BT-Drucksache 16/10102

Zukunft der Integrierten Versorgung nach § 140a ff. SGB V

Vom 12. August 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10102
16. Wahlperiode 12. 08. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Markus Kurth, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft der Integrierten Versorgung nach § 140a ff. SGB V

Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) und dem GKV-Wettbewerbs-
stärkungsgesetz (GKV-WSG) wurden wichtige Impulse für die patientenorien-
tierte sektorübergreifende Versorgung auf Basis von Einzelverträgen gesetzt.
Laut Begründungstext zum GKV-WSG hat sich die so genannte integrierte Ver-
sorgung in den letzten Jahren gut entwickelt. Seit dem 1. Januar 2004 wurden
GKV-weit über 5 000 Verträge nach § 140a des Fünften Buches Sozialgesetz-
buch (SGB V) geschlossen. Für einen begrenzten Zeitraum und zur Förderung
der integrierten Versorgung wurden den gesetzlichen Krankenkassen Anschub-
finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt. Die bisherigen Verträge zur Inte-
grierten Versorgung zeigen vor allem im Hinblick auf Strukturveränderungen,
Einsatz von Qualitätsmanagement sowie Effizienz der Versorgung erste Vorteile
gegenüber der sektoralen Kollektivversorgung. Integrierte Versorgungsmodelle
konnten in vielen Fällen bereits spürbar Schnittstellenprobleme und Doppelun-
tersuchungen reduzieren, was nicht zuletzt durch den Aufbau von sektorüber-
greifenden Managementstrukturen erreicht wurde. Diese Entwicklungen ent-
sprechen dem im GMG-Begründungstext formulierten „Sinn einer integrierten
Versorgung“. Die zwingende Ausrichtung der Verträge auf den Nutzen der Pa-
tientinnen und Patienten ergibt sich dadurch, dass die Teilnahme von Versicherten
an Integrationsprojekten freiwillig ist und die einzelnen Kassen im Wettbewerb
zueinander stehen. Derzeit profitieren etwa vier Millionen GKV-Versicherte von
sektor- und teilweise auch indikationsübergreifenden Versorgungsangeboten
nach § 140a ff. SGB V. Mit seinen grundlegenden Entscheidungen zur Integrier-
ten Versorgung vom 6. Februar 2008 (insbesondere Az. B 6 KA 27/07 R zum
BARMER Hausarztvertrag) hat das Bundessozialgericht darauf abgestellt, dass
Leistungen der Regelversorgung aus unterschiedlichen Versorgungsbereichen
zumindest partiell ersetzt werden müssen, damit den Anforderungen des Gesetz-
gebers entsprochen wird. Mit dem Ende der Anschubfinanzierung am
31. Dezember 2008 und offensichtlich fehlender Finanzierungsbasis ab 2009
droht der wettbewerblich positiven Entwicklung der vergangenen Jahre ein ab-
rupter Abbruch.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Versorgungsvorteile sowie die Um-
setzungssituation durch Integrierte Versorgung nach § 140a ff. SGB V?

Drucksache 16/10102 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. a) Wie schätzt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der zum Aufbau
Integrierter Versorgung eingeräumten Verhandlungs- und Gestaltungs-
spielräume Verträge im Hinblick auf ihre Qualifizierung als Integrierte
Versorgungsverträge ein, die auf die Koordinierung von Leistungen aus-
gerichtet sind und auf den Leistungen der Regelversorgung aufsetzen, so
genannte Case-Management-Verträge?

b) Reicht es nach Ansicht der Bundesregierung z. B. aus, dass durch die
Vereinbarung von Leistungen, die zu interdisziplinär und sektorüber-
greifend angelegten Strukturen führen, wie schnittstellenüberwindende
Abstimmung und Anwendung von Behandlungspfaden oder regelbasier-
ten Leitlinien, Einfluss auf den Inhalt der Regelversorgung und das dor-
tige Behandlungsgeschehen genommen wird?

3. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung für tendenziell um-
fassendere Integrationsverträge (z. B. Vollversorgung), die entweder voll-
bzw. teilstationäre Leistungen eines Krankenhauses oder ambulante vertrags-
ärztliche Leistungen zumindest teilweise ersetzen und bei denen die An-
schubfinanzierung somit weniger im Sinne eines tatsächlichen „Anschubs“
sondern mangels einer praktikablen gesetzlichen Bereinigungslösung haupt-
sächlich als pauschale Bereinigung genutzt wurden nach dem Ende der An-
schubfinanzierung ab 2009?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten der Krankenkassen
bei der aktuellen Gesetzeslage ein, aufgrund von Einzelverträgen zur Inte-
grierten Versorgung, die Leistungen der Regelversorgung ersetzen, korres-
pondierend durch Budgetbereinigungen und technische Bereinigungsverfah-
ren notwendige Kürzungen der Kollektivvergütung erreichen zu können?

5. Welche Auswirkungen bezüglich der Entwicklung der Integrierten Versor-
gung erwartet die Bundesregierung ab 1. Januar 2009?

6. Inwiefern prüft die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Endes der An-
schubfinanzierung die Qualität und Effizienz der Integrationsverträge sowie
deren Nutzen für Patienten?

7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Verträge zur Integrierten Ver-
sorgung, die den Patienten nachweisbaren, über das sektorale Versorgungs-
geschehen hinausgehenden Nutzen stiften, trotz offensichtlich fehlender
Finanzierungsbasis ab 2009 den GKV-Versicherten weiterhin zur Verfügung
gestellt werden können?

Berlin, den 12. August 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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