BT-Drucksache 16/12396

Einsatz der Bundespolizei im Rahmen der Demonstrationen am 13. und 14. Februar 2009 in Dresden

Vom 23. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12396
16. Wahlperiode 23. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen, Jan Korte,
Kersten Naumann, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz der Bundespolizei im Rahmen der Demonstrationen am
13. und 14. Februar 2009 in Dresden

Der Aufmarsch von Neonazis in Dresden am 13. und 14. Februar 2009 ge-
hörte zu den größten Aufmärschen der extremen Rechten seit Jahren. Dres-
den ist inzwischen zum zentralen Event der extrem rechten Szene geworden,
für das europaweit mobilisiert wird. Auf der anderen Seite mobilisierte ein
breites Bündnis demokratischer Kräfte nach Dresden, um den Nazis nicht das
Feld zu überlassen. Umso verwunderlicher ist es, dass es im Vorfeld und
nach der Demonstration mehrmals zu Situationen kam, die nur mit Fehlein-
schätzungen und Versäumnissen der Polizei zu erklären sind. Sie hatten für
zahlreiche Gegner des Naziaufmarsches gravierende Folgen.

Auf einem Autobahnrastplatz in Thüringen verübten Neonazis einen schweren
Überfall auf einen Bus mit Gegendemonstranten, bei dem ein Gewerkschafter
erhebliche Kopfverletzungen davontrug. Zu weiteren Angriffen auf Gegen-
demonstranten durch Nazis ist es auf einem Rastplatz bei Chemnitz und in einem
Regionalexpress nach Leipzig gekommen. Des Weiteren wurden Journalisten
und Migranten von Nazis im Rahmen der Demonstration vom 14. Februar 2009
angegriffen. Die fehlende Sicherung der An- und Abreise der Demonstranten
gegen den Naziaufmarsch bedeutet eine Schwächung des demokratischen
Widerstands gegen die extreme Rechte, führt sie doch zu tiefgreifender Ver-
unsicherung potenzieller Teilnehmer solcher Demonstrationen.

Demgegenüber kam es bei der Anreise von Demonstrantinnen und Demons-
tranten gegen den Naziaufmarsch zu Festnahmen und Einsätzen der Polizei, de-
ren Begründung unklar bleibt und von den Betroffenen als ungerechtfertigte
Behinderung ihres Demonstrationsrechts empfunden wird.

Presseberichten zufolge waren die Sicherheitskräfte von der Größe der Nazi-
demonstration überrascht. In der „Berliner Zeitung“ vom 16. Februar 2009
wird ein Verfassungsschützer mit den Worten zitiert: „Nachdem im vergange-
nen Jahr nur rund dreieinhalbtausend Teilnehmer bei dem Gedenkmarsch wa-
ren, hatten wir auch in diesem Jahr mit einer solchen Größenordnung gerech-
net.“
Diese Aussage verwundert vor dem Hintergrund, dass die aktuelle Mobilisie-
rungsfähigkeit der Naziszene durch die zahlreichen V-Leute in der Szene be-
kannt sein müsste. Zudem gingen zahlreiche Organisationen, die zu Protesten
gegen den Naziaufmarsch mobilisierten, von einer realistischeren Zahl aus.

Drucksache 16/12396 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde für die Demonstration in Dresden eine Besondere Aufbauorganisa-
tion (BAO) eingerichtet, und wenn ja, wer hatte die Leitung?

Wenn nein, warum nicht, und in welcher Form wurde die Leitung der
Sicherheitskräfte vor Ort durchgeführt?

2. Mit welchen schriftlichen und mündlichen Hinweisen wurde das Personal
in den Zügen der Deutschen Bahn von Bundespolizei und DB Sicherheit
GmbH auf reisende Demonstranten hingewiesen, und wem sollten auf-
fällige Personen gemeldet werden?

3. Gab es Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr?

Wenn ja, von welcher Seite und mit welchen inhaltlichen Anforderungen?

4. Mit wie vielen Einsatzkräften war die Bundespolizei am Einsatz am
13. und 14. Februar 2009 beteiligt, und an welchen Orten war die Bundes-
polizei eingesetzt?

5. Inwieweit war die Bundespolizei an der Einsatzplanung für den 13. und
14. Februar 2009 beteiligt, und welche Aufgaben wurden von ihr im Rah-
men dieses Einsatzes übernommen?

6. Hatte die Bundespolizei mit der Überwachung der An- und Abreise der
Demonstranten am 13. und 14. Februar 2009 zu tun, und wenn ja, an wel-
chen Orten fanden Einsätze der Bundespolizei statt?

7. Kam es zu Einsätzen der Bundespolizei in Zügen, und kam es hier im Vor-
feld der Demonstration zu Festnahmen, und wenn ja, was waren die
Gründe für die Festnahmen, und welchen politischen Lagern entstammten
die Festgenommenen (bitte genaue Zahlen angeben)?

8. Wie viele Festnahmen hat die Bundespolizei im Rahmen der Demonstra-
tion in Dresden am 13. und 14. Februar 2009 (auch im Vorfeld und nach
Ende der Demonstration) durchgeführt, und wie verteilen sich diese Fest-
nahmen auf die unterschiedlichen Demonstrationsgruppen (extreme
Rechte, Antifaschisten/Linke), und unter welchem Vorwurf erfolgten die
jeweiligen Festnahmen?

9. Wie viele Strafverfahren gegen wie viele Festgenommene resultierten aus
diesen Aktionen (bitte nach Rechtsextremisten und Gegendemonstranten
aufschlüsseln)?

10. In welchen europäischen und skandinavischen Ländern haben Rechts-
extreme für Dresden mobilisiert?

Aus welchen Ländern waren rechtsextreme Teilnehmer in welcher Anzahl
angereist?

11. Hatten das Bundesministerium des Innern, das Bundesamt für Verfassungs-
schutz oder das Bundeskriminalamt im Vorfeld der Demonstration in
Dresden Kontakte zu ausländischen Behörden aufgenommen, um sich über
mögliche Anreisen von Anhängern der extremen Rechten aus diesen
Ländern zu informieren, und wenn ja, zu Behörden welcher Länder wurden
Kontakte in diesem Sinne aufgenommen?

12. Wurden gemeinsame Lagezentren im Vorfeld und an den Tagen der De-
monstration selbst eingerichtet?

Wenn ja, wo, seit wann, in welcher Besetzung und unter wessen Leitung?

13. Gab es Gefährderansprachen im In- und Ausland?
Wie viele gegen Rechtsextremisten und wie viele gegen Antifaschisten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12396

14. Wie viele Ein- bzw. Ausreiseverbote wurden gegen rechtsextreme poten-
zielle Demonstrationsteilnehmer ausgesprochen?

15. Wie viele Rechtsextreme wurden an welchen Grenzen zurückgewiesen?

16. Wie viele Antifaschistinnen und Antifaschisten wurden an welchen Gren-
zen zurückgewiesen?

17. Wurde das Schengener Abkommen gemäß Artikel 2 des Schengener
Durchführungsübereinkommens außer Kraft gesetzt, um Grenzkontrollen
durchführen zu können?

18. Welche Lagebilder oder -einschätzungen erhielt die Bundespolizei aus
anderen europäischen bzw. skandinavischen Ländern, und in welchen
Gremien und Sicherheitsbehörden wurden diese Informationen diskutiert
und ausgewertet?

19. Welche Maßnahmen wurden von Seiten der Bundespolizei, auch in Ab-
sprache mit den Bundesländern, ergriffen, um die sichere An- und Abreise
der Demonstranten zu gewährleisten?

20. Mit wie vielen Teilnehmern der extremen Rechten für den Aufmarsch in
Dresden am 14. Februar 2009 wurde von Seiten der Bundespolizei bzw.
des Bundesamtes für Verfassungsschutz gerechnet, und waren auch sie von
der großen Zahl der Vertreter der extremen Rechten überrascht?

21. Gab es im Vorfeld der Demonstration in Dresden eine gemeinsame Lage-
einschätzung von den verantwortlichen Sicherheitskräften in Bund und
Ländern über die zu erwartende Zahl von Vertreter der extremen Rechten,
und von welcher Einschätzung wurde hier ausgegangen?

Berlin, den 23. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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