BT-Drucksache 16/11815

Staatsangehörigkeitsrecht und Einbürgerungspraxis als Maßstab der Integrationspolitik

Vom 28. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11815
16. Wahlperiode 28. 01. 2009

Große Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Wolfgang Neskovic, Ulla Jelpke, Jan Korte,
Kersten Naumann, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Staatsangehörigkeitsrecht und Einbürgerungspraxis als Maßstab der
Integrationspolitik

Der Schlüssel zur politischen Integration von eingewanderten Menschen und
ihren Kindern liegt in einem offenen Staatsangehörigkeitsrecht und in verein-
fachten Einbürgerungsverfahren. Dies ist auch der Weg, den das Bundesverfas-
sungsgericht mit seinen Grundsatzurteilen zum Kommunalen Wahlrecht vom
31. Oktober 1990 zur stärkeren politischen Beteiligung und Integration einge-
wanderter Menschen gewiesen hat. Gerade weil das Grundgesetz allgemeine
Menschenrechte von Deutschenrechten unterscheidet und es auch in anderen
Bereichen zur rechtlichen Benachteiligung von Menschen ohne deutsche
Staatsangehörigkeit kommt, muss jenen, die dauerhaft in Deutschland leben,
möglichst frühzeitig das Recht auf Einbürgerung angeboten werden. Nur so
wird es Migrantinnen und Migranten auch möglich, sich aktiv in das politische
Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland einzubringen und sich als
gleichberechtigter Teil desselben zu verstehen. Die Eröffnung politischer Mit-
bestimmungsrechte ist ein unabdingbarer Bestandteil einer Integrationspolitik,
die Menschen an der Gestaltung der Gesellschaft teilhaben lassen will. Die
Verweigerung oder Erschwerung der Einbürgerung kommt dagegen einer
faktischen Diskriminierung und Ungleichbehandlung der Menschen gleich,
was von ihnen auch so erlebt wird.

„Erst durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhalten Migrantin-
nen und Migranten die vollen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten in unse-
rem Land. Sie können auf allen Ebenen wählen und sich auch selbst zur Wahl
stellen. Sie können ihren Beruf frei wählen, genießen Freizügigkeit innerhalb
der Europäischen Union und können auch außerhalb unseres Kontinents in
viele Länder ohne Visum reisen“, befand auch die Beauftragte der Bundes-
regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Dr. Maria Böhmer (Presse-
mitteilung der Bundesregierung Nr. 247 vom 9. Juli 2008). Das Werben der
Integrationsbeauftragten Dr. Maria Böhmer für mehr Einbürgerungen steht
jedoch in einem auffälligen Kontrast dazu, dass sie die mit dem Gesetz zur Um-
setzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union
verbundenen weiteren Verschärfungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes aus-

drücklich „begrüßt“ hat (vgl. Bundestagsdrucksache 16/7600, S. 106).

Die geltende Rechtslage und Einbürgerungspraxis stellen zu hohe Hürden auf.
Zu kritisieren sind unter anderem die hohen Einbürgerungsgebühren, zu lang-
wierige Verfahren (die sich häufig daraus ergeben, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 StAG grundsätzlich die vorherige Aufgabe der bisherigen Staatsangehö-
rigkeit verlangt wird, was sich je nach Herkunftsland sehr schwierig gestalten

Drucksache 16/11815 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kann) und der Ausschluss von Personen, die Leistungen des Zweiten oder
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen. Insbesondere der
letzte Gesichtspunkt stellt in Zeiten struktureller Massenarbeitslosigkeit und
angesichts der besonderen Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten
im Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbsleben ein effektives Einbürgerungs-
hindernis dar.

Die Ergänzung des Abstammungsprinzips im Staatsangehörigkeitsrecht (ius
sanguinis) um das Geburtsrecht (ius soli) im Rahmen der Reform des Staatsan-
gehörigkeitsgesetzes (StAG) im Jahr 2000 war ein überfälliger Schritt. Doch
wurde das ursprüngliche Ziel einer erleichterten Einbürgerung durch den Aus-
schluss von Personen, die Leistungen des Zweiten oder Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen und die Verweigerung der prinzipiellen
Hinnahme einer doppelten oder mehrfachen Staatsbürgerschaft sowie die
Schaffung der Optionspflicht, bei der Jugendliche zwischen 18 und 23 Jahren
gezwungen werden, sich zwischen der deutschen und ihrer anderen Staatsange-
hörigkeit zu entscheiden, konterkariert.

Die Bundesregierung hat die Zahl der Einbürgerungen als einen Indikator für
„Integrationserfolge“ im Rahmen des geplanten bundesweiten „Integrations-
monitorings“ benannt (Pressemitteilung der Bundesregierung Nr. 201 vom
4. Juni 2008).

Diese Zahl stellt der Integrationspolitik der jetzigen, aber auch der vorherigen
rot-grünen Bundesregierung, ein denkbar schlechtes Zeugnis aus, denn die Ein-
bürgerungszahlen sind seit längerem rückläufig. So wurde im Jahr 2000 mit
186 688 Einbürgerungen zwar ein Höchststand erreicht; doch lässt sich dieser
im Wesentlichen mit Sonderfaktoren der damaligen Gesetzesänderung erklären
(Übergangsregelung für Kinder unter zehn Jahren nach § 40b StAG, Bearbei-
tung von Altanträgen nach neuem Recht). Seitdem sank die Zahl der jährlichen
Einbürgerungen kontinuierlich auf bis zu 127 153 im Jahr 2004 und nur noch
113 030 im Jahr 2007 ab – und damit auf einen Wert noch unterhalb der Zahl
der Einbürgerungen vor der Staatsangehörigkeitsreform (1999: 143 267). Der
Rückgang von 2000 bis 2007 beträgt fast 40 Prozent, und selbst wenn Einbür-
gerungen aufgrund der Übergangsregelung für unter zehnjährige Kinder (rück-
wirkende Anwendung des ius soli nach § 40b des Staatsangehörigkeitsgeset-
zes) herausgerechnet werden, ergibt sich ein Rückgang um fast ein Drittel
(32 Prozent). Im europäischen Vergleich weist die Bundesrepublik Deutschland
ohnehin eine sehr niedrige Einbürgerungsquote auf (Einbürgerungen in der
Bundesrepublik Deutschland gemessen an der Zahl der Nichtstaatangehörigen:
1,56 Prozent im Jahr 2007).

Im Gegensatz zu den Vorstellungen der Bundesregierung, nach der eine Einbür-
gerung erst nach einer „erfolgreichen“ Integration und nur unter strengen Bedin-
gungen erfolgen soll, hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE. erhebliche Er-
leichterungen der Einbürgerung gefordert (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1770).
In ihren Forderungen (Hinnahme von Mehrstaatigkeit, Abschaffung der
Optionspflicht etc.) sieht sich die Bundestagsfraktion DIE LINKE. auch durch
die Anhörung des Innenausschusses vom 10. Dezember 2007 zum Staatsange-
hörigkeitsrecht bestärkt (vgl. Ausschussprotokoll 16/54). Als maßgebliche
Gründe für die geringe Zahl von Einbürgerungen in Deutschland wurden hier
unter anderem identifiziert: Die abschreckende und verunsichernde Wirkung
von Diskussionen über Verschärfungen des Staatsangehörigkeitsrechts und
über Einbürgerungstests, das Prinzip der Vermeidung der Mehrstaatigkeit
sowie hohe Einbürgerungsgebühren und Sprachanforderungen. Der Sachver-
ständige und Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Uwe Berlit be-
fand zusammenfassend, dass „gegenüber den sukzessiven, teils überzogenen

Verschärfungen der letzten Jahre“ im Staatsangehörigkeitsrecht „ein Umdenken
angezeigt“ sei (Ausschussprotokoll Nr. 16/54, S. 9).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11815

Die Einbürgerungsverfahren der einzelnen Bundesländer unterscheiden sich
zum Teil erheblich. Die unterschiedliche Anwendung des Staatsangehörigkeits-
gesetzes hat bereits jetzt zu einem „Nord-Süd-Gefälle“ bei der Einbürgerungs-
quote geführt. So ist es bemerkenswert, dass insbesondere die Bundesländer
Baden-Württemberg und Bayern eine auffallend niedrige Einbürgerungsquote
aufweisen, obwohl die Quote der lebensunterhaltssichernden Beschäftigung
(und damit eine wesentliche Bedingung für die Einbürgerung) hier aufgrund
der allgemein besseren wirtschaftlichen Verhältnisse signifikant höher sein
dürfte als in der übrigen Bundesrepublik Deutschland: 2007 betrug die Einbür-
gerungsquote in Baden-Württemberg nur 1,02 Prozent und in Bayern 1,11 Pro-
zent, während sie bundesweit bei 1,56 Prozent lag – Schleswig-Holstein und
Rheinland-Pfalz wiesen mit 2,63 Prozent bzw. 2,14 Prozent mehr als doppelt so
hohe Einbürgerungsquoten auf (Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, Reihe
2.1). Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass von strengeren Prüfungen der
Sprachkenntnisse, des Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grund-
ordnung oder von verfassungsfeindlichen Bestrebungen in diesen Bundeslän-
dern eine abschreckende Wirkung ausgehen könnte. Zu nennen sind dabei ins-
besondere der vielfach kritisierte „Gesprächsleitfaden“ für die Einbürgerungs-
behörden Baden-Württembergs (Muslim-Test) und der bayerische Fragebogen
zu Mitgliedschaften bzw. Unterstützungshandlungen extremistischer und extre-
mistisch beeinflusster Organisationen.

Da zu den Besonderheiten der Einbürgerungspraxis in den einzelnen Bundes-
ländern keine Bundesstatistik vorliegt (vgl. Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
16/9265), soll diese Große Anfrage auch der Erhebung und Bündelung entspre-
chender Informationen der Staatsangehörigkeitsbehörden der Länder dienen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung die Einbürgerung als einen „Schlussstein einer
erfolgreichen Integration“ an oder als einen Moment in einem komplexen,
generationenübergreifenden und gesamtgesellschaftlichen Prozess, der die
Integration befördern soll, und auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse
oder Konzepte stützt sie sich dabei (bitte begründen)?

2. Ab wann bzw. unter welchen Umständen liegt nach Auffassung der Bundes-
regierung eine (erfolgreiche) Integration vor, und was genau versteht sie
hierunter (bitte ausführen und wissenschaftliche Erkenntnisse oder Kon-
zepte benennen, auf die die Bundesregierung sich hierbei stützt)?

a) Ist nach Auffassung der Bundesregierung insbesondere dann von einer
(erfolgreichen) Integration auszugehen, wenn die rechtlichen Vorausset-
zung für eine Einbürgerung erfüllt sind – und vorher nicht (bitte begrün-
den)?

b) Sind nach Auffassung der Bundesregierung auch solche Menschen als
(erfolgreich) integriert anzusehen, die zwar die rechtlichen Voraussetzun-
gen für eine Einbürgerung erfüllen, die jedoch (aus unterschiedlichen
Gründen) keinen Einbürgerungsantrag stellen und infolgedessen rechtlich
nicht gleichgestellt sind und an Bundes-, Landtags- oder auch Kommu-
nalwahlen nicht teilnehmen können?

c) Ist für die Bundesregierung insbesondere die eigenständige Lebensunter-
haltssicherung notwendigerweise eine Voraussetzung für die Annahme
einer (erfolgreichen) Integration (bitte begründen)?

d) Wenn die Einbürgerung am Schluss einer „erfolgreichen“ Integration ste-
hen sollte, warum heißt es dann in der Gesetzesbegründung zu § 28 des

Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) im Entwurf der Bundesregierung für ein
Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der

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Europäischen Union, dass bestimmten deutschen Staatsangehörigen (ins-
besondere solchen mit doppelter Staatsangehörigkeit und/oder starkem
Auslandsbezug) ein „Anreiz zur Integration“ geboten werden soll, indem
ihr Recht auf Nachzug des Ehegatten vom Nachweis einer eigenständi-
gen Lebensunterhaltssicherung abhängig gemacht werden kann – d. h.
in anderen Worten, dass bei sozialhilfebedürftigen Deutschen nicht von
einer „Integration“ ausgegangen wird?

e) In wie vielen Fällen wurde bislang der Ehegattennachzug zu deutschen
Staatsangehörigen auf der Grundlage des mit dem Richtlinienumset-
zungsgesetz geänderten § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen mangelnder
eigenständiger Lebensunterhaltssicherung verweigert (bitte nach Bundes-
ländern, Herkunftsländern und Geschlecht differenzieren und den Anteil
der Mehrfachstaatsangehörigen benennen), und wie bewertet die Bundes-
regierung bzw. wie bewerten die einzelnen Bundesländer dies?

3. Sind Einbürgerungen und das Staatsangehörigkeitsrecht nach Auffassung
der Bundesregierung ein Bestandteil der Integrationspolitik, und wenn ja,
weshalb war dies kein eigenständiges Thema im Rahmen der Integrations-
gipfel und des Nationalen Integrationsplans, und wenn nein, warum nicht?

4. Ist eine Erhöhung der Einbürgerungsquote für die Bundesregierung ein er-
strebenswertes Ziel (bitte begründen)?

a) Wenn ja, welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um
dieses Ziel zu erreichen, und warum hat sie das Einbürgerungsrecht mit
dem Richtlinienumsetzungsgesetz noch verschärft und zudem keinerlei
Konsequenzen aus der Anhörung des Innenausschusses vom 10. Dezem-
ber 2007 zum Staatsangehörigkeitsrecht (vgl. Ausschussprotokoll 16/54)
gezogen, und wenn nein, warum nicht?

b) Wie begründet die Bundesregierung ihre auf Bundestagsdrucksache
16/10450 (Antwort zu Frage 3) geäußerte Auffassung, die Bundesregie-
rung habe „wenig Einfluss darauf, ob sich in Deutschland lebende Aus-
länder einbürgern lassen oder ob sie es vorziehen, als Ausländer in
Deutschland zu leben“?

c) Wie begründet die Bundesregierung ihre auf Bundestagsdrucksache
16/10450 (Antwort zu Frage 3) geäußerte Auffassung insbesondere ange-
sichts des Umstandes, dass sich die Einbürgerungsabsichten ausländi-
scher Befragter etwa verdoppelten, wenn unterstellt wurde, dass die deut-
sche Staatsangehörigkeit zusätzlich zur bisherigen Staatsangehörigkeit
erworben werden kann (Susanne Worbs, Die Einbürgerung von Aus-
ländern in Deutschland, Working Paper 17 der Forschungsgruppe des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg 2008, S. 29 und
33) – und zieht die Bundesregierung hieraus die Konsequenz, die mehrfa-
che Staatsangehörigkeit grundsätzlich zu akzeptieren, um die Einbürge-
rungsquoten möglicherweise zu verdoppeln, und wenn nein, warum
nicht?

d) Wie begründet die Bundesregierung ihre auf Bundestagsdrucksache
16/10450 (Antwort zu Frage 3) geäußerte Auffassung insbesondere ange-
sichts der Erfahrungen in den Niederlanden, die eindeutig zeigen, „dass
mit der Hinnahme von Mehrstaatlichkeit ein entscheidender Durchbruch
bei der Einbürgerung erzielt werden kann“ (Dietrich Thränhardt, Ein-
bürgerung: Rahmenbedingungen, Motive und Perspektiven des Erwerbs
der deutschen Staatsangehörigkeit, Schriftenreihe WISO-Diskurs, Bonn
2008, S. 30: in den Jahren der zeitweiligen Zulassung der Mehrfach-
staatsangehörigkeit von 1992 bis 1997 konnte die Einbürgerungsrate auf

bis zu 11,4 Prozent gesteigert werden)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11815

5. Hält die Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migra-
tion, Flüchtlinge und Integration, Dr. Maria Böhmer, auch angesichts der
Zahlen für 2007 an ihrer Einschätzung fest, die Einbürgerungszahlen hätten
„sich seit 2000 nach anfänglichem Rückgang auf hohem Niveau stabilisiert“
(Plenarprotokoll 16/144, S. 15189), und wenn ja, mit welcher Begründung
erachtet sie die aktuellen Einbürgerungszahlen als „hoch“?

a) Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung, und wenn ja, an welchem
Maßstab bewertet sie dies, und wie beurteilt sie es, dass die bundes-
deutsche Einbürgerungsquote im europäischen Vergleich sehr niedrig ist?

b) Teilt die Bundesregierung die Sichtweise der Beauftragten der Bundes-
regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, wonach bei einer
Bewertung der aktuellen Einbürgerungszahlen diese sinnvollerweise mit
den Werten der Jahre 1995 bis 1999 verglichen werden sollten oder könn-
ten (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/7600, S. 103; bitte begründen)?

6. Wieso wurde als Indikator des Konzepts für ein bundesweites „Integrations-
monitoring“ im Themenfeld 1 (Rechtsstatus) die „Zahl der Einbürgerungen
im Verhältnis zur Zahl der Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufent-
haltsdauer von zehn Jahren und mehr, die ihren Lebensunterhalt überwie-
gend durch Erwerbstätigkeit“ bestreiten (Pressemitteilung der Bundesregie-
rung vom 4. Juni 2008) gewählt, und nicht etwa die Einbürgerungsquote?

a) Wieso wurde insbesondere eine mindestens zehnjährige Aufenthaltsdauer
als Anknüpfungspunkt gewählt, und nicht etwa die im Staatsangehörig-
keitsgesetz vorgesehen Mindestaufenthaltsfristen?

b) Ist für die Bundesregierung die Integration von Personen, die ihren Le-
bensunterhalt nicht überwiegend durch Erwerbstätigkeit bestreiten, kein
erstrebenswertes Ziel, oder weshalb sollen diese beim „Integrationsmoni-
toring“ in Bezug auf die Festigung des Rechtsstatus nicht berücksichtigt
werden?

c) Hat sich die Bundesregierung ein Ziel gesetzt (etwa im Rahmen des
Integrationsmonitorings), welche Einbürgerungsquote in Deutschland
erreicht werden soll, und wenn ja, welches, und wenn nein, warum nicht,
und wie will sie entsprechende Fort- oder Rückschritte in der Integra-
tionspolitik bewerten und messen?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit der Erleichterung
der Einbürgerung durch entsprechende Gesetzesänderungen vor dem Hin-
tergrund, dass es das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung
2 BvF 2/89 und 2 BvF 6/89 vom 31. Oktober 1990 zum Kommunalen Aus-
länderwahlrecht einerseits als „zutreffend“ erachtet hat, dass es „der demo-
kratischen Idee“ entspreche, „eine Kongruenz zwischen den Inhabern demo-
kratischer politischer Rechte und den dauerhaft einer bestimmten staatlichen
Herrschaft Unterworfenen herzustellen“, andererseits „nach geltendem Ver-
fassungsrecht“ aber nur die Möglichkeit bestünde, auf die veränderte Zu-
sammensetzung der Bevölkerung mit „entsprechenden staatsangehörigkeits-
rechtlichen Regelungen zu reagieren“, d. h. den Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit zu erleichtern?

a) Bedeutet dies angesichts der seit dem Jahr 2000 rückläufigen Zahl der
Einbürgerungen und der insgesamt niedrigen Einbürgerungsquote in
Deutschland nicht, dass die „demokratische Idee“ Schaden nimmt, indem
Millionen dauerhafte Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes von
der Möglichkeit der demokratischen Wahl faktisch ausgeschlossen wer-
den, weil die Einbürgerungshürden zu hoch sind (bitte begründen)?

Drucksache 16/11815 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

b) Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund rückläufiger Einbürge-
rungszahlen andererseits dazu bereit, sich für eine Änderung des Grund-
gesetzes zur Ermöglichung zumindest des kommunalen Wahlrechts für
Drittstaatsangehörige einzusetzen, damit der „demokratischen Idee“ auf
diese Weise entsprochen werden kann (bitte begründen)?

8. Welche Angaben oder zumindest Einschätzungen lassen sich dazu machen,
wie viele nichtdeutsche Staatsangehörige mit rechtmäßigem Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland die zeitlichen Voraussetzungen für eine
Einbürgerung im Jahr 2007 theoretisch erfüllten (bitte auch nach den einzel-
nen Bundesländern differenziert angeben; falls keine differenzierten Anga-
ben zu den unterschiedlichen zeitlichen Bedingungen für eine Einbürgerung
gemacht werden können, soll zur Vereinfachung von acht Jahren ausgegan-
gen werden)?

a) Welche Angaben oder zumindest Einschätzungen lassen sich dazu ma-
chen, wie viele nichtdeutsche Staatsangehörige (mit achtjährigem Auf-
enthalt) im Jahr 2007 in der Bundesrepublik Deutschland lebten, die zu
Geld- oder Freiheitsstrafen in einer Höhe verurteilt waren, die einer Ein-
bürgerung entsprechend der Regelungen nach § 12a StAG im Regelfall
entgegensteht (bitte auch nach den einzelnen Bundesländern differen-
ziert angeben und falls keine differenzierten Angaben möglich sind, bitte
zumindest angeben, wie viele nichtdeutsche Staatsangehörige mit Ver-
urteilungen zu Geldstrafen von über 90 Tagessätzen bzw. zu Haftstrafen
über drei Monaten, die nach dem Bundeszentralregistergesetz noch nicht
zu tilgen sind, 2007 in der Bundesrepublik Deutschland lebten), und
welche vergleichbaren Angaben lassen sich dazu machen, wie viele
nichtdeutsche Staatsangehörige mit Verurteilungen zu Geldstrafen von
über 180 Tagessätzen bzw. zu Haftstrafen über sechs Monaten, die nach
dem Bundeszentralregistergesetz noch nicht zu tilgen sind, 2007 (mit
achtjährigem Aufenthalt) in der Bundesrepublik Deutschland lebten (ent-
sprechend der bis zum 28. August 2007 geltenden Regelung außer
Betracht bleibender Straftaten)?

b) Wie viele der 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (rechtmäßig)
lebenden nicht-deutschen Staatsangehörigen (mit achtjährigem Auf-
enthalt) waren auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch
Sozialgesetzbuch angewiesen (bitte in absoluten und relativen Zahlen
(Prozentanteil) und nach Bundesländern und den fünf stärksten Her-
kunftsländern differenziert angeben)?

c) Bei prozentual wie vielen nichtdeutschen Empfängerinnen und Empfän-
gern von Leistungen nach dem Zweiten bzw. Zwölften Buch Sozial-
gesetzbuch wurde 2007 davon ausgegangen, dass Hinweise auf „Ar-
beitsunwilligkeit“ vorlagen, bei prozentual wie vielen Arbeitsplatzver-
lusten, die Nichtdeutsche betrafen, wurde 2007 davon ausgegangen,
dass sie auf der „Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten“ beruhten
(bitte nach den einzelnen Bundesländern differenziert angeben und ge-
gebenenfalls zumindest Schätzwerte nennen; falls keine gesonderten
Statistiken zu nichtdeutschen Staatsangehörigen geführt werden, bitte
die verfügbaren Angaben zu allen Leistungsempfängerinnen und -emp-
fängern nennen)?

9. Wenn es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur
Umsetzung von aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der Euro-
päischen Union zu § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Staatsangehörigkeits-
gesetzes heißt: „Die bisherigen Grenzen für Bagatellstrafen… sind als zu
hoch angesehen worden und sollen daher um die Hälfte gesenkt werden

[…]. Diese Regelung entspricht auch einer Anregung der Innenministerkon-
ferenz (IMK) vom Mai 2006“, von wem konkret und vor allem mit welcher

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/11815

Begründung sind die „bisherigen Grenzen für Bagatellstrafen“ als „zu
hoch“ angesehen worden, und genügen nach Auffassung der Bundesregie-
rung solche unpräzisen Allgemeinaussagen oder Willenserklärungen der
IMK den Anforderungen einer Begründung für wesentliche Gesetzesände-
rungen (bitte begründen)?

10. Welche Behörden sind in den einzelnen Bundesländern für die Einbürge-
rung jeweils zuständig, und haben einzelne Bundesländer diesbezüglich
besonders gute, schlechte oder bemerkenswerte Erfahrungen gemacht, und
wann ja, welche?

11. Wie viele Anträge auf Einbürgerung sind derzeit bzw. waren 2007 bei den
Einbürgerungsbehörden anhängig, wie ist die durchschnittliche Bearbei-
tungsdauer dieser Anträge, und wie erklärt sich die Bundesregierung bzw.
wie erklären sich die jeweiligen Bundesländer diese Bearbeitungsdauer
und eventuelle erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Bundesländern
(bitte nach Bundesländern und den fünf wichtigsten Herkunftsländern bzw.
den fünf Herkunftsländern mit längster Bearbeitungsdauer differenziert
angeben)?

12. Welche wesentlichen möglichen Erklärungsfaktoren für die höchst unter-
schiedlichen Einbürgerungsquoten in den einzelnen Bundesländern sieht
die Bundesregierung bzw. sehen die jeweiligen Landesregierungen bzw.
die zuständigen Einbürgerungsbehörden?

a) Wie hoch war die Arbeitslosen- bzw. Beschäftigungsquote von Nicht-
deutschen im Jahr 2007 in den einzelnen Bundesländern und im bundes-
deutschen Durchschnitt (bitte jeweils zur besseren Vergleichbarkeit die
Einbürgerungsquote des entsprechenden Bundeslandes nennen)?

b) Wie hoch war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Nichtdeut-
schen im Jahr 2007 in den einzelnen Bundesländern und im bundesdeut-
schen Durchschnitt (bitte jeweils zur besseren Vergleichbarkeit die Ein-
bürgerungsquote des entsprechenden Bundeslandes nennen)?

c) Wie hoch war der Anteil von Nichtdeutschen mit einem prekären oder
nicht auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus (Duldung, Aufenthaltsge-
stattung, Aufenthaltserlaubnisse, die in § 10 Abs. 1 Nr. 2, letzter Halb-
satz StAG genannt werden) an allen Nichtdeutschen im Jahr 2007 in den
einzelnen Bundesländern und im bundesdeutschen Durchschnitt (bitte
nach Duldung, Gestattung und den in § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG genannten
Aufenthaltserlaubnissen differenzieren und jeweils zur besseren Ver-
gleichbarkeit die Einbürgerungsquote des entsprechenden Bundeslandes
nennen)?

d) Wie hoch war der Anteil von Nichtdeutschen mit einem verfestigten
Aufenthaltsstatus (unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder Niederlas-
sungserlaubnis) an allen Nichtdeutschen im Jahr 2007 in den einzelnen
Bundesländern und im bundesdeutschen Durchschnitt (bitte jeweils zur
besseren Vergleichbarkeit die Einbürgerungsquote des entsprechenden
Bundeslandes nennen)?

e) Wie hoch war der Anteil von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern
– die sich unter anderem aufgrund der EU-Freizügigkeitsregelungen
vergleichsweise seltener einbürgern lassen – an allen Nichtdeutschen im
Jahr 2007 in den einzelnen Bundesländern und im bundesdeutschen
Durchschnitt (bitte jeweils zur besseren Vergleichbarkeit die Einbürge-
rungsquote des entsprechenden Bundeslandes nennen)?

f) Welches waren im Jahr 2007 die jeweils drei stärksten Herkunftsländer

von Nichtdeutschen in den einzelnen Bundesländern und im bundes-
deutschen Durchschnitt, und wie hoch war die jeweilige Einbürgerungs-

Drucksache 16/11815 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

quote für diese Herkunftsländer im Jahr 2007 in den einzelnen Bundes-
ländern und im bundesdeutschen Durchschnitt?

g) Welche konkreten Sprachanforderungen wurden in den einzelnen Bun-
desländern bis August 2007 gestellt, und in welcher konkreten Form
wurden diese Sprachkenntnisse überprüft?

h) Welche unterschiedlichen Konkretisierungen in den einzelnen Bundes-
ländern zum seit Ende August 2007 nachzuweisenden Sprachniveau bei
der Einbürgerung nach der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG
sind der Bundesregierung bekannt?

i) Wie hoch war die Quote der Einbürgerungen unter Hinnahme der Mehr-
staatigkeit im Jahr 2007 differenziert nach Bundesländern?

13. Wie erklärt sich die Bundesregierung in Anbetracht der Antworten zu den
Fragen 12a bis 12i die besonders niedrigen Einbürgerungsquoten in den
Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, und wie erklären sich die
Landesregierungen bzw. Einbürgerungsbehörden der beiden Bundesländer
diese besonders niedrigen Einbürgerungsquoten?

14. a) Könnte nach Auffassung der Bundesregierung von dem in Baden-
Württemberg seit 2006 verwandten „Gesprächsleitfaden“, kritisch auch
„Muslim-Test“ genannt, eine abschreckende Wirkung in Bezug auf das
Einbürgerungsverfahren ausgehen (bitte begründen)?

b) Welches sind die konkreten „Anlässe“, die in Baden-Württemberg zu
einer zusätzlichen Befragung von Einbürgerungsbewerberinnen und
-bewerbern unter Zuhilfenahme des „Gesprächleitfadens“ führen, bzw.
wann, in welchen Fallkonstellationen und nach welchen Kriterien wird
dort von Zweifeln am Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen
Grundordnung des Grundgesetzes ausgegangen?

c) Wann muss nach Auffassung der Bundesregierung von Zweifeln am Be-
kenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grund-
gesetzes ausgegangen werden, und welche konkreten Konsequenzen für
das Einbürgerungsverfahren hat dies, wie ist die Praxis der anderen
Bundesländer diesbezüglich, und wie lautet die Rechtsprechung hierzu?

d) Rechtfertigt nach Auffassung der Bundesregierung der Umstand, dass
lediglich 2,7 Prozent aller Einbürgerungsgespräche in Baden-Württem-
berg unter Zuhilfenahme des „Gesprächleitfadens“ zu einer Ablehnung
des Einbürgerungsantrages beitrugen (errechnet aus einer Pressemittei-
lung des Landes Baden-Württemberg vom 18. Juli 2007), die intensive
Befragung in den anderen 97,3 Prozent aller Fälle, wenn zudem die
mögliche generelle abschreckende Wirkung solcher Befragungen be-
dacht wird?

e) Sieht die Bundesregierung eine diskriminierende Praxis oder Wirkung
darin, dass 56 Prozent der unter Zuhilfenahme des „Gesprächleitfadens“
Befragten türkischer Staatsangehörigkeit waren, obwohl türkische
Staatsangehörige insgesamt nur etwa ein Drittel aller Eingebürgerten in
Baden-Württemberg stellen (bitte begründen)?

f) Warum erfasst Baden-Württemberg nach Kenntnis der Bundesregierung
seit dem 2. Halbjahr 2006 trotz der hohen politischen Brisanz des The-
mas keine statistischen Angaben über die Verwendung und Auswirkun-
gen des „Gesprächleitfadens“ mehr (vgl. Antwort der Bundesregierung
zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 16/9265)?

g) Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus,

dass auch der Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung
der Vereinten Nationen im Rahmen der Internationalen Konvention zur

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/11815

Beseitigung jeder Form von Rassismus in seinem Bericht vom
15. August 2008 seine Besorgnis über die Befragungspraxis bei Einbür-
gerungen in Baden-Württemberg ausgedrückt und die Empfehlung abge-
geben hat, keine solche Fragen mit möglicherweise diskriminierenden
Inhalten im Einbürgerungsverfahren zu stellen (CERD/C/DEU/CO/18,
Nr. 19)?

15. a) Könnte nach Auffassung der Bundesregierung von den in Bayern prakti-
zierten Anhörungen Einbürgerungswilliger, bei denen eine umfangreiche
„Auflistung der wichtigsten extremistischen und extremistisch beein-
flussten Organisationen“, zu denen unter anderem die Partei DIE LINKE.
gerechnet wird, ausgefüllt werden muss, eine abschreckende Wirkung in
Bezug auf das Einbürgerungsverfahren ausgehen (bitte begründen)?

b) Wie viele und welche Organisationen werden derzeit auf der besagten
Auflistung (angeblich) extremistischer Organisationen, die von allen
Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern auszufüllen ist, derzeit
geführt, und wie lange dauert es im Durchschnitt bei einer gewissenhaf-
ten Beantwortung, die Mitgliedschaft bzw. Unterstützung bezüglich je-
der einzelnen Organisation zu bejahen bzw. zu verneinen?

c) Welche Informationen liegen der Bundesregierung dazu vor, bei wie
vielen Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern (in absoluten und
relativen Zahlen) eine Mitgliedschaft bzw. Unterstützung (angeblich)
extremistischer Organisationen durch die besagte Auflistung bekannt
wurde, in wie vielen dieser Fälle trug dies zur Ablehnung des Einbürge-
rungsgesuchs in Bayern bei, und welche Staatsangehörigen waren vor
allem betroffen?

d) In welchen anderen Bundesländern wird in welcher Form vergleichbar
zur bayerischen Praxis die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer (an-
geblich) extremistischen Organisation durch Listenbefragungen über-
prüft, und welche Erkenntnisse über die Auswirkungen einer solchen
Praxis in diesen Bundesländern gibt es?

e) Wie werden in der bayerischen Einbürgerungspraxis und in anderen
Bundesländern die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes
(5 C 20.05 und 5 C 10.06 vom 22. Februar 2007) umgesetzt, wonach
eine Unterstützung der „gewaltfreien ‚Linie der PKK’“ (Pressemittei-
lung des Bundesverwaltungsgerichtes 9/2007) keine die Einbürgerung
ausschließende Unterstützung von Bestrebungen gegen die freiheitlich
demokratische Grundordnung darstellt?

f) Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr, dass z. B. nicht-
deutsche Mitglieder oder Unterstützerinnen und Unterstützer der Partei
DIE LINKE. in Bayern auf eine Einbürgerung verzichten, um eine mög-
licherweise als diskriminierend empfundene Befragung über ihre „Ge-
sinnung“ (Infragestellung ihres Bekenntnisses zur freiheitlich demokra-
tischen Grundordnung) zu umgehen?

16. Könnten nach Auffassung der Bundesregierung die besonders niedrigen
Quoten bezüglich der Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung
in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg (für das Jahr 2005:
28,7 Prozent bzw. 34,8 Prozent gegenüber im Bundesdurchschnitt 47,2 Pro-
zent; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf Bundestagsdruck-
sache 16/4543) ein Grund für die in diesen Bundesländern wesentlich ge-
ringeren Einbürgerungsquoten sein, und welche Gründe gibt es für diese
vergleichsweise strengere Praxis bei der Vermeidung der Mehrstaatigkeit
aus Sicht der Bundesregierung bzw. der jeweiligen Innenministerien der
Bundesländer bzw. Einbürgerungsbehörden (strengere Praxis, strengere

Anwendungshinweise oder Folge stärker vertretener bestimmter Herkunfts-
länder)?

Drucksache 16/11815 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

17. Wie erklärt sich die Bundesregierung die besonders hohen Einbürgerungs-
quoten in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, und
wie erklären sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Landesregierun-
gen bzw. Einbürgerungsbehörden dieser Bundesländer die besonders hohen
Einbürgerungsquoten?

18. Um wie viel Prozent sind die jeweiligen Einbürgerungsquoten in den ein-
zelnen Bundesländern von 2000 bis 2007 jeweils gesunken, und gab es
Bundesländer, die ihre Einbürgerungsquoten in diesem Zeitraum steigern
konnten, und wenn ja, welche möglichen Erklärungen hat die Bundesregie-
rung bzw. haben die jeweiligen Innenministerien der Bundesländer und
Einbürgerungsbehörden hierfür?

19. Sieht die Bundesregierung angesichts der höchst unterschiedlichen Einbür-
gerungsquoten in den einzelnen Bundesländern die Notwendigkeit stärker
vereinheitlichender Anwendungshinweise oder von entsprechenden Geset-
zesänderungen, da gerade bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit (die
keine Bundeslandzugehörigkeit ist) eine bundeseinheitliche Praxis und
gleiche Rechte gelten sollten (bitte begründen)?

a) Wie steht die Bundesregierung in Hinblick auf eine anzustrebende bun-
deseinheitliche Einbürgerungspraxis insbesondere zu der Frage eines
gesetzlichen Verbots von zusätzlich zum Einbürgerungstest durch ein-
zelne Bundesländer durchgeführten Befragungen, mit denen die Glaub-
würdigkeit des Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grund-
ordnung überprüft werden soll (Gesinnungstests; bitte begründen)?

b) Wie steht die Bundesregierung in Hinblick auf eine anzustrebende bun-
deseinheitliche Einbürgerungspraxis insbesondere zu der Frage eines
gesetzlichen Verbots von zusätzlich zum Einbürgerungstest und zu An-
fragen beim Verfassungsschutz durch einzelne Bundesländer durchge-
führten Befragungen von Einbürgerungswilligen zu ihrer Mitgliedschaft
bzw. Unterstützung (angeblich) extremistischer Organisationen (bitte
begründen)?

20. Inwieweit sind nach Auffassung der Bundesregierung detaillierte Befra-
gungen wie zum Beispiel in Baden-Württemberg, mit denen die persönli-
che Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen
Grundordnung überprüft werden soll, vereinbar mit der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts, das in einem Beschluss vom 24. März
2001 (1 BvQ 13/01, in NJW 2001, 2069 ff.) ausgeführt hat: „Die Mei-
nungsfreiheit ist für die freiheitlich demokratische Ordnung des Grundge-
setzes schlechthin konstituierend. Es gilt die Vermutung zu Gunsten freier
Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 [208] = NJW 1958, 257; st. Rspr.). Die Bürger
sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich
zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bür-
ger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen,
erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Die Bürger sind daher auch frei,
grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen, solange sie
dadurch Rechtsgüter anderer nicht gefährden. Die plurale Demokratie des
Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich
mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch ab-
zuwehren. Unter der Voraussetzung einer besonderen Gefährdung der frei-
heitlichen demokratischen Ordnung kennen Artikel 9 Absatz 2, Artikel 18,
Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes allerdings besondere Vorkehrungen
der Gefahrenabwehr als Ausdruck einer wehrhaften und streitbaren Demo-
kratie. Diese Normen dienen auch dem Ziel, ein Wiederaufleben des Natio-
nalsozialismus zu verhindern.“?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/11815

a) Folgt hieraus nicht, dass allenfalls konkrete erhebliche Rechtsverletzun-
gen oder verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Einbürgerung ent-
gegenstehen können, und nicht bereits fragwürdige bzw. mit dem
Grundgesetz unvereinbare persönliche Einstellungen etwa zur Homo-
sexualität oder zur Gleichberechtigung der Geschlechter, wie sie auch in
bestimmten Teilen der deutschen Bevölkerung vorhanden sind (bitte be-
gründen)?

b) Wie lautet die Antwort zu Frage 20a, wenn berücksichtigt wird, dass
sich Diskriminierungen Homosexueller oder Frauen auch in gesetz-
lichen Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland finden lassen
bzw. ließen?

c) Sieht die Bundesregierung eine Diskriminierung von dauerhaft in
Deutschland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit da-
rin, dass ihre gleichberechtigte politische Teilhabe und formal gleichen
Rechte (die erst mit der Einbürgerung erlangt werden) im Zweifelsfall
davon abhängig gemacht werden, dass sie eine „demokratische Gesin-
nung“ aufweisen und gegebenenfalls auch unter Beweis stellen müssen
(Gesinnungstest) – während der übrigen dauerhaft in Deutschland
lebenden Bevölkerung volle Mitbestimmungs- und sonstige Rechte
unabhängig von ihrer demokratischen „Gesinnung“ bzw. Einstellung
zur freiheitlich demokratischen Grundordnung eingeräumt werden, d. h.
dass z. B. deutsche Nazis wählen dürfen (bitte begründen)?

21. Wird die Bundesregierung angesichts der rückläufigen Einbürgerungszah-
len öffentlichkeitswirksam auf den kaum bekannten Umstand hinweisen,
dass eine Einbürgerung auch dann möglich ist, wenn die Betroffenen von
staatlichen Hilfsleistungen abhängig sind – nämlich insbesondere dann,
wenn sie die Hilfebedürftigkeit nicht zu vertreten haben, etwa, weil ihnen
aus betrieblichen, konjunkturellen oder gesundheitlichen Gründen gekün-
digt wurde oder weil sie sich in der Ausbildung oder in einem Studium be-
finden, und wenn nicht, warum nicht?

a) In prozentual wie vielen Fällen erfolgte nach Angaben der Einbürge-
rungsbehörden in den Jahren 2000 bis 2007 eine Einbürgerung ohne
nachgewiesene Lebensunterhaltssicherung, weil die Inanspruchnahme
öffentlicher Leistungen nicht zu vertreten war (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StAG), und falls keine Statistiken hierzu geführt werden, welche Ein-
schätzungen haben die Einbürgerungsbehörden zu dieser Frage (bei der
Antwort bitte differenzieren nach Bundesländern, den wichtigsten Her-
kunftsländern und Geschlecht)?

b) Welche Kenntnisse oder Einschätzungen haben die Einbürgerungsbe-
hörden der Bundesländer dazu, wie viele Einbürgerungsanträge trotz
Bezugs öffentlicher Leistungen gestellt werden, d. h. in Kenntnis der
Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, und sehen die
Einbürgerungsbehörden diesbezüglich einen Aufklärungsbedarf unter
den potentiell Einbürgerungsberechtigten (lassen sich diesbezüglich
herkunftsländerspezifische Unterschiede feststellen)?

c) Hält die Bundesregierung ein Verfahren für sinnvoll, nach dem alle vom
Aufenthaltsstatus her potentiell Einbürgerungsberechtigten z. B. nach
sechs- oder siebenjähriger Aufenthaltsdauer von Amts wegen auf die
Möglichkeit der Einbürgerung aufmerksam gemacht werden, wie es
etwa in Schweden der Fall ist, und plant sie entsprechende Gesetzesän-
derungen (bitte begründen)?

d) Plant die Bundesregierung durch entsprechende Gesetzesänderungen zu-
mindest die Beschleunigung von Einbürgerungsverfahren, etwa, indem

ein Rechtsanspruch auf abschließende Bearbeitung der Anträge inner-

Drucksache 16/11815 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

halb eines Jahres geschaffen wird, oder indem klargestellt wird, dass die
Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit in den gesetzlich vorgesehe-
nen Fällen nicht schon vor dem Erwerb der deutschen Staatsangehörig-
keit betrieben werden muss – was eine „deutsche Besonderheit“ zu sein
scheint (vgl. Dietrich Thränhardt, Einbürgerung: Rahmenbedingungen,
Motive und Perspektiven des Erwerbs der deutschen Staatsangehörig-
keit, Schriftenreihe WISO-Diskurs, Bonn 2008, S. 22 ff.) –, sondern
auch nachgeholt werden kann, und wenn ja, wann, wenn nein, warum
nicht (bitte bei der Antwort beide Vorschläge gesondert bewerten)?

22. Welche konkretisierenden Ausführungshinweise in den einzelnen Bundes-
ländern zur Möglichkeit der Gebührenermäßigung bzw. des Gebühren-
erlasses im Einbürgerungsverfahren (§ 38 Abs. 2 Satz 5 StAG) gibt es,
d. h. in welchen Fallkonstellationen wird von dieser Regelung in den ein-
zelnen Bundesländern Gebrauch gemacht?

a) In wie viel Prozent aller Einbürgerungsverfahren wurden die Einbürge-
rungsgebühren in den Jahren 2000 bis 2007 erlassen (bitte nach Jahren,
Bundesländern und den fünf bedeutendsten Herkunftsländern differen-
zieren und falls keine genauen statistischen Werte vorliegen zumindest
Schätzwerte angeben)?

b) In wie viel Prozent aller Einbürgerungsverfahren wurden die Einbürge-
rungsgebühren in den Jahren 2000 bis 2007 ermäßigt, und welchen
durchschnittlichen Umfang hatte diese Ermäßigung (bitte nach Jahren,
Bundesländern und den fünf bedeutendsten Herkunftsländern differen-
zieren und falls keine genauen statistischen Werte vorliegen zumindest
Schätzwerte angeben)?

23. Wie werden die Auswirkungen der mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz
verbundenen Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes in Bezug auf

a) die konkrete Festschreibung der Sprachanforderungen,

b) die erhöhten Anforderungen bei außer Betracht bleibenden Straftaten
und

c) die Abschaffung der begünstigenden Sonderregelung für Heranwach-
sende bis zum 23. Lebensjahr eingeschätzt/bewertet?

d) Erweist es sich insbesondere für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger
als Einbürgerungshindernis, dass sie nach einer Einbürgerung bezogen
auf bestimmte Lebenssituationen schlechter gestellt wären als vorher
(so genannte Inländerdiskriminierung, z. B. durch den dann erforder-
lichen Nachweis von Deutschsprachkenntnissen beim Nachzug von
Ehegatten aus Drittstaaten; bitte begründen)?

24. Welche ersten praktischen Erfahrungen mit der Regelung zur „Options-
pflicht“ nach § 29 StAG gibt es, und welchen hieraus resultierenden ge-
setzgeberischen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung gegebenen-
falls?

25. Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der generel-
len Vermeidung der Mehrstaatigkeit nicht nur angesichts der Tatsache, dass
es in Ländern, die die Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung grundsätzlich
zulassen, keinerlei hieraus resultierenden ernst zu nehmenden negativen
Auswirkungen gibt (vgl. Antwort der Bundesregierung auf Frage 19 auf
Bundestagsdrucksache 16/9265), nicht nur angesichts der nahezu einmütig
von allen Sachverständigen bei der Anhörung des Innenausschusses zum
Staatsangehörigkeitsrecht vom 10. Dezember 2007 ausgesprochenen Emp-
fehlung einer weiteren – d. h. über die diesbezüglichen Änderungen durch

das Richtlinienumsetzungsgesetz für Staatsangehörige aus der Schweiz

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/11815

und den Staaten der Europäischen Union hinaus gehende – Aufweichung
dieses Prinzips (vgl. Antwort der Bundesregierung auf Frage 16b auf Bun-
destagsdrucksache 16/9265 und auf Frage 29b auf Bundestagsdrucksache
16/8333), sondern auch angesichts des Umstandes, dass bereits aufgrund
der geltenden Gesetzeslage in den Jahren 2006 und 2007 eine absolute
Mehrheit aller Einbürgerungen unter Beibehaltung der bisherigen Staats-
angehörigkeit erfolgte und ernst zu nehmende negative Auswirkungen die-
ser Praxis nicht ersichtlich, d. h. entsprechende Ängste oder Befürchtungen
gegenüber einer „doppelten Staatsbürgerschaft“ offenkundig unbegründet
sind (bitte ausführlich begründen)?

a) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit weiterhin angesichts des Um-
standes, dass dieses Prinzip von mehreren Sachverständigen bei der
Anhörung des Innenausschusses zum Staatsangehörigkeitsrecht vom
10. Dezember 2007 als ein Haupthindernis bei der Einbürgerung für
viele Migrantinnen und Migranten, die die Einbürgerungsvoraussetzun-
gen erfüllen, benannt wurde?

b) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit angesichts der – wie die An-
hörung des Innenausschusses zum Staatsangehörigkeitsrecht vom
10. Dezember 2007 ergeben hat – im internationalen Vergleich feststell-
baren gegenläufigen Tendenz (vermehrte Hinnahme der Mehrstaatig-
keit; vgl. nur Ausschussdrucksache 16(4)311 A, S. 19 ff. und 28 ff.)?

c) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit angesichts der Empfehlung des
Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung der Verein-
ten Nationen im Rahmen der Internationalen Konvention zur Beseiti-
gung jeder Form von Rassismus in seinem Bericht vom 15. August
2008, die Einbürgerung unter Beibehaltung der bisherigen Staatsange-
hörigkeit insbesondere in Hinblick auf die langjährig hier lebende Be-
völkerung mit türkischer Herkunft zu erleichtern, um deren Integration
zu fördern (vgl. CERD/C/DEU/CO/18, Nr. 20)?

d) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit angesichts der Erkenntnisse der
Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, wo-
nach sich die Einbürgerungsquoten verdoppeln lassen könnten, wenn
die Möglichkeit der Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit
bestünde (Beispiel: im Jahr 2002 erklärten knapp 53 Prozent der Befrag-
ten ihre sichere oder wahrscheinliche Einbürgerungsbemühung inner-
halb der nächsten zwei Jahre, wenn diese Möglichkeit bestünde; ohne
diese Möglichkeit erklärten nur knapp 24 Prozent ihre Einbürgerungs-
absicht; vgl. Susanne Worbs, Die Einbürgerung von Ausländern in
Deutschland, Working Paper 17 der Forschungsgruppe des Bundesam-
tes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg 2008, S. 29 und 33)?

e) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit angesichts der Erkenntnisse der
Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, wo-
nach der dominierende Grund, keinen Einbürgerungsantrag zu stellen
(55,7 Prozent aller Befragten), war: „Will meine jetzige Staatsangehö-
rigkeit behalten“ (vgl. Susanne Worbs, Die Einbürgerung von Aus-
ländern in Deutschland, Working Paper 17 der Forschungsgruppe des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg 2008, S. 36 f.)?

Drucksache 16/11815 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

f) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit angesichts des Umstandes, dass
das deutsche Verfahren, das eine Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit
vor Erwerb der deutschen vorsieht, „extrem kontraproduktiv und desin-
tegrierend“ wirkt, weil es „Einbürgerungswillige von anderen Staaten
abhängig macht“ (Dietrich Thränhardt, Einbürgerung: Rahmenbedin-
gungen, Motive und Perspektiven des Erwerbs der deutschen Staatsan-
gehörigkeit, Schriftenreihe WISO-Diskurs, Bonn 2008, S. 4)?

g) Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten am Prinzip der gene-
rellen Vermeidung der Mehrstaatigkeit angesichts der Erfahrungen in
den Niederlanden, die eindeutig zeigen, „dass mit der Hinnahme von
Mehrstaatlichkeit ein entscheidender Durchbruch bei der Einbürgerung
erzielt werden kann“ (Dietrich Thränhardt, Einbürgerung: Rahmenbe-
dingungen, Motive und Perspektiven des Erwerbs der deutschen Staats-
angehörigkeit, Schriftenreihe WISO-Diskurs, Bonn 2008, S. 30)?

h) Sieht die Bundesregierung den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt
oder kann sie verstehen, wenn sich Betroffene benachteiligt fühlen,
wenn etwa die Hälfte aller Einbürgerungswilligen ihre bisherige Staats-
angehörigkeit behalten kann, während die andere Hälfte diese im Falle
der Einbürgerung abgeben muss?

i) Wie lange dauern nach den Erfahrungen der Einbürgerungsbehörden
durchschnittlich Ausbürgerungsverfahren nach Vorliegen einer Einbür-
gerungszusicherung durch deutsche Behörden, und welcher finanzielle
oder sonstige Aufwand ist mit diesen Verfahren verbunden (bitte diffe-
renzierte Angaben auch hinsichtlich der fünf stärksten Herkunftsländer
und der fünf Herkunftsländer mit den längsten Ausbürgerungszeiten
machen)?

j) Warum hat die Bundesregierung in ihrem letzten Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht einmal die vom
Sachverständigen Martin Jungnickel im Rahmen der Anhörung des In-
nenausschusses zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 10. Dezember 2007
aufgeworfene Forderung nach einer erleichterten Hinnahme der Mehr-
staatigkeit für ältere, bereits länger in der Bundesrepublik Deutschland
lebende Personen aufgenommen, obwohl die jetzige Regelung in § 12
Abs. 1 Nr. 4 StAG nach Auffassung des Sachverständigen „nicht ge-
glückt“ und wegen der engen Voraussetzungen eine „Nullnummer“ sei
(vgl. Ausschussdrucksache 16(4)311 D, S. 4)?

26. In wie vielen Fällen wurden Einbürgerungen in den Jahren 2000 bis 2007
jährlich aus welchen Gründen zurückgenommen, und wie viele Fälle wur-
den bestandskräftig (bitte auch nach Bundesländern und den fünf
Hauptherkunftsländern differenzieren; Aktualisierung der Abfrage unter
den Staatsangehörigkeitsbehörden der Länder; vgl. Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 16/9265)?

a) Wie viele dieser Rücknahmen betrafen an der Handlung, die zur Rück-
nahme führte, unbeteiligte Dritte, insbesondere minderjährige Kinder?

b) Nach welcher durchschnittlichen Zeitdauer nach der Einbürgerung er-
folgten die Rücknahmen?

27. Über welche Erkenntnisse und Zahlen verfügen die Einbürgerungsbehör-
den bzw. Innenministerien der Bundesländer aktuell zum Umfang des Ver-
lusts der deutschen Staatsangehörigkeit infolge des Wiedererwerbs der vor-
herigen Staatsangehörigkeit (§ 25 Abs. 1 StAG)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/11815

a) In wie vielen Fällen seit dem 1. Januar 2000 wurde der Verlust „akten-
kundig“ (bitte nach Bundesländern und den fünf am häufigsten betroffe-
nen Staatsangehörigkeiten differenziert antworten)?

b) Von wie vielen Fällen, in denen der Verlust der deutschen Staatsangehö-
rigkeit per Gesetz bereits eingetreten ist, jedoch noch keine öffentliche
Stelle hiervon Kenntnis hat, gehen die Einbürgerungsbehörden bzw.
Innenministerien der Bundesländer bzw. die Bundesregierung schät-
zungsweise aus (bitte auch nach den fünf am häufigsten betroffenen
Staatsangehörigkeiten differenziert antworten)?

c) In welchem Umfang haben nach Kenntnis bzw. Einschätzung der Ein-
bürgerungsbehörden bzw. Innenministerien der Bundesländer oder auch
der Bundesregierung Betroffene, die seit dem 1. Januar 2000 ihre deut-
sche Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG verloren haben, wieder
eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis erlangen können, wie
viele sind erneut eingebürgert worden, bei wie vielen wurde der Antrag
auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels (bestandskräftig) abgelehnt,
und wie viele der Betroffenen sind nach dem Verlust ausgereist oder ab-
geschoben worden (bitte nach Bundesländern, Aufenthaltstiteln und
Staatsangehörigkeiten differenzieren)?

d) Wie vielen Personen wurde nach Angaben des Ausländerzentralregisters
seit dem 1. Januar 2000 eine Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis
nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AufenthG erteilt (bitte nach Status,
Bundesländern und den fünf wichtigsten Herkunftsländern differenzie-
ren)?

e) Lässt sich der insbesondere bei türkischen Staatsangehörigen in der Ver-
gangenheit vielfach praktizierte Wiedererwerb der alten Staatsangehörig-
keit nach der Einbürgerung in Deutschland auch damit erklären, dass nur
bei 17,3 Prozent aller Einbürgerungen türkischer Staatangehöriger die
bisherige Staatsangehörigkeit beibehalten werden durfte, während dieser
Anteil bei nichttürkischen Staatsangehörigen im Jahr 2007 64,5 Prozent
betrug, und sieht die Bundesregierung hierin eine mögliche Benachteili-
gung türkischer Staatsangehöriger (bitte begründen)?

f) Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, in § 38 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG die Wörter „als Deutscher“ zu streichen, um Rechtssicherheit
in den Fällen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit bei lang-
jährigem gewöhnlichem Aufenthalt zu schaffen?

g) Wieso hat die Bundesregierung bei ihrem zuletzt vorgelegten Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes keine
(Amnestie- oder Härtefall-)Regelung für Fälle eines Staatsangehörig-
keitsverlusts nach § 25 Abs. 1 StAG vorgesehen, obwohl eine solche
Regelung von nahezu allen Sachverständigen bei der Anhörung des
Innenausschusses zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 10. Dezember
2007 gefordert worden war?

28. Welche Einbürgerungsquoten weisen die anderen Staaten der Europäischen
Union auf (bitte nach Staaten differenziert antworten und sowohl den letz-
ten verfügbaren Wert als auch den Trend seit dem Jahr 2000 benennen)?

a) Welche (rechtmäßige) Aufenthaltsdauer gilt im Regelfall in den jeweili-
gen EU-Staaten als Einbürgerungsvoraussetzung?

b) In welchen EU-Staaten wird im Regelfall kein eigenständiger Lebens-
unterhaltsnachweis als Einbürgerungsvoraussetzung verlangt?

c) In welchen EU-Staaten wird auf die Aufgabe der bisherigen Staatsange-

hörigkeit im Falle der Einbürgerung im Regelfall verzichtet?

Drucksache 16/11815 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

d) In welchen EU-Staaten werden im Regelfall keine oder nur gering-
fügige Gebühren für die Einbürgerung erhoben?

e) In welchen EU-Staaten werden im Regelfall keine oder nur sehr geringe
mündliche Sprachnachweise als Voraussetzung für die Einbürgerung
verlangt?

f) In welchen EU-Staaten gibt es keine Einbürgerungstests als zwingende
Voraussetzung für die Einbürgerung?

29. Was sind die ersten Erfahrungen der Einbürgerungsbehörden der Bundes-
länder mit den seit dem 1. September 2008 obligatorischen Einbürgerungs-
test, und wie werden diese von den Einbürgerungsbehörden, den Innen-
ministerien der Bundesländer und der Bundesregierung bewertet?

a) Ist eine abschreckende Wirkung der Einbürgerungstests bzw. der De-
batte über diese Tests in der Praxis erkennbar, etwa auch anhand signifi-
kant zurückgehender Antragszahlen ab dem 1. September 2008 (wenn
sinnvoll und möglich bitte auch nach Staatsangehörigkeiten unterschei-
den)?

b) Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung anlässlich ihres letzten
Gesetzentwurfs zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts der Emp-
fehlung des Sachverständigen Prof. Dr. Uwe Berlit, Richter am Bundes-
verwaltungsgericht, auf Einbürgerungstests zu verzichten, weil hier-
durch „integrationsschädliche Abschreckungseffekte“ und die „Wahr-
scheinlichkeit sozialer Selektion“ zu befürchten bzw. zu erwarten seien
(Ausschussdrucksache 16(4)311 E, S. 8), nicht gefolgt, und warum hat
sie insbesondere nicht seine Anregung aufgenommen, dass der Besuch
von (allerdings freiwilligen) Einbürgerungskursen kostenfrei ausgestal-
tet werden sollte, weil es „bei einem Verständnis von Integration als
wechselseitigem Prozess […] der Gerechtigkeit [entspreche], den Ein-
bürgerungsbewerber, der Zeit und Mühe für den Einbürgerungskurs
aufzuwenden hat und dadurch seinen Teil beiträgt, nicht auch noch mit
Kosten zu belasten, sondern als ‚Integrationsbeitrag‘ der Bundesrepu-
blik Deutschland die Kurse kostenfrei zu gestalten“ (ebd.)?

c) Wie ist die Erfolgsquote bzw. „Durchfallerquote“ bei den bislang abge-
legten Einbürgerungstests (wenn sinnvoll und möglich bitte auch nach
Staatsangehörigkeiten unterscheiden)?

d) Wie hoch war die Erfolgsquote bzw. „Durchfallerquote“ bei Hauptschü-
lerinnen und -schülern bzw. Integrationskursteilnehmern, an denen die
vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) entwi-
ckelten Prüfungsbögen vorab getestet wurden?

e) Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Einbürgerungstest haben
zuvor einen Einbürgerungskurs besucht, und welche Auswirkungen
hatte dies auf die Testergebnisse?

f) Welche durchschnittlichen Kosten sind bzw. welcher zeitliche Aufwand
ist mit Einbürgerungskursen zur Vorbereitung auf einen Einbürgerungs-
test verbunden?

30. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der mit dem Richtlinien-
umsetzungsgesetz verbundene Wegfall der Möglichkeit für so genannte
jüdische Kontingentflüchtlinge, ihre bisherige Staatsangehörigkeit bei der
Einbürgerung generell beibehalten zu können, in der Praxis ausgewirkt?

a) Gibt es insbesondere einen signifikanten Rückgang der Einbürgerungs-
anträge dieser Personengruppe?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/11815

b) In welchem Umfang und unter welchen konkreten Umständen wird bei
jüdischen Kontingentflüchtlingen, sofern sie über 65 Jahre alt und auf
Grundsicherung im Alter angewiesen sind, von der Entlassung aus der
alten Staatsangehörigkeit abgesehen – angesichts von damit verbunde-
nen Kosten in Höhe von schätzungsweise ca. 1 000 Euro pro Person
(Beispiel: 450 Euro Entlassungsgebühr in Russland, Auslagen für not-
wendige Unterlagen, Kopien, Übersetzungen, Beglaubigungen, erfor-
derlichenfalls auch Reise- und Übernachtungskosten bei notwendigen
Reisen ins Herkunftsland; Angaben bitte möglichst nach Bundesländern
differenzieren)?

c) In welchem Umfang wird bei jüdischen Kontingentflüchtlingen, sofern
sie über 65 Jahre alt und auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind,
auf die Erhebung von Einbürgerungsgebühren verzichtet bzw. von Ge-
bührenermäßigungen in welchem Umfang Gebrauch gemacht (Angaben
bitte möglichst nach Bundesländern differenzieren)?

Berlin, den 27. Januar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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