BT-Drucksache 16/11330

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Vom 4. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11330
16. Wahlperiode 04. 12. 2008

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach, Hans-Michael
Goldmann, Michael Kauch, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Dr. Edmund Peter Geisen, Dr. Wolfgang
Gerhardt, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Cornelia Pieper, Frank
Schäffler, Dr. Konrad Schily, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

A. Problem

Spätabtreibungen sind für alle Beteiligten mit immens großen seelischen Belas-
tungen verbunden. Ziel muss es deshalb sein, die Zahl der Spätabtreibungen so
gering wie irgend möglich zu halten. Frauen und ihre Partner, die sich für die
Pränataldiagnostik entscheiden, mit deren Hilfe Fehlbildungen oder schwere Er-
krankungen des Ungeborenen erkannt werden können, geraten dann in eine un-
geheuer belastende Entscheidungssituation, wenn es für die festgestellte Indika-
tion keine Therapiemöglichkeiten gibt. Das muss verdeutlicht werden, bevor
eine Pränataldiagnostik durchgeführt wird, und es muss sichergestellt sein, dass
die Frau diese auch wirklich will. Notwendig sind verantwortungsvolle Rege-
lungen und Maßnahmen, die die Situation der betroffenen Frauen und der unge-
borenen Kinder verbessern. Vor diesem Hintergrund muss es Ziel sein, alle
Möglichkeiten für ein gemeinsames Leben von Mutter und Kind mit der Familie
zu erkunden, voreilige Entscheidungen und überstürztes Handeln zu vermeiden
und eine reife Entscheidung zu ermöglichen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. Mai 1993
zum Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27. Juli 1992 mehrere Bestim-
mungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb für nichtig erklärt
und sie für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung durch

eine vorläufige Anordnung ersetzt. Das Schwangeren- und Familienhilfeände-
rungsgesetz vom 21. August 1995 (BGBl. I, S. 1050) übernahm inhaltlich weit-
gehend die maßgeblichen Ausführungen dieser Entscheidung. Das Bundesver-
fassungsgericht führte auch aus, dass der Gesetzgeber aus Gründen des Schutzes
des ungeborenen Lebens verpflichtet ist, die weitere Entwicklung seines Kon-
zeptes zu beobachten und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.

Drucksache 16/11330 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B. Lösung

Dieses Gesetz schreibt die Pflicht des Arztes fest, die Schwangere nach Diagno-
se einer fetalen Erkrankung, Entwicklungsstörung oder Anlageträgerschaft des
Ungeborenen nach Pränataldiagnostik medizinisch zu beraten. Der behandelnde
beziehungsweise der die Diagnose mitteilende Arzt hat die Schwangere medizi-
nisch zu beraten und dafür Sorge zu tragen, dass ihr ein Angebot der psychoso-
zialen Beratung gemacht wird. Der Arzt soll darauf hinwirken, dass die Schwan-
gere dieses Beratungsangebot auch wahrnimmt. Die Feststellung einer
Indikation nach § 218a Absatz 2 des Strafgesetzbuches (StGB) darf nicht vor
Ablauf von drei Tagen nach der Beratung der Schwangeren durch den Arzt er-
folgen, sofern nicht eine konkrete und gegenwärtige Gefahr für das Leben der
Schwangeren vorliegt. Darüber hinaus wird die Vorschrift zu den Ordnungswid-
rigkeiten dahingehend ergänzt, dass wegen einer Ordnungswidrigkeit auch der
die Indikation feststellende Arzt belangt werden kann, der sich die Bescheini-
gungen über die Aufklärung in medizinischer Hinsicht und das Angebot einer
weiteren Beratung in psychosozialer Hinsicht nicht hat vorlegen lassen bezie-
hungsweise die Feststellung nach § 218a Absatz 2 StGB vor Ablauf der dreitä-
gigen Frist nach der Beratung trifft. Die Erhebungsmerkmale werden um die
Erkrankung des Fetus sowie die Erfassung in abgeschlossenen Wochen post
conceptionem in Zwei-Wochen-Intervallen ergänzt. Die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung wird verpflichtet, in ihren Materialien zur Pränatal-
diagnostik Betroffene sowie Multiplikatoren stärker als bisher über das Leben
mit einem behinderten Kind zu informieren.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Kosten entstehen für den Bund allenfalls für die Ergänzungen der Materialien
der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und eine erhöhte Auflagen-
stärke der Materialien.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11330

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
Das Schwangerschaftskonfliktgesetz vom 27. Juli 1992

(BGBl. I, S. 1398), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Ge-
setzes vom 21. August 1995 (BGBl. I, S. 1050), wird wie
folgt geändert:

1. § 1 wird wie folgt geändert:

scheinigung nach Absatz 2 kann bei einer konkreten und
gegenwärtigen Gefahr für das Leben der Schwangeren
abgesehen werden.“

3. Nach § 13 wird folgender § 13a neu eingefügt:

㤠13a
Bedenkzeit

Die Feststellung nach § 218a Absatz 2 StGB soll nicht
vor Ablauf einer Frist von drei Tagen nach der Beratung
durch den Arzt gemäß § 2 Absatz 1 Satz 1 erfolgen; zum
Nachweis ist dem feststellenden Arzt die Bescheinigung

Daniel Bahr (Münster) Elke Hoff Florian Toncar

Uwe Barth
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst

Hellmut Königshaus
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp

Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung erstellt unter Beteiligung der Länder und in Zusam-
menarbeit mit Vertretern der Familienberatungseinrich-
tungen aller Träger zum Zwecke der gesundheitlichen
Vorsorge und der Lösung von Schwangerschaftskonflik-
ten Informationsmaterialien zur Pränataldiagnostik für
Betroffene sowie für Multiplikatoren, die insbesondere
auch über das Leben mit einem behinderten Kind infor-
mieren.“

2. Nach § 2 wird folgender § 2a neu eingefügt:

㤠2a
Aufklärung und Beratung in besonderen Fällen

(1) Bei Bekanntgabe der Diagnose einer fetalen Er-
krankung, Entwicklungsstörung oder Anlageträgerschaft
des Ungeborenen nach Pränataldiagnostik hat der behan-
delnde beziehungsweise der die Diagnose mitteilende
Arzt die Schwangere medizinisch zu beraten und dafür
Sorge zu tragen, dass ihr ein Angebot der psychosozialen
Beratung gemacht wird. Der Arzt soll darauf hinwirken,
dass die Schwangere dieses Beratungsangebot auch
wahrnimmt.

(2) Über die Aufklärung in medizinischer Hinsicht und
das Angebot einer weiteren Beratung in psychosozialer
Hinsicht ist eine auf den Namen der Schwangeren ausge-
stellte Bescheinigung auszuhändigen.

(3) Von einem Angebot einer psychosozialen Beratung
nach Absatz 1 sowie von der Aushändigung einer Be-

nach § 2a Absatz 2 vorzulegen. § 2a Absatz 3 gilt ent-
sprechend.“

4. § 14 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 neu eingefügt:

„(2) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 13a
eine Feststellung nach § 218a Absatz 2 StGB trifft.“

b) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3 und die Wörter
„zehntausend Deutsche Mark“ werden durch die
Wörter „fünftausend Euro“ ersetzt.

5. § 16 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 3 wird vor dem Wort „Kinder“ das Wort
„lebenden“ eingefügt.

b) In Nummer 4 werden nach dem Wort „Schwanger-
schaft“ die Wörter „in abgeschlossenen Wochen post
conceptionem in Zwei-Wochen-Intervallen“ einge-
fügt.

c) Nach Nummer 5 wird folgende Nummer 6 neu einge-
fügt: „Erkrankungen des Fetus,“.

d) Die bisherigen Nummern 6 und 7 werden die Num-
mern 7 und 8.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 4. Dezember 2008

Ina Lenke
Sibylle Laurischk
Ulrike Flach
Hans-Michael Goldmann
Michael Kauch
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks

Mechthild Dyckmans
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein

Michael Link (Heilbronn)
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Cornelia Pieper
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Ernst Burgbacher
Patrick Döring

Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht

keit des Kindes bestehen kann.
Die werdende Mutter hat neben dem Recht auf Wissen auch
ein Recht auf Nicht-Wissen. Sie trägt die Verantwortung für
ihre Schwangerschaft und kann sich für oder gegen die

Zu Nummer 1 (Änderung des § 1 – Aufklärung)

Die Änderung des § 1 soll verdeutlichen, dass in Zusammen-
hang mit der Information über die Pränataldiagnostik auch
Drucksache 16/11330 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Der Schutz des Lebens, auch des ungeborenen Lebens, ist
eine der wichtigsten Aufgaben und Verpflichtungen des
Staates. Eine „Korrektur- und Nachbesserungspflicht“ zu
den rechtlichen Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs
obliegt dem Gesetzgeber immer dann, wenn sich nach hin-
reichender Beobachtungszeit herausstellt, dass das Gesetz
das von der Verfassung geforderte Maß an Schutz nicht zu
gewährleisten vermag. Mit dem Schwangeren- und Famili-
enhilfeänderungsgesetz fasste der Deutsche Bundestag 1995
den § 218a Absatz 2 StGB neu. Mit der Neuregelung entfiel
die embryopathische Indikation, die zur Straffreiheit voraus-
setzte, dass die dringende Gefahr einer nicht behebbaren
Schädigung des Gesundheitszustandes des Kindes bestand,
die so schwer wog, dass von der Schwangeren die Fortset-
zung der Schwangerschaft nicht verlangt werden konnte.
Stattdessen wurde die sogenannte medizinisch-soziale Indi-
kation dahingehend geregelt, dass ein Schwangerschaftsab-
bruch bis zur Geburt dann als nicht rechtswidrig gilt, wenn
der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung
der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der
Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um
eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwie-
genden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen
Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und
die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise ab-
gewendet werden kann. Eine zeitliche Befristung oder eine
Pflicht zur Beratung besteht in diesen Fällen bisher nicht.
Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die embryopathische
Indikation von der medizinischen Indikation mit umfasst ist
(Bundestagsdrucksache 13/1850, S. 26), sowie davon, dass
das Beratungsangebot von der Schwangeren freiwillig ange-
nommen wird, da das Kind in aller Regel erwünscht ist und
die meisten Frauen von sich aus nach Hilfemöglichkeiten su-
chen würden.

Im Jahr 2007 wurden mehr als 97 Prozent der gemeldeten
Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung
vorgenommen; medizinische und kriminologische Indikatio-
nen waren in weniger als 3 Prozent der Fälle die Begründung
für den Abbruch. Da die embryopathische Indikation nicht
mehr existiert, kann nicht festgestellt werden, wie viele der
nach § 218a Absatz 2 StGB geregelten Fälle der medizi-
nisch-sozialen Indikation mit einer Schädigung des Fetus in
Zusammenhang stehen. Die meisten Abtreibungen wurden
zwischen der sechsten und der achten Schwangerschafts-
woche vorgenommen. In 229 Fällen wurden im Jahr 2007
Feten in der 23. Schwangerschaftswoche oder später abge-
trieben. Es wird davon ausgegangen, dass nach dem heutigen
Stand der Medizin bei einer Schwangerschaftsdauer von 20
bis 22 Wochen post conceptionem, d. h. nach vermuteter
oder bekannter Empfängnis, eine extrauterine Lebensfähig-

Dies ist der Frau im Rahmen der ärztlichen Beratungen ein-
deutig zu vermitteln. Jede Schwangere hat im Zusammen-
hang mit den Untersuchungen das Recht auf eine begleitende
Information, Aufklärung und Beratung. Weiterführende
pränataldiagnostische Untersuchungen, wie z. B. Nacken-
transparenzmessung oder die Risikobewertung bezüglich
chromosomaler Aberrationen, die über die nach den Mutter-
schaftsrichtlinien vorgesehenen Untersuchungen wie etwa
Ultraschall hinausgehen, sollen nicht die Regel sein. Der Un-
tersuchung soll eine ausführliche Beratung vorangehen, die
neben den medizinisch-sozialen Fragen auch das psychische
und ethische Konfliktpotential thematisiert und auf die Mög-
lichkeit hinweist, psychosoziale Beratungsangebote und an-
dere Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Aufklärung
und Beratung ist zu dokumentieren.

Oftmals können Bedenken der Schwangeren über den
Verlauf der Schwangerschaft und Risiken erst mit der
Pränataldiagnostik, die als Teil der Schwangerenvorsorge in
den Mutterschaftsrichtlinien verankert ist, ausgeräumt oder
gemindert werden. Durch Pränataldiagnostik können aber
auch Fehlbildungen oder schwere Erkrankungen des
Ungeborenen erkannt werden. In manchen Fällen besteht bei
solch einem Befund die Chance von pränatalen Therapie-
möglichkeiten. Andere Diagnosen ergeben, dass das Kind
voraussichtlich nicht lebensfähig ist, schwere Behinderun-
gen oder unheilbare Krankheiten vorliegen. Es ist davon aus-
zugehen, dass auch späte Schwangerschaftsabbrüche nach
medizinisch-sozialer Indikation häufig auf einen solchen pa-
thologischen pränataldiagnostischen Befund zurückzufüh-
ren sind. Die Praxis beim Abbruch nach medizinischer Indi-
kation ist daher auch weiterhin sehr sorgfältig zu beleuchten.
Notwendig sind Regelungen und Maßnahmen, die dazu füh-
ren, dass solch weitreichende Entscheidungen verantwor-
tungsbewusst getroffen werden können. Bei Vorliegen einer
medizinisch-sozialen Indikation ist davon auszugehen, dass
die Schwangere das Kind bis dahin bekommen wollte, da an-
dernfalls wohl ein Abbruch nach der Fristenregelung des
§ 218a Absatz 1 StGB stattgefunden hätte. Vor diesem Hin-
tergrund muss es das Ziel sein, alle Möglichkeiten für ein ge-
meinsames Leben mit einem behinderten Kind zu erkunden
und voreilige Entscheidungen und überstürztes Handeln
durch eine Verbesserung im Bereich der Beratung und Ein-
führung einer Bedenkzeit zu vermeiden; die Gesellschaft
sollte ein Leben mit einem Kind mit Behinderungen erleich-
tern. Die Entscheidung gegen ein schwer behindertes Kind
kann besser ertragen und verantwortet werden, wenn die
Schwangere Zeit und Information zur Abwägung hatte.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Schwangerschafts-
konfliktgesetzes)
Durchführung von Untersuchungen und dafür entscheiden,
einzelne Untersuchungsergebnisse nicht erfahren zu wollen.

stärker als bisher über Möglichkeiten für ein Leben mit
einem behinderten Kind informiert werden soll.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11330

Zu Nummer 2 (Einfügung des § 2a – Aufklärung und Be-
ratung in besonderen Fällen)

Zu Absatz 1

Grundlage jeder ärztlichen Behandlung ist das ärztliche Ge-
spräch auf der Basis der interpersonellen Beziehung zwi-
schen Arzt und Patient. Bei pränataler Diagnose einer Er-
krankung, Entwicklungsstörung oder Anlageträgerschaft für
eine Erkrankung des Fetus bedarf es daher einer kompeten-
ten Beratung durch einen Arzt, der der Schwangeren auch
ein Angebot der psychosozialen Beratung unterbreitet.
Ängste und Befürchtungen für die Schwangerschaft sind
Anlass für eine Fülle von Fragen, so dass eine ausführliche
Information, Aufklärung und Beratung der Schwangeren zu
diesem Zeitpunkt notwendig ist. Die Fortschritte in der mo-
dernen Medizin haben dazu geführt, dass bereits Kinder mit
etwa 500 Gramm Geburtsgewicht bei einem entsprechenden
Reifegrad überleben können. Dies entspricht einem Schwan-
gerschaftsalter von etwa 22 Wochen nach Empfängnis. In
diesen Fällen verschärfen sich die medizinischen und ethi-
schen Konflikte des Schwangerschaftsabbruchs.

In Absatz 1 wird festgehalten, dass der Arzt, der der schwan-
geren Frau die Diagnose einer fetalen Erkrankung, Entwick-
lungsstörung oder Anlageträgerschaft des Ungeborenen nach
Pränataldiagnostik mitteilt, eine medizinische Beratung
durchzuführen und dafür Sorge zu tragen hat, dass der
Schwangeren ein Angebot der psychosozialen Beratung ge-
macht wird. Der Arzt soll darauf hinwirken, dass die Schwan-
gere dieses Beratungsangebot auch wahrnimmt. Diese wei-
tere Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens und
der Schwangeren und hat sich von dem Bemühen leiten zu
lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu er-
mutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu
eröffnen. Sie soll ihr helfen, keine übereilte, sondern eine ver-
antwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen und
die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft und den Er-
gebnissen der Pränataldiagnostik bestehende Konfliktlage zu
bewältigen. Im Beratungsgespräch ist der besonderen Kon-
fliktsituation bei zu erwartender Lebensfähigkeit des Kindes
außerhalb des Mutterleibes Rechnung zu tragen.

Zu Absatz 2

Nach Absatz 2 ist der Schwangeren eine Bescheinigung über
die Aufklärung in medizinischer Hinsicht und das Angebot
einer weiteren Beratung in psychosozialer Hinsicht auszu-
stellen. Mit der Aushändigung der Bescheinigung beginnt
die in § 13a genannte dreitägige Frist.

Zu Absatz 3

Nach Absatz 3 können das Angebot einer psychosozialen
Beratung und die Aushändigung einer Bescheinigung entfal-
len, wenn eine konkrete und gegenwärtige Gefahr für das
Leben der Schwangeren vorliegt, die nicht anders abgewen-
det werden kann, so etwa bei einer schweren Präeklampsie
oder einer akuten Suizidalität der Schwangeren.

Zu Nummer 3 (Einfügung des § 13a – Bedenkzeit)

Bei Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des

des Kindes besteht meist ein ganz besonderer Entschei-
dungskonflikt. Gleichzeitig ist festzustellen, dass gerade bei
fortgeschrittener Schwangerschaft die Frau oft einen Druck
zur schnellen Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs
empfindet. Um in dieser Konfliktlage helfen zu können und
die Chance zu erhöhen, dass sich der Schwangeren ein Weg
für ein Leben mit dem Kind eröffnet, soll eine Feststellung
nach § 218a Absatz 2 StGB in der Regel nicht vor Ablauf
einer Frist von drei Tagen nach der Beratung und dem Ange-
bot einer weiteren psychosozialen Beratung nach § 2a
Absatz 1 erfolgen. Diese Frist entspricht auch der in § 218a
Absatz 1 Nummer 1 StGB genannten, wonach der Tat-
bestand des § 218 StGB nicht verwirklicht ist, wenn die
Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und
dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Absatz 2
Satz 2 StGB nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei
Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen. Da sich die Indika-
tion zum Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik
meist auf die Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit
der Schwangeren bezieht und die Schwangere nach den Be-
ratungen Zeit benötigt, um ihre Entscheidung sorgfältig zu
bedenken, ist die Einhaltung einer Bedenkzeit in der Regel
sinnvoll und erforderlich.

Die Frist bis zum Abbruch kann generell nicht gelten, wenn
eine konkrete und gegenwärtige Gefahr für das Leben der
Schwangeren besteht. Eine konkrete und gegenwärtige Ge-
fahr für das Leben besteht etwa bei schwerer Präeklampsie
oder Eklampsie der Schwangeren, wodurch eine unmittel-
bare Herbeiführung eines Schwangerschaftsabbruchs not-
wendig werden kann. Ähnlich könnte man die Situation
dann kennzeichnen, wenn eine akute Suizidalität bei der
Frau besteht, bei der keine Möglichkeiten vorhanden zu sein
scheinen, diesen Zustand akut anders abzuwenden.

Zu Nummer 4 (Änderung des § 14 – Bußgeldvorschrif-
ten)

Zu Buchstabe a (Einfügung des neuen Absatzes 2)

Nach dem neu einzufügenden Absatz 2 handelt der Arzt ord-
nungswidrig, der eine Feststellung nach § 218a Absatz 2
StGB trifft, ohne sich die Bescheinigungen nach § 2a Ab-
satz 3 vorlegen zu lassen, und derjenige, der eine Feststel-
lung nach § 218a Absatz 2 StGB vor Ablauf der Frist von
drei Tagen nach Aufklärung in medizinischer Hinsicht und
dem Angebot einer psychosozialen Beratung vornimmt.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Es handelt sich um eine Anpassung und Änderung des Betra-
ges von „Deutsche Mark“ in „Euro“.

Zu Nummer 5 (Änderung des § 16 – Erhebungsmerk-
male, Berichtszeit und Periodizität)

Die amtliche Statistik zur Erfassung von Schwangerschafts-
abbrüchen ist im Sinne einer verbesserten Beobachtung und
Bewertung zu präzisieren.

Zu Buchstabe a
körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der
schwangeren Frau aufgrund der zu erwartenden Schädigung

Bei dieser Änderung handelt es sich um eine Klarstellung im
Interesse der Eindeutigkeit.

Drucksache 16/1133 destag – 16. Wahlperiode
0 – 6 – Deutscher Bun

Zu Buchstabe b

Zur besseren und eindeutigeren statistischen Erfassung soll
die Dauer der abgebrochenen Schwangerschaft in abge-
schlossenen Wochen post conceptionem und in Zwei-Wo-
chen-Intervallen angegeben werden.

Zu Buchstabe c

Mit der neuen Nummer 6 wird die statistische Aussagekraft
zum rechtlichen und medizinischen Hintergrund von
Schwangerschaftsabbrüchen erhöht.

Zu Buchstabe d

Bei der geänderten Nummerierung handelt es sich um Folge-
änderungen aufgrund des Einfügens einer neuen Nummer 6.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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