BT-Drucksache 15/784

Lamfalussy-Verfahren in der Europäischen Rechtsetzung

Vom 1. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/784
15. Wahlperiode 01. 04. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Hintze, Dr. Michael Meister, Thomas Silberhorn, Patricia
Lips, Leo Dautzenberg, Georg Fahrenschon, Heinz Seiffert, Peter Altmaier,
Veronika Bellmann, Otto Bernhardt, Klaus-Peter Flosbach, Kurt-Dieter Grill,
Olav Gutting, Volker Kauder, Manfred Kolbe, Gunther Krichbaum, Hans
Michelbach, Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Erlangen), Dr. Georg Nüßlein,
Albert Rupprecht (Weiden), Peter Rzepka, Norbert Schindler, Christian Freiherr
von Stetten, Michael Stübgen, Matthias Wissmann, Elke Wülfing und der Fraktion
der CDU/CSU

Lamfalussy-Verfahren in der europäischen Rechtsetzung

Bisher galt das Lamfalussy-Verfahren als neues Rechtsetzungsverfahren mit
dem Ziel der Beschleunigung nur im Bereich der Wertpapiere. Nach diesem
Verfahren sollen der Rat und das Europäische Parlament in dem ihnen über-
tragenen Bereich im Wege des Mitentscheidungsverfahrens nur noch Rahmen-
richtlinien beschließen. Die technischen Details werden dagegen von Rege-
lungsausschüssen ausgearbeitet, von der EU-Kommission vorgeschlagen und
von Vertretern der Mitgliedstaaten in einem sog. Komitologie-Ausschuss be-
schlossen. Die darunter angesiedelten technischen Regelungsausschüsse setzen
sich aus Vertretern der nationalen Finanzaufsichtsbehörden zusammen.
Auf der Tagung des ECOFIN-Rates im Oktober 2002 wurde vorgeschlagen, das
Lamfalussy-Verfahren auf die Bereiche Banken und Versicherungen (inklusive
Pensionsfonds) sowie Finanzkonglomerate und damit letztlich auf die gesamte
EU-Finanzmarktrechtsetzung auszudehnen. Auf der Tagung am 3. Dezember
2002 wurden weitergehende Vorbereitungen zur Einführung des Komitologie-
Verfahrens im Finanzbereich getroffen.
Die Erfahrungen mit dem Lamfalussy-Verfahren sind indessen nicht unumstrit-
ten in Hinsicht auf Fragen der demokratischen Kontrolle.
Nach Ablauf einer dreimonatigen Prüfungsfrist hat das Europäische Parlament
mangels Initiativrecht keine Möglichkeit mehr, einmal von den Komitologie-
ausschüssen beschlossene Durchführungsmaßnahmen zurückzuholen. Es ist zu
beachten, dass technische Details im gesamten Bereich der Finanzmärkte für
die Wirkung der getroffenen Maßnahme entscheidend sind. Damit sind durch-
aus Fälle vorstellbar, in denen die technische Umsetzung zu Realitäten führt,
die nicht die Absicht des Gesetzgebers widerspiegeln. Da das Europäische
Parlament als legitimierte Volksvertretung hier keine weitere Möglichkeit der
Einflussnahme hat, befindet sich das Lamfalussy-Verfahren in einem Span-
nungsfeld: Einerseits muss die demokratische Kontrolle der Finanzmarktregu-
lierung gegeben sein andererseits muss der hohen Dynamik der Finanzmärkte
Rechnung getragen werden.

Drucksache 15/784 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Jenseits möglicher Demokratiedefizite sind die Vorschläge der Regelungs-
ausschüsse nach bisheriger Erfahrung gelegentlich zu detailliert und wenig
praktikabel. Dies gilt etwa mit Blick auf die Richtlinienvorschläge zu Markt-
missbrauch und Prospekthaftung. Es besteht die Gefahr eines unübersichtlichen
Regulierungsgeflechts, in dem sich die nationalen Aufsichtsbehörden ihre
Regeln selbst geben. Einziges Korrektiv ist die Europäische Kommission
selbst, die die Vorschläge der Regelungsausschüsse in Legislativtexte umsetzt.
Stellungnahmefristen für die Marktteilnehmer und die Betroffenen sind zudem
für eine angemessene Reaktion oft sehr knapp bemessen. Bezüglich der Ein-
beziehung der Beteiligten muss aber eine ausreichend lange Konsultationszeit
gewährleistet sein. Die Konsultation sollte außerdem erst beginnen, wenn die
Rahmenrichtlinie endgültig angenommen worden ist, da ansonsten nicht ge-
währleistet ist, dass die technischen Regeln mit der höherrangigen Rahmen-
richtlinie kompatibel sind.
Bezüglich der Beteiligung der Marktteilnehmer ist außerdem problematisch,
dass die Überführung der Vorschläge in konkrete Rechtstexte durch die Euro-
päische Kommission ohne ausreichende Rücksprache mit diesen stattfindet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie weit ist der Beratungsstand zum Lamfalussy-Verfahren in der europäi-

schen Rechtsetzung aktuell fortgeschritten?
2. Wie bewertet die Bundesregierung im Einzelnen die bisherigen Erfahrungen

mit dem Lamfalussy-Verfahren im Hinblick auf die demokratische Kontrolle
der Komitologie-Ausschüsse durch das Europäische Parlament einerseits
und die Transparenz des Komitologie-Verfahrens für die Marktteilnehmer
und die sonstigen Betroffenen andererseits?

3. Haben sich nach Auffassung der Bundesregierung bereits Verbesserungen
im Verfahren ergeben, die den Erfordernissen der demokratischen Kontrolle
und der Marktnähe gerechter werden als die ursprünglich beschlossenen
oder intendierten Verfahrensweisen?

4. Denkt die Bundesregierung über Alternativen zum Lamfalussy-Verfahren
nach, die den Vorteil der Verfahrensbeschleunigung erhalten und gleichzei-
tig nicht die genannten Nachteile im Bereich der demokratischen Kontrolle
haben, und wenn ja, über welche?

5. Wenn dies nicht der Fall ist, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung
zu ergreifen, um die mit dem Lamfalussy-Verfahren verbundenen Probleme
der demokratischen Legitimation zu lösen?

6. Wie steht die Bundesregierung dazu, im Lamfalussy-Verfahren ein Rück-
holrecht des Europäischen Parlaments zu verankern, um die demokratische
Kontrolle der im Komitologie-Verfahren getroffenen Regelungen zu verbes-
sern?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge des Konventspräsidiums
vom 26. Februar 2003 zu den Artikeln 27 und 28 (CONV 571/03)?

8. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für erforderlich und welche
Maßnahmen wird sie ergreifen, um im Komitologie-Verfahren die Marktteil-
nehmer und sonstigen Betroffenen ausreichend oder besser zu beteiligen,
ihnen ausreichend lange Konsultationszeiten zu ermöglichen und die Regu-
lierungsdichte einzudämmen?

9. Wie begründet die Bundesregierung angesichts der genannten Probleme im
Einzelnen jeweils, dass sie eine Ausweitung des Lamfalussy-Verfahrens auf
die weiteren o. g. Bereiche mitträgt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/784

10. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die Ansiedlung der
Sekretariate der Lamfalussy-Kommittees in Deutschland anzustreben?

Berlin, den 27. März 2003
Peter Hintze
Dr. Michael Meister
Thomas Silberhorn
Patricia Lips
Leo Dautzenberg
Georg Fahrenschon
Heinz Seiffert
Peter Altmaier
Veronika Bellmann
Otto Bernhardt
Klaus-Peter Flosbach
Kurt-Dieter Grill
Olav Gutting
Volker Kauder
Manfred Kolbe
Gunther Krichbaum
Hans Michelbach
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)
Dr. Georg Nüßlein
Albert Rupprecht (Weiden)
Peter Rzepka
Norbert Schindler
Christian Freiherr von Stetten
Michael Stübgen
Matthias Wissmann
Elke Wülfing
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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