BT-Drucksache 16/11688

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2008

Vom 20. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11688
16. Wahlperiode 20. 01. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen, Jan Korte,
Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland
und die Europäische Union im Jahr 2008

Seit 1990 gab es zahlreiche Fälle, in denen Flüchtlinge an den Außengrenzen der
Bundesrepublik Deutschland tot oder verletzt aufgefunden wurden, teilweise in-
folge von Unfällen, infolge der Umstände der Flucht oder mittel- oder unmittel-
bar bedingt durch Grenzkontrollmaßnahmen. Diese Fälle haben in den vergan-
genen Jahren, insbesondere durch den Ausbau der Grenzüberwachung in den
osteuropäischen Nachbarländern, deutlich abgenommen.

In den Fokus der Öffentlichkeit sind verstärkt die Flüchtlinge gerückt, die bei ih-
rer Flucht über das Mittelmeer und den Atlantik in das Hoheitsgebiet der EU-
Mitgliedstaaten ums Leben kommen. Die Schätzungen belaufen sich auf über
zehntausend ums Leben gekommene Flüchtlinge seit Ende der 90er Jahre. Viele
sterben bei der Überfahrt, weil ihre Boote untauglich sind oder ihre Vorräte an
Trinkwasser nicht ausreichen. Hinzu kommen diejenigen Flüchtlinge, die mit-
telbar oder unmittelbar durch gewaltsames Einwirken der von der EU-Grenz-
schutzagentur FRONTEX koordinierten Grenzschutzeinheiten ums Leben kom-
men, in dem ihre Boote fahruntüchtig gemacht oder Lebensmittel- und
Trinkwasservorräte vernichtet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2008

a) an den Landesgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenzgebiet
der Bundesrepublik Deutschland,

b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt

tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Nationa-
lität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2008 mit
körperlichen Verletzungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hunger/
Durst o. Ä. aufgegriffen worden, die sie sich im Zuge ihres ggf. unerlaubten
Grenzübertritts

a) in die Bundesrepublik Deutschland,

b) in die Europäische Union
zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Kör-
perverletzungsart aufschlüsseln)?

3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2008
im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts

a) durch Bundespolizei oder Zollbeamte in der Bundesrepublik Deutschland,

b) durch Bundespolizei- oder Zollbeamte in der Europäischen Union

Drucksache 16/11688 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?

c) Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich ein-
geleitet, und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2008

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

im Zuge ihrer ggf. unerlaubten Grenzübertritte durch Privatpersonen (z. B.
Jäger, Angehörige so genannter Bürgerwehren, rechtsextremer Gruppierun-
gen) körperlich verletzt bzw. getötet (bitte nach Datum und Ort, Nationalität
des Opfers und Todes- bzw. Verletzungsart aufschlüsseln)?

c) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet, und mit
welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2008

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

– tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf. un-
erlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in ihrem
Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte, Überhitzung
o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität der Opfer,
Transportmittel und Todesart aufschlüsseln)?

– verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der
ggf. unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in
ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte, Überhit-
zung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität der
Opfer, Transportmittel und Verletzungsart aufschlüsseln)?

6. Falls zu den jeweils unter 1 bis 5b gestellten Fragen keine auf amtlichen Da-
ten basierende Antwort gegeben werden kann:

a) Welche Daten liegen der Bundesregierung dazu ansonsten vor, z. B. aus
den Berichten der bei FRONTEX eingesetzten Bundesbeamten oder ent-
sprechende Daten, mit denen etwa Einrichtungen wie das „Gemeinsame
Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration“ (GASiM) arbeiten?

b) Welche Daten von Nichtregierungsorganisationen hat die Bundesregie-
rung zur Kenntnis genommen, und welche Schlüsse zieht sie daraus?

c) Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im Rahmen der Tä-
tigkeit der Europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX solche Daten
systematisch erhoben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,
und wenn nein, warum nicht?

d) Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass eine andere Stelle in
der EU (z. B. die Grundrechteagentur) solche Daten sammelt bzw. erfasst,
oder hält sie solche Daten nicht für relevant für die politischen Entschei-
dungsprozesse innerhalb der Europäischen Union als „Raum der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts“ (bitte begründen)?

Berlin, den 14. Januar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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