BT-Drucksache 16/10

Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b StGB in den Jahren 2001 und 2004

Vom 18. Oktober 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10
16. Wahlperiode 18. 10. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Wolfgang Neskovic, Ulla Jelpke
und der Fraktion DIE LINKE.

Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b StGB
in den Jahren 2001 und 2004

Der seit August 1976 bestehende § 129a des Strafgesetzbuches (StGB) (Bil-
dung terroristischer Vereinigungen) ist ebenso wie der § 129 StGB (Bildung
krimineller Vereinigungen) schon lange umstritten. Strafverteidigervereini-
gungen, Menschen- und Bürgerrechtsgruppen fordern seit Jahren die ersatzlose
Abschaffung dieses Strafparagrafen.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Zum Komplex Strafverfahren wegen „linksterroristischer“ und hiermit in
unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten (einschließlich Unterstüt-
zung und Werbung) im Zeitraum von 2000 bis 2004 (bitte jeweils jährliche
Angaben):

1. a) Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte wurden
wegen derartiger Taten entweder vom Generalbundesanwalt eingeleitet
oder von den einleitenden Staatsanwaltschaften der Länder an diesen
abgegeben?

b) In wie vielen Verfahren wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur/auch)
nach § 129a StGB ermittelt?

c) In wie vielen Fällen hiervon lautete der Vorwurf jeweils „Unterstützung“
einer terroristischen Vereinigung bzw. „Werbung“ für eine terroristische
Vereinigung?

d) Wie viele der von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten Verfahren wur-
den später wieder an die Staatsanwaltschaften der Länder abgegeben?

e) Wie viele der in den Buchstaben a bis d Beschuldigten waren

– jünger als 20 Jahre,

– zwischen 20 und 30 Jahre alt,

– zwischen 30 und 40 Jahre alt,
– älter als 40 Jahre?

Drucksache 16/10 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

f) In wie vielen dieser Ermittlungsverfahren erfolgte,

– ein Versuch der Anwerbung bzw. des Einsatzes von V-Leuten,

– ein Versuch zur Gewinnung von Kronzeugen gegen die Beschuldig-
ten,

– eine Telefonkontrolle und/oder Postkontrolle gegen die Beschuldigten
und ihr Umfeld?

g) Wie viele Personen waren von dieser Telefon- und/oder Postkontrolle er-
fasst?

h) Wie viele Hausdurchsuchungen fanden im Rahmen dieser Ermittlungen
statt, wie viele Personen waren davon betroffen, und was wurde be-
schlagnahmt?

2. a) In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Personen insgesamt Unter-
suchungshaft verhängt?

b) Wie viele davon mit Haftgrund (§ 112 Abs. 2 StPO)?

c) Wie häufig mit Haftgrund nach § 112 Abs. 3 StPO?

d) Wie lange dauerte jeweils die Untersuchungshaft (Monate/über ein Jahr)?

e) Wie viele der Betroffenen wurden später freigesprochen, zu Geldstrafe,
zu Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu Freiheitsstrafe ohne Bewährung
(Jahre/Monate) verurteilt?

f) Wie viele der unter den Buchstaben a bis e genannten Betroffenen waren

– jünger als 20 Jahre,

– zwischen 20 und 30 Jahre alt,

– zwischen 30 und 40 Jahre alt,

– älter als 40 Jahre?

3. a) In wie vielen Fällen kam es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren
durch die Staatsanwaltschaft insgesamt?

b) In wie vielen Fällen davon waren jeweils ausschließlich bzw. auch nach
§ 129a StGB geführte Verfahren betroffen?

c) Wie viele dieser Verfahren fußten jeweils auf dem Vorwurf der Mitglied-
schaft, Unterstützung oder Werbung (bitte aufschlüsseln nach den in den
Fragen 1 und 2 genannten Altersgruppen)?

4. a) In wie vielen Fällen erfolgte insgesamt Anklage?

b) Gegen wie viele Angeklagte wurde Anklage erhoben?

c) In wie vielen Verfahren gegen wie viele Angeklagte wurde jeweils

aa) nur nach § 129a StGB angeklagt,

bb) auch nach § 129a StGB angeklagt?

d) Wie viele Verfahren gegen wie viele Angeklagte jeweils betrafen in den
beiden letztgenannten Kategorien jeweils die Kategorie Mitgliedschaft,
Unterstützung, Werbung?

5. a) In wie vielen Fällen wurde Anklage zugelassen und das Hauptverfahren
eröffnet?

b) Mit welchen Abweichungen, insbesondere bezüglich des Vorwurfs nach
§ 129a StGB?
c) In wie vielen Fällen kam es aus welchen Gründen zu gerichtlichen Ein-
stellungen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10

6. a) Wie viele Urteile gegen wie viele Personen sind ergangen (unterschieden
nach rechtskräftig/nicht rechtskräftig)?

b) Wie viele Freisprüche erfolgten?

c) Wie viele Verurteilungen erfolgten insgesamt?

aa) Wie viele Verurteilungen davon erfolgten jeweils nur oder auch nach
§ 129a StGB?

bb) Wie viele Verurteilungen davon erfolgten jeweils wegen Mitglied-
schaft, Unterstützung, Werbung?

d) Bei wie vielen dieser Verurteilungen wurde Geldstrafe verhängt?

e) Wie häufig wurde Jugendstrafe wegen welcher Strafnormen verhängt?

f) Wie viele Freiheitsstrafen wurden wegen welcher Strafnormen ver-
hängt?

aa) Wie hoch war die Strafdauer?

bb) In wie vielen Fällen davon mit Bewährung?

g) In wie vielen Fällen führte verminderte Schuldfähigkeit zu einer Straf-
milderung?

h) Wie verteilten sich die in den Urteilen festgestellten Deliktgruppen pro-
zentual entsprechend der Unterscheidung in Blath/Hobe „Strafverfahren
gegen linksterroristische Straftäter und ihre Unterstützer (1971 bis 1979/
80)“, Bonn 1984, S. 8 ff. (Anschläge, gruppenbezogene Handlungen,
Unterstützungshandlungen)?

7. a) In wie vielen Fällen wurden insgesamt Rechtsmittel eingelegt?

b) Welche?

c) Von wem (Staatsanwaltschaft/Verteidigung)?

d) Jeweils mit welchem Erfolg?

8. In wie vielen Fällen wurden Verteidiger von der Wahrnehmung der Vertei-
digung vom Gericht ausgeschlossen und mit welcher Begründung?

9. a) In wie vielen Fällen wurden gemäß Frage 6 verurteilte Strafgefangene
mit welchem Strafmaß insgesamt vorzeitig aus der Haft entlassen?

b) Nach welchen Vorschriften bzw. aufgrund welchen Akts?

c) Nach Verbüßung welcher Strafzeit?

10. Welche materiellen Sachschäden und/oder beruflichen Schäden sind Betrof-
fenen dieser Ermittlungsverfahren, gegen die im späteren Gang der Ermitt-
lungen das Verfahren entweder eingestellt wurde oder die freigesprochen
wurden, bei diesen Razzien, Observationen, Hausdurchsuchungen etc. ent-
standen?

11. Wie lange werden die Daten der in diesen Ermittlungsverfahren erfassten
Beschuldigten wo aufbewahrt?

II. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen 1 bis 10 des
Komplexes I, bezogen auf den Komplex Strafverfahren wegen „rechtsterroris-
tischer“ und hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten
jeweils in den Jahren 2000 bis 2004?

III. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen der Komplexe I
und II bezogen auf die an die Länder abgegebenen und dort fortgeführten Straf-

verfahren (ausdrücklich in Kenntnis und unter Berücksichtigung der nur teil-
weisen Rückmeldungen aus den Ländern)?

Drucksache 16/10 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
IV. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I bezogen auf Ver-
fahren gemäß § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen)

1. insgesamt,

2. politischen Inhalts, soweit nämlich in diesen durch die politischen Abteilun-
gen der Staatsanwaltschaften bzw. durch den Generalbundesanwalt ermittelt
und/oder vor einer Staatsschutzkammer verhandelt wurde?

V. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I bezogen auf die
Verfahren gemäß § 129b StGB (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im
Ausland; Erweiterter Verfall und Einziehung) jeweils für die Jahre 2002 bis
2004?

VI. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der zum Teil er-
heblichen materiellen und immateriellen, beruflichen und öffentlichen Schäden
bei den Betroffenen solcher Ermittlungsverfahren und dem hohen Anteil der
mit Freispruch oder Einstellung beendeten Ermittlungen die Folgen dieser
Strafparagrafen, und hält die Bundesregierung bei den Ermittlungen nach den
§§ 129 und 129a StGB den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für gewahrt?

Berlin, den 18. Oktober 2005

Petra Pau
Wolfgang Neskovic
Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Kleine Anfrage
Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b StGB in den Jahren 2001 und 2004

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