BT-Drucksache 15/5625

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/4493, 15/5606- Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG)

Vom 1. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5625
15. Wahlperiode 01. 06. 2005

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel
Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Markus Löning, Günther
Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/4493, 15/5606 –

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes
(Informationsfreiheitsgesetz – IFG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. In einer modernen Informationsgesellschaft ist ein Informationsfreiheitsge-

setz unerlässlich. Eine moderne Informationsgesellschaft ist nur dann auch
eine demokratische Informationsgesellschaft, wenn Bürgerinnen und Bürger
unabhängig von persönlicher Betroffenheit einen Anspruch auf Informa-
tionszugang haben. Amtsgeheimnis bzw. beschränkte Aktenöffentlichkeit
passen nicht mehr zu einem modernen Verwaltungsverständnis, das auf
Kooperation und Dienstleistung statt staatlichen Zwang und Anordnung
setzt. Ein allgemeiner Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen
entspricht darüber hinaus europäischem und internationalem Standard.

2. Ein Informationsfreiheitsgesetz soll die Transparenz, Akzeptanz und Effizi-
enz staatlichen Handelns erhöhen. Es soll der Korruptionsbekämpfung die-
nen, vertrauensbildend und Streit vermeidend wirken und einen Beitrag zur
Entbürokratisierung leisten. Dabei hat es öffentliche Belange sowie Belange
des Datenschutzes und des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnis-
sen zu wahren.

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3. Hinter diesem Anspruch bleibt der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des
Zugangs zu Informationen des Bundes zum Teil deutlich zurück:
a) Beim Schutz personenbezogener Daten sowie von Betriebs- und Ge-

schäftsgeheimnissen enthält der Gesetzentwurf sachgerechte Lösungen.
Etwas anderes gilt für den Schutz öffentlicher Belange. Hier wird der Ge-
setzentwurf dem Grundsatz „so viel Informationen wie möglich, so viel
Geheimschutz wie nötig“ nicht gerecht. Die Ausnahme ganzer Behörden
von der Anwendung des Gesetzes ist sachlich nicht gerechtfertigt und
führt zu einem erheblichen Verlust an Informationsfreiheit. Sie entspricht
auch nicht internationalem Standard. Aufgabenspezifische Ausnahmen
vom Grundsatz der Informationsfreiheit, namentlich bei den Ressorts
Inneres, Finanzen, Verteidigung und Äußeres, sind mit dem Transparenz-
ziel des Informationsfreiheitsgesetzes nicht vereinbar. Besonders proble-
matisch ist das Versagen eines Informationsanspruchs für den Fall, dass
fiskalische Interessen des Bundes beeinträchtigt werden. Die Ausnahme
gerade dieses Bereiches aus der Informationszugangsfreiheit ist unter dem
Gesichtspunkt der Korruptionsbekämpfung zweckwidrig. Angesichts der
vielen Ausnahmebestimmungen droht einerseits eine Überbürokratisie-
rung bei der Entscheidung über den Informationsanspruch, andererseits
wird es den Behörden leicht gemacht, Ablehnungsgründe zu finden oder
zu konstruieren. Der vieldeutig ausgestaltete Ausnahmenkatalog führt zu-
dem zu Rechtsunklarheit. Er erschwert die Anwendung und verringert die
Akzeptanz des Gesetzes bei Bürgerinnen und Bürgern wie auch bei
Behörden. Hier wäre eine Abwägungsklausel zwischen den öffentlichen
Belangen und dem Interesse des Antragstellers die bessere Lösung. Diese
hätte es ermöglicht, öffentliche Belange zu schützen, ohne ganze Verwal-
tungszweige bzw. behördliche Aufgaben von der Informationsfreiheit
auszunehmen.

b) Die Ausgestaltung des Verfahrens ist insgesamt unbefriedigend gelöst.
Zwar ist nunmehr klar gestellt, dass der Anspruch auf Informationsertei-
lung voraussetzungslos gewährt wird, es auf ein rechtliches oder sonsti-
ges Interesse also nicht ankommt. Rechtlich problematisch und wenig
bürgerfreundlich ist es jedoch, dass für den Fall der Ablehnung eines In-
formationsgesuchs für die Antragsbescheidung keine Schriftform vorge-
sehen ist. Das erschwert den Rechtsschutz. Außerdem erschwert es die
Überprüfungsmöglichkeiten der oder des Bundesbeauftragten für die
Informationsfreiheit. Auf das Recht einer solchen Überprüfung sollte im
Falle der Ablehnung des Antrages stets gesondert hingewiesen werden.
Die Erfahrungen mit den Landesinformationsfreiheitsgesetzen zeigen,
dass die Anrufung der oder des Beauftragten für die Informationsfreiheit
häufig zu einer einvernehmlichen und vor allem schnellen Lösung für
alle Beteiligten führt, wodurch ein Gerichtsverfahren vermieden werden
kann. Eine einem Gerichtsverfahren vorgeschaltete Streitschlichtung
fehlt im Gesetzentwurf. Bedenklich ist des Weiteren die Reduzierung des
gerichtlichen Rechtsschutzes auf die Verpflichtungsklage. Außergewöhn-
liche Konstellationen (z. B. Drittanfechtungen) lassen sich so nicht erfas-
sen. Außerdem wird auf diese Weise die Erteilung bzw. Nichterteilung
der Information als Verwaltungsakt eingestuft, was zu einer zusätzlichen
Bürokratisierung des Verfahrens führt.

c) Keinesfalls akzeptabel ist, dass die Behörde nicht verpflichtet ist, die in-
haltliche Richtigkeit der Information zu überprüfen. Regelmäßig werden
die Bürgerinnen und Bürger auf die Richtigkeit der erteilten Information
vertrauen und ihr Verhalten hierauf einrichten. Im Falle unrichtiger Infor-
mationserteilung drohen erhebliche Schäden, für die die Behörde dann
nicht haftet. Um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Rich-
tigkeit der erteilten Information zu schützen und sie vor Schäden zu be-

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wahren, sollte die Behörde jedenfalls dann, wenn ihr Zweifel an der
Richtigkeit einer Information bekannt sind, verpflichtet sein, diese bei
der Weitergabe der Information mitzuteilen.

d) Gänzlich unberücksichtigt lässt der Gesetzentwurf aktive Informations-
pflichten der Behörden, wie sie z. B. im Umweltinformationsgesetz ge-
regelt sind. In einer modernen Informationsgesellschaft hat der Staat aber
nicht nur die Aufgabe, auf Nachfrage Informationen zu erteilen. Zu seinen
Aufgaben gehört auch die Informationsvorsorge, also die aktive Unter-
richtung der Bürgerinnen und Bürger.

e) Des Weiteren lässt sich dem Entwurf kein allgemeines Konzept eines In-
formationsrechts entnehmen. Zwar anerkennt der Entwurf, dass es sich
bei der Informationsfreiheit und dem Datenschutz um zwei Seiten ein
und derselben Medaille handelt. Auch löst er das Spannungsverhältnis
zwischen Informationszugang auf der einen und Datenschutz sowie
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auf der anderen Seite
überzeugend auf und institutionalisiert es in der Person des Beauftragten
für den Datenschutz und zukünftig auch die Informationsfreiheit. Was je-
doch fehlt, ist eine Integration des Informationsfreiheitsrechts in das all-
gemeine Informationsrecht, insbesondere das Archiv- und Registerrecht
sowie das Informationsrecht nach dem Verwaltungsverfahrens- und Um-
weltinformationsgesetz.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz unter Beachtung ins-
besondere folgender Maßgaben vorzulegen:
1. Beschränkung der Ausnahmen von der Informationszugangsfreiheit auf das

zum Schutz öffentlicher Belange erforderliche Maß;
2. kein abwägungsfreier Vorrang öffentlicher Belange, sondern Abwägung des

Geheimhaltungsinteresses der Behörde mit dem Offenlegungsinteresse des
Antragstellers;

3. Stärkung der außergerichtlichen Streitbeilegung durch aktivere Rolle der
oder des Beauftragten für die Informationsfreiheit bei Nichterteilung von
Informationen;

4. Ergänzung des Informationsfreiheitsrechts um die Aufgabe der Informa-
tionsvorsorge, insbesondere durch Nutzung der neuen Medien und Einbin-
dung in E-Government-Projekte;

5. Verzahnung des Informationsfreiheitsrechts mit dem allgemeinen Informa-
tionsrecht.

Berlin, den 1. Juni 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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