BT-Drucksache 15/5977

Verbesserung der Praxis der Visavergabe und Schaffung gemeinsamer Visastellen der Schengenstaaten

Vom 6. September 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5977
15. Wahlperiode 06. 09. 2005

Antrag
der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Max Stadler, Dr. Werner Hoyer,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Günther Friedrich Nolting, Eberhard
Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Verbesserung der Praxis der Visavergabe und Schaffung gemeinsamer
Visastellen der Schengenstaaten

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland ist ein weltoffenes Land. Wir stehen im weltweiten Wettbewerb um
die „besten Köpfe“. Deutschland ist aber auch ein begehrtes Zielland für viele,
die unberechtigterweise auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen wollen.

Die deutsche Visapolitik ist an die gemeinsamen Regelungen der Schengen-
staaten gebunden. Diese Regelungen sollen – bis in die Details der Antragsbear-
beitung und des Ausfüllens der Anträge hinein – einheitliche Voraussetzungen
und Verfahren bei der Visaerteilung sicherstellen. Dennoch hat sich heraus-
gestellt, dass in der Praxis der Visavergabe zwischen den einzelnen Schengen-
staaten große Unterschiede bestehen. Dies liegt an der unterschiedlichen
Auslegung des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) oder der
Gemeinsamen Konsularischen Instruktionen (GKI) und an unterschiedlicher
Handhabung der verbleibenden Entscheidungsspielräume. Auch die personelle
und materielle Ausstattung der einzelnen Auslandsvertretungen führen immer
wieder zu teilweise stark unterschiedlichen Vergabepraktiken in den Auslands-
vertretungen der Schengenstaaten. Deshalb ist die Vergabe von Visa im Ausland
und die Abstimmung mit den Schengenpartnern ein schwieriger, oftmals politi-
scher Prozess, der Behutsamkeit, Wachsamkeit, Erfahrung und außenpolitisches
Geschick erfordert.

Die Arbeit des sog. Visa-Untersuchungsausschusses hat aufgedeckt, dass seit
dem Regierungswechsel 1998 die rot-grüne Bundesregierung die Visapolitik
ideologisiert und gegen Europarecht verstoßen hat. Diese falschen politischen
Vorgaben hatten verheerende Folgen, weil dadurch Menschenhandel, Schwarz-

arbeit und Zwangsprostitution erleichtert wurden. Die infolge rot-grüner politi-
scher Vorgabe („in dubio pro libertate“) aufgeweichte Prüfung der Visaanträge,
insbesondere in deutschen Auslandsvertretungen in Osteuropa, hat zu einem
Phänomen geführt, das inzwischen als „Visa-Shopping“ bekannt ist: Die von
den einzelnen nationalen Visastellen im Ausland vergebenen Schengenvisa sind
grundsätzlich gleichwertig und berechtigen zum Aufenthalt im gesamten Schen-
genraum. Deshalb stellen viele Antragsteller Kettenanträge bei mehreren Visa-

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stellen, um so die Chance auf den Erhalt eines Visums zu erhöhen. Wie das
schwächste Glied einer Kette deren Stärke bestimmt, wird die Menge der
vergebenen Schengenvisa stets durch die Visastelle mit den niedrigsten Prüf-
anforderungen bestimmt. Es überrascht daher nicht, dass die deutschen Visa-
stellen zwischen 1998 und 2004 von teilweise äußerst dubiosen Antragstellern
überflutet wurden. Das Personal konnte bei bestem Willen dieser Flut nicht mehr
Herr werden, was zu großen Fehlern bei der Prüfung der einzelnen Visaanträge
führen musste.

Viel zu spät haben Auswärtiges Amt und Bundesministerium des Innern begon-
nen, die gravierendsten, teilweise kriminellen Auswirkungen der falschen Visa-
vergabepolitik abzustellen und die Visavergabepolitik selbst wieder rechts-
konform zu gestalten. Missstände bestehen nach wie vor.

Dabei hat Deutschland ein überaus großes politisches und wirtschaftliches Inte-
resse daran, seine Grenzen für die Ausländer zu öffnen, die aus nachvollzieh-
baren Gründen in unser Land reisen wollen. Die hierfür notwendige Prüfung
kann am besten der Auswärtige Dienst leisten, weil er die nötigen Vor-Ort-
Kenntnisse im jeweiligen Gastland besitzt.

Eine den internationalen Verpflichtungen entsprechende Prüfung setzt einerseits
eine ausreichende Personalausstattung voraus und andererseits eine enge Ab-
stimmung unter den Schengen-Partnern. Beides lässt sich durch die Schaffung
gemeinsamer Visastellen der Schengenstaaten erreichen. Die Zusammenlegung
verbessert durch Synergieeffekte und die Unterbindung des „Visa-Shopping“
die pro Antrag zur Verfügung stehenden Personalressourcen und damit die
Prüfintensität und bewirkt zugleich eine einheitliche Anwendung der Schengen-
Regelungen zur Visavergabe.

Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

1. die notwendige Abstimmung bei der Visapolitik zwischen dem federführen-
den Auswärtigen Amt einerseits und dem Bundesministerium des Innern an-
dererseits zu verbessern und, wo nötig, zu intensivieren;

2. die im Auswärtigen Amt erkannten Organisationsmängel bei der Visavergabe
schnellstens abzustellen und der Visapolitik die notwendige Aufmerksamkeit
auch auf der Leitungsebene zu sichern;

3. die deutschen Visastellen stärker mit erfahrenen Beamten aller Laufbahnen
des Auswärtigen Dienstes zu besetzen und darauf zu achten, dass Visaanträge
nicht ausschließlich durch Ortskräfte geprüft werden;

4. die so genannten Schengen-Runden in den Gastländern intensiv zu nutzen,
um die Visavergabepraxis vor Ort unter den Schengenpartnern abzustimmen,
damit mittelfristig das „Visa-Shopping“ unterbunden wird;

5. auf der gemeinsamen Rechtsgrundlage von SDÜ und GKI schnellstmöglich
mit den Schengenpartnern gemeinsame Visastellen im Ausland, insbeson-
dere in den missbrauchsgefährdeten Regionen einzurichten. Allerdings ist
dabei zu berücksichtigen, dass Deutschland auch im Wettbewerb mit den
Schengenpartnern steht: Die Einrichtung gemeinsamer Visastellen darf nicht
dazu führen, dass „Bona-fide-Reisende“ nicht mehr nach Deutschland kom-
men.

Berlin, den 6. September 2005

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
Antrag
Verbesserung der Praxis der Visavergabe und Schaffung gemeinsamer Visastellen der Schengenstaaten

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