BT-Drucksache 15/674

Sperrzeiten für Außengastronomie verbraucherfreundlicher gestalten

Vom 19. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/674
15. Wahlperiode 19. 03. 2003

Antrag
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Daniel Bahr
(Münster), Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Rainer Funke, Hans-Michael
Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Ulrich
Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen
Koppelin, Harald Leibrecht, Markus Löning, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Sperrzeiten für Außengastronomie verbraucherfreundlicher gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Für die Verbraucher und Gastronomen ist die derzeitige Gesetzeslage, die zum
Schließen von Biergärten um 22.00 Uhr führt, unbefriedigend. Die allgemeine
Sperrzeit, die grundsätzlich auch für die Außengastronomie gilt, beginnt je
nach Bundesland zwischen 1.00 Uhr und 5.00 Uhr. Die Sperrzeitenregelungen
für die Außengastronomie werden im Vorhinein durch Länder bzw. kommunale
rechtliche Bestimmungen in Verbindung mit immissionsschutzrechtlichen Vor-
schriften eingeschränkt und in der Regel auf 22.00 Uhr festgelegt. Das Haupt-
problem der Außengastronomie ist der Lärmschutz. Deshalb genügt für die
Außengastronomie (z. B. Biergärten) die alleinige Änderung des § 18 Gaststät-
tengesetz nicht, da für die Festlegung der Sperrzeiten immer die von der Frei-
luftgaststätte ausgehenden Geräuscheinwirkungen berücksichtigt werden müs-
sen. In der Regel führt das zum Schließen der Biergärten um 22.00 Uhr. Weil
die Freiluftgaststätten aus dem Anwendungsbereich der TA-Lärm herausge-
nommen wurden, sind zurzeit keine gesetzlichen Vorschriften vorhanden, die
die Immissionen/Geräuscheinwirkungen von Freiluftgaststätten beurteilen und
bewerten. Dennoch ziehen Gemeinden und Gerichte bei Rechtsstreitigkeiten
zur Beurteilung der Geräuschimmissionen von Biergärten die TA-Lärm in ent-
sprechender Anwendung heran. Das bedeutet, dass die Geräusche, die von Frei-
schankflächen ausgehen, also hauptsächlich menschliche Kommunikations-
geräusche, wie technischer Lärm gemessen und nach der TA-Lärm bewertet
werden. Diese kompromisslose Anwendung der auf die Bewertung von Indus-
trielärm zugeschnittenen TA-Lärm führt zu einer Überbewertung des indivi-
duellen Nachbarschutzes und zu sozial unverträglichen Ergebnissen. Mensch-
liche Kommunikationsgeräusche, etwa das Reden, Lachen oder Singen sollten
daher nicht wie technische Geräusche, wie zum Beispiel Bohren, Hämmern
oder Sägen bewertet werden. Ein gesondertes Messverfahren und höhere
Grenzwerte für Geräuschimmissionen unter Berücksichtigung von kurzfristi-

Drucksache 15/674 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

gen höheren Geräuschspitzen sind auch für die Außengastronomie sinnvoll und
erforderlich.
Die Verkürzung der Sperrzeit für die Außengastronomie (Biergärten u. Ä.) in
Verbindung mit einer immissionsschutzrechtlichen Ergänzung trägt der Er-
kenntnis Rechnung, dass zu einem florierenden Stadtwesen eine florierende
Gaststättenstruktur gehört. Dies verlangt aber auch eine entsprechende Gestal-
tung der Rahmenbedingungen für die Außengastronomie. Die Nachfrage nach
außengastronomischen Leistungen hat sich infolge eines gewandelten Konsu-
mentenverhaltens in den letzten Jahren mehr und mehr auf die späteren Abend-
stunden verlagert. Diesem gewandelten Konsumentenverhalten haben bereits
einige Länder mit ähnlichen Initiativen entsprochen. Die Verkürzung der Sperr-
zeiten ermöglicht es der Außengastronomie, auf Gästewünsche entsprechend
flexibel zu reagieren, und trägt in vielen Fällen zur Belebung und Attraktivität
der Innenstädte bei.
Vor allem aus „Tourismusstädten“ wird immer wieder die Forderung vorgetra-
gen, die Sperrzeiten für die Außengastronomie durch Verschieben des Sperrzei-
tenbeginns zu verkürzen, da eine erhöhte diesbezügliche Nachfrage vorliegt
und diese Städte in der Regel über eine außengastronomische Infrastruktur ver-
fügen, bei der eine längere Nutzung sinnvoll ist. Insbesondere die südeuropäi-
schen Länder Spanien, Frankreich und Italien haben liberale Sperrzeiten, die
deutsche Urlauber schätzen. Deshalb muss sich auch das Tourismusland
Deutschland als ein modernes gastfreundliches und offenes Land präsentieren:
Zu einem attraktiven Tourismusstandort Deutschland gehört eine ausgeprägte
Biergartenkultur.
Biergärten erfüllen insbesondere in den Sommermonaten einen wichtigen ge-
sellschaftspolitischen Zweck, da die Gäste verstärkt draußen sitzen möchten.
Sie sind eine Stätte der Begegnung und der Kommunikation und stellen für die
Bewohner von Innenstädten oftmals eine „Oase“ im Grünen dar.
Das Ausgehverhalten hat sich, auch bedingt durch längere Ladenöffnungs-
zeiten, zeitlich nach hinten verlagert und die Gäste möchten bis 24.00 Uhr oder
länger verweilen. Diesem veränderten Ausgehverhalten wird bislang nicht ge-
nügend Rechnung getragen. Durch Einführung der Sommerzeit Mitte der 70er
Jahre sind die Abende gerade in den Sommermonaten noch taghell und die
Temperaturen auch um 23.00 oder 24.00 Uhr noch sehr hoch.
In den Sommermonaten bzw. im Zeitraum der jährlichen Sommerzeit (von
April bis Oktober) sollte daher auch die im immissionsschutzrechtlichen Sinne
definierte Nachtzeit erst um 23.00 Uhr, idealerweise erst um 24.00 Uhr, begin-
nen. Die für die Nachtzeit festgelegten niedrigeren Immissionsgrenzwerte wür-
den sodann erst 1 oder sogar 2 Stunden später greifen und die Öffnungszeiten
der Außengastronomie somit aus Lärmschutzgründen nicht beschneiden.
Die Gäste und die gastgewerblichen Unternehmer erwarten von der Bundes-
regierung vor dem Hintergrund einer ohnehin geringen Anzahl an schönen
Sommertagen in Deutschland eine Angleichung der Öffnungszeiten für Bier-
gärten an das veränderte Ausgeh- und Freizeitverhalten. Dieser Erwartung von
Verbrauchern und Gastronomen sollte die Bundesregierung durch entspre-
chende Vorschläge für liberale Sperrzeiten in der Außengastronomie nachkom-
men.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen unbürokratischen, verbraucherfreundlichen und praxistauglichen Vor-
schlag zur Änderung des Bundesimmissionsschutzrechts vorzulegen, in dem
1. die Nachtzeit im immissionsschutzrechtlichen Sinne während des Zeitrau-

mes der jährlichen Sommerzeit erst um 23.00 Uhr (24.00 Uhr) beginnt,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/674

2. höhere Immissionsgrenzwerte (Tages- und Nachtwerte) für den von der
Außengastronomie ausgehenden, menschlichen Kommunikationslärm fest-
gelegt sind,

damit die Betriebe der Außengastronomie, wie z. B. Biergärten, ebenfalls von
einer daraus sich zwangsläufig ergebenden Liberalisierung der Sperrzeiten pro-
fitieren. Die Außengastronomie sollte bis mindestens 24.00 Uhr öffnen dürfen.

Berlin, den 18. März 2003
Ernst Burgbacher
Gudrun Kopp
Rainer Brüderle
Daniel Bahr (Münster)
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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