BT-Drucksache 15/605

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung

Vom 12. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/605
15. Wahlperiode 12. 03. 2003

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel
Happach-Kasan, Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus Löning,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Günter Rexrodt, Marita
Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig
Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Guido Westerwelle, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler
Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Deutschland steht wirtschafts- und finanzpolitisch vor einem Scherbenhaufen:
Die Zahl der Arbeitslosen und der Unternehmensinsolvenzen steigt unaufhör-
lich. Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Steuern und Abgaben werden laufend
erhöht. Das Wachstum stagniert. Die öffentlichen Haushalte von Bund, Län-
dern und Gemeinden sind überschuldet. Deutschland fällt im internationalen
Wettbewerb immer weiter zurück.
Die Bundesregierung hat bisher weder den Mut noch die Kraft gehabt, umzu-
steuern und dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Umso mehr müssen jetzt
umgehend einige grobe Fehler der letzten Jahre korrigiert werden.

I. Bei der dringend notwendigen Reform des Arbeitsmarktes muss an den
Ursachen angesetzt werden. Dazu gehören insbesondere:
– Stärkung des Versicherungsprinzips in der Arbeitslosenversicherung:

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes muss auf 12 Monate begrenzt wer-
den, Zumutbarkeitskriterien müssen strenger gefasst werden, die Anrech-
nung von Arbeitseinkommen auf Arbeitslosengeld muss großzügiger gestal-
tet werden, gesamtstaatliche Aufgaben müssen in den allgemeinen Haushalt
ausgegliedert werden, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung muss kurz-
fristig von 6,5 auf 5,5 Prozent gesenkt werden.

Drucksache 15/605 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– Bessere Organisation der Vermittlung von Arbeitsuchenden:
Es muss eine gemeinsame Anlaufstelle als Job-Center für alle Erwerbsfähi-
gen geschaffen werden, das Beratung, Unterstützung, Kontaktanbahnung
mit Unternehmen, Qualifizierungsangebote und Leistungen des sozialen
Sicherungssystems bündelt.

– Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe:
Für einen Tatbestand, die Arbeitslosigkeit, darf es auch nur eine steuerfinan-
zierte Fürsorgeleistung geben. Zur Vermeidung von Verschiebebahnhöfen
zwischen Arbeitsämtern und Kommunen ist eine Integration in die Job-Cen-
ter angezeigt.

– Ende der kostentreibenden Frühverrentung:
Notwendig ist eine Streichung des § 428 SGB III, damit Bürger über 50
Jahre nicht mehr vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden. Angesichts der
demografischen Entwicklung ist der Erfahrungsschatz der älteren Erwerbs-
tätigen unentbehrlich.

– Reorganisation der Bundesanstalt für Arbeit:
Die gescheiterte Selbstverwaltung aus Vertretern der öffentlichen Körper-
schaften, Gewerkschaften und Arbeitgebern muss beendet werden; wir brau-
chen eine Abschaffung der Landesarbeitsämter und eine Reorganisation als
Leistungsbehörde, eine Beamtenlösung in der Verwaltungsspitze nach dem
Vorbild des Bundeskartellamts und eine Kontrolle durch einen Aufsichtsrat
(Bund), Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften nur mit beratender
Stimme.

– Konsequente Evaluierung aller arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen:
Eine regelmäßige Veröffentlichung von Eingliederungs- und Verbleibsquo-
ten für alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (Eingliederungszuschüsse,
ABM, SAM, Weiterbildung) ist notwendig mit der Vorgabe messbarer Ziel-
vereinbarungen, regionaler Teilziele, dem Auf- und Ausbau von Prämien-
systemen in Abhängigkeit von regionalen Erfolgsquoten, der stärkeren Ein-
beziehung der Kunden der Job-Center in die Auswahl der Maßnahmen und
dem Prinzip der öffentlichen Ausschreibung arbeitsmarktpolitischer Pro-
gramme.

– Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Arbeitnehmerüberlassung:
Notwendig ist eine Erlaubnisfreiheit der Arbeitnehmerüberlassung für Ar-
beitsgemeinschaften zwischen Unternehmen unterschiedlicher Wirtschafts-
zweige und mit unterschiedlichen Tarifverträgen, eine Streichung des mit
Hartz I eingeführten Tarifzwangs für die Zeitarbeit sowie des Zwangs zu
gleichen Arbeitsbedingungen nach sechs Wochen und eine Streichung des
Verbots, einen gekündigten Leiharbeitnehmer nicht vor Ablauf einer Frist
von drei Monaten erneut einzustellen.

– Reform des Kündigungsschutzgesetzes:
Notwendig ist die Einführung eines Vertragsoptionsmodells, das die Frei-
räume der Arbeitsvertragsparteien erweitert. Die Vereinbarung von Abfin-
dungszahlungen bzw. der Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen an-
stelle des gesetzlichen Kündigungsschutzes ist zu ermöglichen. Die Geltung
des Kündigungsschutzgesetzes ist auf Betriebe mit mehr als 20 Arbeitneh-
mern zu beschränken. Notwendig ist die abschließende gesetzliche Konkre-
tisierung der Kriterien für die Sozialauswahl auf die drei Kriterien Alter,
Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen, Anwend-
barkeit des Kündigungsschutzgesetzes erst nach zweijähriger Betriebs-
zugehörigkeit.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/605

– Flexibilisierung des Tarifrechts:
Notwendig ist die Neufassung des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG),
auch ein geringerer Lohn oder eine längere Arbeitszeit kann in Zukunft in
diesem Sinne günstiger sein, wenn hierdurch der Arbeitsplatz gesichert wird
und wenn dem 75 Prozent der abstimmenden Mitarbeiter des Unternehmens
zugestimmt haben.

– Gründliche Entrümpelung des Betriebsverfassungsgesetzes:
Einen Betriebsrat soll es in Unternehmen ab 20 Beschäftigten geben können.
Notwendig ist eine Beschleunigung des Einigungsstellenverfahrens, alle
Mitbestimmungsverfahren müssen an strikte Fristen gebunden werden, Be-
richtspflichten, die mit der Riester-Verschärfung 2000 eingeführt worden
sind, sind zu streichen.
Betriebliche Bündnisse für Arbeit durch Änderung von § 77 Abs. 3 BetrVG
müssen ermöglicht werden, jegliche Vereinbarung auf betrieblicher Ebene
zwischen Unternehmen und Belegschaftsvertretung wird möglich, die frei-
willig geschlossen ist und dem 75 Prozent der abstimmenden Mitarbeiter zu-
gestimmt haben.

– Teilzeit- und Befristungsgesetz überarbeiten:
Unter anderem Rechtsanspruch auf Teilzeit zurücknehmen, Befristung auf
bis zu 4 Jahre ohne sachlichen Grund ermöglichen, wiederholte befristete
Beschäftigung grundsätzlich ermöglichen.

II. In der Finanzpolitik sind Sofortmaßnahmen notwendig. Es gilt, nicht nur
weitere Steuererhöhungen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz zu ver-
hindern, sondern die Steuern zu senken. Der Staat muss alle Möglichkeiten nut-
zen, um die Zurückhaltung bei Konsum und Investitionen zu beenden. Das
trägt dazu bei, die negative Grundstimmung bei Bürgern und Unternehmen um-
zukehren.
Der Staat muss sich aus vielen Bereichen zurückziehen und den Marktkräften
wieder mehr Freiheit einräumen. Daher lehnt der Deutsche Bundestag sämtli-
che Pläne für Konjunkturprogramme – auch über die Kreditanstalt für Wieder-
aufbau – strikt ab. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Konjunkturprogramme
mittelfristig nur zu neuen Schulden führen, dauerhaft aber keinen positiven
Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung haben.
Um finanziellen Spielraum zu erhalten, sind die Ausgaben des Staates zu sen-
ken. Subventionen und Zuwendungen belaufen sich auf mehr als 70 Mrd. Euro.
Kürzungen in diesem Bereich ermöglichen Steuersenkungen für Bürger und
Unternehmen und die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Mit Steuer-
senkungen kann sofort begonnen werden. Dazu werden die letzte Stufe der
Ökosteuern zurückgenommen und die für das Jahr 2005 beschlossenen Steuer-
senkungen auf das Jahr 2004 vorgezogen.
Das Steuervergünstigungsabbaugesetz wird gestoppt. Damit bleibt das Bankge-
heimnis erhalten, und die Einführung flächendeckender Kontrollmitteilungen
entfällt. Zusammen mit der endgültigen Abschaffung der Vermögensteuer und
der Einführung einer Zinsabgeltungsteuer wird so ein positives Signal für Kapi-
talanleger und Investoren gesetzt. Das ermöglicht eine erfolgreiche Rückfüh-
rung bisher nicht versteuerten Kapitals.
– Subventionen und Zuwendungen müssen umgehend linear um 20 Prozent

gekürzt werden.
– Die zum 1. Januar in Kraft getretene letzte Stufe der so genannten ökologi-

schen Steuerreform wird zurückgenommen.

Drucksache 15/605 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– Das Steuervergünstigungsabbaugesetz wird zurückgezogen.
– Die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage auf 30 Prozent wird zurückgenom-

men.
– Die Vermögensteuer wird endgültig abgeschafft.
– Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Konzept für die Einführung

einer relativen Zinsabgeltungsteuer von 25 Prozent vorzulegen.
– Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich Vorschläge für eine

umfassende Vereinfachung des Steuerrechts und eine spürbare Absenkung
der Steuerbelastung vorzulegen.

– Die für das Jahr 2005 bereits beschlossenen Steuerentlastungen werden auf
2004 vorgezogen.

III. Angesichts der Herausforderung einer dramatisch alternden Gesell-
schaft hat die von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführte Bundesregierung
es seit 1998 versäumt, eine konsequente Reform der sozialen Sicherungssys-
teme vorzunehmen. Die sozialen Sicherungssysteme entwickeln sich immer
mehr von Sanierungs- zu Konkursfällen.
Die Bundesregierung hat in der neu begonnenen Wahlperiode des 15. Deut-
schen Bundestages eine letzte Chance, die dringend notwendige Reform der ge-
setzlichen Rentenversicherung und eine beschäftigungsorientierte Reform der
Sozial- und Arbeitslosenhilfe vorzunehmen, die mittel- und langfristig die sozi-
alen Sicherungssysteme sanieren und stabilisieren, bevor im Jahre 2010 die de-
mographische Entwicklung eine langfristige Reform der sozialen Sicherungs-
systeme zusätzlich massiv erschweren wird. Die völlig verfehlte Wirtschafts-
und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung verschärft die Finanzierungspro-
bleme in der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzlich. So konnte trotz Ein-
führung der Ökosteuer, trotz Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und
Absenkung der Rentenreserve der Beitragssatz nicht stabilisiert werden. Nach
neuester Schätzung der Rentenversicherungsträger droht vielmehr eine Bei-
tragssatzsteigerung im Jahr 2004 von 19,5 auf 19,9 Prozent.
Eine zielführende Reform der Alterssicherung muss sich an den folgenden
Grundsätzen ausrichten:
– Die im Beitragssatzsicherungsgesetz vorgenommenen Veränderungen müs-

sen rückgängig gemacht werden. Die Beitragsbemessungsgrenze muss wie-
der auf 4 500 Euro gesenkt werden. Der Korridor der Schwankungsreserve
in der gesetzlichen Rentenversicherung muss deutlich verbreitert werden,
um die Aufgaben einer Schwankungsreserve zu erfüllen. Die Obergrenze
der Schwankungsreserve sollte mindestens um das 1fache, möglichst um das
1,5fache einer Monatsausgabe oberhalb der Untergrenze festgesetzt werden.

– Die Lebensarbeitszeit in Deutschland muss besser ausgeschöpft werden. Die
Anreize zur Frühverrentung müssen überdacht werden: Die Rentenab-
schläge bei vorgezogenem Rentenbeginn von derzeitig 3,6 Prozent sollten
noch stärker die angestiegene Lebenserwartung berücksichtigen. Die Regel-
altersgrenze sollte von der individuellen Berufsbiographie abhängig sein.
Für eine Neujustierung der Lebensarbeitszeit sind schließlich auch Refor-
men in der Bildungspolitik erforderlich. Junge Menschen müssen deutlich
früher nach der Ausbildung ins Arbeitsleben einsteigen.

– Angesichts der weltweit höchsten Lohnzusatzkosten, angesichts steigender
Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, angesichts einer deutlich zu
hohen Gesamt-Abgabenbelastung des Durchschnittsverdieners in Deutsch-
land muss der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft auf
unter 20 Prozent gehalten werden. Die private Vorsorge soll nach einem

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/605

schrittweisen Übergang die gesetzliche Rentenversicherung so ergänzen,
dass erstere zusammen mit der betrieblichen Altersvorsorge etwa die Hälfte
der Alterssicherung beträgt.

– Die Kriterien zur Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge müssen
vereinfacht werden. Als wesentliches Kriterium für die geförderte private
Vorsorge reicht eine praktikable Zweckbestimmung für die Altersvorsorge
aus. Es muss ein echter Wettbewerb aller Anbieter gewährleistet sein, als
Option ein vererbbarer Kapitalstock gebildet werden können und die ange-
botenen privaten Altersvorsorgeprodukte bestimmten Mindeststandards ge-
nügen.

– Das Wohneigentum muss als klassische Altersvorsorge in die Förderung
einbezogen werden, denn ein Rentner, der im Eigenheim wohnt, zahlt keine
Miete, ihm kann nicht gekündigt werden.

– Alle Vorsorgebeiträge für jede Art der Altersvorsorge – auch die der gesetz-
lichen Rentenversicherung und der Selbständigen – sind schrittweise von
der Besteuerung zu befreien. In dem Maße, wie die Rente aus steuerfreien
Beiträgen finanziert wird, soll sie in Zukunft steuerpflichtig werden. Eine
solche nachgelagerte Besteuerung schafft für den Beitragszahler den not-
wendigen Anreiz für den Aufbau einer kapitalgedeckten Vorsorge.

– Die eigenständigen Systeme der Altersvorsorge müssen beibehalten werden,
wie die soziale Sicherung der Beamten und die berufsständischen Versor-
gungswerke der Freien Berufe. Eine Einbeziehung der Selbstständigen und
Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung würde zwar vordergründig
die horizontale Gerechtigkeit erhöhen, langfristig die Finanzierung der ge-
setzlichen Rentenversicherung eher verschärfen als erleichtern.

IV. Eine nachhaltige Gesundheitspolitik darf sich nicht auf reine Kosten-
dämpfung beschränken, sondern muss Wege aufzeigen, wie die durch die
demografische Entwicklung, den medizinischen Fortschritt, die sinkende Lohn-
quote und die wachsenden Ansprüche bedingten Probleme bewältigt werden
können, ohne dass dies die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands beein-
trächtigt und ohne die nachwachsenden Generationen unverhältnismäßig zu
belasten. Deshalb sind folgende Schritte konsequent anzugehen:
– Von Eigenverantwortung darf nicht nur geredet werden. Eigenverantwor-

tung muss gelebt werden. Jedem Bürger muss klar sein, dass es nur bei ei-
nem bewussten und sparsamen Umgang mit den knappen Ressourcen gelin-
gen kann, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Hierfür
müssen Anreize gesetzt werden durch Information und Motivation zu einem
gesundheitsbewussten Leben, durch eine spürbare Selbstbeteiligung und
durch leistungsgerechte Vergütungsstrukturen.

– Eine Verbesserung des Gesundheitssystems wird nicht durch staatliche Vor-
gaben gelingen, sondern nur dadurch, dass alle Beteiligten in einem mög-
lichst freien Wettbewerb um die besten Lösungen miteinander ringen. Die
Bürger müssen ausreichende Möglichkeiten bekommen, ihren Versiche-
rungsschutz nach eigenen Vorstellungen gestalten. Ein Schutz der gesetz-
lichen Krankenversicherung ist nur für den Kernbereich der medizinisch
unabdingbaren Leistungen notwendig.

– Der Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung muss
mobilisiert werden. Da 97 Prozent aller Leistungen der gesetzlichen Kran-
kenversicherung kasseneinheitlich standardisiert sind, findet ein Leistungs-
wettbewerb nicht statt. Es ist erforderlich auch auf der Leistungsseite Wett-
bewerb zuzulassen mit dem Ziel möglichst günstiger Beitragssätze.
Gesetzliche Krankenkassen sollen im Rahmen ihres gesetzlich vorgegebe-

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nen Leistungsspektrums die Höhe der Leistungen über Satzungsbestimmun-
gen aufstocken können z. B. bei Zahnersatz, Kuren, Hilfsmitteln, Arzneimit-
teln und häuslicher Krankenpflege. Darüber hinaus sollen Krankenkassen in
bestimmten, vom Gesetzgeber grundsätzlich definierten Leistungsbereichen
beitragssatzsenkende Leistungskürzungen vornehmen können. Diese Leis-
tungen können bzw. – wenn mit einer Pflicht zur Versicherung versehen –
müssen dann über private Versicherungen abgedeckt werden, die in Koope-
ration mit der privaten Krankenversicherung angeboten werden können.

– Der Arbeitgeberzuschuss ist auf maximal 6,5 Prozent des sozialversiche-
rungspflichtigen Einkommens zu limitieren und steuerneutral als Lohnbe-
standteil auszuzahlen. Das schafft Druck, eine Beitragsmarge von maximal
13 Prozent nicht zu überschreiten. Die Limitierung des Arbeitgeberzuschus-
ses ist zugleich eine Begrenzung der Lohnnebenkosten und schafft dadurch
Arbeitsplätze.

– Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung muss ver-
bessert werden durch ein Rückgängigmachen der Belastungen zu Gunsten
anderer Sozialversicherungszweige, durch die Ausgliederung versiche-
rungsfremder Leistungen und Absenkung der Mehrwertsteuer für Arznei-
mittel auf den reduzierten Satz sowie Beibehaltung des niedrigeren Mehr-
wertsteuersatzes für zahntechnische Leistungen.

– Die Versicherungspflichtgrenze ist in einem ersten Schritt wieder auf das bis
31. Dezember 2002 geltende Niveau zurückzuführen. Weitere Senkungs-
schritte müssen folgen, um mehr Menschen die freie Wahl zwischen gesetz-
licher und privater Krankenversicherung zu lassen und den kapitalgedeck-
ten, demografieunanfälligeren Teil zu stärken.

– Das Gesundheitssystem muss wesentlich transparenter werden. Dazu gehört
neben umfassenden Informationsmöglichkeiten, dass die Kostenerstattung
für alle Versicherten an die Stelle der bürokratischen Sachleistung tritt, um
ein Bewusstsein für Kosten und Leistungen zu schaffen. Klare Regelungen
für die Vergütungen in Form von festen Preisen in allen Leistungsbereichen
anstelle der in die Rationierung führenden Budgets sind notwendig, damit
auch für die Patienten Durchschaubarkeit gegeben ist.

– Das Gesundheitssystem muss gestaltbar und flexibel sein. Das heißt, dass
die freie Arztwahl erhalten bleiben muss. Die Freiberuflichkeit muss Vor-
rang vor institutionellen Lösungen haben. Wahlmöglichkeiten für Versi-
cherte und Patienten müssen verbessert werden.

– Das Gesundheitssystem muss so gestaltet werden, dass die Chancen von Pa-
tienten und Behandler im zusammenwachsenden Europa gewahrt werden.

Berlin, den 12. März 2003
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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