BT-Drucksache 15/757

Sorgerecht für nichteheliche Kinder vor Inkraftreten der Kindschaftsreform regeln

Vom 2. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/757
15. Wahlperiode 02. 04. 2003

Antrag
der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Rainer Funke, Ina Lenke, Klaus Haupt,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Jörg van Essen, Otto Fricke, Dr. Christel
Happach-Kasan, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard
Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Marita Sehn, Dr. Max
Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Sorgerecht für nichteheliche Kinder vor Inkrafttreten der
Kindschaftsrechtsreform regeln

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Entscheidung vom

29. Januar 2003 zur Kindschaftsrechtsreform von 1998 das Fehlen einer
Übergangsregelung im Bereich des Sorgerechts nichtehelicher Kinder be-
mängelt hat, umzusetzen;

2. bis zur parlamentarischen Sommerpause dieses Jahres einen Gesetzentwurf
mit dem Inhalt vorzulegen, § 1626a BGB um eine Regelung zu ergänzen,
wonach dem Vater eines nichtehelichen Kindes, der vor Inkrafttreten der
Kindschaftsrechtsreform am 1. Juli 1998 von der Mutter bereits getrennt
lebte, eine gerichtliche Einzelfallüberprüfung des Sorgerechts ermöglicht
werden soll. Diese soll klären, ob das Kindeswohl einer gemeinsamen
Sorgetragung entgegensteht.

Berlin, den 2. April 2003
Sibylle Laurischk
Rainer Funke
Ina Lenke
Klaus Haupt
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich

Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 15/757 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung
I. Allgemeines

Seit der Kindschaftsrechtsreform, die am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist, kön-
nen auch beide Elternteile von nichtehelichen Kindern die gemeinsame elter-
liche Sorge für das gemeinsame Kind tragen. Vor der Reform stand die elter-
liche Sorge bei einem nichtehelichen Kind allein der Mutter zu. Eine gemein-
same Sorgetragung für das nichteheliche Kind war nicht vorgesehen. Seit der
Kindschaftsrechtsreform haben gemäß § 1626a I BGB nicht miteinander ver-
heiratete Eltern eines Kindes dann die gemeinsame elterliche Sorge, wenn die
beiden Elternteile übereinstimmende Sorgeerklärungen abgeben (Nummer 1)
oder wenn sie einander heiraten (Nummer 2). Fehlen solche übereinstimmende
Sorgeerklärungen i. S. d. § 1626a I Nr. 1 BGB, hat die Mutter die alleinige
elterliche Sorge. Haben beide Elternteile die gemeinsame Sorge über das Kind
und trennen sich dann, müssen sie sich, wie alle Eltern, einigen oder eine
gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Haben beide Elternteile keine über-
einstimmenden Sorgerechtserklärungen abgegeben, müssen sie sich nicht eini-
gen. Die Mutter kann allein bestimmen, wie es nach der Elterntrennung weiter
geht.
Gegen diese Sorgerechtsregelung haben verschiedene nicht verheiratete Väter
vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Sie rügten das geltende Recht als
nicht verfassungsgemäß, da es sie in ihren Grundrechten verletze. Das Bundes-
verfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 (BVerfG, 1 BvL
20/99 vom 29. Januar 2003) die Verfassungsmäßigkeit des neuen Sorgerechts
zwar festgestellt, zugleich aber gerügt, dass § 1626a BGB mit Artikel 6 Abs. 2
und 5 GG insoweit nicht zu vereinbaren ist, als eine Übergangsregelung für
Eltern fehlt, die sich noch vor Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes am
1. Juli 1998 getrennt haben.
Es verstößt, so das Bundesverfassungsgericht, gegen das Elternrecht des Vaters
eines nichtehelichen Kindes aus Artikel 6 Abs. 2 GG, wenn er nur deshalb kei-
nen Zugang zur gemeinsamen Sorge für sein Kind erhält, weil zum Zeitpunkt
seines Zusammenlebens mit der Mutter und dem Kind keine Möglichkeit für
ihn und die Mutter bestanden hat, eine gemeinsame Sorgetragung für das Kind
zu begründen, und nach der Trennung die Mutter zur Abgabe einer Sorgeerklä-
rung nicht (mehr) bereit ist, obwohl die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl
entspricht. Denn es sei nahe liegend, dass eine Mutter, der ebenso wie dem Va-
ter während ihres Zusammenlebens die gemeinsame Sorgetragung verschlossen
war, und die damit während dieser Zeit alleinige Sorgerechtsinhaberin gewesen
sei, in der Regel nicht gerade dann zur Teilung der Sorge für das Kind mit dem
Vater bereit sei, wenn sie und der Vater des Kindes sich inzwischen getrennt
haben und ihnen erst nach der Trennung die Möglichkeit zur gemeinsamen
Sorgetragung eröffnet werde.
Das Bundesverfassungsgericht trägt in seiner Entscheidung dem Gesetzgeber
auf, bis zum 31. Dezember 2003 eine verfassungsgemäße Übergangsregelung
zu treffen.

II. Einzelbegründung
§ 1626a BGB wird um eine Übergangsregelung ergänzt. Dem unverheirateten
Vater, der vor Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform am 1. Juli 1998 von
der Mutter bereits getrennt lebte, wird das Recht auf eine gerichtliche Einzel-
fallüberprüfung des Sorgerechts ermöglicht. Diese Einzelprüfung soll auf An-
trag des Vaters des nichtehelichen Kindes dann ermöglicht werden, wenn fol-
gende Voraussetzungen vorliegen:
1. Die Eltern des nichtehelichen Kindes sind nicht miteinander verheiratet,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/757

2. die Eltern des nichtehelichen Kindes haben sich vor dem 1. Juli 1998 ge-
trennt und

3. der Vater des nichtehelichen Kindes hat vor der Trennung eine nicht unbe-
achtliche Zeit mit dem nichtehelichen Kind zusammengelebt.

Liegen die o. g. Voraussetzungen (1 bis 3) vor, soll das Familiengericht auf
Antrag des Vaters des nichtehelichen Kindes eine Einzelfallprüfung vornehmen
können.
Kommt das Familiengericht zu der Erkenntnis, dass die nicht miteinander ver-
heirateten Eltern nur deshalb kein gemeinsames Sorgerecht führen, weil vor der
Kindschaftsrechtsreform ein solches gemeinsames Sorgerecht nicht vorgesehen
war und nach der Trennung die Mutter nicht mehr bereit war, eine entspre-
chende Sorgeerklärung gemäß § 1626a I BGB zugunsten des Vaters abzugeben,
soll das Familiengericht unter Berücksichtigung des Kindeswohls eine gemein-
same elterliche Sorge anordnen können. Das Familiengericht soll insbesondere
dann eine gemeinsame Sorge annehmen können, wenn der Vater des nichtehe-
lichen Kindes glaubhaft machen kann, dass die nicht miteinander verheirateten
Eltern noch vor Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform versucht haben, ein
gemeinsames Sorgerecht zu erwirken. Das Familiengericht soll die gemein-
same Sorge jedoch nicht anordnen dürfen, wenn es zu der Erkenntnis kommt,
daß der Vater vor der Trennung einer gemeinsamen Sorge nicht zugestimmt
hätte. Die Glaubhaftmachung, dass die Mutter des nichtehelichen Kindes einer
gemeinsamen elterlichen Sorge zugestimmt hätte, wenn sie vom Gesetz vorge-
sehen gewesen wäre, soll der Vater des nichtehelichen Kindes tragen.

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