BT-Drucksache 15/580

GATS-Verhandlungen - Bildung als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern

Vom 12. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/580
15. Wahlperiode 12. 03. 2003

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Christoph Hartmann (Homburg),
Birgit Homburger, Horst Friedrich (Bayreuth), Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Rainer
Funke, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Ulrich Heinrich,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Rainer Stinner, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

GATS-Verhandlungen – Bildung als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt
sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Im Zuge der neuen Verhandlungsrunde in der WTO zur Liberalisierung der
Dienstleistungen auf der Basis des GATS kommt es im Bildungsbereich zu
einer entscheidenden Weichenstellung. Dabei müssen die WTO-Mitglieder bis
Ende März 2003 angeben, in welchen Bereichen sie zu Zugeständnissen bereit
sind und ihre Märkte für ausländische Anbieter öffnen wollen.
Die Verhandlungen sind umfassend, ohne a priori Ausschluss einzelner Dienst-
leistungen angelegt und sollen zu fortschreitender Liberalisierung unter Beach-
tung der bestehenden flexiblen Strukturen des GATS führen.
Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten haben im Rahmen des GATS
bereits für zahlreiche Dienstleistungen Liberalisierungsverpflichtungen über-
nommen. Diese Vorleistungen sind anerkennenswert, sollten aber nicht dazu
führen, den Prozess der fortschreitenden Liberalisierung zu stoppen. Vielmehr
muss es darum gehen, Liberalisierung zur Verbesserung der Qualität im Bil-
dungsbereich zu nutzen.
Die EU hat Ende Juni 2002 individuelle Forderungen an insgesamt 109 Länder
gerichtet. Sie beziehen sich auf bis zu zwölf Dienstleistungssektoren und um-
fassen Telekommunikation, unternehmensbezogene Dienstleistungen, Verkehr,
Finanzdienstleistungen, freie Berufe, Bau- und Umweltdienstleistungen, Tou-
rismus, Vertrieb, Energie, Nachrichten- und Presseagenturen sowie Post- und
Kurierdienste. An die USA richtet sich eine punktuelle Forderung für privat
finanzierte Dienstleistungen der höheren Bildung („Higher education ser-
vices“). Die EU selbst hat seit Juli 2002 Forderungen von 25 WTO-Mitgliedern
erhalten, darunter auch solche, die sich auf die Abschaffung genereller EU-Vor-
behalte für Dienstleistungen, die als öffentliche Aufgaben betrachtet werden.
Weitere Liberalisierungsanforderungen sind zu erwarten.

Drucksache 15/580 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Das nächste zentrale Datum für die WTO-Dienstleistungsverhandlungen ist der
30. März 2003. Bis dahin sollen die WTO-Mitglieder ihre Verhandlungsange-
bote erarbeiten. Nach den bisher vorliegenden Informationen beabsichtigt die
EU-Kommission, keine über die 1995 eingegangenen Verpflichtungen hinaus-
gehenden Vorschläge vorzulegen. Der Deutsche Bundestag hält diese Position
für zu restriktiv und hofft, dass die Kommission im Diskussionsverlauf stärker
die Chancen einer weitergehenden Liberalisierung für Qualität und Marktzu-
gang erkennt.

Der Deutsche Bundestag begrüßt
– eine weitergehende Liberalisierung des deutschen Bildungsmarktes. Es ist

eine Chance für den Standort Deutschland, wenn international renommierte
Universitäten oder Bildungsträger in unserem Land lehren wollen. Sofern
diese den staatlich vorgegebenen Qualitätsrichtlinien entsprechen, ermög-
licht die neu entstehende Wettbewerbsstruktur eine Verbesserung der Bil-
dungsleistungen in Deutschland.

– , dass durch eine schrittweise Öffnung des deutschen Bildungsmarktes nicht
mehr allein die staatliche Aufsicht Qualität garantiert, sondern Wettbewerb
um die Besten und unter den Besten. Wir brauchen keine Regularien, die uns
vor den Besten schützen, sondern Mechanismen, die es uns erlauben, von
ihnen zu profitieren. Wettbewerb im Bildungsbereich würde zwar viele
Strukturen verändern und Angebote minderer Qualität verdrängen, insge-
samt aber das Qualitätsniveau steigern.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– eine breite Diskussion über die Chancen und Möglichkeiten, über den Stand

der Verhandlungen und über das Verfahren des GATS-Prozesses in die
Öffentlichkeit zu tragen;

– ein klares Votum an die Europäische Kommission über den Abbau wettbe-
werbsverzerrender Maßnahmen abzugeben. Dieses Votum beinhaltet für
ausländische Bildungsanbieter die Niederlassungsfreiheit und die Möglich-
keit, sich um die zur Verfügung stehenden staatlichen Mittelzuweisungen zu
bewerben. Eine transparente und differenzierte Subventionspolitik ist auch
unter GATS begründet und kann in eigener nationaler Verantwortung mit
wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden;

– in einem ersten Schritt folgende Bereiche des Bildungssektors der EU-Kom-
mission für eine Liberalisierung im Rahmen des GATS-Abkommens vorzu-
schlagen:
– Akkreditierung von Studiengängen,
– Eingangstests für Studierende an Hochschulen. Diese können ebenso von

den Hochschulen selbst wie von in- oder ausländischen Anbietern im
Lizenzverfahren durchgeführt werden. Die Entscheidung darüber, wer
diese Tests durchführt, soll bei den Hochschulen liegen,

– den Mittelzugang für den Hochschulbau innerhalb der EU so zu regeln,
dass ausländische Hochschulen, sofern sie die Anforderungen der jewei-
ligen nationalen Standards erfüllen, gleiche Chancen auf dem europäi-
schen Markt haben,

– Überprüfung der Einhaltung von Qualitäts- und Bildungsstandards für
Schulen und Hochschulen im Rahmen der vom Bund und Ländern erar-
beiteten Rahmenrichtlinien;

– die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen durch eine Novellie-
rung des Hochschulrahmengesetzes, eine Reform der Professorenbesoldung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/580

und ein modernes Wissenschaftsvertragsrecht zu stärken. Dabei muss der
Aufbau und die Stärkung der Autonomie der Hochschulen im Vordergrund
stehen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich bei den Bundesländern
für entsprechende Änderungen in den Länder-Hochschulgesetzen einzuset-
zen;

– über Bildungschecks die Voraussetzungen in Deutschland und auch in den
Staaten der EU zu schaffen, dass sich die Studierenden die Universitäten
selbst aussuchen können, langfristig sogar innerhalb der Europäischen
Union.

Berlin, den 12. März 2003
Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Christoph Hartmann (Homburg)
Birgit Homburger
Horst Friedrich (Bayreuth)
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Rainer Stinner
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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