BT-Drucksache 15/5775

Praxis der Verfolgung von Unterhaltspflichtverletzungen im Sinne des § 170 Strafgesetzbuch

Vom 15. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5775
15. Wahlperiode 15. 06. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit
Homburger, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Praxis der Verfolgung von Unterhaltspflichtverletzungen im Sinne des § 170
Strafgesetzbuch

Die Zahlungsmoral von Unterhaltsverpflichteten ist verbesserungswürdig. Nach
einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend der Bundesregierung („Wenn aus Liebe rote Zahlen werden – über
die wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung“, Borgloh, Güllner,
Wilking, Andreß, 2003), erhalten zwei Drittel der Frauen, die einen Anspruch
auf Trennungsunterhalt haben, keinerlei Zahlungen, obwohl die Mehrheit der
Verpflichteten zahlungsfähig wäre. Diejenigen Männer, die einen Trennungsun-
terhaltsanspruch haben, erhalten sogar zu 90 Prozent keinen Unterhalt. Unterlas-
sene Unterhaltsleistungen werden überwiegend hingenommen, ohne dass recht-
liche Schritte unternommen würden.
Letztes rechtliches Mittel stellt die strafrechtliche Verfolgung gemäß § 170
Strafgesetzbuch (StGB) dar, wonach derjenige bestraft wird, der sich einer ge-
setzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so dass der Lebensbedarf des Unterhalts-
berechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre. § 170
Abs. 2 StGB bestimmt die Strafbarkeit desjenigen, der einer Schwangeren zum
Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicherWeise vorent-
hält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt. Dieser Absatz wurde
nach dem zweiten Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1995 (BVerfGE 88,
203, 298) zum Schwangerschaftsabbruch aufgenommen, um dem ungeborenen
Leben einen größeren Schutz zu gewähren und einer Frau die Entscheidung für
ein Kind frei von materiellen Zwängen zu ermöglichen.
Für die Unterhaltsvorschusskassen ist eine Anzeige nach § 170 StGB oft das
letzte Mittel, auf Unterhaltspflichtverletzung zu reagieren.
In der polizeilichen Kriminalstatistik 2003 werden 18 668 ermittelte Tatver-
dächtige ausgewiesen, die sich in 17 963 männliche und 705 weibliche Tatver-
dächtige aufgliedern. Das Anzeigeverhalten und die Verurteiltenquote sind nicht
erkennbar.

Drucksache 15/5775 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl der nach § 170

StGB Verurteilten in den letzten fünf Jahren?
2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Anwendung von

§ 170 Abs. 2 StGB in den vergangenen fünf Jahren?
3. Inwieweit ist die Bundesregierung der Meinung, dass der § 170 Abs. 2

StGB sich bewährt hat in seiner Schutzfunktion gegenüber dem ungebore-
nen Leben?

4. In wie vielen Fällen waren Unterhaltsverpflichtete im Jahre 2003 verdäch-
tig, ihren Unterhaltsverpflichtungen dadurch nicht nachgekommen zu sein,
dass sie ihren Erziehungs- und Pflegepflichten gegenüber minderjährigen
Kindern nicht nachgekommen sind?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Höhe der Dunkelzif-
fer der Tatverdächtigen bei der Verwirklichung des § 170 StGB?

6. Wie häufig waren Opfer der Unterhaltspflichtverletzungminderjährige Kin-
der?

7. Wie häufig sind Opfer der Unterhaltspflichtverletzung Ehegatten (aufge-
gliedert nach Unterhaltspflichtverletzung in der Trennungszeit und nach der
Ehescheidung)?

8. In wie vielen Fällen in den letzten fünf Jahren wurde der Strafantrag von den
Verletzten selbst und in wie vielen von den Jugend- bzw. Sozialämtern ge-
stellt?

9. Hält die Bundesregierung die strafrechtliche Verfolgung der Unterhalts-
rechtsverletzungen für geeignet, die Zahlungsmoral der Unterhaltsver-
pflichteten zu erhöhen?

10. Welche konkreten Initiativen plant die Bundesregierung unabhängig von
der strafrechtlichen Verfolgung, um die Zahlungsmoral der Unterhaltsver-
pflichteten zu erhöhen?

11. In wie vielen Fällen der Verurteilung nach § 170 StGBweicht die strafrecht-
liche Beurteilung der Leistungsfähigkeit von der zivilrechtlich festgestellten
Leistungsfähigkeit ab?

12. Inwieweit gefährdet nach Ansicht der Bundesregierung eine verhängte
Geldstrafe die Unterhaltszahlungen?

13. Wie erklärt sich die Bundesregierung das Verhältnis der Zahl der männ-
lichen (18 668) zu der Zahl der weiblichen (705) Tatverdächtigen in 2003?

Berlin, den 13. Juni 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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