BT-Drucksache 15/5460

Diskriminierung von Menschen mit Behinderung beim Fahrkarten- und Ticketkauf verhindern - Teilhabe ermöglichen

Vom 11. Mai 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5460
15. Wahlperiode 11. 05. 2005

Antrag
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus
Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Günther Friedrich Nolting, Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Diskriminierung von Menschen mit Behinderung beim Fahrkarten- und
Ticketkauf verhindern – Teilhabe ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die einfachste Möglichkeit, eine Fahrkarte vor Ort zu lösen, ist der Weg über
einen Fahrkartenautomaten. Doch für Behinderte ist er oftmals nicht gangbar,
da umfangreiche Barrieren diesen Weg versperren. Behindertengerechte Auto-
maten sind in Deutschland weitestgehend unbekannt. Das führt zu einer Aus-
grenzung bzw. Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Teilweise
kommt es auf Bahnhöfen zu grotesken Situationen, wenn beispielsweise Blin-
denleitstreifen zu Fahrkartenautomaten führen, die kein Blinder bedienen kann.
Besonders angesichts der verworfenen Pläne der Bundesregierung die Freifahrt-
möglichkeiten für Schwerbehinderte erheblich einzuschränken, bekam die
Diskussion über den barrierefreien Zugang zu Fahrkartenautomaten eine neue
Qualität. Dieser Plan der Bundesregierung sorgte im Frühsommer 2004 für
erhebliches Aufsehen und verständlichen Unmut seitens der Betroffenen. Die
anschließende Diskussion zeigte nochmals deutlich, welchen Schwierigkeiten
Menschen mit Behinderung allein beim Erwerb eines Fahrausweises ausgesetzt
sein können. Häufig ist es Menschen mit Behinderung schlicht unmöglich, die
immer größere Zahl der Fahrkartenautomaten selbstständig zu bedienen. Ein
Erwerb an herkömmlichen Verkaufstellen ist zunehmend nicht durchführbar, da
ihre Anzahl sinkt. Selbst wenn noch eine Verkaufstelle vorhanden sein sollte, se-
hen sich die Menschen mit Behinderung oftmals ausgegrenzt: In neuester Zeit
geht beispielsweise die Deutsche Bahn AG dazu über, bei der Preisgestaltung
der Bahnfahrkarten zwischen einem Verkauf am Schalter und einem Verkauf am
Automaten bzw. via Internet zu differenzieren. In der Praxis bedeutet dies: Men-
schen mit Behinderung, die auf den Fahrkartenkauf am Schalter angewiesen
sind, müssen einen höheren Fahrpreis entrichten. Diese Tendenz wird sich mit
zunehmender Automatisierung des Fahrkartenverkaufs weiter verstärken.

Drucksache 15/5460 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Bisher besteht bei der Deutschen Bahn AG die Regelung, dass Blinde kostenfrei
im Zug nachlösen können. Von dieser vernünftigen Regelung kann bisher aber
auch nur diese Gruppe profitieren. Gerade angesichts der Geschäftspolitik, im-
mer mehr Schalter durch Fahrkartenautomaten zu ersetzen und sogar telefonisch
vorbestellte Karten an Fahrkartenautomaten ausgeben zu lassen, nimmt die Be-
deutung des Nachlösens im Zug für alleinreisende Menschen mit Behinderung
zu, da ein wirklich behindertengerechtes Vertriebssystem nicht in Sicht ist.
Menschen mit Behinderung sind wesentlich mobiler als viele Bürger annehmen.
Ihre Mobilität ist nicht auf das unmittelbare Wohnumfeld beschränkt. Sie fühlen
sich daher durch ein solches Vertriebssystem in besonderer Weise diskriminiert.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Freifahrten für
Menschen mit Behinderung“ (Bundestagsdrucksache 15/4581) betont die Bun-
desregierung in ihrer Vorbemerkung: „Der barrierefreie Personennahverkehr ist
für die Bundesregierung ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Ver-
kehrspolitik. Behinderte Menschen sollen möglichst uneingeschränkt am
öffentlichen Leben teilnehmen, einer Arbeit oder Freizeitaktivität nachgehen
können. Der Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr ist für behinderte
Menschen daher besonders wichtig.“ Der Deutsche Bundestag schließt sich die-
ser Aussage nachdrücklich an.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
Gespräche mit den Verkehrsunternehmen zu führen, die eine freiwillige Selbst-
verpflichtung der Verkehrsunternehmen zum Ziel haben, so dass Menschen mit
Behinderung keinen höheren Fahrpreis entrichten müssen, wenn sie nicht in der
Lage sind, Fahrkartenautomaten ohne fremde Hilfe zu bedienen. Dies könnte
z. B. dadurch herbeigeführt werden, dass nicht nur wie bisher Blinde, sondern
alle Menschen mit Behinderung, die in Besitz einer Wertmarke sind und ohne
Begleitperson reisen, von der Nachlösegebühr in Zügen generell befreit werden.
Außerdem sollte für diesen Personenkreis ein Zuschlag für den Schalterverkauf
entfallen.

Berlin, den 11. Mai 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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