BT-Drucksache 16/11217

Gesellschaftliche Bedeutung des Sports

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11217
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Antrag
der Abgeordneten Klaus Riegert, Wolfgang Bosbach, Norbert Barthle, Antje
Blumenthal, Ingrid Fischbach, Dirk Fischer (Hamburg), Eberhard Gienger, Markus
Grübel, Bernd Heynemann, Jens Koeppen, Manfred Kolbe, Hartmut Koschyk,
Katharina Landgraf, Stephan Mayer (Altötting), Michaela Noll, Rita Pawelski,
Peter Rauen, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Andreas Scheuer, Karl Schiewerling,
Wilhelm Josef Sebastian, Johannes Singhammer, Marcus Weinberg, Elisabeth
Winkelmeier-Becker, Willi Zylajew, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dagmar Freitag, Dr. Peter Danckert, Martin Gerster,
Wolfgang Grotthaus, Dr. Reinhold Hemker, Petra Heß, Fritz Rudolf Körper, Ute
Kumpf, Lothar Mark, Caren Marks, Thomas Oppermann, Axel Schäfer (Bochum),
Bernd Scheelen, Swen Schulz (Spandau), Dr. Peter Struck und der Fraktion
der SPD

Gesellschaftliche Bedeutung des Sports

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Sport mit all seinen Facetten ist in unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung.
Sport und regelmäßige Bewegung im Alltag leisten einen grundlegenden Beitrag
zu gesunder Lebensführung und sinnvoller, aktiver Freizeitgestaltung. Der Sport
übernimmt auf vielfältige Weise und in vielen Lebensbereichen wichtige soziale
Funktionen, er führt zusammen und kann Brücken bauen zwischen Menschen
unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft. Der Sport kann helfen,
Vorurteile abzubauen, Minderheiten zu integrieren und Werte zu vermitteln.

Wer Sport treibt, lernt Regeln zu akzeptieren, den Gegner zu achten, Erfolge zu
genießen und Niederlagen zu verarbeiten. Insbesondere für Kinder und Jugend-
liche stellt Sport ein wesentliches Element zum Erlernen sozialer Kompetenz
dar. Dies gilt insbesondere für den Schul- und Vereinssport; allerdings darf
auch der Beitrag des nicht organisierten Freizeitsports zur sozialen Entwick-
lung Heranwachsender nicht unterschätzt werden. Disziplin, Respekt, Verläss-
lichkeit, Leistungsbereitschaft und Fair Play sind Werte, die unser gesellschaft-
liches Miteinander prägen sollten. Sportlerinnen und Sportler können als Vor-
bilder dienen, wenn sie die Bereitschaft zur sportlichen Höchstleistung mit dem
unmissverständlichen und auch gelebten Bekenntnis zum fairen Wettbewerb
verbinden.

Sport in seiner Vielfalt ist ein Kulturgut von hohem Rang. Es bedarf daher der
Präsenz der gesamten Bandbreite des Sports in den öffentlich-rechtlichen
Medien.

Drucksache 16/11217 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Deutschland ist ein hervorragender Standort für internationale Sportereignisse.
Eine Vielzahl sportlicher Großveranstaltungen wurden und werden hier aus-
gerichtet und tragen dazu bei, das Renommee Deutschlands weltweit zu prä-
gen. Bei Wettkämpfen im Ausland repräsentieren unsere Sportlerinnen und
Sportler als vorbildliche Botschafter unser Land.

Sport als Teil der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik verbindet Menschen
unterschiedlicher Nationalitäten. Der Deutsche Bundestag erkennt die heraus-
ragende Bedeutung der durch das Auswärtige Amt finanzierten Kurz- und
Langzeitprojekte insbesondere in Ländern der Dritten Welt an. Die dort geleis-
tete Arbeit der deutschen Experten geht weit über die Vermittlung sportlicher
Inhalte und Erkenntnisse hinaus. Sie schafft Vertrauen und trägt zu einem nicht
zu unterschätzenden Imagegewinn für Deutschland bei.

Das bürgerschaftliche Engagement ist eine unverzichtbare Stütze des Sport-
systems in unserem Land. Die freiwillig Engagierten übernehmen in vielfälti-
gen Funktionen Verantwortung für die Gemeinschaft und tragen in erheblichem
Maße zu einer funktionierenden Vereins- und Sportkultur bei. Dafür gebührt
ihnen Dank und Anerkennung. Für diese Arbeit benötigen sie gute Rahmen-
bedingungen und die Unterstützung des Staates.

Der Sport kann bei der Integration von Migrantinnen und Migranten eine wich-
tige Rolle spielen. Das Projekt „Integration durch Sport“ hat sich als ein wir-
kungsvolles Instrument erwiesen, weil es gezielt die Möglichkeiten des Sports
für die Integrationsarbeit nutzt.

Sport ist neben ausreichender Bewegung im Alltag ein unverzichtbares Element
aktiver Gesundheitsvorsorge. Sport und Bewegung sind wichtige Instrumente
der Prävention, Kuration und Rehabilitation von Zivilisationskrankheiten wie
Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Auch bei psychi-
schen Erkrankungen kann ausreichende und regelmäßige Bewegung förderlich
sein. Der „Zweite Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht“ macht die Bedeu-
tung von Sport und Bewegung für eine optimale körperliche, soziale und intel-
lektuelle Entwicklung deutlich. Insbesondere Kindern und Jugendlichen müs-
sen ausreichend Sport- und Bewegungsangebote zur Verfügung stehen, um ein
gesundes Heranwachsen zu ermöglichen.

Um diesen steigenden Anforderungen gerecht zu werden, müssen Kinder-
betreuungseinrichtungen, Schulen und Vereine über eine ausreichende Anzahl
von Sportstätten verfügen. Dieses kann nur durch eine Kooperation aller staat-
lichen Ebenen mit den Kommunen gewährleistet werden.

Der Deutsche Bundestag erkennt die Leistungen des unter dem Dach des Deut-
schen Olympischen Sportbundes (DOSB) vereinten Sports und der Sportorgani-
sationen an und würdigt insbesondere ihren Beitrag zur Integration, Gesundheit,
Bildung, Erziehung, nationaler Repräsentanz und internationaler Verständigung.
Gleiches gilt auch für die vielen nicht-kommerziellen und nicht organisierten
Sport- und Bewegungsangebote.

Der Deutsche Bundestag respektiert die Autonomie des Sports.

Der Sport ist neben seinen eigenen Einnahmen auf öffentliche Zuwendungen
angewiesen. Der Bund hat sich dank der vom Parlament bewilligten Förder-
mittel stets als zuverlässiger Partner des Sports erwiesen.

Der Deutsche Bundestag erwartet, dass die über viele Jahrzehnte gewachsene
erfolgreiche Praxis staatlicher Sportförderung zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden auch in Zukunft gesichert sein wird.

Allerdings verkennt der Deutsche Bundestag nicht die Grenzen, die der öffent-
lichen Hand aufgrund der finanziellen Gegebenheiten gesetzt sind. Er ruft da-
her alle im Sport Verantwortung Tragende dazu auf, durch Kooperation mit
Wirtschaft und Medien ergänzende Finanzierungsquellen zur Förderung von
Breiten- und Spitzensport zu erschließen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11217

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass Steuermittel und andere Formen staat-
licher Unterstützung, z. B. die Sportförderung durch Bundeswehr, Bundes-
polizei und Zollverwaltung, nur für einen sauberen Sport zur Verfügung gestellt
werden können. Doping, Medikamentenmissbrauch und andere Formen der
Manipulation zerstören die Grundwerte des Sports. Es ist unverzichtbar, dass
der deutsche Sport die Bestimmungen des jeweils aktuellen NADA-Codes
(NADA: Nationale Anti-Doping Agentur) uneingeschränkt anerkennt, unver-
züglich in seine Satzungen aufnimmt und bei Verletzung der Regelungen des
NADA-Codes die entsprechenden Sanktionierungen vornimmt.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die durch den Vertrag von Lissabon an-
gestoßene Entwicklung einer Förderung der europäischen Dimension des
Sports. Fairness, Offenheit von Sportwettkämpfen und die Zusammenarbeit
zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie der Schutz
der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der
jüngeren Sportler, müssen auch auf europäischer Ebene die Sportpolitik bestim-
men. Die Europäische Union soll die Besonderheit des Sports, die auch der
durch den Vertrag von Lissabon vorgesehene neue Artikel 165 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union berücksichtigt, und damit die
freiwillige Selbstorganisation und die Autonomie des Sports sowie die soziale
und pädagogische Funktion des Sports anerkennen.

Der Deutsche Bundestag unterstützt auch das von der EU-Kommission am
10. Juli 2007 verabschiedete Weißbuch Sport und weist in diesem Zusammen-
hang insbesondere auf die große Bedeutung der Einhaltung des Subsidiaritäts-
prinzips hin. Der im Weißbuch angesprochenen wirtschaftlichen Dimension des
Sports wird in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung beigemessen. Dies
gilt insbesondere für die Frage der Finanzierungssicherung des Spitzen- und
Breitensports durch Einnahmen aus Lotterien und Glücksspielen, die Berück-
sichtigung der Besonderheit des Sports im Bereich der Anwendung des EU-
Rechts bei der Vermarktung von Medienrechten, die Bekämpfung der Finanz-
kriminalität im Sport sowie Fragen des Spielertransfers, der Spieleragenten und
bei Lizenzvergabesystemen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die EU-Kommission die im Weißbuch
vorgestellten Initiativen im Rahmen eines strukturierten Dialogs mit den
Akteuren im Sportbereich, durch die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten
und die Förderung des sozialen Dialogs im Rahmen des Aktionsplans „Pierre
de Coubertin“ umsetzen will. Diese bis Ende 2009 geplante Umsetzung des
Aktionsplans wird der Deutsche Bundestag auch im Sinne des deutschen Sports
aktiv begleiten. Die Ankündigung der EU-Kommission, nach Inkrafttreten des
Vertrages von Lissabon ein EU-Sportprogramm zu initiieren, wird begrüßt. Der
Deutsche Bundestag wird schon in der Erarbeitungsphase des Programms seine
Mitwirkungsrechte wahrnehmen und so auch die Interessen des deutschen
Sports bereits frühzeitig auf EU-Ebene mit einbringen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Initiative „Sport und Wettbewerb“ der
Bundesregierung, die es ermöglichen soll, allgemeine Regelungen zu schaffen,
damit die Besonderheiten des Sports bei seiner Teilnahme im Wirtschaftsleben
berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere im Rahmen des Kartellrechts.

Mit Sorge betrachtet der Deutsche Bundestag eine ständig wachsende Bereit-
schaft, im Zusammenhang mit Sportereignissen Gewalttaten zu begehen. So
kommt es am Rande von Fußballspielen nicht nur in unteren Ligen immer
wieder zu Gewaltexzessen. Die Sportveranstaltungen werden zum Teil für
rechtsextremistische Straftaten missbraucht. Der Sport kann kein Allheilmittel
bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme sein. Es gilt aber, durch gemein-
same Anstrengungen von Sport und Politik das ganze Potential an Möglich-
keiten auszuschöpfen, über das der Sport zur Verhinderung von sozialschäd-
lichem bis hin zu gewalttätigem Verhalten verfügt.

Drucksache 16/11217 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Die vielfältigen Herausforderungen und Aufgaben, denen der Sport sich stellen
muss und will, erfordern die Unterstützung durch die Politik.

Sollte es zu einer Ergänzung der Staatszielbestimmungen im Grundgesetz kom-
men, wird auch der Sport als Staatsziel aufgenommen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. darauf hinzuwirken, dass alle staatlichen Stellen den sozialen und gesell-
schaftspolitischen Beitrag des Sports bei ihren Entscheidungen angemes-
sen berücksichtigen;

2. die über viele Jahrzehnte gewachsene staatliche Förderung des olympischen
und nicht olympischen Spitzensports von Menschen mit und ohne Behinde-
rung ergebnisorientiert fortzuführen;

3. die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement kontinuierlich
weiterzuentwickeln;

4. die Gesundheitsförderung durch Sport und regelmäßige Bewegung im
Alltag zu unterstützen;

5. sich im Interesse einer Chancengleichheit auf internationaler Ebene für die
Akzeptanz und Umsetzung des WADA-Codes (WADA: World Anti-
Doping Agency) einzusetzen und auf nationaler Ebene die unverzügliche
Implementierung des jeweils aktuellen NADA-Codes in die Verbandssat-
zungen zu fordern sowie dessen strikte Einhaltung zu überwachen;

6. einen jährlichen Bericht über die Umsetzung des nationalen Anti-Doping-
Codes in den Verbänden vorlegen zu lassen und den Deutschen Bundestag
über Verstöße von Verbänden gegen die Anti-Doping-Regelungen in den
Zuwendungsbescheiden unverzüglich zu informieren;

7. sich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene für einen klaren
Rechtsrahmen für die Teilnahme des Sports am Wirtschaftsleben einzu-
setzen, der der Besonderheit des Sports Rechnung trägt;

8. sich bei den Bundesländern dafür einzusetzen, dass in den gebührenfinan-
zierten Rundfunk- und Fernsehanstalten Sport in seiner Vielfalt angemes-
sen dargestellt wird;

9. an der Erarbeitung des EU-Sportprogramms nach Inkrafttreten des Ver-
trages von Lissabon von Beginn an mitzuwirken;

10. Institutionen, Organisationen und Initiativen zu unterstützen, die zur
Gewaltprävention im und durch Sport beitragen sowie

11. die Möglichkeiten des Sports zu nutzen, Frieden und Verständigung zu
fördern.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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