BT-Drucksache 16/10706

Behandlung eines Totalen Kriegsdienstverweigerers im Bundeswehrarrest

Vom 23. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10706
16. Wahlperiode 23. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Lothar Bisky, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger,
Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Behandlung eines Totalen Kriegsdienstverweigerers im Bundeswehrarrest

Seit Anfang Oktober befindet sich der wehrpflichtige Jan-Patrick E. in Bundes-
wehrarrest. Nach seiner Einberufung am 1. Oktober 2008 und einer kurzfristigen
Beurlaubung verweigerte er am 6. Oktober 2008 einen Befehl und erklärte gegen-
über Vorgesetzten und anderen Rekruten, dass er grundsätzlich alle Befehle ver-
weigern werde. E. begründet dies in einer Erklärung im Internet mit seiner strikt
antimilitaristischen Grundhaltung. Er sei weder bereit, als Soldat noch als Zivil-
dienstleistender eine Unterstützung der Streitkräfte zu leisten bzw. die militäri-
sche „Maschine am Laufen zu halten“ (http://totalverweigerung.blogsport.de/).

Wie andere Totale Kriegsdienstverweigerer auch, wurde E. daraufhin in Arrest
genommen. Die Bundeswehr beharrt auch bei denjenigen, die ihre Befehlsver-
weigerung mit Gewissensgründen erklären, in aller Regel darauf, mehrfache
Disziplinarstrafen in Form von Arrest auszusprechen. Nach Ansicht der Frage-
steller ist dies unverhältnismäßig, weil Disziplinarstrafen ausdrücklich nicht als
Form der Bestrafung, sondern der „Erziehung“ vorgesehen sind, und erklärte
Gewissensgründe nicht gleichsam „wegzuerziehen“ sind.

Bei der Behandlung des E. kam es zu einigen Auffälligkeiten. So wurde ihm ver-
weigert, bestimmte Bücher in seine Zelle mitzunehmen. Besucher berichten, ein
Soldat der Bundeswehr habe zwei von drei mitgeführten Büchern einbehalten.
Eine Begründung hierfür habe es nicht gegeben, „jedoch schienen die Titel das
ausschlaggebende Element zu sein, ‚die seien links‘, äußerte der Soldat noch“
(www.totalverweigerung.blogsport.de). Betroffen waren „Die Kritik der politi-
schen Ökonomie“ und eine Abhandlung „Wir sind die Guten – Antisemitismus
in der radikalen Linken“.

Besorgnis erregend ist außerdem, dass E., nachdem er nach Ablauf des ersten
Arrestes am Montag, dem 13. Oktober 2008, erneut die Kaserne in Strausberg
betreten hatte, vier Tage lang weder für seine Familie noch für seinen Rechts-
anwalt erreichbar war. Auskunftsverlangen seien „mit der Begründung ‚nicht zu-
ständig zu sein‘ abgewimmelt“ worden (www.totalverweigerung.blogsport.de).
Wie sich am darauffolgenden Freitag, dem 17. Oktober 2008, herausstellte, war
er auf den Fliegerhorst Holzdorf verlegt worden. Da hierüber niemand unterrich-
tet worden war, konnte das Besuchsrecht an diesem Freitag nicht wahrgenom-
men werden.

Drucksache 16/10706 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass dem Totalen Kriegsdienstverweigerer E. verweigert wurde,
bestimmte Bücher mit in die Arrestzelle zu nehmen, und wenn ja,

a) für welchen Zeitraum,

b) welche Titel waren hiervon betroffen,

c) aus welchen Gründen wurden die einzelnen Titel verweigert?

2. Ist es in der Bundeswehr üblich, dass „linke“ Literatur den Arretierten vor-
enthalten wird, und wenn ja, welche Kriterien werden an den Begriff „links“
gelegt?

3. Warum ist im Fall des E. die Entscheidung getroffen worden, „linke“ Titel
einzubehalten?

a) Nach welchen Kriterien erfolgte die Einschätzung der inkriminierten
Literatur als „links“, und von wem ging diese Entscheidung aus?

b) Wie bewertet die Bundesregierung diese Entscheidung, die genannten
Titel einzubehalten?

4. Aus welchen Gründen wurde E. nach Holzdorf verlegt?

5. Aus welchen Gründen sind die Familie und der Rechtsanwalt von E. erst nach
Ablauf von vier Tagen über die Verlegung des E. unterrichtet worden?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die heimliche Verlegung von E. unter dem
Aspekt, dass hierdurch sein Besuchsrecht faktisch beschnitten wurde?

7. Wie viele Wehrpflichtige wurden seit dem Jahr wegen Ungehorsams, eigen-
mächtiger Abwesenheit, Fahnenflucht, Befehlsverweigerung und anderen
disziplinaren bzw. strafrechtlichen Verstößen für jeweils welchen Zeitraum in
Bundeswehrarrest genommen?

Berlin, den 23. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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