernung von Nebengeräuschen bedürfen. In solchen Zwei-
felsfällen werden die Grundrechte der Betroffenen dadurch
weiter geschützt, dass ein Mitglied der G 10-Kommission
die Auswertung einer automatischen Aufzeichnung über-
nimmt.

Die Entscheidung des Mitglieds der Kommission, dass eine
Verwertung erfolgen darf, ist nach Satz 6 unverzüglich
durch die Kommission zu bestätigen.

Satz 7 regelt, dass die Maßnahme fortgesetzt werden darf,
soweit sie nicht nach Satz 1 unzulässig wäre. Satz 8 trifft
weitere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zum Schutz des
Kernbereichs. Erkenntnisse aus dem Kernbereich unter-
liegen danach einem absoluten Verwertungsverbot. Ent-
sprechende Aufzeichnungen hierüber sind nach Satz 9 un-
verzüglich zu löschen. Nach Satz 10 sind ihre Erfassung
und Löschung zu dokumentieren, um einen ausreichenden
Rechtsschutz sicherzustellen. Die Sätze 11 und 12 enthalten
Regeln über die Verwendung der Dokumentation.

Zu Nummer 1 Buchstabe b (Artikel 1 Nr. 2a, § 3b des
Artikel 10-Gesetzes)

Die Vorschrift regelt den Schutz zeugnisverweigerungs-
berechtigter Personen und orientiert sich an der Regelung
des § 20u des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG).

Absatz 1 Satz 1 begründet ein Erhebungs- und Verwer-
tungsverbot für Erkenntnisse, die vom Zeugnisverweige-
rungsrecht der Geistlichen in ihrer Eigenschaft als Seel-
sorger, Verteidiger und Abgeordneter (§ 53 Absatz 1 Satz 1
Nr. 1, 2, 4 der Strafprozessordnung – StPO) umfasst sind.
Mit dem Verweis auf § 53 StPO finden die dort von Recht-
sprechung und Lehre entwickelten begrifflichen Konkreti-
sierungen des privilegierten Personenkreises ebenfalls An-
wendung. Daraus ergibt sich, dass von dem Zeugnisverwei-
gerungsrecht nur Geistliche der öffentlich-rechtlichen Reli-
gionsgemeinschaften erfasst werden, und dies auch nur
insoweit, als sie im konkreten Fall seelsorgerisch tätig sind.
Der damit einhergehende Schutz der Kommunikation mit
diesen Berufsgeheimnisträgern ist – vorbehaltlich der „Ver-
strickungsregelung“ in Absatz 4 – absolut ausgestaltet, hängt
mithin nicht von Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit im
Einzelfall ab. Die Kommunikation mit einem Verteidiger,
einem Seelsorger oder einem Abgeordneten darf damit,
soweit die Genannten im Wirkungsbereich ihres jeweiligen
Zeugnisverweigerungsrechtes tätig werden, durch Beschrän-
kungsmaßnahmen nach § 3 Absatz 1 nicht beeinträchtigt
werden.

Satz 1 regelt, dass Maßnahmen nach Absatz 1 unzulässig
sind, wenn sie sich gegen einen Verteidiger, Geistlichen
oder Abgeordneten richten und dadurch voraussichtlich Er-
kenntnisse erbringen würden, über die diese Personen das
Zeugnis verweigern dürften. Maßnahmen, die sich gegen
andere Personen – etwa einen Verdächtigen oder einen Drit-
ten – richten, bleiben dagegen zulässig, und zwar auch
dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann oder gar zu
erwarten ist, dass möglicherweise auch die Kommunikation
mit den vorgenannten Berufsgeheimnisträgern über vom
Zeugnisverweigerungsrecht umfasste Inhalte betroffen sein
wird. Der letztgenannten Konstellation einer zufälligen Be-
troffenheit auch des Berufsgeheimnisträgers begegnet die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/12448

Regelung durch das in Satz 4 enthaltene Verbot der Verwer-
tung von Erkenntnissen, die – nicht zielgerichtet – von dem
Berufsgeheimnisträger erlangt wurden und über die dieser
das Zeugnis verweigern dürfte. Aus diesem Verwertungs-
verbot kann sich in besonderen Einzelfällen unter Anwen-
dung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Ver-
pflichtung ergeben, die Maßnahme gegen einen Dritten zu
unterbrechen, so, wenn es sich etwa um eine ausnahmsweise
in Echtzeit erfolgende Telekommunikationsüberwachung
handelt und dabei ein Gespräch z. B. als Verteidiger-
gespräch erkannt wird. In diesem Fall dürfen keine Erkennt-
nisse erhoben werden, die nach dem in Satz 2 enthaltenen
Verwertungsverbot nicht verwertet werden dürfen.

Nach Satz 2 dürfen Erkenntnisse, die bei einem in Satz 1
genannten Berufsgeheimnisträger erlangt wurden und über
die dieser das Zeugnis verweigern dürfte, nicht verwertet
werden. Dieses Verwertungsverbot gewährleistet die Ver-
traulichkeit der Kommunikation mit den genannten Berufs-
geheimnisträgern im Rahmen der ihnen zustehenden Zeug-
nisverweigerungsrechte. Zugleich sichert es die Einhaltung
des Erhebungsverbots.

Das Verwertungsverbot nach Satz 2 wird flankiert durch die
in Satz 3 enthaltene Verpflichtung, durch einen unzulässi-
gen Eingriff erlangte Erkenntnisse unverzüglich zu löschen.
Damit werden einer etwaigen Perpetuierung der Verletzung
des Erhebungsverbots nach Satz 1 vorgebeugt und die Ein-
haltung des Verwertungsverbots nach Satz 2 abgesichert.

Nach Satz 4 sind die Tatsache der Erlangung unter das
Erhebungsverbot nach Satz 1 fallender Erkenntnisse sowie
die Löschung dieser Erkenntnisse in geeigneter Form zu
dokumentieren. Dies sichert zum einen die Einhaltung der
Löschungspflicht, dient aber vor allem der späteren Nach-
vollziehbarkeit im Rahmen etwaiger Rechtsschutzbegehren
der betroffenen Personen.

Absatz 2 enthält ein relatives, an Verhältnismäßigkeits-
gesichtspunkten orientiertes Erhebungs- und Verwertungs-
verbot, das im Einzelfall bei den von Absatz 1 nicht erfass-
ten Berufsgeheimnisträgern, denen das Gesetz ein Zeugnis-
verweigerungsrecht zubilligt, zum Tragen kommen kann.
Erfasst sind nach Absatz 2 namentlich die in § 53 Absatz 1
Satz 1 Nr. 3 bis 3b StPO genannten Beratungs- und Heil-
berufe sowie die von § 53 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 StPO in Be-
zug genommenen Medienmitarbeiter. Im Rahmen der von
Absatz 2 geforderten Abwägung ist das primär öffentliche
Interesse an dem Schutz der in § 1 Absatz 1 Nr. 1 genannten
Rechtsgüter mit dem öffentlichen Interesse an den durch die
zeugnisverweigerungsberechtigten Personen wahrgenom-
menen Aufgaben und dem individuellen Interesse an der
Geheimhaltung der einem Berufsgeheimnisträger anvertrau-
ten oder bekannt gewordenen Tatsachen abzuwägen. Je
nach dem Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung kann
die im konkreten Fall in Aussicht genommene Maßnahme
in vollem Umfang zulässig sein oder aber – soweit die Ver-
hältnismäßigkeit teilweise oder gar nicht gegeben wäre –
sich die Notwendigkeit einer Beschränkung oder Unter-
lassung der Maßnahme ergeben. Letzteres stellt Satz 2 aus-
drücklich klar.

Nach Absatz 3 sind Regelungen der Absätze 1 und 2 ent-
sprechend anwendbar, soweit es sich um die in § 53a StPO
genannten Berufshelfer handelt.

Absatz 4 beinhaltet die so genannte Verstrickungsregelung.
Dies bedeutet, dass der von den Absätzen 1 bis 3 gewähr-
leistete besondere Schutz des Verhältnisses zu einem Be-
rufsgeheimnisträger nach Absatz 4 dann endet, wenn sich
der Berufsgeheimnisträger selbst an den zu überwachenden
Bestrebungen beteiligt bzw. diese bewusst unterstützt. Denn
der Schutz der betroffenen Vertrauensverhältnisse oder der
Institutionen an sich soll nicht zur Begründung von Ge-
heimbereichen führen, in denen die Verursachung von Ge-
fahren einer staatlichen Aufklärung schlechthin entzogen
ist.

Zu Nummer 1 Buchstabe c (Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe a,
§ 4 Absatz 1 des
Artikel 10-Gesetzes)

Klarstellende Regelung zur Behandlung der Protokolldaten,
die der uneingeschränkten Kontrolle der G 10-Kommission
unterliegen (§ 15 Absatz 5 Satz 2 G 10).

Zu Nummer 1 Buchstabe c (Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe b,
§ 4 Absatz 4 Nr. 1a des
Artikel 10-Gesetzes)

Keine Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf.

Zu Nummer 1 Buchstabe d (Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe a,
§ 5 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 des
Artikel 10-Gesetzes)

Keine Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf.

Zu Nummer 1 Buchstabe d (Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b,
§ 5 Absatz 1 Satz 3 Nr. 7 des
Artikel 10-Gesetzes)

Anpassung der Formulierung im Regierungsentwurf zur Er-
fassung von Großschleusungen.

Zu Nummer 1 Buchstabe e (Artikel 1 Nr. 4a,
§ 5 Absatz 2 Satz 2 des
Artikel 10-Gesetzes)

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum
Kernbereichsschutz in Artikel 10 Absatz 1 GG ist bereits
auf der Anordnungsebene darauf zu achten, dass keine
Maßnahmen getroffen werden, die zur Erfassung von kern-
bereichsrelevanten Daten führen. Daher ist auch bei der
strategischen Überwachung sicherzustellen, dass keine
Suchbegriffe verwendet werden, die gezielt zur Erfassung
solcher Daten führen. Die zulässige Verwendung ausländi-
scher Telekommunikationsanschlüsse (i. S. v. § 5 Absatz 2
Satz 3) als so genannte formale Suchbegriffe einer strategi-
schen Beschränkungsmaßnahme im Sinne des § 5 bleibt
aber auch dann möglich, wenn nicht völlig ausgeschlossen
werden kann, dass der ausländische (z. B. terrorismusver-
dächtige) Anschlussinhaber oder -nutzer von seinem auslän-
dischen Anschluss aus auch vereinzelt Gespräche ins Inland
führen mag, die einen kernbereichsrelevanten Inhalt aufwei-
sen können. Der erforderliche Kernbereichsschutz wird in
solchen Fällen, in denen sich im Verlauf der Beschrän-
kungsmaßnahme im konkreten Einzelfall Hinweise auf
kernbereichsrelevante Inhalte ergeben, über § 5a gewähr-
leistet.

Drucksache 16/12448 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Nummer 1 Buchstabe f (Artikel 1 Nr. 4b,
§ 5a des Artikel 10-Gesetzes)

Soweit im Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung
durch den Bundesnachrichtendienst nach § 5 kernbereichs-
relevante Kommunikation erfasst werden könnte, trifft die
Vorschrift die entsprechenden Vorkehrungen, die bereits
zum Schutz des Kernbereichs im Rahmen der Maßnahmen
auf Grundlage des § 3 festgelegt sind. Entsprechende An-
wendung finden auch die Vorschriften in Zweifelsfällen
nach § 3a Satz 3 bis 7.

Zu Nummer 1 Buchstabe g (Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe a,
§ 6 Absatz 1 des
Artikel 10-Gesetzes)

Klarstellende Regelung zur Behandlung der Protokolldaten.

Zu Nummer 1 Buchstabe g (Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe b,
§ 6 Absatz 2 Satz 3 des
Artikel 10-Gesetzes)

Keine Änderung zum Regierungsentwurf.

Zu Nummer 1 Buchstabe g (Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe c,
§ 6 Absatz 3 des
Artikel 10-Gesetzes)

Keine Änderung zum Regierungsentwurf.

Zu Nummer 1 Buchstabe h (Artikel 1 Nr. 9a, § 12
Absatz 1 des
Artikel 10-Gesetzes)

Bei der Regelung handelt es sich um eine Klarstellung, die
sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zur Mitteilungspflicht orientiert (BVerfGE 100, 313, 397 f.).
Die Formulierung „Zweck der Beschränkung“ umfasst
nicht alle Konstellationen, die das Bundesverfassungs-
gericht bei der Auslegung des Artikels 10 GG als zulässige
Ausnahmen von der Mitteilungspflicht beschrieben hat.
Durch die Aufnahme des „Eintritts übergreifender Nachteile
für das Wohl des Bundes oder eines Landes“ als weiterer
Grund für ein Zurückstellen der Mitteilung bzw. für ein end-
gültiges Absehen von der Mitteilung sollen Unsicherheiten
bei der Anwendung der Vorschrift in der Praxis beseitigt
werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts ist ein Absehen von der Mitteilung an den Betroffe-
nen jedenfalls auch dann zulässig, wenn „mit der Offen-
legung von Erkenntnissen oder auch von eingesetzten
Methoden, die im konkreten Fall (noch) geheim gehalten
werden müssen, die Aufgabenwahrnehmung gefährdet
würde. Über die behördliche Aufgabenwahrnehmung hi-
naus können unter bestimmten Voraussetzungen übergrei-
fende Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes,
die im Fall einer Kenntnisgewähr absehbar sind, als ent-
gegenstehende Belange berücksichtigt werden. Im nachrich-
tendienstlichen Bereich mag dies etwa bei der Beteiligung
ausländischer Nachrichtendienste oder im Bereich der Spio-
nageabwehr der Fall sein. Zu den legitimen Belangen kann
weiter der Schutz von Informationsquellen zählen.“
(BVerfGE 100, 313, 397 f.).

Außerdem präzisiert die Vorschrift in Absatz 1 Satz 3 und 4
das Mitteilungsverfahren. Die Regelung orientiert sich an
§ 20w Absatz 3 BKAG. Sie sieht vor, dass in den Fällen, in

denen eine zurückgestellte Mitteilung nicht binnen zwölf
Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt, die wei-
tere Zurückstellung der Zustimmung der G 10-Kommission
bedarf. Außerdem sieht die Norm vor, dass die G 10-Kom-
mission die Dauer der weiteren Zurückstellung bestimmt.

Zu Nummer 1 Buchstabe i (Artikel 1 Nr. 11,
§ 15 Absatz 6 Satz 4, 5 des
Artikel 10-Gesetzes)

Die Änderung des § 15 Absatz 6 soll eine beschleunigte
Vorbereitung von Maßnahmen nach § 8 G 10 sicherstellen.
Die Kompetenzen des Plenums der G 10-Kommission wer-
den durch das Erfordernis der Unverzüglichkeit für die
Wirksamkeit der nur durch den Vorsitzenden oder seinen
Vertreter erklärten Zustimmung gewahrt.

Zu Nummer 2 Buchstabe a (Artikel 1a, § 11 BVerfSchG)

a) § 11 BVerfSchG

Die Ergänzung in Absatz 1 Satz 1 ist eine klarstellende
Folgeänderung, die durch die Einfügung des § 3 Absatz 1a
des Artikel 10-Gesetzes erforderlich wird.

Die weitere Änderung des Absatzes 1 passt die bisherigen
Regelungen zum Schutz Minderjähriger an die veränderte
Gefährdungslage an. Die Regelung zur Speicherung Min-
derjähriger in Akten bleibt gegenüber der bisherigen
Rechtslage unverändert. Satz 3 schafft eine Ausnahmerege-
lung zu Satz 2, nach dem vor Vollendung des 16. Lebens-
jahres eine Speicherung in Dateien nicht zulässig ist. Satz 3
ermöglicht es, Daten über Minderjährige bereits mit der
Vollendung des 14. Lebensjahres in Dateien zu speichern,
wenn nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausge-
schlossen werden kann, dass die Speicherung zur Abwehr
einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben einer Person
erforderlich ist. Eine Speicherung von Daten über Minder-
jährige in Dateien vor Vollendung des 14. Lebensjahres ist
nicht zulässig. Ab Vollendung des 16. Lebensjahres gilt die
Regelung des § 10.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist aufgrund der Ent-
wicklung in den einzelnen Beobachtungsfeldern in Einzel-
fällen darauf angewiesen, Daten über Personen ab dem
14. Lebensjahr auszuwerten. Bereits Kinder und Jugend-
liche gehören zur Zielgruppe islamistischer Organisationen.
Weil bei diesem Personenkreis in der Regel noch keine stark
gefestigte Persönlichkeit vorhanden ist, können diese Perso-
nen daher für die Propaganda islamistisch-terroristischer
Gruppierungen besonders anfällig sein. Auch die Gewalt-
bereitschaft Jugendlicher mit rechts- oder ausländerextre-
mistischem Hintergrund steigt weiter an. Bei schweren Ge-
walttaten werden häufig Täter ermittelt, die bei Tatausfüh-
rung jünger als 16 Jahre alt waren oder bei denen ein extre-
mistischer Vorlauf vor dem 16. Lebensjahr festgestellt
werden konnte. Auch sind zahlreiche Personen zwischen 14
und 16 Jahren in der rechtsextremistischen Skinheadszene
aktiv und gelten häufig als sehr aggressiv und gewalttätig.
Für eine effektivere Beobachtung dieser jugendlichen Ex-
tremisten und für Maßnahmen der Prävention kann ihre Er-
fassung bereits ab dem 14. Lebensjahr notwendig sein. Eine
sachgerechte Abwägung zwischen Jugendschutz und den
Interessen der Verfassungsschutzbehörden führt daher dazu,
dass eine Speicherung schon ab Vollendung des 14. Lebens-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/12448

jahres dann möglich sein muss, wenn nicht ausgeschlossen
werden kann, dass die Speicherung zur Abwehr einer erheb-
lichen Gefahr für Leib oder Leben einer Person erforderlich
ist.

Zu Nummer 2 Buchstabe b (Artikel 1a, § 14 BVerfSchG)

Zu Absatz 1 Satz 2

Die Ergänzung vollzieht die neue Aufgabe und Bezeich-
nung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz aufgrund
von § 12 Absatz 2 des Informationsfreiheitsgesetzes nach.

Zu Nummer 2 Buchstabe c (Artikel 1a, § 18 Absatz 3a
BVerfSchG)

Zu Absatz 3a

Es wird ein neuer § 18 Absatz 3a in das Bundesverfassungs-
schutzgesetz eingefügt. Die Innenministerkonferenz (IMK)
hat mit ihrem Beschluss vom Dezember 2007 hervorgeho-
ben, dass extremistische Vereine keine Zuerkennung der
Gemeinnützigkeit und damit einhergehend auch keine Steu-
erprivilegierung erfahren dürfen. Daher hat der Gesetzgeber
in einem ersten Schritt im Jahressteuergesetz 2009 in § 51
Absatz 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) klargestellt,
dass eine Steuervergünstigung ausgeschlossen ist, wenn die
Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen
Geschäftsführung Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bun-
desverfassungsschutzgesetzes fördert oder dem Gedanken
der Völkerverständigung zuwiderhandelt. Zugleich hat der
Gesetzgeber in § 51 Absatz 3 Satz 2 AO bestimmt, dass bei
Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bun-
des oder eines Landes als extremistische Organisation auf-
geführt sind, widerlegbar davon auszugehen ist, dass die
Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen
Geschäftsführung Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bun-
desverfassungsschutzgesetzes fördert oder dem Gedanken
der Völkerverständigung zuwiderhandelt. Damit werden die
Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörden begrenzt und
die Beweislast für das Vorliegen der nach § 51 Absatz 3
Satz 1 AO erforderlichen Voraussetzungen für die steuer-
liche Gemeinnützigkeit den betroffenen Körperschaften
auferlegt. Wegen der damit geschaffenen Anknüpfung der
steuerlichen Beurteilung an die Berichte der Verfassungs-
schutzbehörden sollen die Finanzbehörden im Besteue-
rungsverfahren einer Körperschaft, Personenvereinigung
oder Vermögensmasse bekannt gewordene Tatsachen, die
den Verdacht von Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bun-
desverfassungsschutzgesetzes oder des Zuwiderhandelns
gegen den Gedanken der Völkerverständigung begründen,
der zuständigen Verfassungsschutzbehörde mitteilen (§ 51
Absatz 3 Satz 3 AO). Die Übermittlungspflicht setzt voraus,
dass der Finanzbehörde entsprechende Tatsachen bereits be-
kannt sind.

Mit dem nun – als zweiten Schritt – vorgesehenen § 18
Absatz 3a des Bundesverfassungsschutzgesetzes soll die an
das Vorliegen von Verdachtstatsachen geknüpfte Mit-
teilungspflicht der Finanzbehörden (§ 51 Absatz 3 Satz 3
AO) ergänzt werden. § 18 Absatz 3a des Bundesverfas-
sungsschutzgesetzes ermächtigt und verpflichtet die Finanz-
behörden, den Verfassungsschutzbehörden auf deren Er-
suchen die dem Steuergeheimnis unterliegende Tatsache
mitzuteilen, ob eine Körperschaft, Personenvereinigung

oder Vermögensmasse als gemeinnützig anerkannt ist. Die
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Ersuchens und
dafür, ob die Kenntnis dieser Tatsache für die Erfüllung der
Aufgaben nach § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutz-
gesetzes erforderlich ist, trägt die ersuchende Verfassungs-
schutzbehörde. Die Verfassungsschutzbehörden dürfen nur
die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informa-
tionen erheben (vgl. § 8 Absatz 1 Satz 1 BVerfSchG).
Wegen der Wahl des § 18 des Bundesverfassungsschutzge-
setzes als Ort der Neuregelung gelten die allgemeinen Rege-
lungen zum zwischenbehördlichen Datenaustausch in den
§§ 23 bis 27 des Bundesverfassungsschutzgesetzes.

Während § 51 Absatz 3 Satz 3 AO die Aufgabenerfüllung
der Finanzbehörden und die ordnungsgemäße Durchfüh-
rung des Besteuerungsverfahrens unterstützt, dient § 18
Absatz 3a des Bundesverfassungsschutzgesetzes den Erfor-
dernissen der Verfassungsschutzbehörden. Beide Regelun-
gen dienen der Bekämpfung extremistischer Tendenzen und
betreffen ausschließlich den Informationsaustausch, bezogen
auf gemeinnützige Körperschaften, Personenvereinigungen
und Vermögensmassen, die aufgrund ihrer extremistischen
Betätigung Steuervergünstigungen zu Unrecht in Anspruch
nehmen. Die für die Besteuerung in § 51 Absatz 3 AO und
für die Erfüllung der Aufgaben nach § 3 Absatz 1 des
Bundesverfassungsschutzgesetzes in § 18 Absatz 3a dieses
Gesetzes getroffene Spezialregelung lassen sonstige Befug-
nisse zur Übermittlung weiterer Informationen an die Ver-
fassungsschutzbehörden unberührt.

Die Informationsübermittlung unterstützt die Verfassungs-
schutzbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Als
gemeinnützig anerkannte extremistische Organisationen
können in der Regel leichter Spenden akquirieren, da sie
darüber steuerabzugsfähige Zuwendungsbestätigungen aus-
stellen können; die hieraus resultierende Finanzausstattung
versetzt sie in die Lage, ihre extremistischen Bestrebungen
nachhaltiger zu verfolgen. Eine aufgrund der Anerkennung
der Gemeinnützigkeit verstärkte Finanzkraft der Körper-
schaft kann – bei Verifizierung des Status der Gemein-
nützigkeit durch die Finanzbehörden – für die Verfassungs-
schutzbehörden ein wichtiges Priorisierungskriterium dar-
stellen. Des Weiteren kann das „amtliche Gütesiegel“ der
steuerlichen Gemeinnützigkeit dafür missbraucht werden,
über die extremistischen Absichten zu täuschen und poten-
tielle Anhänger leichter an sich zu binden. Im Übrigen ge-
hört zur Aufklärungspflicht der Verfassungsschutzbehörden
gegenüber der Öffentlichkeit auch der Umstand, dass Ex-
tremisten – ggf. durch als gemeinnützig anerkannte Tarn-
organisationen – um Spenden werben.

Satz 2 bestimmt, dass die Finanzbehörden der nach Satz 1
um Auskunft ersuchenden Verfassungsschutzbehörde die
dem Steuergeheimnis unterliegenden Tatsache der Gemein-
nützigkeit mitzuteilen hat. Diese Regelung stellt eine aus-
drückliche Ermächtigung zur Durchbrechung des Steuer-
geheimnisses im Sinne des § 30 Absatz 4 Nr. 2 AO dar.

Zu Absatz 6

Die Ergänzung in Satz 1 ist eine klarstellende Folgeände-
rung, die durch die Einfügung des § 3 Absatz 1a des
Artikel 10-Gesetzes erforderlich wird.

Drucksache 16/12448 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Nummer 2 Buchstabe d (Artikel 1a, § 24 BVerfSchG)

Zu Absatz 1

Die Übermittlung von Informationen einschließlich perso-
nenbezogener Daten über das Verhalten Minderjähriger an
inländische Stellen ist unter den gleichen Bedingungen wie
bisher möglich. Die Änderung dient lediglich der Klar-
stellung.

Zu Absatz 2

Informationen einschließlich personenbezogener Daten
über das Verhalten Minderjähriger dürfen vor Vollendung
des 16. Lebensjahres nicht an ausländische oder über- oder
zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. Für die
Arbeitsfähigkeit des Bundesamtes und zur Gewährleistung
eines erforderlichen Informationsaustauschs mit ausländi-
schen Partnerdiensten besteht jedoch die Notwendigkeit, im
Einzelfall auch Erkenntnisse zu Personen ab 14 Jahren
übermitteln zu können. Daher können abweichend von
Satz 2, der geänderten Regelung in § 11 entsprechend,
künftig in Einzelfällen unter qualifizierten Voraussetzungen
Daten von Minderjährigen übermittelt werden, die das
14. Lebensjahr vollendet haben.

Zu Nummer 3 Buchstabe a (Artikel 1b, § 4 Absatz 2 des
BND-Gesetzes)

Die Verweisung auf § 11 des Bundesverfassungsschutz-
gesetzes bleibt bestehen. Über die Restriktion des § 11
Absatz 1 Satz 2 BVerfSchG hinaus (Verbot der Speicherung
von Daten von Minderjährigen in Dateien unterhalb einer
bestimmten Altersgrenze) wird eine Möglichkeit zur Ver-
arbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Min-
derjährigen geschaffen, die hohe Schutzgüter wie Leib und
Leben Deutscher im Ausland oder deutsche Einrichtungen
im Ausland gefährden. Der Schutz deutscher Staatsangehö-
riger im Ausland, insbesondere in den deutscher Streitkräf-
ten, Auslandsvertretungen oder anderen deutscher Einrich-
tungen, gebietet eine gesetzgeberische Abwägung von spe-
ziellem Datenschutz für Minderjährige einerseits und der
Schutzpflicht des Staates für seine Angehörigen im Ausland
andererseits.

Zu Nummer 3 Buchstabe b (Artikel 1b, § 8 Absatz 1
Satz 2 des BND-Gesetzes)

§ 8 des BND-Gesetzes, der Übermittlungen an den Bundes-
nachrichtendienst regelt, wird für den speziellen Bereich
von Übermittlungen aus dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung den aktuellen Erfordernissen
– Hintergrund sind die veränderte Weltlage, Auslands-
einsätze deutscher Streitkräfte und die infolgedessen ver-
änderte Intensität der Zusammenarbeit zwischen Bundes-
wehr und Bundesnachrichtendienst – nicht mehr gerecht.
Daher haben das Bundeskanzleramt und der Bundesnach-
richtendienst einerseits und das Bundesministerium der Ver-
teidigung anderseits die Strukturen des militärischen Nach-
richtenwesens durch Vereinbarungen neu geregelt.

Nach dem geltenden § 8 Absatz 1 des BND-Gesetzes kann
auch die Bundeswehr von sich aus dem Bundesnachrichten-
dienst personenbezogene Daten nur dann übermitteln, wenn
der Bundesnachrichtendienst diese voraussichtlich entweder
zur Eigensicherung oder zur Aufklärung der genannten Ge-
fahrenbereiche nach § 5 G 10 (z. B. internationaler Terroris-
mus mit unmittelbarem Bezug zu Deutschland) benötigt.
Zur Erstellung korrekter Lagebilder benötigt der Bundes-
nachrichtendienst aber alle im Bereich der Bundeswehr an-
fallenden einschlägigen Daten, die zur Erfüllung seiner
Aufgaben nach § 1 Absatz 2 des BND-Gesetzes erforderlich
sind. Beispielsweise benötigt der Bundesnachrichtendienst
im Bereich der Bundeswehr vorhandene bzw. angefallene
(personenbezogene) Daten zur Aufklärung auch solcher Ge-
fahrenpotentiale, die nicht den Gefahrenbereichen von § 5
Absatz 1 Satz 3 G 10 unterfallen, lokale Lageinformationen
einschließlich personenbezogener Daten über Einsatz-
gebiete der Bundeswehr oder personenbezogene Daten über
ausländisches Militärpersonal auch ohne jeweils gesonder-
tes Ersuchen nach § 8 Absatz 3 des BND-Gesetzes.

Zu Nummer 4 (Artikel 1c)

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
27. Juli 2005 ist ein ausdrückliches und erneutes Zitat des
eingeschränkten Grundrechtes bei jeder grundrechtsrelevan-
ten Regelung von Befugnissen erforderlich.

Berlin, den 25. März 2009

Helmut Brandt
Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter

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