BT-Drucksache 15/748

Förderung des Finanzplatzes Deutschland

Vom 1. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/748
15. Wahlperiode 01. 04. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, Leo Dautzenberg,
Stefan Müller (Erlangen), Otto Bernhardt, Georg Fahrenschon, Klaus-Peter
Flosbach, Volker Kauder, Manfred Kolbe, Hans Michelbach, Dr. Gerd Müller,
Dr. Georg Nüßlein, Peter Rzepka, Hartmut Schauerte, Norbert Schindler,
Christian Freiherr von Stetten, Elke Wülfing und der Fraktion der CDU/CSU

Förderung des Finanzplatzes Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die deutsche Finanzmarktgesetzgebung und der Finanzplatz Deutschland
befinden sich im intensiven internationalen Wettbewerb. Deutschland ist auf
einen starken Finanzplatz angewiesen, der den Besonderheiten der deutschen
Volkswirtschaft Rechnung trägt.
Ein wettbewerbsfähiger und gut funktionierender Finanzplatz mit einem mo-
dernen rechtlichen Rahmen ist zugleich eine der wichtigsten Voraussetzungen,
um effiziente Finanzdienstleistungen für den Verbraucher zu erbringen und eine
gute und kostengünstige Kapitalversorgung der Wirtschaft zu ermöglichen.
Auch geht es darum, für Investoren und Emittenten attraktiv zu sein und zu
bleiben. Die Politik kann hierzu einen Beitrag in Form von klaren, modernen
und verlässlichen Rahmenbedingungen leisten.
Die heute feststellbaren wie auch sich abzeichnenden Veränderungen in der
Finanzdienstleistungsbranche, die europäische Integration des Finanzbinnen-
marktes, die zunehmende Verflechtung der globalen Märkte insbesondere
durch nachhaltig verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten, die notwendige
Rendite- und Kapitalmarktorientierung der Anleger sowie die informa-
tionstechnische Orientierung des Finanzgeschäftes verlangen in Deutschland
zukunftsorientierte Reformen und Reaktionen, um die internationale Wettbe-
werbsfähigkeit der Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland zu sichern und
nachhaltig zu stärken.
Nur mit stabilitätsorientierten, gut ausgestalteten und verlässlichen Rahmen-
bedingungen werden sich Investoren nachhaltig in Deutschland engagieren und
sind die deutschen Finanzdienstleister in der Lage, ihre Strukturen und Strate-
gien in geeigneter Weise anzupassen, um im verschärften internationalen Wett-
bewerb zu bestehen und zu florieren. Zugleich dienen günstige Rahmenbedin-
gungen den Kapital suchenden Unternehmen am deutschen Finanzmarkt.
Deutschland leidet unter Wachstumsschwäche und strukturellen Problemen am
Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen. Die Folge davon sind:
hohe Arbeitslosigkeit, zunehmende Unternehmensinsolvenzen, fehlende Inves-
titionen und Konsum. Zudem leidet unsere Volkswirtschaft unter einer über-
höhten Steuer- und Abgabenlast, einem komplizierten Steuerrecht, falschen

Drucksache 15/748 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

wirtschaftspolitischen Konzepten und einer mangelnden Verlässlichkeit politi-
scher Entscheidungen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die deutschen
Finanzdienstleister und schwächt deren Wettbewerbsfähigkeit und damit den
Finanzplatz als solchen.
Die Politik muss nachhaltige Strukturreformen durchsetzen und entsprechende
Rahmenbedingungen schaffen, um die Investitionstätigkeit der Unternehmen
und den Konsum zu fördern. Dazu zählen insbesondere ein einfacheres und
transparentes Steuerrecht mit niedrigeren Steuersätzen, Flexibilisierung des
Arbeitsmarktes und Strukturreformen im Sozialwesen mit mehr Eigenverant-
wortung und -vorsorge, die zu niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen und
damit zu niedrigeren Lohnnebenkosten führen.
Der Markt für „Private Equity“ und privates Vorsorgesparen ist fortzuent-
wickeln. Hierfür sind verlässliche Rahmenbedingungen unabdingbar. Die
Aktienkultur in Deutschland muss gestärkt, Vertrauen nachhaltig gesichert
werden.
Nicht zuletzt der deutsche Mittelstand, der das Rückgrat der deutschen Wirt-
schaft bildet, ist auf günstige und ausreichende Finanzierungsbedingungen
angewiesen. Die Mittelstandsfinanzierung befindet sich derzeit im Umbruch
(Basel II, Wertberichtigungsbedarf der Banken u. a. als Folge der hohen Insol-
venzzahlen). Ein leistungsfähiger Finanzdienstleistungs- und Kapitalmarkt mit
funktionierendem Wettbewerb muss auch in Zukunft geeignete Rahmenbe-
dingungen für die Mittelstandsfinanzierung bereitstellen.
Im deutschen Steuerrecht existiert eine Vielzahl von Einzelbestimmungen, die
die Besteuerung von Kapitalerträgen regeln. Hier sind einfachere und trans-
parente Regeln notwendig, die zur Steuervereinfachung führen. Bestehende
Ungleichbehandlungen sind dabei zu beseitigen. Eine rein fiskalische Betrach-
tungsweise in der Steuerpolitik ist nicht zielführend. Vielmehr gilt es, die
langfristige Bildung von Eigenkapital in Unternehmen und den Aufbau von
privatem Kapital zur Altersvorsorge zu gewährleisten und zu fördern.
In Deutschland besteht ein ständig dichter werdendes Netz von Gesetzen, Ver-
waltungs- und Meldevorschriften. Diese verursachen in der Finanzwirtschaft
einen erheblichen Aufwand – teilweise ohne einen erkennbaren Nutzen zu
stiften. Die deutsche Finanzdienstleistungswirtschaft ist zunehmend zum ver-
längerten Arm des Staates geworden, um Kontrollfunktionen wahrzunehmen.
Bestehende wie auch geplante Regelungen sind deshalb auf ihre Sinnhaftigkeit
und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.
Um eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes und
ein kräftigeres Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren zu erreichen,
sind insbesondere weitere Steuer- und Abgabensenkungen für Unternehmen
und Bürger erforderlich. Im Mittelpunkt stehen dabei die Einkommensteuer
und die Sozialabgaben. Doch auch das Unternehmensteuerrecht muss mit dem
Ziel fortentwickelt werden, die Unternehmensbesteuerung an die geänderten
Bedingungen eines globalen Wettbewerbs anzupassen.
Die europäische Einigung im Allgemeinen und die geplante Vollendung des
Finanzbinnenmarktes im Besonderen sind eine große Chance für die Finanz-
dienstleistungsbranche in Deutschland, da sich die potentiellen Absatzmärkte
erheblich vergrößert haben. Die Finanzdienstleistungsbranche hat diese Chance
in den vergangenen Jahren bereits tatkräftig genutzt. Sie bleibt aufgefordert,
mit diesen Anstrengungen nicht nachzulassen und sich auch im Inland auf neue
Wettbewerber einzustellen.
Ein gemeinsamer europäischer Finanzbinnenmarkt bedeutet umgekehrt, dass
der Finanzplatz Deutschland in permanentem Wettbewerb zu anderen europäi-
schen und nichteuropäischen Finanzplätzen steht. Hieraus folgt, dass in

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/748

Deutschland grundsätzlich keine strengeren Regeln gelten sollten als durch
Vorgaben des EU-Rechts – insbesondere EU-Richtlinien – verlangt werden.
Detailliertere oder schärfere Regeln sind grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn
dadurch die Effizienz am Kapitalmarkt erhöht wird. Zudem sollte nur so weit
vereinheitlicht werden, dass innereuropäischer Systemwettbewerb möglich
bleibt.
Ein großer Teil des Rechtsrahmens für den Kapitalmarkt und den Bereich der
Finanzdienstleistungen wird von Brüssel entschieden. Hier gilt es, Benachteili-
gungen zu vermeiden. Der Finanzplatz Deutschland braucht bei der EU eine
klare und hörbare Positionierung durch die Bundesregierung. Es ist erforder-
lich, auf die Entscheidungsprozesse rechtzeitig Einfluss zu nehmen, um die
eigenen Vorstellungen einzubringen.
Das Engagement der Bundesrepublik Deutschland muss sich auch auf die euro-
päische Entwicklung und die sich daraus ergebenden Handlungserfordernisse
richten. Die Arbeit der Bundesregierung und des Deutschen Bundestags zu
europäischen Themen muss effizient organisiert sein.
Zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland sind aber vor allem Fragen der
mittelbaren und unmittelbaren Finanzmarktgesetzgebung anzugehen. Der
Erfolg von Maßnahmen zur Stärkung des Finanzplatzes ist aber nur wahr-
scheinlich, wenn sich die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen signifi-
kant verbessern.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

I. Grundsätzliche Anliegen
1. sich dafür einzusetzen, dass die rechtlichen, steuerlichen und administrati-

ven Rahmenbedingungen des Finanzplatzes verlässlich sind, damit Bürger,
Investoren, Unternehmen und Finanzdienstleister Planungssicherheit haben;

2. dem Finanzplatz und seinen Akteuren in ihrer Diversität die volle Rücken-
deckung der Politik zu gewähren und sich in diesem Sinne als Interessenver-
treter des Finanzplatzes Deutschland zu verstehen;

3. die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland in
Absprache mit den Ländern in geeigneten Feldern durch eine Stärkung des
Standorts Frankfurt zu erhöhen;

4. sich selbst und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht nur
als Regulierer und Aufseher, sondern gerade in Europa und im internationa-
len Raum auch als Partner der Finanzdienstleister zu verstehen;

5. die dreigliedrige Bankenstruktur in Deutschland zu erhalten und fortzuent-
wickeln. Die Dreigliedrigkeit des deutschen Bankensystems mit den
Elementen Privatbanken, genossenschaftliche Banken sowie öffentlich-
rechtliche Sparkassen und Landesbanken ist Ausdruck der gewachsenen
mittelständischen Strukturen und regionalen Vielfalt der deutschen Volks-
wirtschaft. Notwendige oder sinnvolle Fusionen innerhalb der Säulen und
übergreifende Kooperationen sollten durch die Dreigliedrigkeit nicht verhin-
dert werden;

6. die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes nicht durch neue administrative
Auflagen zu verschlechtern. Bestehende Regelungen zum Beispiel bei der
Einbeziehung der Finanzdienstleistungsbranche in die Verbrechensbekämp-
fung müssen auf ihre Effektivität und Effizienz überprüft werden;

Drucksache 15/748 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

7. bei der Umsetzung des Finanzmarktförderplans 2006 auf eine gründlich
vorbereitete, konsistente, zeitnahe und in kleinere gesetzgeberische und
andere Maßnahmenbündel geteilte Politikumsetzung hinzuwirken, die den
Märkten klare Perspektiven vermittelt;

8. das Parlament und die Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland in eine
regelmäßige und frühzeitige Überprüfung europäischer Gesetzgebungsvor-
haben im Rahmen des für 2004 angekündigten neuen „Financial Services
Action Plan“ der EU-Kommission und weiterer, für den Finanzplatz
Deutschland relevanter europäischer Dossiers einzubeziehen und recht-
zeitig abgestimmte deutsche Position in diesen Feldern zu definieren;
gleichzeitig muss das Subsidiaritätsprinzip auch im europäischen Finanz-
markt gewährleistet werden;

9. sich für die Vermeidung von neuen bürokratischen Belastungen für die
Marktteilnehmer einzusetzen;

II. Rechtlicher Rahmen des Finanzplatzes
10. Vorschläge zu unterbreiten, die das deutsche Übernahmerecht im Lichte

praktischer Erfahrungen weiterentwickeln. Ergänzungen sind vordringlich
insbesondere im Bereich der außerbörslichen Rückkäufe (d. h. es sollte
klar gestellt werden, dass diese Geschäfte nicht vom Übernahmegesetz
erfasst sind), der Veräußerungsgewinnbesteuerung (im Falle einer Unter-
nehmensübernahme sollte die Haltedauer der Aktien des übernommenen
Unternehmens auf die Haltedauer der Aktien des übernehmenden Unter-
nehmens angerechnet werden), beim so genannten Squeeze-Out und zum
Pflichtangebot erforderlich;

11. bei der anstehenden Reform des Anlegerschutzes mit Augenmaß vorzu-
gehen. Dabei muss die Weiterentwicklung des Anlegerschutzes einer
Kosten- und Nutzenanalyse unterzogen werden. Denn letztlich ist es der
Anleger, der die mit den Schutzmechanismen verbundenen Kosten trägt.
Rechtliche Regelungen in diesem Bereich müssen einen fairen Interessen-
ausgleich zwischen dem Anleger einerseits und den Emittenten und Markt-
intermediären andererseits gewährleisten. Überbordende Haftungsregeln
schaden dem Kapitalmarkt genauso wie ein zu oberflächliches Haftungs-
regime;

12. gemeinsam mit den Ländern festzulegen, inwieweit die Effektivität u. a.
der vorhandenen Anlegerschutzgesetzgebung durch die Schaffung einer
Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Finanzdelikte gestärkt werden sollte
und somit voraussichtlich mehr Fälle zum Abschluss gebracht werden
könnten;

13. sich auch bei Rechtsetzungsakten auf EU-Ebene, insbesondere bei der
anstehenden Novellierung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und der
Verbraucherkreditrichtlinie, für am Leitbild des mündigen Anlegers bzw.
Verbrauchers orientierte Regelungen einzusetzen; dabei gilt es, übermä-
ßige Regulierungen und administrative Hürden zu vermeiden und die wirt-
schaftlichen Konsequenzen und Belastungen für die Finanzdienstleister in
ihrer Diversität mit zu berücksichtigen; Entsprechendes gilt für die natio-
nale Umsetzung der bereits verabschiedeten Versicherungsvermittlerricht-
linie;

14. ihre Auffassung zu bekräftigen, dass Corporate Governance ein internatio-
naler Wettbewerbsfaktor ist und auch in Deutschland weiter den sich
ändernden Erfordernissen angepasst werden muss. Gute Corporate Gover-
nance ist eine wesentliche Grundlage für das Vertrauen der Anleger; auf
der Grundlage der noch nicht umgesetzten Empfehlungen der Baums-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/748

Kommission ist ein konkreter Maßnahmenkatalog zu erarbeiten und umzu-
setzen, der im Einklang steht mit einem generell deregulierenden Ansatz;

15. die Struktur der öffentlich-rechtlichen Börsenorganisationen mit privater
Trägergesellschaft, die eine konsequente Einbeziehung der Marktteil-
nehmer über den Börsenrat ermöglicht, nicht zu ändern;

16. eine Ersetzung des formalen Erfordernisses zur Herstellung der Termin-
rechtsfähigkeit von Verbrauchern ergebnisoffen zu prüfen und so die
Verbraucher stärker als bisher als mündige Anleger zu behandeln. Ausrei-
chend könnte ggf. eine dokumentierte Aufklärung und Beratung nach
allgemeinen Grundsätzen der Anlage- und Anlegergerechtigkeit sein;

17. das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuld-
verschreibungen vom 4. Dezember 1899 (Schuldverschreibungsgesetz) an
die Gegebenheiten des modernen Finanzmarktes anzupassen; als
Haupthindernisse für eine flexible Ausgestaltung von Schuldverschreibun-
gen ist insbesondere die AGB-Kontrolle von Emissionsbedingungen zu
modernisieren, die derzeit u. a. ein gemeinschaftliches Vorgehen der An-
leiheinhaber behindert;

18. der zunehmenden Verbriefung von Forderungen und Kreditbeziehungen
sowie der zunehmenden Beschaffung seitens mittelständischer Unterneh-
men von Fremdkapital über den Kapitalmarkt durch geeignete Maßnahmen
im Kapitalmarkt- und Steuerrecht Rechnung zu tragen;

19. die staatlichen Förderprogramme stärker und effizienter als bisher auf
kleine und mittelständische Unternehmen zu konzentrieren;

20. gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, ob und ggf. wieweit Möglichkeiten
eines integrierten Schuldenmanagements von Bund und Ländern z. B. bei
der Platzierung von Schuldverschreibungen bestehen. Die Benchmark-
Position des Bundes darf dabei nicht gefährdet werden. Die Nutzung inno-
vativer Finanzinstrumente im öffentlichen Sektor muss vorangetrieben
werden, ohne jedoch die Stabilitätsorientierung auf allen staatlichen Ebe-
nen aufzugeben;

21. die Zulässigkeit der Verwahrung ausländischer Wertpapiere durch einen
„Global Custodian“ auch im Investmentrecht klarzustellen, damit inländi-
sche Kapitalanlagegesellschaften ihre gesamten ausländischen Wertpapiere
auch durch nur eine Spezialbank und nicht nur – wie bisher – über einen
deutschen Verwahrer bzw. über Verwahrer in jedem einzelnen Land ver-
wahren lassen können;

22. sich dafür einzusetzen, dass durch die im Verfahren befindliche Novellie-
rung der Verbraucherkreditrichtlinie die Kreditvergabe nicht durch über-
zogene Anforderungen europäischer Regelungen erschwert wird. Alle
Arten von Krediten (beispielsweise Überziehungskredite, Kredite mit
Kapitalbindungsklausel, Kredite mit langfristiger Zinsfestschreibung)
müssen nicht zuletzt im Interesse von Wachstum und Beschäftigung wei-
terhin ohne überbordende Bürokratie und zu angemessenen Konditionen
angeboten werden können;

23. bei der Definition und Offenlegungspflichten von Unternehmen die neuen
Medien zu berücksichtigen und zu prüfen, ob in Deutschland tätige Kredit-
institute von der umfangreichen Papier gebundenen Offenlegung von
Unterlagen auf eine elektronische und kostengünstigere Offenlegung via
Internet umstellen können;

24. insbesondere im europäischen Rahmen die besondere Funktion der Börsen
zu wahren und im Sinne eines effizienten, liquiden Marktplatzes zu
fördern;

Drucksache 15/748 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

25. den Abbau von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierun-
gen und Fusionen voranzutreiben;

III. Altersvorsorge
26. Verbesserungen der kapitalgedeckten Altersvorsorge herbeizuführen, in-

dem die grundsätzliche Dispositionsfreiheit des Vorsorgesparers in der
Auszahlungsphase wesentlich erhöht wird. Neben lebenslangen Renten
sollten auch echte Auszahlungspläne und Kapitalauszahlungen, mindes-
tens zu Alterssicherungszwecken, möglich sein; Ziel muss die nachhaltige
Vereinfachung der bestehenden kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge
sein;

27. in diesem Zusammenhang grundsätzlich die nachgelagerte Besteuerung für
alle kapitalgedeckten Durchführungswege der betrieblichen Altersver-
sorgung und der privaten Altersvorsorge einzuführen. Hierfür müssen die
Beiträge zur Altersvorsorge steuerfrei gestellt werden. Instrumente einer
steuerlich geförderten Altersvorsorge sollten auch für Selbständige und
Freiberufler zur Verfügung stehen;

28. in der betrieblichen Altersversorgung die Zulassung weniger verwaltungs-
aufwendiger Produkte wie zum Beispiel individuelle Altersvorsorge-
konten, die an US-amerikanischen Vorbildern wie „Individual Retirement
Accounts“ oder 401(k)-Pläne angelehnt sind, zu prüfen. Darüber hinaus
sollte die Schaffung kapitalmarktorientierter Pensionsfonds geprüft
werden. Auch ist die Einführung reiner Beitragszusagen ohne Haftung des
Arbeitgebers zu prüfen, um die betriebliche Altersversorgung auch für
kleinere und mittelständische Unternehmen attraktiv zu machen; die Ver-
größerung der Produktauswahl der privaten Altersvorsorge darf nicht zu
Lasten der erforderlichen Mindestqualitätsstandards gehen;

29. Vorschläge zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung vorzulegen;
30. auf eine gegenseitige Anerkennung von Pensionsfonds innerhalb der Euro-

päischen Union hinzuwirken;
31. zu prüfen, den Markt für Angebote in der betrieblichen Altersversorgung

allen geeigneten Anbietern, insbesondere auch Investmentgesellschaften
nach dem KAGG, zu öffnen und so für mehr Wettbewerb und Wahlmög-
lichkeiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu sorgen;

IV. Bilanzierung
32. bei der Umsetzung der europäischen IAS-Verordnung vom 19. Juli 2002 in

deutsches Recht die in der Verordnung vorgesehenen Mitgliedstaatenwahl-
rechte in Form von Unternehmenswahlrechten zu nutzen;

33. IAS-Einzelabschlüsse nicht als Grundlage der Besteuerung vorzusehen;
34. sich für die Einrichtung privatwirtschaftlich organisierter Enforcement-

Institutionen auszusprechen;

V. Kapitalmarkt- und Bankaufsicht
35. die Neufassung der Baseler Eigenkapitalempfehlungen („Basel II“) ist er-

forderlich. Die fraktionsübergreifenden Initiativen des Deutschen Bundes-
tages zu Basel II sind weiter zu verfolgen. Die deutschen Interessen sind
sorgfältig in die Basler Verhandlungen einzubringen. Der deutschen und
europäischen Finanzierungskultur ist Rechnung zu tragen. Der Anreiz, ein
besseres Risikomanagement aufzubauen, darf nicht durch Verzögerungen
verloren gehen. Ein Aufschieben der Reform oder gar die Abkoppelung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/748

Europas sind abzulehnen. Soweit deutsche Anliegen bei Basel II nicht
durchgesetzt werden können, wird die Bundesregierung ersucht, möglichst
eine vollständige Umsetzung der deutschen Forderungen auf europäischer
Ebene sicherzustellen;

36. dafür Sorge zu tragen, dass im Bereich der Bankenaufsicht klare und trans-
parente Regelungen getroffen werden, die allen Marktteilnehmern Rechts-
sicherheit bieten und die den Finanzplatz Deutschland für internationale
Akteure offen halten. Auch muss sichergestellt werden, dass gut gemeinter
Anlegerschutz nicht ungewollt sinnvolle Kapitalmarktgeschäfte verhin-
dert;

37. den deutschen Markt für Bank- und Finanzdienstleistungen auch dadurch
offen zu halten, dass eine gesetzliche Regelung des grenzüberschreitenden
Geschäfts mit Bank- und Finanzdienstleistungen aus Nicht-EWR-Staaten
erarbeitet wird. Der Kundenkontakt per Internet und durch andere Medien,
die Vermittlung deutscher Institute sowie die Tätigkeit von Beratern und
von Repräsentanzen ausländischer Bank- und Finanzdienstleister sollte auf
eine klare aufsichtsrechtliche Grundlage gestellt und dabei so liberal wie
möglich ausgestaltet werden;

38. gleichzeitig klare und unmissverständliche Kriterien für die Bekämpfung
von unseriösen Anbietern des grauen Kapitalmarkts aufzustellen, die es
der Bankaufsicht erlauben, zielgerichtet und im Rahmen rechtsstaatlich
korrekter Verfahren effizient vorzugehen, ohne dass das Geschäft seriöser
Institute mit Rechtsunsicherheiten belastet wird;

39. den Zugang über „Remote Access“ zu den deutschen Börsen nicht zu
behindern, sondern zu fördern. Dazu ist z. B. zu prüfen, ob „Remote
Access“-Teilnehmer und „General Clearing Members“ (so genannte geeig-
nete Dritte) von den neuen zusätzlichen Meldeanforderungen des § 9
Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 und 8 WpHG ausgenommen werden können;

40. wenn das Erfordernis von Seiten der EU-Ebene deutlich werden sollte, ge-
meinsam mit den Ländern und mit deren Einvernehmen ergebnisoffen zu
prüfen, ob Aufgaben oder Funktionen der Börsenaufsicht in Deutschland
konzentriert werden könnten; wenn dies der Fall ist, ist zu prüfen, in wel-
cher Form dies stattfinden kann;

41. sich mit Nachdruck für eine Ansiedlung der europäischen bankaufsicht-
lichen Gremien in Deutschland einzusetzen. Entscheidungen zur Struktur
der Finanzdienstleistungsaufsicht in der Europäischen Union müssen
zumindest die Option der Schaffung einer europäischen (Allfinanz-)Auf-
sichtsbehörde offen halten; insgesamt sollten sich auch künftig die auf-
sichtsrechtlichen Strukturen in der EU an den Realitäten und Besonder-
heiten der Märkte ausrichten;

VI. Steuerrechtliche Rahmenbedingungen
42. ein einfaches, niedriges, gerechtes System der Besteuerung mit niedrigen

Sätzen sowie transparenten und konsistenten Regeln einzuführen, Un-
gleichbehandlungen insbesondere bei der Behandlung von Eigenkapital
abzubauen und damit eine grundlegende Steuervereinfachung durchzu-
setzen; klare und verlässliche steuerliche Rahmenbedingungen für in- und
ausländische Finanzdienstleister zu schaffen;

43. auf flächendeckende Kontrollmitteilungen zu verzichten, da das Bank-
geheimnis ein wichtiger vertrauensbildender Faktor ist;

Drucksache 15/748 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
44. bei der Besteuerung von Kapitalerträgen eine Abgeltungssteuer mit mode-
raten Sätzen bei Beibehaltung des Sparerfreibetrages vorzusehen und
geeignete Maßnahmen zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu ergreifen;

45. durch geeignete steuerrechtliche Rahmenbedingungen eine bessere Aus-
stattung der Wirtschaft mit Eigenkapital und den Aufbau von privatem
Kapital zur Altersvorsorge zu gewährleisten und zu fördern;

46. die steuerrechtlichen Unsicherheiten im Bereich von Private Equity – Ven-
ture Capital-Fonds zu beseitigen und im Interesse eines anlegerfreund-
lichen Umfelds in Deutschland Rechtssicherheit für Investoren und Initia-
toren in einer Art und Weise herzustellen, die den Bedürfnissen der Praxis
gerecht werden;

47. die steuerliche Benachteiligung von Auslandsfonds zu beseitigen;

VII.Weitere Maßnahmen
48. die personelle Präsenz der Bundesregierung zur angemessenen und nach-

haltigen Vertretung der Interessen des Finanzplatzes Deutschland bei der
EU in Brüssel, der OECD und anderen internationalen Organisationen auf-
zustocken;

49. eine angemessene Transparenz der Ratingagenturen sicherzustellen und
50. die Verschmelzung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der

Deutschen Ausgleichsbank (DtA) so zu gestalten, dass eine effektivere,
effizientere und unbürokratischere Ausrichtung der Förderprogramme
ermöglicht wird; die Wettbewerbsneutralität und das Hausbankenprinzip
sind als Grundlagen der Geschäftstätigkeit des neuen Förderinstituts nach-
haltig zu verankern.

Berlin, den 1. April 2003
Dr. Michael Meister
Heinz Seiffert
Leo Dautzenberg
Stefan Müller (Erlangen)
Otto Bernhardt
Georg Fahrenschon
Klaus-Peter Flosbach
Volker Kauder
Manfred Kolbe
Hans Michelbach
Dr. Gerd Müller
Dr. Georg Nüßlein
Peter Rzepka
Hartmut Schauerte
Norbert Schindler
Christian Freiherr von Stetten
Elke Wülfing
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.