BT-Drucksache 16/11797

Klage der Bundesregierung gegen die Republik Italien zur Abwendung von Entschädigungszahlungen an NS-Opfer

Vom 28. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11797
16. Wahlperiode 28. 01. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Klage der Bundesregierung gegen die Republik Italien zur Abwendung von
Entschädigungszahlungen an NS-Opfer

Im Dezember des Vorjahres hat die Bundesregierung ihre angekündigte Klage
gegen die Republik Italien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) auf den
Weg gebracht. Damit will sie die Entschädigungsansprüche italienischer sowie
griechischer Staatsbürger abwenden, die Opfer von Terrormaßnahmen der
Wehrmacht bzw. der SS geworden waren. Das höchste italienische Gericht hat
diese Entschädigungsansprüche bestätigt. Den Anspruch der Bundesrepublik
Deutschland, gegenüber den vom Deutschen Reich begangenen Verbrechen
Immunität zu genießen, hat der Corte di Cassazione in mehreren Entscheidun-
gen zurückgewiesen, weil es bei Menschheitsverbrechen keine Immunität ge-
ben könne.

Demgegenüber beharrt die Bundesregierung darauf, die einmalige Zahlung von
40 Mio. D-Mark im Jahre 1961 müsse zur Tilgung der nationalsozialistischen
Verbrechen in Italien ausreichen. Das damalige Globalabkommen war aller-
dings nur für „NS-typisches“ Unrecht gedacht, eine Vielzahl von Verbrechen an
der Zivilbevölkerung wie auch die Verschleppung zur Zwangsarbeit fällt nicht
unter diesen Begriff.

Die Bundesregierung begnügt sich damit, dass Deutschland „bei zahlreichen
Gelegenheiten symbolische Gesten“ zur Schau gestellt hat, wie es in der „appli-
cation“ vom Dezember 2008 vor dem IGH heißt. Hierzu zählt auch die ange-
kündigte Historikerkonferenz im März 2009. Aus Sicht der Fraktion DIE
LINKE. ist dies aber kein Ersatz für eine angemessene Entschädigung.

Weil sich auch die Opfer mit reiner Symbolpolitik nicht begnügen wollen,
scheut die Bundesregierung nicht einmal davor zurück, sie zu diffamieren. So
wirft sie ihnen vor, ihre Klagen hätten sich zu einer ernsthaften Belastung für
das deutsch-italienische Verhältnis entwickelt („serious stumbling block adver-
sely affecting the bilateral relationships“, vgl. http://www.icj-cij.org/docket/
files/143/14923.pdf#view=FitH&pagemode=none&search=%22germany%22).
Auf der Homepage des Auswärtigen Amtes wird postuliert, „die Rückkehr zu
einer dauerhaften Friedensordnung“ sei gefährdet, wenn die Bundesrepublik

Deutschland für NS-Verbrechen Entschädigungen zahlen müsste.

Dabei blendet die Bundesregierung aus, dass sie sich durch ihre beharrliche
Weigerung, ihrer Entschädigungspflicht nachzukommen, die juristischen und
politischen Probleme selbst zuzuschreiben hat. Dass Italien den Gang der Bun-
desrepublik Deutschland vor den IGH „respektiert“, deutet aus Sicht der Frak-
tion DIE LINKE. darauf hin, dass die italienische Regierung darauf hofft, der
IGH möge die Urteile des Corte di Cassazione aufheben, um Italien seinerseits

Drucksache 16/11797 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

vor möglichen Entschädigungsansprüchen von Opfern des italienischen
Faschismus zu bewahren.

Die Fraktion DIE LINKE. erwartet, dass die Bundesregierung nun, nachdem
die Klage eingereicht ist, zumindest einige jener Fragen beantwortet, deren Be-
antwortung sie auf Bundestagsdrucksache 16/11307 noch verweigert hatte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann fanden die in der „application“ erwähnten, erfolglos verlaufenden
mehrfachen Vorsprachen („repeated representations“) bei der italienischen
Regierung statt?

a) Wer hat diese Vorsprachen auf deutscher Seite jeweils vorgenommen?

b) Bei welcher italienischen Stelle fanden diese statt?

c) Welche Forderungen hat die deutsche Seite dabei erhoben?

d) Hat die deutsche Seite versucht, die italienische Seite zu Gesetzesände-
rungen zu ermuntern, und wenn ja, welcher Art, und wie hat die italieni-
sche Seite darauf reagiert?

e) Hat die deutsche Seite dabei Angebote, z. B. finanzieller Natur, unterbrei-
tet, und wenn ja, welcher Art, und wie hat die italienische Seite darauf
reagiert?

f) Hat die italienische Seite von sich aus Gesetzesänderungen oder materi-
elle Forderungen ins Spiel gebracht, und wenn ja, welcher Art, und wie
bewertet die Bundesregierung dies?

2. Welche Erörterungen wurden in welchen gemeinsamen Gremien auf Regie-
rungsebene beider Staaten hinsichtlich der NS-Opfer-Entschädigung ange-
stellt, und ist die Bundesregierung bereit, die entsprechenden Gesprächspro-
tokolle dem Deutschen Bundestag vorzulegen?

3. Mit welchen Kosten kalkuliert die Bundesregierung das anstehende Verfah-
ren vor dem IGH, und aus welchem Etat soll dieses finanziert werden?

4. Welche Thematik soll bei der angekündigten Historikerkonferenz in der
Villa Vigoni besprochen werden?

a) Wann soll diese Konferenz genau stattfinden?

b) Welche einzelnen Tagesordnungspunkte sollen besprochen werden?

c) Wer ist für die Organisation und Vorbereitung der Konferenz verantwort-
lich, und inwiefern sind italienische Historiker, die italienische Regierung
und/oder italienische NS-Opferverbände in Organisation und Vorberei-
tung eingebunden?

d) Betrachtet die Bundesregierung die Thematisierung der bisherigen Ent-
schädigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland als unverzichtbaren
Bestandteil dieser Tagung?

e) Inwiefern ist geplant, überlebende NS-Opfer, darunter auch solche, die
derzeit auf Entschädigung klagen, zur Konferenz einzuladen?

f) Wie viele Historiker sollen eingeladen werden?

g) Welche Historiker haben bislang zugesagt?

h) Inwiefern ist beabsichtigt, der Öffentlichkeit Zugang zur Konferenz zu
gewähren?

Berlin, den 26. Januar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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