BT-Drucksache 16/12414

Keine Wahl im Justizvollzug

Vom 23. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12414
16. Wahlperiode 23. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Jan Korte,
Kersten Naumann, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Wahl im Justizvollzug

Das aktive Wahlrecht von Strafgefangenen ist in der Bundesrepublik Deutsch-
land auch noch im sog. Superwahljahr 2009 verschiedenen rechtlichen und tat-
sächlichen Einschränkungen unterworfen. So bestimmt das Strafvollzugsgesetz
des Bundes (StVollzG) zwar, dass Strafgefangene bei der Ausübung ihres akti-
ven Wahlrechts zu unterstützen sind, vgl. § 73 StVollzG. In der Realität be-
schränkt sich diese Hilfe jedoch auf die Ermöglichung der Briefwahl; wobei je-
denfalls durch § 29 StVollzG nicht sichergestellt ist, dass der für die Briefwahl
erforderliche Schriftwechsel nicht vom Staat überwacht wird. Bewegliche
Wahlvorstände, wie sie die Bundeswahlordnung (BWO) vorsieht, werden in
aller Regel nicht gebildet, vgl. § 8 BWO. Die Wahlbeteiligung ist daher sehr
gering. Zudem sieht § 45 Absatz 5 des Strafgesetzbuchs (StGB) sogar die
Möglichkeit vor, Verurteilte vom aktiven Wahlrecht auszuschließen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In wie vielen Justizvollzugsanstalten (JVA) welcher Bundsländer wurde bei
der letzten Bundestagswahl ein beweglicher Wahlvorstand gebildet?

Wann wurde zuletzt ein beweglicher Wahlvorstand in einer JVA gebildet?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die weitgehende Beschränkung einer
Bevölkerungsgruppe auf die Briefwahl vor dem Hintergrund der Grundsätze
der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl?

Was wird sie ggf. unternehmen, um der Sollvorschrift des § 8 BWO zur
effektiveren Durchsetzung zu verhelfen?

3. In welchen Bundesländern übermitteln die Justizvollzugsanstalten den Auf-
sichtsbehörden regelmäßig oder gelegentlich Daten zu der Zahl der Ge-
fangenen, die sich um Briefwahlunterlagen bemüht hatten bzw. diese nutz-
ten?

Welche Angaben enthalten diese Übermittlungen?

Sieht die Bundesregierung den Grundsatz der geheimen Wahl betroffen, und
wenn nein, warum nicht?
4. Sieht die Bundesregierung einen gesetzgeberischen Regelungsbedarf, um
die sog. Wahlpost eines Gefangenen (Wahlbenachrichtigung, Wahlschein-
antrag, Wahlschein, Stimmzettel) unter ein Überwachungsverbot zu stellen?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/12414 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. In wie vielen Fällen und bei welchen Delikten, aufgeschlüsselt nach den ein-
zelnen Jahren, kam § 45 Absatz 5 StGB seit dem Jahr 1990 zur Anwendung
(falls genaue Angaben ganz oder teilweise unmöglich sind, wird um eine
sorgfältige ergänzende Schätzung gebeten)?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung den § 45 Absatz 5 StGB mit Blick auf die
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom
6. Oktober 2005 (Hirst vs. United Kingdom)?

Sieht die Bundesregierung Bedarf für gesetzgeberische Abhilfe?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie wäre diese inhaltlich vorzunehmen?

7. Steht die Bundesregierung zu der ursprünglichen Begründung zu § 45 Ab-
satz 5 StGB (Bundestagsdrucksache 5/5094 S. 15 ff.), wonach die Regelung
zur „Reinhaltung des öffentlichen Lebens“ erforderlich sei?

Berlin, den 23. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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