BT-Drucksache 16/11160

Geschichtsrevisionisten als militärhistorische Ausbilder bei der Bundeswehr

Vom 28. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11160
16. Wahlperiode 28. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

Geschichtsrevisionisten als militärhistorische Ausbilder bei der Bundeswehr

Anlässlich eines Kriegsverbrecherprozesses, der derzeit gegen einen früheren
Wehrmachtsoffizier in München stattfindet, ist ein rechtsextrem-konservatives
Netzwerk zutage getreten, das sich bis in die Bundeswehr hinein erstreckt.

Die Strafverteidiger des Angeklagten Josef S. aus Ottobrunn, dem die Verant-
wortung für ein Massaker an 14 italienischen Zivilisten im Juni 1944 vorgewor-
fen wird, wollen zu dessen Entlastung ein militärisches Gutachten von Bundes-
wehr-Oberst a. D. Klaus Hammel einholen (FOCUS vom 15. September 2008).

Dieser Oberst wird von der Bundeswehr regelmäßig bei der militärhistorischen
Ausbildung von Soldaten verwendet – ungeachtet der Tatsache, dass sich Ham-
mel für den notorischen Geschichtsrevisionisten Gerd Schultze-Rhonhof ein-
setzt. Dieser sei, so Hammel, ein „von allen fachlich wie menschlich hochge-
schätzter ehemaliger Truppenführer unserer Armee“. Hammel bescheinigt
Schultze-Rhonhof „sorgfältiges Analysieren und tiefergehendes Nachdenken“.
Dem Bundesministerium der Verteidigung wirft er „Gleichschaltung“ vor, weil
es angeblich zu entschieden gegen Wehrmachts-Apologeten vorgehe. Diese
Äußerungen, denen sich noch drei weitere Bundeswehr-Oberste a. D. ange-
schlossen haben, sind in einer Protesterklärung enthalten, die an Gliederungen
der Clausewitz-Gesellschaft gerichtet war, nachdem deren Vorstand sich gegen
eine Veranstaltung mit Schultze-Rhonhof ausgesprochen hatte (was wiederum
auf Druck der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifa-
schistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) zurückzuführen war). Dokumen-
tiert ist die Obersten- Erklärung auf der Homepage der extrem rechten Staats-
und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) (http://www.swg-hamburg.de/
Militaergeschichte/An_den_Vorstand_der_Clausewitzgesellschaft.pdf).

Schultze-Rohnhof, Generalmajor a. D. der Bundeswehr, bestreitet die deutsche
Schuld am Zweiten Weltkrieg und behauptet in seinem Buch „Der Krieg, der
viele Väter hatte“, es sei Hitler „ursprünglich nur um die Menschenrechte der
deutschen Minderheit in Polen und um die Heimkehr der Danziger Bevölkerung
in ihr Mutterland“ gegangen. Der Krieg habe sich „gegen Hitlers Willen“ ausge-
dehnt (zitiert nach „Treue Kameraden“ 6/05). Solche Behauptungen gehören
zum klassischen Repertoire rechtsextremer Geschichtsrevisionisten.

Hammel wirkt an der Ausbildung von Soldaten mit und gehörte schon mehrfach

dem „Kompetenzteam“ einer „Militärhistorischen Geländebesprechung“ an, an
der Soldaten der 10. Panzerdivision teilnahmen. In deren Zuständigkeitsbereich
wiederum finden die jährlichen Pfingstfeiern des Kameradenkreises der Ge-
birgstruppe statt (Belege unter www.deutschesheer.de). Dessen Kontakte zu
Rechtsextremisten und zur Bundeswehr haben die Fragesteller bereits mehrfach
thematisiert (zuletzt auf Bundestagsdrucksache 16/8822).

Drucksache 16/11160 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mitglied dieses Kameradenkreises ist auch der mutmaßliche Kriegsverbrecher
Josef S., der sich nun von Hammel Entlastung verspricht. Hammel wiederum ist
ausweislich des Berichts über die Jahreshauptversammlung des Kameradenkrei-
ses vom 27. Oktober 2001 selbst Mitglied dieses Vereins.

Alle drei Strafverteidiger des Josef. S. verfügen über gute Kontakte ins
rechtsextreme Spektrum. Sie haben Kriegsverbrecher wie Klaus Barbie, Josef
Schwammberger und Erich Priebke genauso verteidigt wie gewalttätige
Neonazis und fordern öffentlich, die Wehrmacht solle als Traditionsgeberin für
die Bundeswehr dienen. Einer der Anwälte soll Mitglied des Kuratoriums der
Nazi-Hilfsorganisation „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“ sein
(Süddeutsche Zeitung vom 18. Juli 2008, weitere Quellen: http://jena.antifa.net/
cms/Nazis/Recherche, http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News
&Id=3852).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern hält es die Bundesregierung für sinnvoll, wenn an der militärhisto-
rischen Ausbildung von Rekruten Personen beteiligt werden, die geschichts-
revisionistische Positionen verteidigen?

2. Inwiefern sind Aussagen, die dem Geschichtsrevisionisten Generalmajor a. D.
Gerd Schultze-Rhonhof „sorgfältiges Analysieren und tiefergehendes Nach-
denken“ bescheinigen, geeignet, den Aussagenden als militärhistorischen
Experten für die Ausbildung von Bundeswehrsoldaten zu qualifizieren?

3. In welchem Umfang, und bei welchen Gelegenheiten arbeitet die Bundes-
wehr mit dem Oberst a. D. Hammel sowie den anderen drei pensionierten
Obersten, die die erwähnte Protesterklärung unterzeichnet haben, zusammen
(bitte detailliert auflisten)?

4. Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung bei Heranziehung von
Personen, die dem Bundesministerium der Verteidigung „Gleichschaltung“
vorwerfen, weil es sich angeblich zu sehr von der Wehrmacht distanziere,
gewährleistet, dass die Traditionsrichtlinien der Bundeswehr eingehalten wer-
den und keine wehrmachtsverherrlichende Propaganda durchgeführt wird?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, sich bei Einheiten der Bundeswehr genau
danach zu erkundigen, welche Personen sie an der Ausbildung beteiligen, um
zu verhindern, dass weiterhin Wehrmachtsapologeten eingebunden werden,
und wenn nein, warum nicht?

6. Beabsichtigt die Bundesregierung, die 10. Panzerdivision anzuweisen, die
Zusammenarbeit mit Oberst a. D. Hammel einzustellen, und wenn nein,
warum nicht?

7. Gehen die Fragesteller Recht in der Einschätzung, dass die Bundesregierung
auch angesichts des nun zutage getretenen konservativ-rechtsextremen Netz-
werkes keine Veranlassung sieht, die Zusammenarbeit mit dem Kameraden-
kreis der Gebirgstruppe zu beenden?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die „Stille Hilfe“ hin-
sichtlich der Beteiligung von und der Zusammenarbeit mit Rechtsextremis-
ten, und wie schätzt sie die Rolle der „Stillen Hilfe“ für die juristische Betreu-
ung von Rechtsextremisten ein?

Berlin, den 26. November 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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