BT-Drucksache 16/10593

Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbessern

Vom 15. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10593
16. Wahlperiode 15. 10. 2008

Antrag
der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Georg Brunnhuber, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Klaus Brähmig, Cajus Caesar, Gitta Connemann, Hubert Deittert, Enak Ferlemann,
Peter Götz, Bernd Heynemann, Christian Hirte, Klaus Hofbauer, Jürgen Klimke,
Norbert Königshofen, Hartmut Koschyk, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Andreas
Scheuer, Ingo Schmitt (Berlin), Wilhelm Josef Sebastian, Gero Storjohann,
Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Christian
Carstensen, Karin Evers-Meyer, Rainer Fornahl, Renate Gradistanac, Hans-
Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Dr. Reinhold Hemker, Gabriele Hiller-Ohm,
Stephan Hilsberg, Klaas Hübner, Lothar Ibrügger, Brunhilde Irber, Dr. h. c. Susanne
Kastner, Ernst Kranz, Ute Kumpf, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Heinz
Paula, Bernd Scheelen, Dr. Frank Schmidt, Rita Schwarzelühr-Sutter, Ludwig
Stiegler, Jörg Vogelsänger, Petra Weis, Dr. Margrit Wetzel, Engelbert Wistuba,
Heidi Wright, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Wassersportland geworden. Daher
haben sich Wassersport und Wassertourismus in den letzten Jahren kontinuier-
lich positiv entwickelt. Die Nähe zur Natur und die breite Palette abwechslungs-
reicher Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten, aber auch der Trend zum Ken-
nenlernen der näheren Umgebung und zum Urlaub in Deutschland haben dem
Wassertourismus in den letzten Jahren hohe Zuwachsraten beschert. Die Anzahl
der Sportboote hat sich bundesweit erhöht. 295 000 Sportboote sind nach Anga-
ben des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft im Binnenland stationiert;
weitere 159 000 an der deutschen Ost- und Nordseeküste bzw. in deren Einzugs-
gebiet. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre lag die jährliche Zuwachsrate bei
rund 1,5 Prozent. Untersuchungen im Bereich des Kanutourismus kommen auf
eine Zahl von über 1,2 Millionen Kanufahrer. Wassersport ist ein Breitensport
geworden mit großem Wirtschaftspotenzial, das es weiter zu entwickeln gilt.

Die Bundeswasserstraßen stellen den wichtigsten Teil der Infrastruktur für Frei-
zeit und Sportbootverkehr in Deutschland dar. Die wassertouristischen Mög-
lichkeiten können aber nur dann ausgeschöpft werden, wenn Forderungen zur
Verbesserung der Infrastruktur für Freizeit und Sportbootverkehr auch von
Ländern, Kommunen und Gemeinden aufgegriffen werden, auch in Zusam-
menarbeit mit privaten Unternehmen.

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Schleusen, Bootsrutschen und -schleppen sind ein wichtiger Bestandteil, aber
häufig auch ein Nadelöhr der Infrastruktur. Voraussetzungen für eine weitere
positive Entwicklung des Wassertourismus in Deutschland sind vor allen Din-
gen der Erhalt des vorhandenen Netzwerks von Wasserwegen, dessen durch-
gängige Befahrbarkeit und die Beseitigung von Engpässen.

Durch die stetig wachsende Nutzung wurde in einigen Regionen die Belas-
tungsgrenze der Schleusenkapazitäten vor allem in den Sommermonaten be-
reits deutlich überschritten mit zum Teil mehrstündigen Wartezeiten.

Durch Engpässe bei der Befahrbarkeit von Wasserwegen in den Sommermona-
ten, die in Wassertourismusgebieten in Brandenburg und in Mecklenburg-Vor-
pommern, sowie auch an anderen Wasserstraßen feststellbar sind, wird der
Wassertourismus der jeweiligen Region insgesamt negativ beeinflusst. Da viele
Bootsurlauber auf die Hauptsaison festgelegt sind, besteht die Gefahr der Ab-
wanderung in andere konkurrierende Regionen und somit ein Verlust von Wirt-
schaftskraft und Arbeitsplätzen.

Infolge der vor allem mit Blick auf die begrenzt verfügbaren Personalressour-
cen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorgenommenen Automatisierung
der Schleusen haben sich die Schleusungszeiten und damit auch die Wartezei-
ten vor den Schleusen deutlich verlängert. Dies hat vor allem zwei Gründe. Die
Schleusenkammern werden trotz einer Vielzahl wartender Boote nicht ausrei-
chend gefüllt, da die ordnende Hand eines Schleusenwärters fehlt. Der Schleu-
sungsvorgang inklusive Ein- und Ausfahrt, Torbewegungen und Hub dauert
aufgrund der technischen Einstellung (zu lange Pufferzeiten) der Schleusen zu
lange. In Frankreich dauern automatisierte Schleusungsvorgänge von der An-
forderung bis zum Verlassen der Schleuse durchschnittlich 12 bis 15 Minuten.
In Deutschland müssen hierfür wenigstens 25 bis 30 Minuten einkalkuliert wer-
den.

Um die verschiedenen wassersportlichen Einrichtungen gefahrlos nutzen zu
können, stehen einheitliche Piktogramme zur Verfügung, die nicht nur deut-
schen, sondern auch ausländischen Wassersportlern verständlich sind. Diese
werden bisher nicht flächendeckend eingesetzt.

Der Charterboottourismus, der überwiegend von Besuchern und Gästen aus an-
deren Bundesländern und dem Ausland lebt, verzeichnet besonders hohe Zu-
wächse. Der Wassertourismus insgesamt ist mittlerweile ein bedeutender Wirt-
schaftsfaktor, der gerade im ländlichen Raum eine der Haupteinnahmequellen
darstellt. Hinzu kommt, dass Regionen mit Wasserwegen, Schiffen und Häfen
auch eine besonders große Attraktivität auf Touristen haben. Um diese Ent-
wicklung zu verstetigen, ist vor allem der Erhalt und die Optimierung der was-
sertouristischen Infrastruktur erforderlich.

Ganz wesentlich für eine Zunahme des Charterboottourismus ist die Schaffung
von gebietsübergreifenden Einwegfahrten. Zudem ist mit der Vernetzung der
Wasserstraßen eine Entzerrung der Touristenströme verbunden.

Beispielhaft haben die brandenburgischen Landkreise Barnim, Oberhavel, Ost-
prignitz-Ruppin sowie die Städte Eberswalde, Neuruppin, Oranienburg und
Templin die Arbeitsgemeinschaft Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg
(WIN AG) ins Leben gerufen. Anhand dieser Planung wurde aber auch deut-
lich, wie wichtig eine behutsame Planung ist, die alle Belange zusammenführt,
um die Umweltverträglichkeit sicherzustellen.

Ziel ist die Schaffung eines der größten, auch mit Charterbooten zu befahren-
den europäischen Wassersportreviere, mit einer Länge von ca. 340 km allein
auf Brandenburger Gebiet. Darüber hinaus würden für Wasserwanderer, Motor-
bootfahrer sowie für die Fahrgastschifffahrt neue Routen und Wasserwege er-
schlossen werden. Alle durch die Arbeitsgemeinschaft angestellten Wirtschaft-

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lichkeitsbetrachtungen weisen positive Nutzen-Kosten-Verhältnisse auf. Das
Projekt ist zudem umweltverträglich realisierbar. Die erwarteten Effekte hin-
sichtlich der Arbeitsplatzentwicklung und des wirtschaftlichen Wachstums
werden jedoch nur dann eintreten, wenn die geplanten Maßnahmen umgesetzt
werden. Wegen seiner Komplexität kann WIN als Pilotprojekt für den Wasser-
tourismus in Deutschland betrachtet werden.

Für viele Maßnahmen im Bereich Wassersport sind zahlreiche Genehmigungen
notwendig. An Bundeswasserstraßen wird die wasserseitige Genehmigung von
der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung meistens zügig erteilt. Landseitig sind
die Kommunen zuständig und z. B. die Bundesbauordnung, Landesbauord-
nungen, Landesnaturschutzgesetze zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass
die Dauer und die Durchführung von Genehmigungsverfahren in den Bundes-
ländern deutliche Unterschiede aufweisen. Die landseitigen Genehmigungs-
verfahren sollten so koordiniert werden, dass möglichst nur eine Behörde bzw.
ein Ansprechpartner aufgesucht werden muss.

Im Mai 2003 wurde die „Grundlagenuntersuchung Wassertourismus in Deutsch-
land“ von der Hamburg Messe Hanseboot und vom Deutschen Tourismusverband
unterstützt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) herausgegeben. Sie enthält verschiedene Vorschläge zum Marketing des
Wassertourismus in Deutschland und unterscheidet dabei zwischen den Marke-
tingschwerpunkten der Landestourismusorganisationen, der Vermarktung durch
Reiseveranstalter und der Bewerbung auf wassertouristischen Messen. Auf den
Kanutourismus zugeschnitten wurde darüber hinaus die „Grundlagenuntersu-
chung zur Bedeutung und Entwicklung des Kanutourismus in Deutschland“ (Mai
2005) erstellt, die ebenfalls durch das BMWi gefördert wurde.

Die Grundlagenstudien beinhalten Vorschläge für die Vermarktung des Wasser-
tourismus auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene (hier durch die Deut-
sche Zentrale für Tourismus), Anregungen zu Qualitäts- und Qualifizierungs-
offensiven, Vorschläge für die Erweiterung vorhandener Wasserstraßenkarten
um touristisch relevante Informationen, die Erstellung von zusammenhängen-
den, nutzergerechten Internetauftritten für Wassertouristen, die Erarbeitung tou-
ristischer Routenbeschreibungen sowie die verstärkte Entwicklung attraktiver
Angebote für die verschiedenen wassertouristischen Segmente, für themen- und
zielgruppenbezogene, für Wasser-, Land- sowie grenzüberschreitende Produkte.

Ein Engagement des Bundes für die Verbesserung der wassertouristischen In-
frastruktur darf nicht zu Lasten der Erledigung der dringenden Aufgaben der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung am Hauptnetz gehen. Damit die infrastruk-
turellen und betrieblichen Anforderungen für den Wassertourismus erfüllt wer-
den können, sind Möglichkeiten der Erschließung zusätzlicher Ressourcen und
der Schaffung von besseren organisatorischen Strukturen zu untersuchen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel

1. den Informationsfluss bezüglich wassertouristischer Projekte zu den Län-
dern, Kommunen und Gemeinden sicherzustellen und damit Informations-
angebote für die Kommunen vorzuhalten;

2. den sportbootgerechten und umweltverträglichen Ausbau von Wartestellen
beispielsweise durch Anlegestege und Laufrohre sicherzustellen, um eine
optimale Nutzung der Schleusen sicherzustellen;

3. Möglichkeiten für den Einsatz von Saisonkräften an Sportbootschleusen zu
prüfen, um in der Hauptsaison Wartezeiten zu vermeiden und eine optimale
Ausnutzung der Schleusenkapazitäten, auch durch erweiterte Öffnungszeiten,
zu erreichen;

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4. die Sport- und Wassersportwirtschaftsverbände bei Wasserstraßeninfrastruk-
turplanungen zu beteiligen und deren Interessen frühzeitig zu berücksich-
tigen;

5. die „Empfehlungen für die Gestaltung von Wassersportanlagen an Binnen-
wasserstraßen“, herausgegeben durch den Bundesminister für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung zusammen mit den Nutzern zu aktualisieren. Hierbei
soll dem umweltverträglichen Wassertourismus Rechnung getragen werden;

6. ein einheitliches System von Piktogrammen an Bundeswasserstraßen auf-
zustellen und gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusverband dafür zu
werben, dass das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
finanzierte System der sog. Gelben Welle flächendeckend an allen Bundes-
und Landeswasserstraßen eingesetzt wird;

7. angesichts der Bedeutung des Wassertourismus in Deutschland sicherzustel-
len , dass Projekte, die die Übertragung von bundeseigenen Wasserstraßen an
Länder und Kommunen beinhalten, eine Anschubfinanzierung durch den
Bund erhalten können;

8. eine koordinierende Stelle einzurichten, die bei Genehmigungsverfahren für
Wassersportanlagen behilflich ist, da die Zuständigkeiten aufgrund des ver-
fassungsrechtlich begründeten Staatsaufbaus bei verschiedenen Behörden
auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene angesiedelt sind;

9. den Wassertourismus zu fördern und dazu bereits vorhandene Informations-
angebote zu einem bundesweiten Marketingkonzept zusammenzuführen.
Hierbei ist die Zusammenarbeit mit den Vertretern aus den Bereichen des
Wassertourismus sowie des Wassersports zu organisieren. Das bundesweite
Marketingkonzept soll international durch die Deutsche Zentrale für Tou-
rismus, z. B. durch eine entsprechende Werbeaktion oder Broschüre, präsen-
tiert werden;

10. die vorhandenen Informationssysteme wie die Gelbe Welle und das Blaue-
Sternesystem (betrifft die Häfen) bundesweit gemeinsam mit dem Deutschen
Tourismusverband konsequent zu bewerben. Die Belange der Kanuten,
Ruderer und Segler sollen in die Systeme einbezogen werden. Dabei ist auf
ein bundesweites Informationsangebot für Wassertouristen gemeinsam mit
den Verbänden hinzuwirken, um ein zusammenhängendes, übergreifendes
und nutzergerechtes Internetportal zu realisieren;

11. Möglichkeiten zur Verbesserung der bundesweiten Angebotsentwicklung
weiter zu nutzen und eine Verknüpfung von wassertouristischen mit land-
seitigen Tourismusangeboten zu fördern;

12. die erforderlichen Maßnahmen der wassertouristischen Infrastruktur um-
weltverträglich zu realisieren. Innerhalb eines Jahres ist hierzu unter Betei-
ligung der Wassersportverbände und des Deutschen Tourismusverbandes ein
Bericht mit einem Maßnahmenprogramm sowie mit einem Vorschlag zur
Schaffung der organisatorischen, personellen und finanziellen Voraussetzun-
gen vorzulegen. Erfahrungen und Best-Practise-Beispiele aus der EU sind
mit einzubeziehen, um tragfähige Lösungen umsetzen zu können.

Berlin, den 15. Oktober 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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