BT-Drucksache 16/12190

Gemeinsame Erklärung zur Kooperation der VN- und NATO-Sekretariate

Vom 6. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12190
16. Wahlperiode 06. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Monika Knoche, Heike Hänsel, Paul Schäfer
(Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Gemeinsame Erklärung zur Kooperation der VN- und NATO-Sekretariate

Am 23. September 2008 unterzeichneten der NATO-Generalsekretär Jaap de
Hoop-Scheffer und der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon
eine gemeinsame Erklärung über eine Kooperation der Sekretariate beider
Organisationen. Von den Vereinten Nationen (VN) wurde das Dokument als
Geheim eingestuft, so dass es bis heute keine offizielle Fassung gibt. Diese Ver-
einbarung soll dazu dienen, „Rahmenbedingungen für eine Ausweitung der Ab-
sprache und Kooperation der Generalsekretäre beider Organisationen zu schaf-
fen“. Bestandteil der Kooperation beider Sekretariate soll der „regelmäßige
Austausch und Dialog sowohl auf leitender als auch auf Arbeitsebene“ sein.
Beide Generalsekretäre behalten sich vor, diese „flexiblen Rahmenbedingungen“
über den „reinen Informationsaustausch“ hinaus auszuweiten und Felder wie
„Capacity Building“, „Trainings- und Übungsmaßnahmen“, „Kontingents-
planung und -unterstützung“ sowie „Unterstützung und Koordination auf ope-
rationeller Ebene“ in das Abkommen mitaufzunehmen (siehe: http://wiki-
leak.org/).

Die Vereinten Nationen und die NATO haben eine grundsätzlich unterschied-
liche Ausrichtung und Zielsetzung:

Die VN tritt für das friedliche Zusammenleben der Staaten, die Einhaltung des
Völkerrechts, die Achtung der Menschenrechte und für Abrüstung ein.

Die NATO beansprucht für sich u. a. das Recht, unabhängig und ohne Mandat
der Vereinten Nationen militärisch zu intervenieren – wie es das Militärbündnis
1999 auch getan hat, und hält am (Erst-)Einsatz von Atomwaffen fest.

Die Entscheidung des VN-Generalsekretärs wirft daher eine Reihe von Proble-
men hinsichtlich der Neutralität und Glaubwürdigkeit und damit der zukünfti-
gen Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen auf. Das Abkommen gefährdet
die Legitimität der weltweit einzigen internationalen Organisation, die mit der
Generalversammlung, des „Parlaments der Nationen“, eine politisch einmalige
Instanz der internationalen demokratischen Verständigung besitzt.

Staaten, die nicht Teil der NATO sind, reagierten bereits negativ auf das Ab-
kommen. In einer Meldung vom 9. Oktober 2008 (RIA Novosti) äußerte sich
der russische Außenminister Sergej Lavrov schockiert über das Abkommen
zwischen den Generalsekretären von NATO und VN. Auch der ständige Ver-
treter der russischen Föderation bei der NATO, Dmitri Olegowitsch Rogosin,
betonte, dass der VN-Generalsekretär Ban Ki-Moon mit der Unterzeichung des
Abkommens seine Kompetenzen überschritten habe.

Drucksache 16/12190 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. War die Bundesregierung auf NATO-Seite in die Verhandlungen über das
am 23. September 2008 unterzeichnete Kooperationsabkommen zwischen
den Vereinten Nationen und der NATO und die Formulierung des Textes
eingebunden, und wenn ja, seit wann, und wie?

2. Wie bewertet die Bundesregierung das Kooperationsabkommen zwischen
den Vereinten Nationen und der NATO?

3. Welche Aspekte der Zusammenarbeit zwischen VN und NATO bedürfen
nach Auffassung der Bundesregierung einer weiteren Verregelung (bitte
jeweils mit Begründung)?

4. Welche Maßnahmen wurden bereits auf Grundlage des Kooperationsab-
kommens vereinbart, und welche Maßnahmen sind geplant?

5. Welche Gremien in den beiden Organisationen werden sich mit der weite-
ren Verbesserung der Zusammenarbeit befassen?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung des VN-Generalse-
kretärs, das Kooperationsabkommen als Geheim einzustufen, und wird sich
die Bundesregierung für eine Aufhebung der Einstufung für das Abkom-
men und eventuelle Zusatzvereinbarungen einsetzen?

7. Welche konkreten Aufgaben wird Deutschland als NATO-Mitglied bei der
weiteren Ausgestaltung des Kooperationsabkommens übernehmen?

8. Welche konkreten Aspekte der Zusammenarbeit wurden in dem in Charak-
ter und Umfang vergleichbaren Abkommen vom 24. September 2003 zwi-
schen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Präsidenten
des Rates der Europäischen Union seit dessen Unterzeichnung umgesetzt?

9. Hält es die Bundesregierung angesichts des Abkommens weiterhin für
gewährleistet, dass der VN-Generalsekretär und der VN-Sicherheitsrat
glaubwürdig auf eine weltweite Abschaffung von Atomwaffen hinarbeiten
werden?

10. Welche Konsequenzen hat das Abkommen nach Ansicht der Bundesregie-
rung für die Rechenschaftsverpflichtung der NATO hinsichtlich der Einhal-
tung der Charta der Vereinten Nationen sowie weiterer internationaler
Rechtsabkommen?

11. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Generalsekretär
der Vereinten Nationen das Dokument dem VN-Sicherheitsrat zur Zustim-
mung vorlegt, und wann ist mit einer Behandlung in der Generalversamm-
lung der VN zu rechnen?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung des Abkommens auf
die Beziehungen der NATO bzw. Deutschlands zu Russland, insbesondere
vor dem Hintergrund der Georgien-Krise vom Sommer 2008?

13. Wurde im NATO-Russland-Rat im Vorfeld der Unterzeichnung eines sol-
chen Kooperationsabkommens mit den Vereinten Nationen über dieses
Thema gesprochen, und wenn nicht, warum nicht?

Berlin, den 5. März 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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