BT-Drucksache 16/10777

Neuausrichtung der Arbeitsmarktpoltik und die drohende Wirtschaftskrise

Vom 4. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10777
16. Wahlperiode 04. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Katrin Kunert, Ulla Lötzer, Kornelia Möller
und der Fraktion DIE LINKE.

Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und die drohende Wirtschaftskrise

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und einer drohenden Rezession stellt sich
die Frage nach der Wirksamkeit und Krisenfestigkeit der Arbeitsmarktinstru-
mente neu. Geschwindigkeit und Qualität der Arbeit in den Arbeitsgemeinschaf-
ten (ARGEn) und Agenturen für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung
(AAgAW) werden wesentlich darüber entscheiden, inwieweit die Folgen dieser
Prozesse abgefedert werden können. Die Zielsicherheit der Vermittlungstätig-
keit und die Möglichkeit innovativer Formen der Bereitstellung von nach-
haltigen Beschäftigungsmöglichkeiten werden in den kommenden Monaten ge-
fordert sein. Die in den Gesetzen vorgesehenen Maßnahmen werden ihre
Wirksamkeit beweisen müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Befristete Beschäftigungsverhältnisse in den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn)
und Agenturen für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung (AAgAw)

1. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Finanzierung der für 2009 zur
Verbesserung der Vermittlung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende
angekündigten 1 900 neuen Stellen aus dem Eingliederungstitel, also mit
Geldern, die eigentlich Arbeitsmarktinstrumente finanzieren sollen?

2. Wie korrespondiert die Zuteilung der angekündigten 1 900 Stellen mit der
beabsichtigen Entfristungsgröße von 3 300 Stellen?

3. Wie hoch war bzw. ist der Betreuungsschlüssel in der Arbeitsvermittlung für
unter und über 25-jährige Erwerbslose im Bereich des Zweiten Buches So-
zialgesetzbuch (SGB II) und des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)
in den Jahren 2005, 2006, 2007 und 2008?

4. Wann will die Bundesregierung den empfohlenen Mindestbetreuungsschlüs-
sel in der Arbeitsvermittlung von 1:75 für die unter 25-jährigen erwerbsfähi-
gen Hilfebezieher und 1:150 für über 25-Jährige erreichen, und welche Maß-
nahmen sollen dafür ergriffen werden?

5. Wie hoch ist der Befristungsstand des in den Arbeitsgemeinschaften und

Agenturen für Arbeit tätigen Personals, aufgeschlüsselt nach den einzelnen
Regionaldirektionen, und wie viele Arbeitsgemeinschaften bzw. Agenturen
für Arbeit haben einen Befristungsanteil von mehr als 30 Prozent (bitte mit
Namen aufführen)?

Drucksache 16/10777 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Einfluss von befristeten Beschäf-
tigungsverhältnissen auf die Qualität der Betreuung und Vermittlung von
erwerbsfähigen Hilfebeziehern?

7. Beabsichtigt die Bundesregierung Umschichtungen im Personalhaushalt
aus dem Leistungsbereich in die Arbeitsvermittlung?

Wie werden dann die zeitnahe Leistungsgewährung und damit die Existenz-
sicherung sichergestellt?

Ist hierbei die – durch die Wirtschaftskrise – zu erwartende steigende Zahl
arbeitsloser Menschen berücksichtigt?

8. Wie bewertet die Bundesregierung den Fakt, dass zahlreiche Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der ARGEn
nach Auslaufen der befristeten Beschäftigungsverhältnisse in Arbeiten ver-
mittelt werden, die Lohneinbußen zur Folge haben?

9. Betrachtet die Bundesregierung es als gerechtfertigt, dass durch die Anwen-
dung unterschiedlicher tariflicher Regelungen unterschiedliche Vergütun-
gen für Arbeitsvermittler bei der BA und Arbeitsvermittler bei der Kom-
mune bezahlt werden, und wie begründet sie ihre Antwort?

Ist beabsichtigt, im Rahmen der Neuorganisation der ARGEn eine Tarif-
gemeinschaft der Kommunalen Arbeitgeber und der BA verpflichtend fest-
zuschreiben?

10. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet werden, dass
bei einem Wechsel von Beschäftigten aus dem Bereich der Leistungs-
gewährung in den Bereich der Vermittlung eine entsprechende Qualifi-
kation erworben wird?

11. Werden die Beschäftigten, bei denen ein Wechsel aus dem Bereich der Leis-
tungsgewährung in die Arbeitsvermittlung vorgesehen ist, durch Qualifizie-
rungsmaßnahmen darauf vorbereitet?

Wenn ja, wie ist die Dauer der Maßnahmen, und welche Maßnahmen sind
das?

Erfolgt die Qualifizierung durch eigenes Personal der BA, oder werden da-
für externe Kräfte herangezogen?

12. Handelt es sich bei den 1 900 Stellen, die ab 2009 zusätzlich für die Vermitt-
lung vorgesehen werden, um externe Kräfte oder um eine Umverteilung
von Beschäftigten aus dem Bereich der Leistungsgewährung in die Arbeits-
vermittlung?

13. Wenn es sich um eine Umverteilung der Beschäftigten handelt, welche
konkreten Qualifizierungsmaßnahmen sind für die 1 900 entfristeten Be-
schäftigten bei einem Wechsel aus dem Bereich der Leistungsgewährung in
die Arbeitsvermittlung vorgesehen (bitte Dauer und Art der Qualifizierung
angeben)?

14. Was spricht dagegen, alle Beschäftigungsverhältnisse zu entfristen – ange-
sichts der Zielstellung, möglichst viele Erwerbslose in relativ kurzer Zeit
dauerhaft in Arbeit zu vermitteln, angesichts der Tatsache, dass der empfoh-
lene Betreuungsschlüssel noch nicht erreicht wird, angesichts einer drohen-
den Rezession und möglicherweise steigenden Arbeitslosenzahlen?

15. Wie hoch ist der Krankenstand unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
die ein befristetes Beschäftigungsverhältnis haben, und wie hoch ist der
Krankenstand unter den nicht befristet arbeitenden Beschäftigten der BA?
Wie hat sich der Krankenstand seit 2004 entwickelt (bitte in Jahresscheiben
angeben)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10777

16. Werden durch die ARGEn Leiharbeiter eingesetzt?

Wenn ja, wie hat sich der Anteil der Leiharbeiter in den ARGEn von 2005
bis 2008 entwickelt?

17. Trifft es zu, dass in einem Zweig der Sozialversicherung Leiharbeitnehmer
eingesetzt werden?

Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies, insbesondere vor dem
Hintergrund, dass Leiharbeit gesellschafts- und gewerkschaftspolitisch im-
mer schon kritisch diskutiert wird?

18. Werden die Leiharbeitnehmer aus dem Personaltitel oder aus dem Ein-
gliederungstitel (EGT) der ARGEn bezahlt?

Wie hoch ist der Anteil der Beschäftigten insgesamt, die aus dem EGT be-
zahlt werden, und werden auch diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
die Übernahmeüberlegungen in Dauerarbeitsverhältnisse einbezogen?

II. Arbeitsmarktinstrumente

19. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung der freien Förderung von
arbeitsmarktpolitischen Projekten ein?

Woran misst die Bundesregierung den Erfolg der Anwendung des § 10
SGB III?

20. Wenn insbesondere im Bereich des SGB II die lokale Arbeitsmarktkom-
petenz einbezogen werden soll, warum soll dann eine Begrenzung des Ex-
perimentiertopfes auf ein Prozent im SGB III und zwei Prozent im SGB II
erfolgen?

21. Trifft es zu, dass das vorgesehene Vermittlungsbudget nur zur Verfügung
gestellt wird, wenn vorhersehbar ist, dass es einen Vermittlungserfolg geben
wird?

Woran wird die Vorhersehbarkeit des Ermittlungserfolgs gemessen?

22. Trifft es zu, dass es für ALG-II-Beziehende keine ABM mehr geben wird?

Wenn ja, warum (bitte begründen), und welche Auswirkungen wird dies
nach Auffassung der Bundesregierung haben?

23. Wie hat sich von 2005 bis 2008 die private Arbeitsvermittlung entwickelt
(Anzahl der privaten Arbeitsvermittler nach Jahresscheiben und nach
Regionen)?

24. Wie hat sich von 2005 bis 2008 der Anteil der privaten Arbeitsvermittlung
an der Arbeitsvermittlung insgesamt entwickelt (nach Jahresscheiben und
nach Regionen)?

25. Wie hat sich von 2005 bis 2008 das Verhältnis der Erfolgsquoten von pri-
vater und öffentlicher Arbeitsvermittlung entwickelt (nach Jahresscheiben
und nach Regionen)?

26. Wie viele Menschen wurden von 2005 bis 2008 durch private Arbeits-
vermittlung in Arbeit vermittelt?

Berlin, den 30. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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