BT-Drucksache 16/10745

Verbot von kurdischem Satellitensender Roj TV (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/10462)

Vom 30. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10745
16. Wahlperiode 30. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

Verbot von kurdischem Satellitensender Roj TV (Nachfrage zu
Bundestagsdrucksache 16/10462)

In der Kleinen Anfrage „Verbot von kurdischem Satellitensender Roj TV“ (Bun-
destagsdrucksache 16/10462) hatte die Fraktion DIE LINKE. nach den Hinter-
gründen des am 13. Juni 2008 durch das Bundesministerium des Innern im Be-
reich der Bundesrepublik Deutschland verbotenen kurdischen Satellitensenders
Roj TV gefragt. Die Fragestellerinnen und Fragesteller wollten in Frage 2 wissen,
welche Kooperation bzw. Konsultationen es bei der Vorbereitung des Betä-
tigungsverbots von Roj TV von Seiten bundesdeutscher Regierungsstellen oder
Behörden mit ausländischen, insbesondere türkischen, Regierungsstellen,
Behörden oder Justizinstitutionen gab. In der Antwort der Bundesregierung heißt
es dazu, es habe „keine“ derartige Kooperation gegeben.

Diese Antwort der Bundesregierung widerspricht den Äußerungen des Bundes-
ministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, bei einem Treffen mit einer
Gruppe von Journalisten aus der Türkei am 8. Oktober 2008 in Berlin. „Der
deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble hat gesagt, dass eine andauernde
enge Kooperation mit der türkischen Regierung im Kampf gegen die PKK be-
steht“ („German Interior Minister Wolfgang Schaeuble has said that there had
been an ongoing close cooperation with the Turkish government in the fight
against the PKK“), heißt es in einer Meldung der türkischen Nachrichtenagen-
tur „Anadolu“ über das Treffen. „Der deutsche Innenminister sagte, dass die
Bemühungen, die durchgeführt wurden, um Roj TV, das Medienorgan der mili-
tanten Organisation, zu schließen, ein Beispiel der Kooperation zwischen den
beiden Ländern waren“ („German Interior Minister said that efforts that had
been carried out to close down the Roj TV, the media organ of the militant orga-
nization, were the sample of the cooperation between the two countries“, http://
www.worldbulletin.net/news_detail.php?id=29369). In ähnlicher Form wird
der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, auf der Internetseite
der Tageszeitung „Hürriyet“ vom 9. Oktober 2008 zitiert (http://www.hurriyet.
com.tr/english/world/10069446.asp?scr=1).

In der Tageszeitung „Turkish Daily News“ hieß es am 9. Oktober 2008 zu dem
gleichen Treffen des Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, mit
Journalisten aus der Türkei: „Schäuble betonte, dass die deutsche Regierung

eng mit türkischen Behörden zusammenarbeitete, um die PKK zu bekämpfen
und er sagte, dass der ausschlaggebende Beschluss, die Roj TV Ausstrahlungen
in Deutschland zu stoppen, ein eindeutiger Beweis dieser Politik war“
(„Schäuble underlined the German government was closely working with
Turkish authorities to combat the PKK and said the critical decision to stop
Roj TV broadcasts in Germany was clear evidence of that policy“, http://
www.turkishdailynews.com.tr/article.php?enewsid=117002).

Drucksache 16/10745 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Firat hat der Bundesminister des
Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, auf dem genannten Treffen „zugegeben, dass
der kurdische TV-Kanal Roj TV nicht aus juristischen, sondern aus politi-
schen Beweggründen verboten worden ist“ (www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/
pressekurdturk/2008/41/05.htm).

Sollten die Meldungen der türkischen Medien über die Aussagen des Bun-
desministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, zutreffen, könnte dies in den
Augen der Fragesteller bedeuten, dass entweder die Bundesregierung in ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/10462 die Un-
wahrheit sagt, oder aber der Bundesminister gegenüber der türkischen Presse
Unwahrheiten vertreten hat.

Zu Frage 10, welche Bedeutung Roj TV nach Einschätzung der Bundesregie-
rung für kurdischstämmige Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik
Deutschland zur Information über Ereignisse in ihrem Herkunftsland, zur poli-
tischen Bildung sowie zur Unterhaltung in ihrer Sprache und Kultur habe, ant-
wortete die Bundesregierung, dass „die vorgeblich plurale Ausrichtung des
Senders […] besonders geeignet [sei], über die PKK-Anhängerschaft hinaus
das kurdischstämmige Publikum für die Interessen und Ziele der […] PKK ein-
zunehmen“. Die Fragesteller vermögen nicht, einen Zusammenhang zwischen
ihrer Fragestellung und der Antwort der Bundesregierung festzustellen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit Vertretern welcher Medien und aus welchem Anlass fand die Begeg-
nung des Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, mit Journa-
listen aus der Türkei am 8. Oktober in Berlin statt?

2. Treffen die Meldungen der türkischen Presse zu, dass der Bundesminister
des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, gegenüber Journalisten aus der Türkei
am 8. Oktober das Verbot von Roj TV als Beispiel der Kooperation zwi-
schen Deutschland und der Türkei im Kampf gegen die PKK bezeichnete?

a) Wenn ja, inwieweit sieht die Bundesregierung einen Widerspruch
zwischen den Aussagen des Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang
Schäuble, und der Antwort zu Frage 2 auf die Kleine Anfrage auf Bun-
destagsdrucksache 16/10462, dass keine Kooperation mit türkischen Stel-
len beim Verbot von Roj TV stattgefunden habe?

b) Wenn nein, was hat der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang
Schäuble, zum Thema PKK und Roj TV tatsächlich gesagt?

c) Wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung zur Richtigstellung der
Aussagen von Dr. Wolfgang Schäuble in den türkischen Medien?

3. Inwieweit trifft die laut türkischen Medien vom Bundesminister des Innern,
Dr. Wolfgang Schäuble, getätigte Aussage zu, dass eine andauernde enge
Kooperation mit der türkischen Regierung im Kampf gegen die PKK be-
steht?

a) Wie sieht diese Kooperation aus?

b) Trifft es zu, dass das Verbot von Roj TV ein Ergebnis dieser Kooperation
ist?

4. Trifft eine Meldung der Nachrichtenagentur Firat vom 8. Oktober 2008 zu,
wonach der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, vor den tür-
kischen Journalisten erklärt habe, Roj TV sei nicht aus juristischen, sondern
aus politischen Beweggründen verboten worden?
Wenn ja, um welche politischen Beweggründe handelt es sich?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10745

5. Sieht die Bundesregierung bei Frage 10 der Kleinen Anfrage auf Bundes-
tagsdrucksache 16/10462, nach der Bedeutung von Roj TV für kurdisch-
stämmige Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland, ei-
nen inhaltlichen Zusammenhang mit ihrer Antwort, dass „die vorgeblich
plurale Ausrichtung des Senders […] besonders geeignet [sei], über die
PKK-Anhängerschaft hinaus das kurdischstämmige Publikum für die Inter-
essen und Ziele der […] PKK einzunehmen?

a) Wenn ja, worin besteht dieser Zusammenhang?

b) Wenn nein, wie lautet die korrekte Antwort zu Frage 10 der Kleinen An-
frage auf Bundestagsdrucksache 16/10462 („Welche Bedeutung hat Roj
TV nach Einschätzung der Bundesregierung für kurdischstämmige Bür-
gerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland a) zur Informa-
tion über Ereignisse in ihrem Herkunftsland, b) zur politischen Bildung,
c) zur Unterhaltung in einer Sprache und Kultur ihres Heimatlandes?“)?

Berlin, den 28. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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