BT-Drucksache 15/608

Wegfall der Lohnsteuerkarte und andere Maßnahmen des Bundesministers der Finanzen

Vom 11. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/608
15. Wahlperiode 11. 03. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert,
Otto Bernhardt, Leo Dautzenberg, Georg Fahrenschon, Klaus-Peter Flosbach,
Volker Kauder, Manfred Kolbe, Hans Michelbach, Stefan Müller (Erlangen),
Peter Rzepka, Norbert Schindler, Christian Freiherr von Stetten, Elke Wülfing
und der Fraktion der CDU/CSU

Wegfall der Lohnsteuerkarte und andere Maßnahmen des Bundesministers
der Finanzen

Am 13. Februar 2003 wurde in der Presse (s. Handelsblatt vom 13. Februar
2003) darüber berichtet, dass Bund und Länder „mutige Schritte“ zur Verein-
fachung vor allem der Arbeitnehmer-Besteuerung vereinbart hätten. Hierzu
sind im Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Abschaffung der Lohn-
steuerkarte, die Modifizierung des Kirchensteuerabzuges und Änderungen
beim Spendenabzug geplant. Die Kommunen sollen ab 2005 von der Ausstel-
lung von Lohnsteuerkarten befreit werden. Stattdessen soll ein elektronischer
Austausch zwischen den Arbeitgebern und den Finanzämtern erfolgen. Die bis-
herigen elf Schritte von der Lohnsteuerkarte bis zur Einkommensteuererklä-
rung sollen dadurch auf sechs Schritte reduziert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welchem Beschluss beruht die lt. „Handelsblatt“ vom 13. Februar 2003

veröffentliche Aussage, dass sich das BMF mit den Ländern auf die Ab-
schaffung der Lohnsteuerkarte verständigt habe?

2. Haben alle Bundesländer zu dem vom BMF bekannt gegebenen Vorgehen
ihre Zustimmung erteilt?

3. Wie wurden die Kommunen und die Wirtschaftsverbände in den Prozess zur
Abschaffung der Lohnsteuerkarte bisher vom BMF eingebunden?

4. Hat die Bundesregierung Stellungnahmen der Kommunen und Wirtschafts-
verbände eingeholt, und wenn ja, was haben diese ergeben?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Abschaffung der Lohnsteuerkarte und
die Einführung eines elektronischen Systems aus datenschutzrechtlicher
Sicht?

6. Bedeutet die ab 2005 angekündigte Abschaffung der Lohnsteuerkarte, dass
den Bürgern im Herbst 2004 keine Lohnsteuerkarten in Papierform mehr für
das Jahr 2005 von den Gemeinden zugesandt werden sollen?

7. In welchem Gesetzesvorhaben will die Bundesregierung die bisher in den
§§ 39 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) geregelte Lohnsteuerkarte aufhe-
ben bzw. das elektronische System einführen?

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8. Wann wird das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf be-
schließen und bis wann soll das Gesetzgebungsvorhaben abgeschlossen
sein?

9. Welchen zeitliche Vorlauf sollen die Finanzämter bzw. die Arbeitgeber für
die Einführung des elektronischen Systems erhalten?

10. Welchen zeitlichen Vorlauf haben die Kommunen zur Erstellung der Lohn-
steuerkarten, angefangen z. B. bei der Etatisierung der Ausgaben für die
Druck- und Versandkosten der Lohnsteuerkarten bis hin zu deren Fertig-
stellung?

11. Wie wird sichergestellt, dass bei den länderunterschiedlichen EDV-Syste-
men ein länderübergreifendes, bundeseinheitliches Lohnsteuersystem ge-
schaffen wird?

12. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung hierzu bereits ergriffen bzw.
wird sie dazu ergreifen?

13. Auf welche Weise soll der Bürger, der erstmalig eine Steuerabzugsbeschei-
nigung benötigt (z. B. Aufnahme einer Ausbildung nach Schulabschluss),
diese in Zukunft erhalten?

14. Ist hierzu nicht ein weiterer Schritt in dem angeblichen Sechs-Schritte-
Modell des BMF (s. Homepage des BMF) erforderlich?

15. Wie soll der Bürger in Zukunft eine zweite Steuerabzugsbescheinigung für
ein weiteres Beschäftigungsverhältnis erhalten?

16. Wie sollen die Finanzämter in Zukunft von der Geburt von Kindern erfah-
ren, um dies auf den Steuerabzugsbescheinigungen berücksichtigen zu
können?

17. Wie sollen die Finanzämter von Änderungen des Familienstands erfahren
und auf welche Weise kann der Bürger diese im laufenden Kalenderjahr
auf seiner Steuerabzugsbescheinigung vermerken lassen?

18. Wie sollen die Finanzämter von der Religionszugehörigkeit des Bürgers
bei erstmaliger Ausstellung einer Steuerabzugsbescheinigung bzw. von ei-
ner Änderung der Religionszugehörigkeit (z. B. Kirchenein- bzw. -austritt)
in Zukunft erfahren?

19. Ist zu den in den Fragen 16 bis 18 genannten Informationen ein genereller
Datenabgleich mit den Einwohnermeldeämtern erforderlich, um die Daten
laufend aktualisieren zu können?

20. Sollen auch in Zukunft Änderungen der Steuerabzugsbescheinigung im
laufenden Kalenderjahr (entsprechend der bisherigen Lohnsteuerkarte)
möglich sein?
Nimmt der Änderungsbedarf zu, weil die Steuerabzugsbescheinigung auf
älterem Datenmaterial beruhen wird als die Eintragungen in der Lohnsteu-
erkarte?

21. Auf welche Weise soll der Bürger in Zukunft einen Freibetrag erstmalig
auf der Steuerabzugsbescheinigung eintragen lassen, z. B. wegen eingetre-
tener Schwerbeschädigung oder höherer Fahrtkosten wegen Arbeitsplatz-
wechsels?

22. Sind hierzu nicht zwei weitere Schritte in dem angeblichen Sechs-Schritte-
Modell des BMF (s. Homepage des BMF) erforderlich, nämlich die Ver-
sendung der Bescheinigung an das Finanzamt mit entsprechender schrift-
licher Begründung und die Rücksendung der Unterlagen vom Finanzamt
an den Bürger?

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23. Auf welche Weise wird der Bürger in Zukunft Fehler, die auf seiner Steuer-
abzugsbescheinigung eingetragen sind, ändern lassen können?

24. Sind hierzu nicht zwei weitere Schritte in dem angeblichen Sechs-Schritte-
Modell des BMF (s. Homepage des BMF) erforderlich, nämlich die Ver-
sendung der Bescheinigung an das Finanzamt und die Rücksendung an den
Bürger?

25. Müssen auch diejenigen Arbeitnehmer, die bisher von der Steuerveranla-
gung befreit sind, künftig zwingend eine Einkommensteuererklärung abge-
ben, um die Steuerabzugsbescheinigung zu erhalten?

26. Wenn ab 2005 die Lohnsteuerkarte abgeschafft werden soll, müssen dann
nach Auffassung der Bundesregierung die Betriebe zwingend an dem elek-
tronischen Lohnsteuerbescheinigungsverfahren per eTIN (elektronisches
Identifikations- und Ordnungsmerkmal) teilnehmen?
Sind Übergangsfristen geplant?

27. Wie beurteilt die Bundesregierung den EDV-Aufwand zum Lohnsteuerbe-
scheinigungsverfahren per eTIN für Betriebe mit wenigen Mitarbeitern?

28. Welche EDV-Maßnahmen müssen die Betriebe im Einzelnen erbringen,
um an dem Lohnsteuerbescheinigungsverfahren per eTIN teilnehmen zu
können?

29. Welche Kosten kommen durch das Lohnsteuerbescheinigungsverfahren
per eTIN auf die Betriebe pro Arbeitnehmer zu?

30. Welche Vorteile verspricht sich die Bundesregierung von einer Abschaf-
fung der Lohnsteuerkarte für die Finanzverwaltung, die Kommunen, die
Arbeitgeber und die Arbeitnehmer?
Stehen den erwarteten Vorteilen auch Nachteile oder Belastungen gegen-
über, und wenn ja, welcher Art, welchen Umfangs und für wen?

31. Werden Belastungen durch Sach- oder Personalaufwand bei den Kommu-
nen entstehen, wenn ja, welcher Art und welchen Umfangs?
Sind hierbei kleine Gemeinden besonders benachteiligt?

32. Wird es durch ein elektronisches Steuerabzugsbescheinigungsverfahren zu
Personaleinsparungen bei den Finanzämtern und den Kommunen kom-
men?
Wenn ja, in welchem Umfang?

33. Beabsichtigt die Bundesregierung, die für die Kommunen zu erwartenden
Einsparungen durch die Abschaffung der Lohnsteuerkarten den Kommu-
nen zu belassen, oder sollen diese erhofften Einsparungen umgeschichtet
werden?

34. Ab wann soll die laut „Handelsblatt“ vom 13. Februar 2003 angekündigte
Neuregelung des Spendenabzuges (d. h. Verzicht auf die Spendenquittung)
geregelt werden?

35. Welche Haltung haben die Bundesländer zu diesem Vorschlag?
36. Wurden die unterschiedlichen Bereiche der steuerbegünstigten Zwecke

(z. B. gemeinnützige Organisationen) nach § 10b EStG bereits zu den Plä-
nen des BMF gehört, und welche Position haben diese dazu?

37. Welche gesetzlichen Änderungen sind für den geänderten Spendenabzug
erforderlich und bis wann müssen diese vom Gesetzgeber verabschiedet
worden sein, um eine sinnvolle Einführung für alle Betroffenen zu gewähr-
leisten?

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38. Welcher Personal- und Sachaufwand ist beim Bundesamt für Finanzen er-
forderlich, um die zentrale, bundesweite Erfassung aller geleisteten Spen-
den zu dokumentieren?

39. Wie wird ein zentrales Spendenregister aus datenschutzrechtlicher Sicht
beurteilt?

40. Sollen sich für das zentrale Spendenregister alle Vertreter der steuerbe-
günstigten Zwecke registrieren lassen?

41. Wie soll der Kontakt z. B. der einzelnen gemeinnützigen Vereine zu diesem
Zentralregister bestehen, nur auf elektronischem oder auch auf herkömm-
lichem Papier-Weg?

42. Wie lange sollen die entsprechenden Spendendaten beim Bundesamt
für Finanzen gespeichert werden und könnten es unter Beachtung der
§§ 169 ff. Abgabenordnung bis zu 14 Jahre nach dem Jahr der Spenden-
leistung sein?

43. Soll die Abschaffung der Spendenquittungen auch für Parteispenden gel-
ten?

44. Will die Bundesregierung alle Parteispenden beim Bundesamt für Finanzen
zentral erfassen?

45. Wenn Frage 44 mit ja beantwortet wird, wie wird dies aus datenschutz-
rechtlicher Sicht beurteilt?

46. Wenn Frage 44 mit ja beantwortet wird, hat die Bundesregierung bereits
die verschiedenen politischen Parteien über ihre Pläne informiert, und wel-
che Haltung haben die Parteien dazu?

47. Wie stehen die Bundesländer zu den Plänen zu Änderungen der steuer-
lichen Berücksichtigung von Kirchensteuerzahlungen?

48. Wurden die steuererhebungsberechtigten Kirchen von diesen Plänen be-
reits informiert, und welche Position haben sie dazu?

49. Wie wirken sich die Kirchensteuerpläne, nämlich ein 3 %iger Steuerabzug
für einzelne Steuerpflichtige (zu versteuerndes Einkommen lt. Grund-
tabelle/Splittingtabelle 15 000 Euro, 20 000 Euro, 30 000 Euro, 40 000
Euro, 50 000 Euro, 60 000 Euro, 70 000 Euro, 80 000 Euro, 90 000 Euro,
100 000 Euro, 150 000 Euro, 300 000 Euro und 1 Mio. Euro) auf die
Gesamtbelastung mit Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchen-
steuer im Vergleich zur bisherigen Rechtslage aus?

50. Welche Auswirkungen hat die geplante Neuregelung für Ehepaare, bei
denen nur ein Ehepartner der Kirche angehört?

51. Welche Auswirkungen auf das Lohn- und Einkommensteueraufkommen
hat der pauschale Abzug?

52. Weshalb soll die Kirchensteuer bei der Berechnung der Lohnsteuer nicht
als Sonderausgabenabzug (wie die Vorsorgepauschale) berücksichtigt wer-
den, was beim obligatorischen Einsatz elektronischer Hilfsmittel ohne wei-
teres möglich wäre?

Berlin, den 11. März 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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