BT-Drucksache 16/1224

Ownership und Transparenz in der Technischen Zusammenarbeit

Vom 7. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1224
16. Wahlperiode 07. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Paul
Schäfer (Köln), Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Ownership und Transparenz in der Technischen Zusammenarbeit

Die Möglichkeiten eines Finanzmonitorings in der Technischen Zusammenar-
beit (TZ) seitens der Partner wurden in den letzten Jahren zunehmend einge-
schränkt. Schon vor Einführung der Sammelnotenwechsel wurden in den Pro-
jektabkommen im Mengengerüst vorrangig Leistungen an Stelle von Beträgen
erwähnt. Das macht es den Partnern zumeist unmöglich, sich ein detailliertes
Bild der einzelnen Kostenstellen zu machen. Immerhin verfügten sie noch über
eine völkerrechtlich verbindliche Zusage der Leistungserbringung.

Die Einführung des entwicklungspolitischen Auftragsrahmens AURA zwischen
dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) und der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
GmbH im Jahre 2003 führt laut „Begriffswelt der GTZ“ (Eschborn, 2004) zu
einer „Ablösung des Mengengerüsts als verbindlicher Vorgabe“ und zu einer
„stärkeren inhaltlichen Ausrichtung auf die Erreichung der vereinbarten Ziele“.
Die Einschätzung der Zielerreichung wird aber überwiegend von den Projekt-
verantwortlichen der GTZ selber vorgenommen. Weiterhin wurden mit Ein-
führung der Sammelnotenwechsel die völkerrechtlichen Projektabkommen
zwischen Bundesregierung und Partnern mit der Nennung eines verbindlichen
Mengengerüstes abgeschafft und durch privatrechtliche Durchführungsverträge
zwischen GTZ und Partnerstrukturen ersetzt.

Dieses Vorgehen führt zu einer erhöhten Intransparenz in der Durchführung von
TZ-Vorhaben und einer geringeren Ownership beim Partner. Die hohe Intrans-
parenz der TZ gegenüber dem Partner in der Projektdurchführung steht in deut-
lichem Widerspruch zu dem Anspruch des BMZ, in den Partnerländern Good
Governance, Transparenz und Accountability nach innen und nach außen (BMZ
Spezial, Good Governance, 2002) zu fördern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit verwendet die Bundesregierung in der Kommunikation mit den
Partnerländern zu TZ-Vorhaben die Begriffe „eingegangene Verpflichtun-
gen“, „Zusagen“ und „Leistungen“ sowie „inhaltliche Anpassung“ und „zeit-

liche Anpassung“ im Zusammenhang mit Budgetschwierigkeiten?

Was genau ist unter diesen Begriffen zu verstehen, und wie werden sie im
BMZ und im Auswärtigen Amt ins Englische, ins Französische und ins Spa-
nische übersetzt?

Drucksache 16/1224 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. In wie vielen und in welchen Fällen kam es seit 2001 im gemeinnützigen
Geschäft der GTZ aufgrund budgetärer Engpässe zu inhaltlichen und zeit-
lichen Anpassungen, und was genau ist darunter in den einzelnen Fällen zu
verstehen?

3. Sind dem BMZ Fälle bekannt, in denen die GTZ dem Partner eine transpa-
rente Mittelverwendung bzw. Projektbuchhaltung verweigert oder aber erst
auf politischen Druck hin gewährt hat, und wie verträgt sich gegebenenfalls
ein solcher Umstand mit dem Bekenntnis zu mehr Ownership beim Partner
und den Präferenzen des BMZ für innovative Finanzierungsmechanismen
bis hin zur Budgethilfe?

4. Trifft es zu, dass Vietnam als eines von wenigen Partnerländern, denen mehr
Einblick in die Mittelausstattung von TZ-Vorhaben gewährt wird als an-
sonsten üblich, gilt, und wenn ja, was genau macht die Besonderheiten der
Verfahrensweisen im Falle Vietnams aus, gibt es weitere Länder, mit denen
ähnlich verfahren wird, und warum wird in diesen Fällen so verfahren?

5. Warum wird in der GTZ Deutsch als Berichtssprache gepflegt, und ist daran
gedacht die Berichtssprache mittelfristig entsprechend der Praxis in der
Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) auf die jeweilige Landessprache umzu-
stellen?

6. Verfügen die Bundesregierung und/oder die GTZ über ein Modell des die
Projektabkommen ersetzenden privatrechtlichen Durchführungsvertrages
und/oder über einen Leitfaden zu dessen Erarbeitung?

Wenn ja, was ist deren Inhalt?

7. Seit wann genau ist in den Protokollen der Regierungsverhandlungen die
Formulierung „bis zu“ zur Einschränkung der Verbindlichkeit einer Zusage-
summe weggefallen, und bedeutet dies, dass die zugesagten Beträge seit-
dem verbindlich sind?

8. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es sich bei den in den Protokollen
der Regierungsverhandlungen genannten Zusagesummen der TZ nicht um
verbindliche Zusagen handelt, sondern lediglich um eine „Orientierung über
das Größenvolumen“ der Vorhaben, und wie begründet sie ihre Haltung?

9. Folgt nach Ansicht der Bundesregierung aus der den Partnerländern (wie
beispielsweise Mali anlässlich der Regierungsberatungen im Mai 2003,
vgl. Procès-Verbal des Négociations Intergouvernementales Germano-
Maliennes relatives à la Coopération Financière et Technique pour la
période 2003/2004/2005, Bonn le 28 mai 2003, Punkt 8.1.) zugesagten
Verfahrensweise, im privatrechtlichen Durchführungsvertrag zwischen
GTZ und einheimischer Durchführungsorganisation auf die zugrunde lie-
gende völkerrechtliche Vereinbarung hinzuweisen, auch die Tatsache, dass
die in der völkerrechtlichen Vereinbarung genannte Zusagesumme auch für
den Durchführungsvertrag verbindlich würde?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

10. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Fällen, in denen Partnerregierungen
zu laufenden Vorhaben der Technischen Zusammenarbeit lediglich eine
jährlich verausgabte Gesamtsumme mitgeteilt wurde, aus der weder ersicht-
lich ist, welche Kosten auf einzelne Komponenten entfallen, noch ob und in
welcher Höhe Gemeinkosten eingerechnet sind, und wie beurteilt die Bun-
desregierung gegebenenfalls eine solche intransparente Form der Koopera-
tion vor dem Hintergrund des Anspruchs der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit auf Ownership und Accountability nach innen und nach
außen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1224

11. Wie begründet die Bundesregierung, dass anlässlich der Regierungsver-
handlungen im Juni 2004 der von senegalesischer Seite vorgebrachten Bitte,
im Lichte der Budgetschwierigkeiten auf deutscher Seite über die Höhe der
voraussichtlichen Ausgaben im Bereich der TZ informiert zu werden, nicht
nachgekommen wurde, (vgl. Procès-Verbal des Négociations Intergouverne-
mentales Sénégalo-Allemandes relatives à la Coopération financière et
technique pour la période 2004 et 2005, Bonn du 7 au 9 juin 2004,
Punkt 10.2.)?

Berlin, den 6. April 2006

Heike Hänsel
Hüseyin-Kenan Aydin
Monika Knoche
Paul Schäfer (Köln)
Alexander Ulrich
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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