BT-Drucksache 16/11205

Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten stärken

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11205
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Antrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, Hans-Josef
Fell, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter,
Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Alexander Bonde und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Finanzmarktkrise betrifft vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher,
die ihr Geld dem Markt anvertraut haben. Sie müssen umfassende und langfris-
tige Anlageentscheidungen treffen wie beispielsweise die private finanzielle
Absicherung ihrer Altersvorsorge, die weitreichende Konsequenzen haben.
Deswegen brauchen die Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Finanz-
markt einen besonders umfangreichen Schutz und die bestmögliche Beratung.

Unzureichende nationale und internationale Regulierung der Finanzmärkte, ge-
ringe Befugnisse und unzureichende Ausstattung der Aufsichtsbehörden haben
die Krise und ihre Auswirkungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher erst
möglich gemacht. Deshalb bedarf es einer effektiveren Regulierung und einer
strengeren Aufsicht auf dem Finanzmarkt. Denn nur verlässliche Finanzmärkte
mit eindeutigen Regelungen und ausreichender Transparenz geben den Verbrau-
cherinnen und Verbraucher die Sicherheit, dass ihr Vermögen sicher beziehungs-
weise mit kalkulierbarem Risiko in der von ihnen gewünschten Anlageform an-
gelegt und nicht durch unseriöse und riskante Anlagen in Gefahr gebracht wird.

Bisher spielte der Verbraucherschutz bei der Finanzmarktkrise und ihren Folgen
nur eine untergeordnete Rolle. Das muss sich ändern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– den Einlagensicherungsfonds so zu optimieren, dass das Vertrauen der Kun-
dinnen und Kunden in ausreichende Liquidität der Systeme gestärkt wird.
Dabei sind die Besonderheiten des bestehenden Drei-Säulen-Systems der
deutschen Bankenlandschaft zu berücksichtigen. Bei der Verbesserung muss
darauf geachtet werden, dass die Teile des Einlagensicherungssystems, die
sich bisher bewährt haben, nicht beschädigt werden;
– die Rechte der Anlegerinnen und Anleger zu stärken, indem die Möglichkei-
ten zur Sammelklage (kollektiven Rechtsdurchsetzung) im deutschen Recht
erleichtert werden;

– die Informationsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken,
indem sie einen Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen gegenüber der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhalten;

Drucksache 16/11205 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– die Beweislast bei der Durchsetzung von Schadenersatzforderungen auf-
grund von Falschberatungen so zu verlagern, dass zukünftig die Finanz-
dienstleister beweisen müssen, dass sie eine umfassende Beratung hinsicht-
lich Kosten, Risiken und Eigenschaften des Produktes erbracht haben;

– die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche im Falle einer Falschbera-
tung im Zusammenhang mit Wertpapierverkäufen zu verlängern und den all-
gemeinen Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuglei-
chen;

– die BaFin umzustrukturieren und den Verbraucherschutz als Kernaufgabe der
BaFin gesetzlich zu verankern;

– dafür zu sorgen, dass die BaFin von der Bundesbank die alleinige Zuständig-
keit und endgültige Kompetenz für die Bankenaufsicht erhält;

– die BaFin finanziell und personell zu stärken, indem der Verwaltungsrat ver-
kleinert und mit mehr unabhängigen Expertinnen und Experten sowie Ver-
braucherschützern besetzt wird;

– einen Finanz-Watchdog einzuführen, der die Interessen der Verbraucherin-
nen und Verbraucher gegenüber Finanzwirtschaft, Aufsichtsbehörden und
Gesetzgeber wahrnimmt;

– für einheitliche und auch wirksame Regeln hinsichtlich Transparenz, Infor-
mationspflichten, Kosten und Risiken für mehr Vergleichbarkeit der Anlage-
produkte zu sorgen;

– strengere Regeln für den grauen Kapitalmarkt zu schaffen und damit an-
nähernd dasselbe Anlegerschutzniveau wie auf dem geregelten Kapitalmarkt
herzustellen;

– Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Gerichtskammern einzurichten, die
sowohl auf den geregelten als auch auf den grauen Kapitalmarkt spezialisiert
sind;

– dafür Sorge zu tragen, dass Finanzdienstleister, die Produkte des grauen
Kapitalmarktes verkaufen, klar definierte fachliche Anforderungen erfüllen
müssen;

– das derzeitige System der Anlagenberatung durch strengere Pflichten für
Finanzberater hinsichtlich der Transparenz über Preis, Produkt und Risiko zu
verbessern. Dazu zählen eine ausreichende Qualifikation sowie die Ver-
pflichtung zu einer objektiven und neutralen Beratung;

– die Rahmenbedingungen für das derzeitige Provisionssystem im Produktver-
trieb neu zu regeln, um aus verbraucherpolitischer Sicht falsche Anreize
durch hohe Boni und hohe Abschlussprovisionen künftig zu vermeiden;

– einen finanziellen Vorsorgecheck (Beratung) für Verbraucherinnen und Ver-
braucher auf den Weg zu bringen, mit dem sie ihre Anlagen von einer un-
abhängigen Beratungseinrichtung wie z. B. den Verbraucherzentralen prüfen
lassen können;

– dafür zu sorgen, dass Banken die Warnhinweise bei riskanten Anlagen erhö-
hen durch einfachere, verständlichere und zugleich rechtlich verbindliche
Verkaufsprospekte, die das Risiko deutlich machen;

– die finanzielle Allgemeinbildung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu
stärken, indem das Thema Finanzaufklärung, Privatökonomie und Über-
schuldungsprävention in den Lehrplan der Schulen aufgenommen wird;

– ein Bundesprogramm „Finanzaufklärung für Verbraucherinnen und Verbrau-

cher“ aufzulegen, das sich als mehrjähriges Bildungsprogramm an junge und
finanziell schwache Konsumentinnen und Konsumenten richtet;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11205

– das Recht auf Girokonto auf Guthabenbasis für Jedermann gesetzlich festzu-
schreiben;

– die Zahl der Schuldnerberatungen auszuweiten, damit Verbraucherinnen und
Verbraucher, die verschuldet sind, Unterstützung bei der Regulierung ihrer
Schulden erhalten;

– die Privatinsolvenz so zu verbessern, dass die Kostenbeteiligung für den
Schuldner und die Schuldnerin zurückgenommen wird und ein barrierefreier
Zugang zum Entschuldungsverfahren möglich wird;

– die Wohlverhaltensperiode von derzeit sechs Jahren, in welcher der Schuld-
ner seinen pfändbaren Einkommensanteil zur Rückzahlung seiner Schulden
verwendet, zu verkürzen; unsere Nachbarstaaten sehen Zeiträume zwischen
drei und fünf Jahren vor.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Damit die Verbraucherinnen und Verbraucher wieder Vertrauen in den Finanz-
markt haben, bedarf es umfassender verbraucherpolitischer Maßnahmen. Ihre
Rechte am Finanzmarkt müssen gestärkt werden. Insbesondere geschädigte An-
legerinnen und Anleger müssen die Möglichkeit haben, sich gegen unlautere
Praktiken am Finanzmarkt wehren zu können. Darüber hinaus muss der Finanz-
markt stärkeren Kontrollen unterliegen. Die Finanzmarktaufsicht muss umstruk-
turiert und gestärkt werden und Verbraucherschutzaufgaben erhalten. Damit
sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auf ein einheitliches Schutzniveau
am Finanzmarkt verlassen können, muss das Geschäft der Finanzdienstleister in
Zukunft strengere Regeln erfüllen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen
ihre Anlageprodukte besser verstehen und beurteilen können; daher bedarf es
unabhängiger Beratungsangebote und einer verbesserten Finanzaufklärung für
Verbraucherinnen und Verbraucher.

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