BT-Drucksache 16/10025

Umsetzung der europäischen Fluggastverordnung in Deutschland (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/9978)

Vom 22. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10025
16. Wahlperiode 22. 07. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Mücke, Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring,
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Jörg van Essen,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Birgit Homburger,
Hellmut Königshaus, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Florian Toncar, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Umsetzung der europäischen Fluggastverordnung in Deutschland
(Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/9978)

Die Fraktion der FDP stellte am 28. Juni 2008 eine Kleine Anfrage zum Thema
„Umsetzung der europäischen Fluggastverordnung in Deutschland“ (Bundes-
tagsdrucksache 16/9677). Diese wurde von der Bundesregierung am 11. Juli
2008 beantwortet (Bundestagsdrucksache 16/9978).

Die Bundesregierung teilt in ihrer Antwort mit, dass zurzeit 2,5 Planstellen
sowie vier Zeitkräfte für die Bearbeitung der Beschwerden nach Artikel 16
Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zur Verfügung stehen. Auf die
Frage, ob ihrer Meinung nach die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plan-
stellen ausreichend sei, geht die Bundesregierung nicht ein.

Auf die Frage, in wie viel Prozent der eingereichten Beschwerden das Luft-
fahrt-Bundesamt (LBA) diese nach eigener Prüfung als begründet erachtete,
führt die Bundesregierung lediglich aus, dass in 69,2 Prozent der Beschwerden
ein Verstoß nicht ausgeschlossen werden konnte, so dass diese weiter zu be-
arbeiten waren.

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass es aufgrund des in Deutschland
geltenden Gewaltenteilungsprinzips allein Aufgabe der Gerichte sei, zu ent-
scheiden, ob Ansprüche der Fluggäste gegen die Luftfahrtunternehmen beste-
hen. Die Auslegung von unklaren Rechtsbegriffen in der Verordnung (EG)
Nr. 261/2004 obliege allein dem Europäischen Gerichtshof. Andererseits bestä-
tigt die Bundesregierung, dass im Rahmen der gewerberechtlichen Aufsicht
eine eigene rechtliche Bewertung des ermittelten Sachverhalts erfolge. Daher
stößt die Weigerung der Bundesregierung, Fragen zur eigenen bisherigen Aus-
legung von Normen der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu beantworten, auf
Unverständnis.

Nach Aussage der Bundesregierung sehe das LBA von der Einleitung eines

Ordnungswidrigkeitsverfahrens ab, wenn die Fluggesellschaft die von ihr be-
gangene nachweisbare Pflichtverletzung nachträglich heilt. Vier Verfahren
seien aufgrund erfolgter Zahlungen sogar nachträglich eingestellt worden.

Die Bundesregierung führt darüber hinaus aus, dass eine Einbeziehung von
Flügen aus Drittstaaten, die von Nicht-EU-Fluggesellschaften durchgeführt

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werden, in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nur im
Einvernehmen mit den betroffenen Drittstaaten möglich sei.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Bundesregierung die Kleine An-
frage in wesentlichen Teilen ausweichend beantwortet hat. Zudem lassen die
Antworten Widersprüche erkennen. Es besteht daher Nachfragebedarf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele zusätzliche Planstellen sieht der Regierungsentwurf des Bundes-
haushalts 2009 für die Bearbeitung von Beschwerden nach Artikel 16 Abs. 2
der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 beim LBA vor?

2. Woher stammen – angesichts der Tatsache, dass ausweislich der Antwort zu
Frage 2 der o. g. Kleinen Anfrage zurzeit 2,5 Planstellen für die Bearbeitung
von Beschwerden nach Artikel 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/
2004 zur Verfügung stehen, aber andererseits ausweislich der Antwort zu
Frage 1 nur eine zusätzliche Planstelle beim LBA zur Erfüllung dieser Auf-
gabe seit deren Zuweisung neu geschaffen wurde – die übrigen 1,5 Planstel-
len?

Wurden diese 1,5 Planstellen aus anderen Dienststellen im Zuständigkeits-
bereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
(BMVBS) umgeschichtet, und wenn ja, aus welchen?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung, für die in der Antwort zu Frage 2 der
o. g. Kleinen Anfrage angesprochenen vier Zeitkräfte Planstellen zu schaf-
fen?

Wie begründet sie ihre Haltung?

4. Wie definiert die Bundesregierung „verzugslose Bearbeitung“ der Be-
schwerden (vgl. Antwort zu den Fragen 3 und 4 der o. g. Kleinen Anfrage)?

5. Kann aus der gemeinsamen Antwort zu den Fragen 3 und 4 der o. g. Kleinen
Anfrage geschlossen werden, dass derzeitig eine Bearbeitung der Beschwer-
den verzugslos erfolgt?

6. Wie lange dauert ein Beschwerdeverfahren gemäß Artikel 16 Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 261/2004, das mangels Unzuständigkeit oder offen-
sichtlicher Unbegründetheit inhaltlich bearbeitet wird – vom Eingang der
Beschwerde beim LBA bis zu einer Entscheidung des LBA – durchschnitt-
lich?

7. Wie viele der 5 638 weiter zu bearbeitenden Beschwerdeverfahren (vgl.
Antwort zu Frage 6 der o. g. Kleinen Anfrage) sind bereits abgeschlossen
worden?

8. In wie vielen der 5 638 weiter zu bearbeitenden Verfahren (vgl. Antwort zu
Frage 6 der o. g. Kleinen Anfrage), die bereits zum Abschluss gebracht wur-
den, erachtete das LBA die Beschwerde als begründet?

9. Ist die Schlussfolgerung aus der Antwort zu Frage 12 der o. g. Kleinen
Anfrage zutreffend, dass vor Ende 2007 keine Ordnungswidrigkeitsverfah-
ren gegen Fluggesellschaften wegen Nichtbeachtung der Verpflichtungen
aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 eingeleitet wurden?

Falls diese Annahme nicht zutrifft; wie viele Bußgeldbescheide sind jeweils
in den Jahren zuvor gegen die Fluggesellschaften wegen Nichtbeachtung der
Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 erlassen worden?

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10. Falls die Schlussfolgerung in Frage 9 zutreffend ist; aus welchen Gründen
verzichtete das LBA vor Ende 2007 auf die Verhängung von Bußgeldern,
und aus welchen Gründen wurden Ende 2007 – entgegen der bisherigen
Praxis – erstmals Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet?

11. Ist die Schlussfolgerung aus der Antwort zu Frage 12 der o. g. Kleinen
Anfrage zutreffend, dass in allen Fällen, in denen das LBA eine Pflichtver-
letzung einer Fluggesellschaft festgestellt und kein Ordnungswidrigkeits-
verfahren eingeleitet hat, die betroffene Fluggesellschaft ihrer Pflicht im
Nachhinein nachkam?

12. Wie will die Bundesregierung die generelle Einhaltung der Vorschriften der
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sicherstellen (vgl. Antwort zu Frage 9 der
o. g. Kleinen Anfrage), wenn das LBA selbst, nachdem es eine Pflichtver-
letzung einer Fluggesellschaft nachgewiesen hat, nur dann ein Bußgeld
verhängt, wenn die Fluggesellschaft ihrer Verpflichtung auch nicht nach-
träglich nachkommt?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die in ihrer Antwort zu
Frage 16 der o. g. Kleinen Anfrage dargestellte Praxis (Einleitung eines
Bußgeldverfahrens nur, wenn die Fluggesellschaft nicht nachträglich ihrer
Verpflichtung nachkommt) für die Fluggesellschaften – gerade in Hinblick
auf die Zahlung von Ausgleichsleistungen nach Flugannullierungen –
einen finanziellen Anreiz beinhaltet, ihren Verpflichtungen aus der Verord-
nung (EG) Nr. 261/2004 erst nach Aufforderung durch das LBA nachzu-
kommen?

14. Welche Entwicklung nahm in den Jahren 2005 bis 2008 die Anzahl der
Beschwerden, die beim LBA wegen Nichtbeförderung eingingen?

Wie viele Beschwerden wegen Nichtbeförderung gingen in den Jahren
2005 bis 2008 jeweils beim LBA ein (entgegen der Antwort zu Frage 18
der o. g. Kleinen Anfrage bitte nach Jahren gesondert angeben)?

15. Welche einzelnen Verfahren liegen dem Europäischen Gerichtshof zur Ent-
scheidung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verordnung (EG)
Nr. 261/2004 vor (vgl. Antwort zu den Fragen 19, 20, 21, 23 der o. g. Klei-
nen Anfrage)?

16. Woran orientiert sich das LBA im Rahmen der Durchführung der gewerbe-
rechtlichen Aufsicht bei seiner rechtlichen Einschätzung, ob die Annullie-
rung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen und die Fluggesell-
schaft daher aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 heraus nicht verpflich-
tet war, gegenüber den Fluggästen Ausgleichsleistungen zu erbringen?

17. Welchen Standpunkt hat das LBA in diesem Rahmen dazu eingenommen,
wann ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Artikels 5 Abs. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bei einem technischen Defekt am Flugzeug
sowie bei einem Streik des Personals des ausführenden Luftftahrtunterneh-
mens vorliegt?

18. Ist die Schlussfolgerung aus der Antwort zu Frage 26 der o. g. Kleinen
Anfrage zutreffend, dass die Beschwerden wegen mangelnder Erfüllung der
Informationspflichten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004
im Zeitraum 2005 bis 2008 zunahmen?

Wie viele Beschwerden wegen Verstoßes gegen Artikel 14 gingen in den
Jahren 2005 bis 2008 jeweils beim LBA ein (bitte nach Jahren gesondert
angeben)?

19. Was versteht die Bundesregierung unter „ordnungsrechtlichen Maßnah-

men“ (vgl. Antwort zu Frage 26 der o. g. Kleinen Anfrage)?

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20. Aus welchen Gründen bedarf – entsprechend der Darstellung der Bundes-
regierung (vgl. Antwort zu den Fragen 29 und 30 der o. g. Kleinen
Anfrage) – die Einbeziehung von Flügen aus Drittstaaten, die von Nicht-
EU-Fluggesellschaften durchgeführt werden, in den Anwendungsbereich
der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Einvernehmens mit den entspre-
chenden Drittländern, nicht jedoch die Einbeziehung von Flügen aus Dritt-
staaten, die von Nicht-EU-Fluggesellschaften durchgeführt werden, in den
ab 2012 auch für den Luftverkehr geltenden europäischen Emissions-
handel?

Welche Aspekte rechtfertigen diese ungleiche rechtliche Bewertung?

Berlin, den 17. Juli 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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