BT-Drucksache 16/1196

Umgang der Bundesregierung mit Söldnern, Söldnerfirmen, privaten Sicherheits- und Militärdienstleistungsunternehmen

Vom 6. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1196
16. Wahlperiode 06. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Ulla
Jelpke, Monika Knoche, Katrin Kunert, Dr. Norman Paech, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang der Bundesregierung mit Söldnern, Söldnerfirmen, privaten Sicherheits-
und Militärdienstleistungsunternehmen

Die Privatisierung verteidigungsrelevanter Aufgaben ist in den Streitkräften
vieler NATO-Staaten weit vorangeschritten. Unternehmen übernehmen den
Transport von Militärgütern, die Instandsetzung von Waffensystemen, die Be-
schaffung und Auswertung von Informationen u. a. durch Bedienung von Auf-
klärungssystemen sowie die Bewachung militärischer Objekte und Konvois.
Darüber hinaus entwickeln sie die Planung und Durchführung von Einsätzen,
übernehmen die Ausbildung von Soldaten und beteiligen sich an Kampfeinsät-
zen. Auch wenn im alltäglichen Sprachgebrauch zunehmend zwischen Söldnern
und den Angestellten von privaten Sicherheits- und Militärdienstleistungsunter-
nehmen unterschieden wird, existieren keine international gültigen Differenzie-
rungskriterien. Letzten Endes bleibt als übergreifendes Merkmal dieser Akteure,
dass sie aus wirtschaftlichen Interessen ihrer Tätigkeit nachgehen und anderen
ihre Dienstleistungen anbieten.

Die zunehmende Privatisierung militärischer Aufgaben stellt das legitime staat-
liche Gewaltmonopol in Frage, gerade in Staaten, die ohnehin nur über rudimen-
täre staatliche Kapazitäten zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung verfü-
gen. Die wachsende Beteiligung von Privatpersonen und Unternehmen an
bewaffneten Konflikten sowie die veränderte Art und Weise der Kriegsführung
und wachsende Bedeutung der Informationstechnologien verwischt die völker-
rechtliche Trennlinie zwischen Kombattanten und Zivilisten. Eine effektive
Kontrolle dieser nicht-staatlichen Akteure kann aufgrund ihrer globalen Tätig-
keiten, ihrer breiten Angebotspalette sowie wegen des besonderen rechtlichen
Status, den unternehmerische Interessen in den meisten NATO-Staaten genie-
ßen, derzeit kaum gewährleistet werden.

Nach wie vor existiert kein völkerrechtliches Regime zum Umgang mit Firmen
und Angestellten, die für die verschiedenen Streitkräfte, Konzerne, internationa-
le Organisationen oder Nichtregierungsorganisationen in Konflikten militäri-
sche Dienstleistungen erbringen. Ihr völkerrechtlicher Status und die Frage der
Haftung für ihre Taten bleiben ungeklärt. Die fehlende umfassende Verregelung

dieser Gruppe nicht-staatlicher Akteure erhöht zudem die Rechtsunsicherheit
für die völkerrechtlich legitimierten Kombattanten bei ihrer Auftragserfüllung.

Drucksache 16/1196 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Allgemein

1. Nach welchen politischen und rechtlichen Kriterien und mit welcher Be-
gründung unterscheidet die Bundesregierung zwischen Söldnern und ande-
ren privaten Sicherheitsdienstleistern und privaten Militärdienstleistern?

2. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die jetzige Verregelung von
Unternehmen und Personen, die Sicherheits- und Militärdienstleistungen
erbringen, national wie international ausreicht?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die wachsende Bereitschaft von Staaten,
Hilfsorganisationen und Konzernen, auf private Sicherheits- und Militär-
dienstleistungen bei ihren Aktivitäten in Konfliktgebieten zurückzugreifen?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, u. a. auch von der Interna-
tional Peace Operations Association (IPOA), Privatfirmen stärker in Durch-
führung von militärischen UN-Missionen nach Kapitel 6 und Kapitel 7 ein-
zubinden?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Praxis von in Deutschland ansässigen
Nichtregierungsorganisationen, Konzernen aber auch staatlichen Durch-
führungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit und der deut-
schen Botschaften, private bewaffnete Sicherheitskräfte im Ausland anzu-
stellen?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Anmietung nicht-staat-
liche Gewaltakteure durch Ausländer das staatliche Gewaltmonopol in dem
betroffenen Land schwächt und eher dazu geeignet ist, das Vertrauen der
Bevölkerung in den staatlichen Gewaltapparat weiter zu untergraben?

Wenn nicht, warum nicht?

II. Stand der Bemühungen der Bundesregierung, die von Deutschland 1990
unterzeichnete internationale Konvention gegen Rekrutierung, Verwen-
dung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern, dem Deutschen Bundes-
tag zur Ratifikation vorzulegen

7. Warum ist es der Bundesregierung in den zurückliegenden 15 Jahren seit
Unterzeichnung der Konvention nicht gelungen, diese Konvention zu ratifi-
zieren, und die Vorgaben der Konvention in das deutsche Strafrecht umzu-
setzen?

8. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung derzeit ge-
gen die Ratifikation der Konvention, und was unternimmt die Bundesregie-
rung um diese Gründe zu beseitigen?

9. Ist die Ratifikation der Konvention durch Deutschland nach Auffassung der
Bundesregierung abhängig vom Verhalten der anderen Mitgliedstaaten der
EU bezüglich der Konvention, und wenn ja, warum?

10. Setzt sich die Bundesregierung gegenüber anderen EU- und NATO-Staaten
für einen Beitritt zu dieser Konvention ein?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Verzögerung der Rati-
fizierung der Konvention ein falsches Signal an andere Staaten darstellt
bezüglich der Ernsthaftigkeit, mit der Deutschland ein Verbot des Söldner-
wesens anstrebt?

Wenn nicht, mit welcher Begründung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1196

III. Weitere Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung der Durch-
setzungsfähigkeit eines Verbots des Söldnerwesens

12. Welche Schritte plant die Bundesregierung zu unternehmen, um ein Verbot
des Söldnerwesens und anderen privaten militärischen Aktivitäten national
und international durchzusetzen?

13. Wird die Bundesregierung in Zukunft verhindern, dass sich deutsche Staats-
bürger als Angestellte deutscher oder ausländischer privater Sicherheits-
und Militärfirmen an innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen bewaffne-
ten Konflikten beteiligen und militärisch relevante Dienstleistungen wie be-
waffnete Eskorten, Objektschutz, Aufklärung und Kampfeinsätze erbrin-
gen, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die dem südafrikanischem Parlament ge-
genwärtig vorliegende Gesetzesinitiative der Regierung zum „Verbot von
Söldneraktivitäten und Verbot und Regulierung bestimmter Aktivitäten in
Gegenden mit bewaffneten Konflikten“, und könnte dies eine Vorlage für
ein ähnliches Gesetz in Deutschland sein?

15. Was spricht nach Auffassung der Bundesregierung gegen eine ähnliche Ver-
schärfung der deutschen Gesetze?

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Verflechtung von Unter-
nehmen und Unternehmensabteilungen, die Sicherheits- und Militärdienst-
leistungen erbringen, mit Rohstoff- oder Rüstungsinteressen Zweifel hin-
sichtlich ihrer Zuverlässigkeit wecken und eine effektive Kontrolle der
Unternehmen nach jetziger Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann,
und wie will die Bundesregierung dies ändern?

Wenn nicht, mit welcher Begründung?

17. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dagegen,
eine Registrierung der in Deutschland aktiven Unternehmen aus diesem
Bereich einzuführen und diese zur Mitteilung ihrer Vertragsabschlüsse zu
verpflichten?

IV. Sicherheits- und Militärdienstleistungsunternehmen in Deutschland

18. Wie viele Unternehmen sind derzeit in Deutschland registriert, die Sicher-
heitsdienstleistungen in Deutschland und im Ausland erbringen, wie viel
Personal beschäftigen sie, und welchen Umsatz haben sie 2004 und 2005
erzielt?

19. Wie viele Unternehmen sind derzeit in Deutschland registriert, die militäri-
sche Dienstleistungen in Deutschland und im Ausland erbringen, wie viel Per-
sonal beschäftigen sie, und welchen Umsatz haben sie 2004 und 2005 erzielt?

20. Wie viele der in Frage 19 genannten Firmen haben seit 2001 auch Geneh-
migungen für die Ausfuhr von militärischen Gütern der Ausfuhrliste Teil 1
A und C beantragt und erhalten (bitte nach Jahren und Wert und Posten der
Ausfuhrliste aufschlüsseln)?

21. Wie viele ausländische Unternehmen aus diesen Bereichen haben seit 2001
Vergünstigungen im Rahmen von den Artikeln 71 und 72 des Zusatzabkom-
mens zum NATO-Truppenstatut für die Erbringung von Sicherheits- und
Militärdienstleistungen in Deutschland erhalten, und für welche NATO-
Staaten haben diese Firmen gearbeitet?

22. Wie wird gewährleistet, dass sich die Angestellten der in Deutschland
aktiven Sicherheits- und Militärfirmen bei vorherigen Aufträgen oder in
früheren Arbeitsverhältnissen keinerlei strafrechtlich relevanter Vergehen

schuldig gemacht haben und früher nicht als völkerrechtlich nicht legi-
timierte Privatpersonen an Kampfhandlungen beteiligt haben?

Drucksache 16/1196 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

V. Sicherheits- und Militärdienstleistungsunternehmen im Ausland

23. Für welche Erbringung von Dienstleistungen im Sicherheitsbereich oder
für Streitkräfte im Ausland durch in Deutschland ansässige Unternehmen
bedarf es einer Genehmigung durch die Bundesregierung?

24. Mit wie vielen Unternehmen aus diesem Bereich hat die Bundesregierung,
z. B. durch das Auswärtige Amt oder die Bundeswehr, seit 1998 im Ausland
zusammengearbeitet (bitte aufgeschlüsselt nach Art der erbrachten Dienst-
leistung und Land)?

25. Wie viele deutsche Firmen arbeiten derzeit im Auftrag der Bundeswehr in
den Einsatzgebieten der Bundeswehr und erbringen welche Dienstleistun-
gen?

26. Wie viele deutsche Firmen erbringen derzeit für die USA in Afghanistan
und Irak welche Dienstleistungen für die Streitkräfte und Sicherheitsbehör-
den?

27. Wie gewährleistet die Bundesregierung in solchen Fällen, dass diese Firmen
und ihre Angestellten nicht für andere Auftraggeber vorher oder parallel an
Kampfhandlungen und Vorbereitungen von Kampfhandlungen beteiligt wa-
ren?

28. Prüft die Bundesregierung bei Exportgenehmigungsanträgen für Güter der
Ausfuhrliste Teil 1 A, B und C der Außenwirtschaftsverordnung, ob die
Empfängerfirma Tochtergesellschaften hat, die auch Sicherheits- und Mili-
täraufgaben anbieten und wie kann der Endverbleib der Güter in dieser Kon-
stellation sichergestellt werden?

VI. Deutsche Staatsbürger im Dienst von Sicherheits- und Militärdienstleis-
tungsunternehmen im Ausland

29. Dürfen deutsche Staatsbürger in fremden Streitkräften dienen?

30. Unter welchen Bedingungen dürfen deutsche Staatsbürger im Auftrag deut-
scher oder ausländischer Firmen militärische Dienstleistungen für andere
Streitkräfte erbringen?

31. Unter welchen Bedingungen dürfen deutsche Staatsbürger als Angestellte
fremder Streitkräfte oder als Angestellte von Firmen die im Auftrag fremder
Streitkräfte handeln, an innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen bewaff-
neten Konflikten teilnehmen und Waffen bedienen bzw. Kampfeinsatzrele-
vante Tätigkeiten ausüben?

32. Wie kann die Bundesregierung ausschließen, dass sich Bundeswehrsoldaten
für eine gewisse Zeit vom Dienst beurlauben lassen, und in dieser Zeit für
private Firmen im In- und Ausland militärische Dienstleistungen erbringen?

33. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es zu einem Transfer sicher-
heitsrelevanten militärischen Know-hows kommen kann, wenn Bundes-
wehrsoldaten nach dem Ende ihrer Dienstzeit für Firmen aus diesem Be-
reich arbeiten, und wie gewährleistet die Bundesregierung, dass dadurch
kein Gefahr für die nationale Sicherheit Deutschlands und anderer Staaten
entsteht?

34. Sind der Bundesregierung die Beiträge im Spiegel (2. Dezember 2005), für
Monitor (24. November 2005) und dem Stern (Nr. 41/2005) über Deutsche
Staatsbürger im Dienst von solchen Unternehmen im Irak bekannt, die sich
auch an bewaffneten Einsätzen beteiligt haben, und welchen politischen und
rechtlichen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung hier?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1196

VII.Konsequenzen für die Bundeswehr

35. Darf die Bundeswehr nach Auffassung der Bundesregierung bei einem Aus-
landseinsatz auf die Ressourcen und Dienstleistungen von Sicherheits- und
Militärdienstleistungsunternehmen zurückgreifen, und wenn ja, auf welche
und unter welchen Voraussetzungen?

36. Bei welchen Auslandseinsätzen ist dies bereits geschehen und welcher Art
waren die erbrachten Dienstleistungen?

37. Auf welcher rechtlichen Grundlage darf die Bundeswehr mit privaten
Sicherheits- und Militärdienstleistern zusammenarbeiten, die im Auftrag
fremder Streitkräfte, Konzerne und Nichtregierungsorganisationen militäri-
sche Aufgaben in den Einsatzgebieten wahrnehmen?

38. Auf welcher rechtlichen Grundlage unterscheidet die Bundeswehr im Ein-
satz, mit welchen nichtstaatlichen Gewaltakteuren die Bundeswehrsoldaten
zusammenarbeiten dürfen und mit welchen nicht?

39. Wie können Bundeswehrsoldaten im Zweifelsfall bei einem Einsatz ent-
scheiden, ob die bewaffneten Akteure, die gerade an einem Feuergefecht
beteiligt sind, Angehörige regulärer Streitkräfte im Sinne des Artikels 43
Abs. 1 des 1.ZP der Genfer Konvention sind?

40. Unter welchen Umständen sind Bundeswehrsoldaten verpflichtet, Ange-
stellten von Unternehmen im Dienst anderer NATO-Staaten bei einem Aus-
landseinsatz in Feuergefechten Beistand zu leisten oder nicht?

41. Wie werden die Bundeswehrsoldaten auf den Umgang mit Söldnern bzw.
bewaffneten „Private Contractors“ im Dienst von Unternehmen und Streit-
kräften vorbereitet?

42. Müssen Bundeswehrsoldaten während eines Auslandseinsatzes nach Auf-
fassung der Bundesregierung völkerrechtlich nicht legitimierte Kombattan-
ten festnehmen, entwaffnen und/oder bekämpfen?

43. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der für Deutschland gültigen
Rechtslage für die Zusammenarbeit mit Angestellten von privaten Sicher-
heits- und Militärdienstleistungsunternehmen, die im Auftrag Großbritanni-
ens und der USA in Afghanistan an militärische Aufgaben erfüllen?

44. Auf welche Art und Weise will die Bundesregierung die Rechtssicherheit
für Bundeswehrsoldaten und für deutsche Staatsbürger im Dienst von priva-
ten Sicherheits- und Militärdienstleistungsunternehmen im Ausland verbes-
sern?

Berlin, den 5. April 2006

Paul Schäfer (Köln)
Wolfgang Gehrcke
Heike Hänsel
Ulla Jelpke
Monika Knoche
Katrin Kunert
Dr. Norman Paech
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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