BT-Drucksache 15/5399

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/4100- Bericht der Bundesregierung über die Perspektiven für Deutschland - Nationale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung Fortschrittsbericht 2004

Vom 25. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5399
15. Wahlperiode 25. 04. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/4100 –

Bericht der Bundesregierung über die Perspektiven für Deutschland –
Nationale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung
Fortschrittsbericht 2004

A. Problem
Im April 2002 beschloss die Bundesregierung die Nachhaltigkeitsstrategie
„Perspektiven für Deutschland“. Sie benannte darin vier vorrangige Hand-
lungsfelder und legte 21 Indikatoren zur Beurteilung des Standes nachhaltiger
Entwicklung fest. Mit der Vorlage, ihrem im November 2004 veröffentlichten
Fortschrittsbericht, nahm die Bundesregierung eine erste Evaluierung ihrer
nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vor.

B. Lösung
In Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung –Drucksache 15/4100
– Annahme einer interfraktionellen Entschließung, mit der die Bundesregierung
insbesondere aufgefordert werden soll, die Stellungnahme des Parlamenta-
rischen Beirats für nachhaltige Entwicklung bei der Fortschreibung ihrer Nach-
haltigkeitsstrategie zu berücksichtigen, insbesondere sich den vom Parlamen-
tarischen Beirat vorgeschlagenen Handlungsfeldern und Querschnittsaufgaben
bei der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie verstärkt zu widmen.
Einstimmigkeit im Ausschuss

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Drucksache 15/5399 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung – Drucksache
15/4100 – folgende Entschließung anzunehmen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich bei der Konferenz der Verein-
ten Nationen 1992 in Rio de Janeiro zum Leitbild der nachhaltigen Entwick-
lung bekannt und sich mit der Agenda 21 ein globales Aktionsprogramm für
das 21. Jahrhundert gegeben. Seitdem hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit
bzw. der nachhaltigen Entwicklung in vielen Politikfeldern als Leitbild etab-
liert. Leitgedanke ist, mit dem heutigen Denken und Handeln die Lebenssitua-
tion der derzeitigen Generation zu verbessern, ohne die Zukunftsperspektiven
der kommenden Generationen zu verschlechtern. Diesem Gedanken fühlt sich
der Deutsche Bundestag verpflichtet.
Der Deutsche Bundestag hat bereits in der 13. und 14. Legislaturperiode mit der
Einsetzung der Enquete-Kommissionen „Schutz des Menschen und der Um-
welt“, „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antwor-
ten“, „Demographischer Wandel – Herausforderungen unserer älter werdenden
Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik“ und „Nachhaltige Energiever-
sorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung“ wich-
tige inhaltliche Grundlagen gelegt und die entscheidendenWeichen für eine Insti-
tutionalisierung des Nachhaltigkeitsansatzes in der deutschen Politik gestellt. Die
vom Deutschen Bundestag eingerichtete Enquete-Kommission „Schutz des Men-
schen und der Umwelt“ entwickelte das Zieldreieck der nachhaltigen Entwick-
lung. Es vereint neben ökologischen auch ökonomische und soziale Ziele und
stellt somit den Querschnittscharakter der Nachhaltigkeit heraus. Die Ziele
stehen gleichberechtigt und gleichwertig zueinander und formen so „eine
dreidimensionale Perspektive“ (Enquete-Kommission) für eine nachhaltige
Gesellschaftspolitik. Ziel ist dabei die Sicherstellung und Verbesserung der
ökologischen, ökonomischen und sozialen Leistungsfähigkeit. Diese bedingen
einander und können nicht „teiloptimiert“ werden. Es geht darum, die Bedürf-
nisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger
Generationen zu gefährden.
Die Bundesregierung hat im Jahr 2001 als Beratergremium den Rat für nach-
haltige Entwicklung berufen. Mit der im April 2002 beschlossenen Nachhaltig-
keitsstrategie „Perspektiven für Deutschland“ hat sie vier vorrangige Hand-
lungsfelder festgelegt und 21 Indikatoren definiert, mit denen die nachhaltige
Entwicklung messbar und quantifizierbar wird. Im November 2004 legte die
Bundesregierung mit dem Fortschrittsbericht 2004 eine erste Evaluierung der
Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vor.
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat nach intensiver
Debatte des Fortschrittsberichts zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregie-
rung eine Stellungnahme erarbeitet.
II. Der Deutsche Bundestag versteht es als seine besondere parlamentarische
Aufgabe, die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung
weiter kritisch zu begleiten und setzt sich zugleich für eine gesellschaftliche
Debatte zur nachhaltigen Entwicklung ein. Der Deutsche Bundestag wird den
Informationsaustausch, die Vernetzung sowie Kooperationen mit den anderen
politischen und gesellschaftlichen Akteuren der Nachhaltigkeit national wie
international verstärken.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5399

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
l die Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwick-

lung (siehe Anlage zum Bericht) bei der Fortschreibung ihrer Nachhaltig-
keitsstrategie zu berücksichtigen;

l insbesondere die vom Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung
in seiner Stellungnahme vorgeschlagenenHandlungsfelder und Querschnitts-
aufgaben (Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, Forschung und Inno-
vation, Prävention, Demografie und Infrastruktur, Verbraucherpolitik/Le-
bensstile, Internationale Vernetzung, biologische Vielfalt und nachhaltige
Finanzpolitik) bei der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie ver-
stärkt zu berücksichtigen.

Berlin, den 16. März 2005

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Astrid Klug
Berichterstatterin

Helge Braun
Berichterstatter

Winfried Hermann
Berichterstatter

Michael Kauch
Berichterstatter

Drucksache 15/5399 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Astrid Klug, Helge Braun, Winfried Hermann und
Michael Kauch

I. Überweisung
Der Bericht der Bundesregierung über die Perspektiven für
Deutschland – Nationale Strategie für eine nachhaltige Ent-
wicklung, Fortschrittsbericht 2004 – Drucksache 15/4100 –
wurde in der 151. Sitzung des Deutschen Bundestages am
20. Januar 2005 zur federführenden Beratung an den Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit über-
wiesen. Zur Mitberatung wurde er an den Finanzausschuss,
den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, den Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Aus-
schuss für Gesundheit und soziale Sicherung, den Ausschuss
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, den Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, den
Ausschuss fürwirtschaftlicheZusammenarbeit undEntwick-
lung sowie den Ausschuss für Tourismus überwiesen.
II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Im April 2002 beschloss die Bundesregierung die Nach-
haltigkeitsstrategie „Perspektiven für Deutschland“. Sie
benannte darin vier vorrangige Handlungsfelder und legte
21 Indikatoren zur Beurteilung des Standes nachhaltiger Ent-
wicklung fest.Mit derVorlage, ihrem imNovember 2004ver-
öffentlichten Fortschrittsbericht, legt die Bundesregierung
erstmals Rechenschaft über das Erreichte ab, entwickelt die
Strategie weiter und setzt neue Schwerpunkte. Für diese Le-
gislaturperiode stehen vier Schwerpunktthemen auf der
Agenda. Diese wurden zum Teil bereits in der Nachhaltig-
keitsstrategie skizziert undwerden nun imFortschrittsbericht
mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Zu den Schwer-
punktthemen gehören die Potenziale älterer Menschen in
Wirtschaft und Gesellschaft, die künftige Energieversor-
gungsstruktur unter Einbeziehung der erneuerbaren Ener-
gien, eineKraftstoffstrategie zu alternativenKraftstoffen und
innovativen Antriebstechnologien sowie die Verminderung
der Flächeninanspruchnahme. Mithilfe von 21 ausgewählten
Schlüsselindikatoren sollen der Stand der nachhaltigen Ent-
wicklung, die erzielten Fortschritte und weiter bestehender
Handlungsbedarf aufgezeigt werden. In dem Berichtszeit-
raum von weniger als zwei Jahren lassen sich bereits erste
Trends erkennen. Viele Ziele sind aber mittel- und langfristig
angelegt, da die Nachhaltigkeitsstrategie Perspektiven für
längere Zeiträume aufzeigen soll. Dementsprechend soll die
Strategie in einem langfristigen Prozess fortgeschrieben und
weiterentwickeltwerden.Über dieUmsetzungder zu denvier
SchwerpunktthemengenanntenZieleundMaßnahmenwilldie
Bundesregierung im Jahr 2006 in einem zweiten Fortschritts-
bericht Bilanz ziehen. Dabei soll die Strategie auch als Ganzes
auf den Prüfstand gestellt werden. Die Akteure in Politik und
Gesellschaft sind gefragt, Veränderungen in der Gesellschaft
aufzugreifen und in Entscheidungen über die Prioritäten einer
nachhaltigen Entwicklung einfließen zu lassen.
III. StellungnahmendermitberatendenAusschüsse
Der Finanzausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Arbeit, derAusschuss fürVerbraucherschutz,Ernährung

und Landwirtschaft, der Ausschuss für Bildung, For-
schungundTechnikfolgenabschätzung, derAusschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie derAusschuss für
Tourismus haben die Vorlage jeweils zur Kenntnis ge-
nommen. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, der Ausschuss für Gesundheit und soziale
Sicherung sowie der Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen haben die Vorlage jeweils zur Kenntnis
genommen und den interfraktionellen Entschließungsantrag
einstimmig angenommen.
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung
hat eine gutachtliche Stellungnahme (Anlage) abgegeben.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse im federfüh-
renden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Bericht der Bundesregierung über die
Perspektiven für Deutschland – Nationale Strategie für eine
nachhaltige Entwicklung, Fortschrittsbericht 2004 – Druck-
sache 15/4100 – in seinen Sitzungen am23. Februar 2005 und
am 16. März 2005 beraten. Zu der Vorlage haben die Frak-
tionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
FDP einen gemeinsamen Entschließungsantrag vorgelegt
(Ausschussdrucksache 15(15)349), der in der Sitzung am
16. März 2005 zur Abstimmung gestellt wurde.
Die Fraktion der SPD begrüßte die fraktionsübergreifend
formulierte Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats
zur Vorlage. Sie betonte, es sei wichtig, zu den Zielen der
nachhaltigen Entwicklung einen Grundkonsens in Gesell-
schaft und Politik zu erreichen. Im Hinblick auf die Strate-
gie der Bundesregierung lobte sie die ressortübergreifende
Zusammenarbeit und den Managementansatz der Nachhal-
tigkeitsstrategie. Das Indikatorenmodell hielt sie für grund-
sätzlich geeignet, um Erfolg und Misserfolg der Nachhaltig-
keitsstrategie abzulesen, jedoch seien die Strategie wie auch
die Indikatoren konsequent weiterzuentwickeln. Der Be-
richt seinerseits zeige positive wie negative Entwicklungen
auf. Positive Bilanzen seien insbesondere im Bereich des
Klimaschutzes, der erneuerbaren Energien und der Schad-
stoffbelastung der Luft zu ziehen. Allerdings seien auch
Zielverfehlungen – wie z. B. in Bezug auf die CO2-Reduzierung – zu konstatieren. Solche müssten im Sinne
einer transparenten Bilanzierung deutlicher herausgestellt
werden. Das neue Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emis-sionen um 40 Prozent zu reduzieren, sofern die EU ins-
gesamt ihre Emissionen um 30 Prozent mindere, werde aus-
drücklich unterstützt. In dieser Hinsicht seien aber auch
konkrete Umsetzungsschritte und Zwischenbilanzen zu
fordern. Eine Weiterentwicklung der Indikatoren hielt die
Fraktion der SPD insbesondere im Bereich der Flächeninan-
spruchnahme für erforderlich, die anstelle einer rein quanti-
tativen vielmehr eine qualitative Bewertung erfassen müsse.
Zudem seien in diesem Bereich Maßnahmen zu ergreifen,
da die bislang erzielte Reduktion der Flächeninanspruch-
nahme in erster Linie auf die schwache Entwicklung in der
Bauwirtschaft zurückzuführen sei. In Bezug auf die Wahl

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5399

der Schwerpunktthemen des Fortschrittsberichts kritisierte
die Fraktion der SPD, dass die beiden ursprünglich vorge-
sehenen Themen nachhaltige Finanzpolitik und Biodiver-
sität letztlich nicht in den Fortschrittsbericht aufgenom-
men wurden. Darüber hinaus seien auch die Bereiche Bil-
dung, Forschung und Innovation, Prävention, Demografie
und Infrastruktur zu thematisieren. Zudem müssten Quer-
schnittsaufgaben wie der Stellenwert von Konsummus-
tern und Verbraucherverhalten deutlicher herausgestellt
und auf eine stärkere Vernetzung mit europäischen und
internationalen Zielen hingewirkt werden. Der Entschlie-
ßungsantrag greife diese Schwerpunktthemen und zusätz-
lichen Handlungsfelder für die Weiterentwicklung der
Nachhaltigkeitsstrategie bis zum Jahr 2006 auf.
Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte im Hinblick auf die
Nachhaltigkeitsstrategie wie auch den Fortschrittsbericht
der Bundesregierung, dass diese den Schwerpunkt einseitig
auf den Umweltbereich legten und damit Nachhaltigkeit
nicht umfänglich im Sinne des 3-Säulen-Modells erfassten.
Bereits die Schlüsselindikatoren seien stark auf ökologische
Aspekte ausgerichtet. Insbesondere sah die Fraktion der
CDU/CSU es als großen Mangel an, dass die Nachhaltig-
keitsstrategie sich entgegen früherer Ankündigungen den
Themen nachhaltiger Finanzpolitik und Bildung nicht in
einer ihrer Bedeutung angemessenen Weise gewidmet habe.
Der Bereich der Bildung sei nicht in seiner Dimension als
Zukunftsinvestition erfasst worden. Zum Thema Haushalt
betonte sie, dass ausgewogene Staatsfinanzen erst die not-
wendige Basis für die Förderung von Umwelt- und Natur-
schutz bereiten würden. Nur eine nachhaltige Sicherung der
europäischen Finanzsysteme sei mit dem Ziel der Genera-
tionengerechtigkeit vereinbar. Ferner beanstandete sie die
Behandlung des Themas demografische Entwicklung. Der
Fortschrittsbericht zeige hier außer dem Ausbau der Kin-
derbetreuung keine Lösungswege auf. Auch die Bereiche
Forschung und technologische Leistungsfähigkeit kämen zu
kurz, obwohl sie für wirtschaftliches Wachstum ebenso
wichtig seien wie für positive ökologische Wirkungen, bei-
spielsweise Energieeinsparungen durch technische Weiter-
entwicklung neuer Formen der Mobilität. Zudem beklagte
sie, dass der Bericht die Themen Grüne Gentechnik, Che-
mie- und pharmazeutische Forschung unerwähnt lasse.
Schließlich sei die Nachhaltigkeitsstrategie in der strategi-
schen Ausrichtung insofern zu bemängeln, als die Indikato-
ren nicht ausreichend herangezogen und ihre Ziele aufgrund
tagespolitischer Einflüsse immer wieder variiert und relati-
viert würden. Sie betonte daher die Wichtigkeit der Stel-
lungnahme des Beirats und des Entschließungsantrags, da
die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung um die
Aufnahme neuer Handlungsfelder erweitert werden müsse.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte den
großen Fortschritt, der darin liege, dass die Bundesregie-
rung eine Strategie formuliert und dazu einen differenzier-
ten Bericht vorgelegt habe. Diese würden sich als lohnens-
werte Dokumente zur Einschätzung der Situation darstellen.
Sie wies darauf hin, dass Nachhaltigkeit als integrativer Pro-
zess mit drei sich ergänzenden Dimensionen zu verstehen
sei; das 3-Säulen-Modell sei insofern überholt. Das integra-
tive Moment der Nachhaltigkeit komme in der Strategie und
auch in der Vorlage deutlich darin zum Ausdruck, dass dort
auf neue Begrifflichkeiten abgestellt werde, die für sich
schon den übergreifenden Ansatz aufzeigten und sowohl die

soziale, die wirtschaftliche als auch die umweltbezogene
Dimension umfassten. Der Bereich erneuerbarer Energien
und alternativer Kraftstoffe sei ein deutliches Beispiel für
die Verbindung der drei Dimensionen: als ökologisches
Projekt zum Klimaschutz, als ökonomisches Projekt z. B.
im Hinblick auf die Entstehung von Arbeitsplätzen sowie
schließlich für die soziale Dimension im Sinne der Ver-
fügbarkeit von Energie. Diese Integrativität sei gerade auch
im Zusammenhang mit der Lissabonstrategie zu betonen, da
in der Europäischen Kommission zum Teil die Ansicht ver-
treten werde, man könne ökologische Fragen einstweilen
der Ökonomie hintanstellen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN betonte weiterhin, dass Einigkeit im Beirat
bestanden habe, dem Thema der nachhaltigen Finanzpolitik
zukünftig größeren Stellenwert beizumessen. Verbesse-
rungsbedarf sehe sie zudem im Bereich Bildung sowie in
Bezug auf den Indikator BIP. Letzterer sollte durch einen
Faktor ersetzt werden, der Umweltkosten und Nachhaltig-
keitselemente besser abbilde. Sie begrüße die neuen
Schwerpunkte, die der Beirat herausgearbeitet habe, insbe-
sondere die Verknüpfung der Frage des demografischen
Wandels mit Infrastrukturfragen, sowie die Themen Lebens-
stile und Konsummuster. Schließlich hob sie in der abschlie-
ßenden Beratung hervor, dass man mit dem Entschließungs-
antrag auch das Parlament dazu verpflichtet habe, für
Vernetzung, Informationsaustausch und Kooperation unter
den Parlamenten zu sorgen – auf nationaler wie auch auf
internationaler Ebene.
Die Fraktion der FDP hob als positiv hervor, dass mit der
Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland Nachhaltigkeit
nicht primär als Umweltpolitik verstanden werde. Sie wür-
digte die Zusammenarbeit im Beirat als sehr fruchtbar. Das
Parlament solle sich auch weiterhin als Prüfinstitution se-
hen. Neue Möglichkeiten böten Nachhaltigkeitschecks der
Gesetzgebung und Generationenbilanzen. Die Fraktion der
FDP sprach sich im Hinblick auf das Thema nachhaltiger
Finanzen für eine Änderung des finanzverfassungsrechtli-
chen Rahmens zur Verschuldung aus und regte u. a. eine
Aufnahme der Maastrichtkriterien ins Grundgesetz an. Zur
Behandlung des Themas Klimaschutz in der Vorlage kriti-
sierte sie, dass die Verfehlung des nationalen Klimaschutz-
zieles nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. Das zukünf-
tige Ziel der Reduzierung der CO2-Emissionen in der EUum 30 Prozent hielt sie für richtig, mahnte jedoch an, die
Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten nicht schon
durch eine Festlegung auf ein nationales Reduzierungsziel
von 40 Prozent vorzubestimmen. Im Bereich des Ökoland-
baus begrüßte sie den Ansatz, alle Bewirtschaftungsformen,
nicht nur den Ökolandbau, zu optimieren. Dazu gehöre ihrer
Ansicht nach auch die Grüne Gentechnik. Kritisch äußerte
sie sich zum Thema Flächenreduzierung im Fortschritts-
bericht. Hier seien die Erfolge nur auf die schlechte kon-
junkturelle Entwicklung zurückzuführen, in Zukunft be-
dürfe es aber struktureller Maßnahmen. Schließlich wies sie
auf negative Entwicklungen im Bereich des Güterverkehrs,
nämlich die Abnahme des Anteils der Bahn und Binnen-
schiffe am Güterverkehr, hin und forderte mehr Wettbewerb
auf dem Netz der Bahn. Sie betonte in der abschließenden
Befassung mit der Vorlage die Wichtigkeit der Aufgabe des
Bundestages, selbst für eine Kommunikation der Nachhal-
tigkeitsstrategie in der internationalen Dimension zu sorgen,
wie sie in der Entschließung ausgedrückt werde. Sie fordere
dazu auf, diese Selbstverpflichtung ernst zu nehmen.

Drucksache 15/5399 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Ausschuss beschloss einstimmig, dem Deutschen Bun-
destag zu empfehlen, in Kenntnis der Unterrichtung der
Bundesregierung – Drucksache 15/4100 – die in der
Beschlussempfehlung wiedergegebene Entschließung an-
zunehmen.

Berlin, den 25. April 2005
Astrid Klug
Berichterstatterin

Helge Braun
Berichterstatter

Winfried Hermann
Berichterstatter

Michael Kauch
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5399

Anlage

Parlamentarischer Beirat
für nachhaltige Entwicklung
Stellungnahme zum Fortschrittsbericht 2004
der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
der Bundesregierung
(Bundestagsdrucksache 15/4100)
I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Vorbemerkung
I. Nachhaltige Entwicklung
1. Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
2. Politische Herausforderung
3. Parlamentarischer Auftrag
4. Internationale Vernetzung
II. Zum Fortschrittsbericht
5. Ziele und Indikatoren
6. Ausgewählte Handlungsfelder

6.1 Flächeninanspruchnahme
6.2 Mobilität
6.3 Globale Verantwortung
6.4 Potenziale älterer Menschen
6.5 Energie und Klima

7. Neue Handlungsfelder
7.1 Bildung für Nachhaltigkeit –

für mehr Nachhaltigkeit in der Bildung
7.2 Forschung und Innovation
7.3 Prävention
7.4 DemografischerWandel und Infrastruktur
7.5 Finanzen
7.6 Biologische Vielfalt

III. Schlussbemerkung
Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhal-
tige Entwicklung zum Fortschrittsbericht der Bundesregie-
rung
Vorbemerkung
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich bei der
Konferenz der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro
zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung bekannt und
sich mit der Agenda 21 ein globales Aktionsprogramm für
das 21. Jahrhundert gegeben. Seitdem hat sich der Begriff
der Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung in

vielen Politikfeldern als Leitbild etabliert. Leitgedanke ist,
mit dem heutigen Denken und Handeln die Lebenssituation
der derzeitigen Generation zu verbessern, ohne die Zu-
kunftsperspektiven der kommenden Generationen zu ver-
schlechtern.
Der Deutsche Bundestag hat bereits in der 13. und 14. Le-
gislaturperiode mit der Einsetzung der Enquete-Kom-
missionen „Schutz des Menschen und der Umwelt“, „Glo-
balisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und
Antworten“, „Demografischer Wandel“ und „Nachhaltige
Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisie-
rung und Liberalisierung“ wichtige inhaltliche Grundlagen
gelegt und die entscheidenden Weichen für eine Institutio-
nalisierung des Nachhaltigkeitsansatzes in der deutschen
Politik gestellt. Die vom Deutschen Bundestag eingerichtete
Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Um-
welt“ entwickelte das Zieldreieck der nachhaltigen Ent-
wicklung. Es vereint neben ökologischen auch ökonomi-
sche und soziale Ziele und stellt somit den interdisziplinären
Charakter der Nachhaltigkeit heraus. Die Ziele stehen
gleichberechtigt und gleichwertig zueinander und formen so
„eine dreidimensionale Perspektive“ (Enquete-Kommis-
sion) für eine nachhaltige Gesellschaftspolitik. Ziel ist dabei
die Sicherstellung und Verbesserung der ökologischen, öko-
nomischen und sozialen Leistungsfähigkeit. Diese bedingen
einander und können nicht „teiloptimiert“ werden. Es geht
darum, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befrie-
digen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu
gefährden.
Die Bundesregierung hat im Jahr 2001 als Beratergremium
den Rat für nachhaltige Entwicklung berufen. Mit der im
April 2002 beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie „Pers-
pektiven für Deutschland“ hat sie vier vorrangige Hand-
lungsfelder festgelegt und 21 Indikatoren definiert, mit
denen die nachhaltige Entwicklung messbar und quantifi-
zierbar wird. Im November 2004 legte die Bundesregierung
mit dem Fortschrittsbericht 2004 eine erste Evaluierung der
Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vor.
In seiner 89. Sitzung am 30. Januar 2004 hat der Deutsche
Bundestag die Einsetzung eines Parlamentarischen Beirates
für nachhaltige Entwicklung beschlossen (Bundestags-
drucksache 15/2441). Damit hat das Parlament seine aktive
Rolle in der Debatte um Nachhaltigkeit verstärkt. Der Par-
lamentarische Beirat koordiniert den dafür notwendigen
Prozess. Er begleitet die Weiterentwicklung der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie und deren inhaltliche und prozes-
suale Umsetzung und setzt eigene Schwerpunkte.
Mit dieser Stellungnahme legen die Mitglieder des Parla-
mentarischen Beirats eine fraktionsübergreifende Bewer-
tung des ersten Fortschrittsberichts zur Nationalen Nachhal-
tigkeitsstrategie der Bundesregierung vor.
I. Nachhaltige Entwicklung
1. Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Wir sind uns bewusst, dass Nachhaltigkeit und Zukunfts-
fähigkeit nicht nur Aufgabe des Staates, sondern auch die
seiner Bürgerinnen und Bürger ist. Die Konsequenz der ge-
meinsamen Verantwortung ist das gemeinsame Handeln.
Voraussetzung für den Erfolg ist ein breiter gesellschaft-
licher Konsens über Ziele und Wege der nachhaltigen Ent-

Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
15. WP
Ausschussdrucksache 15(15)344*

Drucksache 15/5399 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

wicklung. Wir begrüßen daher die Anstrengungen der Bun-
desregierung, gesellschaftliche Gruppen in Dialogphasen an
der Diskussion über die Weiterentwicklung der Nachhaltig-
keitsstrategie zu beteiligen. Dieser Dialog sollte in Zukunft
noch breiter angelegt sein und sich nicht nur auf ausge-
wählte Expertenrunden und das Medium Internet beschrän-
ken. Er muss Teil einer umfassenden Kommunikationsstra-
tegie sein, in der alle staatlichen Ebenen Motor einer
umfassenden gesellschaftlichen Debatte sind. Denn Nach-
haltigkeit braucht Motivation. Wenn viele Menschen mit
dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung vertraut sind
und entsprechende Handlungs- und Anknüpfungsmöglich-
keiten in ihrer Lebenswelt vorfinden, ist die Umsetzung der
Ziele umso erfolgreicher.
Das Konsumverhalten jedes Einzelnen hat unmittelbare Fol-
gen für die globale Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen
und die Lebensperspektiven künftiger Generationen. Der
schnelle und kurzlebige Konsum der „westlichen“ Lebens-
stile wird weltweit kopiert und verschärft damit die Pro-
bleme in vielen Handlungsfeldern. Durch Anreize und grö-
ßere gesellschaftliche Wertschätzung für zukunftsfähigen
Konsum sollte deshalb die Bereitschaft für nachhaltige Le-
bensstile gestärkt werden. Die Möglichkeiten, die Aspekte
der Nachhaltigkeit mit einer Analyse der Konsumprozesse
zu verknüpfen, sollten im Rahmen der Nachhaltigkeitsstra-
tegie weiter ausgeschöpft werden. Unserer Auffassung nach
sollten künftige Fortschrittsberichte den Stellenwert der Le-
bensstile und Konsummuster für eine nachhaltige Entwick-
lung stärker hervorheben. Dabei sollte es darum gehen, wie
ein zukunftsfähiger Konsum und ein Lebensstil zu gestalten
ist, der den Anforderungen von Nachhaltigkeit tatsächlich
gerecht werden kann. Weiterhin sind die Rahmenbedingen
für nachhaltige Lebensstile und Konsummuster zu benen-
nen. Dabei geht es nicht darum, Lebensstile zu verordnen,
sondern darum, die Transparenz im Konsum zu erhöhen und
Wissen darüber zu vermitteln, dass ein zukunftsfähiger
Lebensstil unsere Lebensqualität erhöhen und zu einer
nachhaltigen Entwicklung beitragen kann. Bei aller Not-
wendigkeit der Wissensvermittlung über einen nachhaltigen
Konsum und nachhaltige Lebensstile darf nicht vergessen
werden, dass die Bürgerinnen und Bürger oftmals keine
andere Alternative sehen, als das billigste Produkt zu er-
werben. Außerdem sollte die Steuer- und Abgabenpolitik
dafür sorgen, dass sich Bürgerinnen und Bürger nachhalti-
gen Konsum leisten können.
Das zivilgesellschaftliche Engagement und die Bürgerbetei-
ligung in Agenda-Prozessen steht bereits heute für mehr
Transparenz und gesellschaftliche Verantwortung. Auf der
kommunalen Ebene zeigt sich exemplarisch, was Nachhal-
tigkeit konkret bedeuten kann. Ihr Vorteil ist die „An-
schlussfähigkeit“ an vorhandene Erfahrungen der Bürger.
Zu einem anschaulichen Leitbild wird Nachhaltigkeit zu-
allererst in Verbindung mit einer konkreten Konzeption.
Daher spielen die Kommunen als Politik- und Verwaltungs-
ebene, die dem Bürger am nächsten ist, eine wichtige Rolle
bei der Vermittlung und Umsetzung der Ziele der nachhalti-
gen Entwicklung. Sie in dieser Rolle zu stärken, muss eben-
falls Teil der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sein.
Viele Entscheidungen darüber, ob der richtige Nachhaltig-
keitspfad eingeschlagen wird, fallen in den Unternehmen.
Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von nach-

haltiger Wirtschaftsweise. Unternehmen agieren zunehmend
global und stellen immer größere Machtzentren da. Über
ihre Produktionstätigkeit, ihren Einfluss auf Lebensstile und
Konsummuster und durch die Nutzung von Ressourcen und
Energien prägen sie den Grad der Naturinanspruchnahme.
Darüber hinaus sind zahlreiche Unternehmen Orte sozialer,
ökonomischer und ökologischer Innovationen. Die Über-
zeugung, dass sich ökologische und soziale Ziele in strategi-
scher Hinsicht auch in ökonomischen Kriterien beschreiben
lassen und das alleinige Augenmerk auf kurzfristigen wirt-
schaftlichen Erfolg die langfristige Überlebensfähigkeit ver-
hindern kann, braucht allerdings noch mehr Anhänger.
Zum Anspruch von Nachhaltigkeit zählt auch die Herstel-
lung von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.
Um eine stärkere Sensibilisierung und Reflexion in Bezug
auf geschlechtergerechtes Handeln zu erreichen, bedarf es
des Engagements in allen gesellschaftlichen und politischen
Institutionen, Prozessen und Strukturen. Die Bundesregie-
rung hat sich bereits in einem Beschluss für Gleichberech-
tigungs-Normalität (Gender Mainstreaming) ausgespro-
chen. Jetzt ist es umso wichtiger, die Gleichstellung der
Geschlechter konsequent als Querschnittsthema weiter zu
entwickeln, auch in der Nachhaltigkeitsstrategie stärker zu
verankern und Wechselwirkungen mit anderen Zielen der
Nachhaltigkeit darzustellen.
2. Politische Herausforderung
Die Mitglieder des Parlamentarischen Beirates für nach-
haltige Entwicklung haben sich zum Ziel gesetzt, mit dazu
beizutragen, bisherige Hemmnisse einer Politik für Nach-
haltigkeit abzubauen. Vor allem muss der Querschnitts-
charakter und die Langfristorientierung einer auf Nachhal-
tigkeit ausgerichteten Politik anerkannt werden, um der
Verknüpfung ökologischer, sozialer und ökonomischer Pro-
bleme gerecht zu werden. Bei allen Differenzen im Detail
ist insgesamt ein erstaunlicher weltweiter Konsens über die
Nachhaltigkeitsidee festzustellen. Auch in Deutschland ist
man sich über die Parteigrenzen hinweg einig darüber, dass
das Grundkonzept einer nachhaltigen Entwicklung die
Leitlinie für zukunftsfähiges politisches Handeln darstellt.
In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist die nachhal-
tige Entwicklung als Leitbild für alle Politikbereiche ange-
legt. Im Alltag orientieren sich politische Entscheidungen
auf allen Ebenen trotzdem oft an kurzfristigen Zwängen, in-
teressengeleiteter Einflussnahme oder Wahlterminen. Auch
wenn die aktuellen Reformdiskussionen sowohl in der
Bundesregierung als auch in der Opposition die Zukunfts-
fähigkeit der Gesellschaft zum Ziel haben, finden sie kom-
munikativ und strategisch zu wenig unter dem Dach der
„nachhaltigen Entwicklung“ statt. Damit werden Chancen
verschenkt, Menschen für eine verantwortungsvolle Politik
zu gewinnen und sie auf diesem Wege mitzunehmen. Damit
nachhaltige Politik trotz des Fehlens kurzfristiger Wir-
kungen auch bei Wahlen honoriert wird, müssen die Zu-
sammenhänge deutlicher sichtbar werden. Denn ein nach-
haltiges Politikangebot braucht auch eine nachhaltige
Nachfrage.
Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele darf in den Minis-
terien nicht nur lästige Pflichterfüllung sein. Die Nachhal-
tigkeitsstrategie muss die akzeptierte Richtschnur sein, die
wirtschaftliche und soziale Reformen mit der ökologischen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/5399

Erneuerung verbindet, sich in den politischen Entschei-
dungen ausdrückt und Politik langfristig kalkulierbar und
verlässlich macht. Hierzu bedarf es exemplarischer Aktivi-
täten zur Überwindung der tradierten Trennung in Ressorts,
Fachdisziplinen und Politikfelder. Die Nachhaltigkeitsstra-
tegie muss die politische Integrationsleistung gegenüber der
heutigen Fach- und Ressortpolitik betonen und einen Bei-
trag dazu leisten, dass Probleme stärker vernetzt angegan-
gen sowie Wechselwirkungen und Zielkonflikte offen gelegt
werden. In der Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie
sollten möglichst die wichtigsten Felder der Politik und
nicht nur die Handlungsfelder der Strategie kritisch vor dem
Hintergrund des Leitbildes der Nachhaltigkeit analysiert
werden.

3. Parlamentarischer Auftrag
Das Parlament muss im gesetzgebenden Prozess Vorhaben
stärker als bisher einem ehrlichen Nachhaltigkeitsscheck
unterziehen und die Konsequenzen heutiger Entscheidun-
gen für zukünftige Generationen transparent machen. Der
Parlamentarische Beirat entwickelt Vorschläge für die dafür
notwendigen Instrumente der Gesetzesfolgenabschätzung.
Das Parlament muss früher und intensiver als bisher die
Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie beeinflus-
sen und mehr Verantwortung bei der Realisierung der Um-
setzungsschritte übernehmen. Überall in Europa ist bei den
Nachhaltigkeitsaktivitäten ein starkes Übergewicht der Exe-
kutive feststellbar. Mit dem Parlamentarischen Beirat für
nachhaltige Entwicklung übernimmt der Deutsche Bundes-
tag eine aktivere Rolle. Die Unterstützung der öffentlichen
Debatte aus dem Bundestag heraus soll die Position des
Deutschen Parlaments in Bezug auf wesentliche Zukunfts-
fragen erhöhen. Die Effektivität der Arbeit für nachhaltige
Entwicklung soll gesteigert und in der breiten Öffentlichkeit
sicht- und hörbarer werden. Für die Bereiche Haushalt und
Angelegenheiten der Europäischen Union gehören Quer-
schnittsfragen zum Tagesgeschäft politischer Arbeit. Hieran
wird sich der parlamentarische Beirat orientieren und Maß-
stäbe bei der Verankerung der Nachhaltigkeitsprinzipien in
den Gremien des Deutschen Bundestages setzen. Nachhal-
tigkeitsprinzipien sollen in allen relevanten Ressorts, Poli-
tik- und Gesellschaftsbereichen Niederschlag finden, damit
sich selbsttragende Prozesse in Gang kommen.
Neben Controlling-Instrumenten wie Fortschrittsberichten,
Nachhaltigkeitsindikatoren und dem von der EU-Kommis-
sion entwickelten Ansatz der Nachhaltigkeitsverträglich-
keitsprüfung kommt der Gesetzesfolgenabschätzung eine
wichtige Bedeutung zu. Ziel muss es sein, mit einem
Nachhaltigkeitscheck die Qualität der Rechtsvorschriften zu
verbessern und die unübersichtliche Reglungsdichte zu
verringern. Die Güte der Regelungen bemisst sich dabei
an ihrer Verständlichkeit und Klarheit, der ausreichenden
Prüfung von Handlungsalternativen – einschließlich der
Nullvariante – und der Berücksichtigung der jeweils wahr-
scheinlichen Folgen und Nebenfolgen. Die Gesetzge-
bungsorgane müssen in die Lage versetzt werden, die wirt-
schaftlichen, sozialen und ökologischen Konsequenzen
legislatorischer Maßnahmen besser abschätzen und verant-
worten zu können (Gesetzesfolgentransparenz). Damit ver-
bunden ist eine verbesserte parlamentarische Kontrolle. Der
Gesetzgeber kann mit Hilfe dieses Instruments die geplante

Effizienz seines Gesetzes überprüfen und notwendige Um-
steuerungen vornehmen (Parlamentarische Evaluation). Zu
den Gesetzesfolgen gehören Wirkungen sowohl auf die
Gesellschaft als auch auf das Individuum. Sie umfassen be-
absichtigte Folgen („Wirksamkeit“) und unbeabsichtigte
Folgen („Nebenwirkungen“), jeweils monetärer und nicht
monetärer Art. Die Bundesregierung hat am 26. Juli 2000
eine neue Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesminis-
terien (GGO) beschlossen, in die erstmalig auch die Geset-
zesfolgenabschätzung aufgenommen worden ist. Unter-
schieden wird zwischen der prospektiven, begleitenden und
retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung. Die prospektive
Gesetzesfolgenabschätzung umfasst eine Bedarfsprüfung,
die Entwicklung von Regelungsalternativen und eine Fol-
genanalyse. Die begleitende Gesetzesfolgenabschätzung
setzt auf die Optimierung des Regelungswerkes. Die re-
trospektive Gesetzesfolgenabschätzung dient als Grundlage
für einen Optimierungsprozess. Die praktische Anwendung
bringt bisher noch nicht den notwendigen Erfolg. Die re-
trospektive Gesetzesfolgenabschätzung wird zum Beispiel
bisher von den Bundesministerien nur stichprobenartig
durchgeführt. Eine Verpflichtung zur Prüfung und ein festes
Prüfraster gibt es nicht. Die Ergebnisse der retrospektiven
Gesetzesfolgenabschätzung werden zudem lediglich dem
für das Gesetz federführenden Bundesministerium mitge-
teilt. Die weitere Verwendung der Ergebnisse liegt nur in
dessen Verantwortung. Es existiert keine Stelle zur Ko-
ordination und Diskussion der Ergebnisse. Der Beirat will
praktische Vorschläge für einen ehrlichen und transparenten
Nachhaltigkeitscheck entwickeln, um Nachhaltigkeit und
Generationengerechtigkeit als Ziele in der Gesetzgebung
stärker zu verankern.
4. Internationale Vernetzung
Nachhaltige Entwicklung ist keine allein national lösbare
Aufgabe. Wir wollen, dass Deutschland international Motor
für eine nachhaltige Politik ist. Bei der Weiterentwicklung
der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie darf der Blick des-
halb nicht nur nach innen gerichtet sein. Mit dem Blick über
den Tellerrand sind die eigenen Anstrengungen stärker mit
den Zielen der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie, den
Zielen der Vereinten Nationen und den international einge-
gangenen Verpflichtungen zu vernetzen. Wir schlagen vor,
auf Europäischer Ebene eine Diskussion und einen Erfah-
rungsaustausch über die Indikatorensysteme zu initiieren.
Ziel muss sein, die Indikatorensets anzunähern, um die
Transparenz zu erhöhen und die Vergleichbarkeit zu ver-
bessern.
Auf dem Europäischen Gipfel im Juni 2001 in Göteborg
wurde die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie verabschie-
det. Sie integriert die Ziele des Sechsten Umweltaktionspro-
gramms und ergänzt die in Lissabon beschlossene Strategie
für Nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und größeren
sozialen Zusammenhalt um eine ökologische Komponente.
Für 2004 ist die Fortschreibung der Europäischen Nachhal-
tigkeitsstrategie angekündigt. Dabei sind insbesondere die
Controlling-Instrumente für die Umsetzung der gemeinsam
beschlossenen Ziele zu verbessern. Die Weiterentwicklung
der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie könnte von der
europaweiten Vernetzung und Koordination der Arbeit der
Nachhaltigkeitsinstitutionen in den einzelnen Mitgliedsstaa-
ten profitieren. Die Einrichtung eines EU-Nachhaltigkeits-

Drucksache 15/5399 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

rates könnte dem Prozess weitere Impulse geben. Der Parla-
mentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung übernimmt
die Aufgabe, über den Kontakt und den Erfahrungsaus-
tausch mit Parlamentariern anderer EU-Mitgliedsstaaten
und des EU-Parlamentes für eine aktivere Rolle der Parla-
mente in der Nachhaltigkeitsdebatte zu werben.
II. Zum Fortschrittsbericht
Mit dem ersten Fortschrittsbericht löst die Bundesregie-
rung ihre Selbstverpflichtung ein, die Nationale Nachhaltig-
keitsstrategie regelmäßig zu evaluieren und alle zwei Jahre
Erfolge und Misserfolge zu bilanzieren. Der vorgelegte
Fortschrittsbericht unterstreicht den Prozesscharakter der
Nachhaltigkeitsstrategie und dokumentiert, dass die Bun-
desregierung den gestarteten Prozess ernst nimmt. Stra-
tegie und Fortschrittsbericht formulieren ehrgeizige und
anspruchsvolle Ziele. Die Bilanz zeigt Licht und Schatten.
In einigen Bereichen konnten trotz des kurzen Bilanzie-
rungszeitraums Fortschritte erzielt werden. Ingesamt müs-
sen die Umsetzungsschritte aber entschiedener und mutiger
werden, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Wir unter-
stützen das Vorgehen, sich in jedem Handlungsfeld auf
konkrete Projekte und Maßnahmen zu konzentrieren. Im
weiteren Prozess sollten diese aber um eine Problemanalyse
umfassender Zusammenhänge und Lösungsoptionen er-
gänzt werden. Die Auswahl der vier neuen Schwerpunkte
(Potenziale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesell-
schaft, neue Energieversorgungsstruktur unter Einbezie-
hung der erneuerbaren Energien, alternative Kraftstoffe und
Antriebstechnologien sowie Flächeninanspruchnahme) hal-
ten wir im Prinzip für richtig. Wir kritisieren aber, dass es
entgegen früherer Ankündigungen der Bundesregierung
keine Zusage gibt, dass die Themen „Biologische Vielfalt“
und „Nachhaltige Finanzpolitik“ mit der Fortschreibung der
Strategie ab 2006 zu weiteren Schwerpunkten werden sol-
len. Der Beirat schlägt darüber hinaus vor, dass folgende
Handlungsfelder und Querschnittsaufgaben bei der Wei-
terentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie eine stärkere
Berücksichtigung finden sollen:
1. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
2. Forschung und Innovation
3. Prävention
4. Demografie und Infrastruktur
5. Verbraucherpolitik/Lebensstile
6. Internationale Vernetzung
Sondervotum CDU/CSU:
Die Systematik des Fortschrittberichts drängt den Eindruck
auf, dass die Säulen der Nachhaltigkeit nicht gleichberech-
tigt nebeneinander stehen.
5. Ziele und Indikatoren
Management-Ansatz richtig
Der Parlamentarische Beirat begrüßt den in der Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie gewählten Management-Ansatz,
der versucht, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung an-
hand von Zielen, Indikatoren und Maßnahmen in praktische
Politik umzusetzen. Dieser Ansatz impliziert, dass die Stra-

tegie als Langfristkonzept kontinuierlich überprüft und
weiterentwickelt werden muss. Diesem Anspruch kann die
Bundesregierung in dem ersten Fortschrittsbericht, der be-
reits nach zwei Jahren eine Bestandaufnahme vornimmt,
noch nicht vollends gerecht werden. Der Parlamentarische
Beirat weist für die nächste Überarbeitungsperiode auf
folgenden Handlungsbedarf hin:
Langfristige Ziele notwendig
Ziele sind ein wichtiger Bestandteil des Managementkon-
zepts der Nachhaltigkeitsstrategie: sie machen den Hand-
lungsbedarf deutlich und sind wichtig bei der Erfolgskont-
rolle. Daher ist es notwendig, in allen Handlungsfeldern
kurz-, mittel-, und langfristige, quantifizierbare Zielsetzun-
gen zu formulieren. Langfristige Zielorientierungen zum
Beispiel beim Klimaschutz sind auch deshalb unverzichtbar,
weil wirtschaftliche Entscheidungen über Investitionen weit
in die Zukunft hinein reichen und kalkulierbaren Zielvorga-
ben eine herausragende Bedeutung für die Dynamik von
Umweltinnovationen und -investitionen zukommt. Die For-
mulierung von Zielen sollte sich dabei an den Management-
regeln der Nachhaltigkeit und damit unter anderem an dem
Kriterium der Achtung absoluter Belastungsgrenzen von
Ökosystemen orientieren. Wichtig ist auch, dass mögliche
Zielkonflikte und deren Wechselwirkungen von Anfang an
thematisiert werden. Dies ist notwendig, weil im Rahmen
der Zielkontrolle deutlich gemacht werden muss, warum es
in einzelnen Bereichen zu Zielverfehlungen gekommen ist.
Eine solche Analyse über Hemmnisse und Ursachen von
Zielverfehlungen ist die notwendige Voraussetzung dafür,
dass die Strategie sachgerecht weiterentwickelt werden
kann und auch eine breite Zustimmung findet.
Indikatorenkonzept – sinnvolles und bewährtes Instrument
der Erfolgskontrolle
Indikatoren sind ein wichtiges Hilfsmittel, um Erfolg oder
Misserfolg in einzelnen Handlungsfeldern beurteilen zu
können. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass Indi-
katoren immer nur ein vereinfachtes Abbild einer Entwick-
lung (Tendenzen) darstellen können. Zudem müssen aus-
sagekräftige Indikatoren für ein Handlungsfeld gefunden
werden, was in der Regel schwierig ist. Trotz dieser Ein-
schränkungen halten wir das Indikatorenkonzept für ein
sinnvolles und notwendiges Instrument zur Erfolgskont-
rolle.
Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie enthält 21 Schlüssel-
indikatoren, die im Fortschrittsbericht weitgehend unverän-
dert geblieben sind. Wir halten die Konzentration auf eine
übersichtliche Anzahl von Indikatoren für richtig. Gleich-
wohl sehen wir die Notwendigkeit, einzelne Indikatoren
bezüglich ihrer Aussagekraft zu überprüfen und das Indika-
torensystem auch mit neuen Indikatoren insgesamt weiter-
zuentwickeln.
Bei einer Fortentwicklung bitten wir die Bundesregierung
folgende Hinweise zu berücksichtigen:
l Sinnvoll ist, dass Indikatoren nicht allein für sich stehen,

sondern immer in einen kurzen, erklärenden Kontext ein-
gebettet werden.

l Das Indikatorensystem muss systematisiert/vervollstän-
digt werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/5399

l Einzelne Indikatoren sind unserer Auffassung nach
wenig geeignet, Entwicklungspfade in Richtung Nach-
haltigkeit abzubilden – sie müssen auf ihre Aussagekraft
hin überprüft werden bzw. sie sind zu ersetzen oder zu
ergänzen.

l Die Komplexität eines Indikators sollte sich möglichst an
dem zu messenden Gegenstand orientieren, d. h. komple-
xere Fragestellungen machen einen komplexeren Indika-
torensatz notwendig.

Maßnahmenpläne – systematisch entwickeln
Konkrete Maßnahmen und Schritte zur Umsetzung der
nachhaltigen Entwicklung sind das Herzstück der Nationa-
len Nachhaltigkeitsstrategie. Besonders wirksam sind im
Regelfall ein Paket von unterschiedlichen Instrumenten und
Handlungsansätzen auf z. T. auch unterschiedlichen Poli-
tikebenen. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie hat für
viele Handlungsfelder bereits konkrete Maßnahmen be-
nannt und neue Maßnahmeschwerpunkte eingeleitet. Für
einzelne Handlungsfelder gibt es allerdings noch kaum
Fortschritte. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Strate-
gie sind diese Lücken Schritt für Schritt zu schließen.

Konkrete Forderungen des Parlamentarischen Beirats in
einzelnen Handlungsfeldern
In folgenden Handlungsfeldern halten wir eine Weiterent-
wicklung der Ziele, Indikatoren und Maßnahmen für vor-
dringlich:

Klimaschutz und erneuerbare Energien
Der Parlamentarische Beirat betont die Notwendigkeit einer
langfristigen Zielsetzung im Klimaschutz. Deutschland ist
in der EU der größte Treibhausgasemittent und damit in
besonderer Verantwortung. Die Prognosen hinsichtlich des
Klimawandels erfordern ein Handeln über 2020 hinaus.
Daher muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass
die Europäische Union auch in Zukunft international eine
Vorreiterrolle einnimmt sowie Klimaschutzziele für 2050
formuliert.
Der Parlamentarische Beirat begrüßt ausdrücklich den von
der Bundesregierung im Fortschrittsbericht gemachten Vor-
schlag, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis
2020 um 40 % zu reduzieren, wenn sich die Europäische
Union im gleichen Zeitraum verbindlich zu einer Reduzie-
rung um 30 % verpflichtet. Hierfür sind in der EU konkrete
Umsetzungs- und Kontrollschritte vorzusehen.

Sondervotum FDP
Eine langfristige Zielsetzung im Klimaschutz ist unumgäng-
lich. Das Ziel, die Treibhausgasemissionen in der EU bis
zum Jahre 2020 um mindestens 30 Prozent zu reduzieren, ist
daher richtig. Die Bundesrepublik Deutschland hat daran ei-
nen angemessenen Anteil zu tragen, ohne im Vergleich zu
anderen EU-Ländern einseitige Lasten zu tragen. Eine Vor-
festlegung auf einen bestimmten Anteil vor Verhandlungen
innerhalb der EU ist unserer Auffassung nach eine falsche
Strategie, um eine faire Lastenverteilung zu erreichen.

Der Parlamentarische Beirat merkt des Weiteren an, dass er
von der Bundesregierung eine ehrliche Aussage erwartet
hätte, dass das nationale Klimaschutzziel (25 Prozent bis
2005 beim Basisjahr 1990) im Gegensatz zu den internatio-
nalen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden kann.
Flächeninanspruchnahme
Der Parlamentarische Beirat hält den Indikator Zunahme
der Siedlungs- und Verkehrsfläche für eine leicht kommuni-
zierbare, aber unzureichende Größe. Es wird damit nur die
beplante Fläche berücksichtigt und auch keine differenzierte
Betrachtung bei der Qualität einer Bebauung, Bodenver-
siegelung bzw. Zersiedlung ermöglicht. Außerdem wäre es
erforderlich, in diesem Bereich regionale Zielgrößen festzu-
legen, da es bei der Bewertung der Flächeninanspruch-
nahme auch auf die Verteilung innerhalb des Bundesgebie-
tes ankommt.
Staatsverschuldung
Der Parlamentarische Beirat weist auf eine erhebliche Ziel-
verfehlung von Bund, Ländern und Kommunen bei der
Reduzierung der Staatsverschuldung hin. Der Bereich der
finanziellen Nachhaltigkeit muss in den nächsten Jahren ein
Schwerpunkt der Politik für eine nachhaltige Entwicklung
werden.
Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge
Der Parlamentarische Beirat hält das Verhältnis der Brutto-
anlageinvestitionen zum BIP für einen geeigneten Indikator.
Allerdings fehlt in diesem Bereich eine Zielsetzung. Diese
sollte sich an den Entwicklungspfaden vergleichbarer Indus-
trienationen orientieren.
Bildung
Der Parlamentarische Beirat empfiehlt eine Zielsetzung für
den Bereich Bildung. Darüber hinaus sollte sich der Indika-
tor verstärkt an der Qualität von Bildung orientieren sowie
die soziale Integrationskraft von Bildung berücksichtigen.
Ziele und Indikatoren sollten sich z. B. an internationalen
Vergleichsstudien (wie z. B. „Pisa“) orientieren. Der Beirat
hält zudem die Studienabschlussquote (z. B. Bachelor-Ab-
schluss) für einen besseren Maßstab als die der Studienan-
fänger.
Wirtschaftlicher Wohlstand
Der Parlamentarische Beirat hält es für unzureichend, wenn
der Indikator Bruttoinlandsprodukt (BIP) alleiniger Maß-
stab für die Messung des wirtschaftlichen Wohlstands
bleibt. Die Bundesregierung sollte es sich zur Aufgabe
machen, einen weiteren, geeigneten Maßstab zu finden, der
sich stärker an den Zielen der Nachhaltigen Entwicklung
orientiert. Ein Beispiel für einen Indikator, der zur Beurtei-
lung von Wirtschaft und Wohlstand in der Nachhaltigkeits-
strategie geprüft werden könnte, ist der Indikator „Index for
Sustainable Economic Welfare“ (ISEW). Die Erarbeitung
eines geeigneten Wohlstandsindikators erfordert eine gesell-
schaftliche Debatte. Zudem sollte auch beim BIP ein Ziel-
wert vorgegeben werden, der in seiner Höhe geeignet ist,
positive Arbeitsplatzwirkungen zu entfalten.

Drucksache 15/5399 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Mobilität
Der Parlamentarische Beirat weist im Bereich Mobilität auf
eine deutliche Zielabweichung beim Anteil des Schienen-
verkehrs und der Binnenschifffahrt am Güterverkehr hin.
Der Beirat hält darüber hinaus eine Einbeziehung des The-
mas Sicherheit im Verkehr für erforderlich. Dabei könnte
z. B. die Zahl der Verkehrsopfer als Indikator herangezogen
werden.
Ernährung
Der Parlamentarische Beirat hält eine Ausdehnung der Ziele
und Indikatoren im Bereich Ernährung für erforderlich. Das
Ziel, die gesamten Umwelteinwirkungen in der Landwirt-
schaft zu minimieren, sollte stärker zum Ausdruck kommen.
Vor diesem Hintergrund hält der Parlamentarische Beirat die
Heranziehung des Flächenanteils im Ökologischen Landbau
als alleinigen Maßstab für unzureichend. Es sollten die Um-
weltauswirkungen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung
insgesamt reduziert werden. Dazu müssen die verschiede-
nen Bewirtschaftungsmethoden optimiert werden.
Sondervotum FDP und CDU/CSU:
Dazu brauchen wir innovative, krankheits- und schädlings-
resistente Pflanzensorten, deren Entwicklung mit den Me-
thoden der Grünen Gentechnik weit voran geschritten ist
und die die Anwendung von Pestiziden vermindern helfen.
Gesundheit
Der Parlamentarische Beirat hält die Indikatoren im Bereich
Gesundheit für wenig aussagekräftig. In den Vordergrund
sollte das Thema Vorsorge gerückt werden. Mögliche In-
dikatoren wären hier z. B. der Anteil übergewichtiger
Kinder sowie der Anteil derer, die bei Krankheit, Alter und
Behinderung in ihrer vertrauten Umgebung versorgt werden
können.
Die Gesundheitsberichterstattung der Länder und des Bun-
des sollte vermehrt Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen.
Kriminalität
Der Parlamentarische Beirat hält den Indikator Wohnungs-
einbruchdiebstahl im Bereich Kriminalität für ungeeignet.
Das Thema Gewaltkriminalität sollte bei der Beurteilung
von Sicherheit ins Zentrum gerückt werden. Ein möglicher
Indikator wären die Rückfallquoten von jugendlichen Erst-
tätern.
Integration von Migranten
Der Parlamentarische Beirat hält eine differenzierte Ziel-
setzung im Handlungsfeld Integration von Menschen mit
Migrantionshintergrund für erforderlich. Zudem sollte der
Indikator Ausländische Schulabgänger ohne Hauptschul-
abschluss möglichst positiv gewendet (Anteil mit Schulab-
schluss) und auf alle Schul- und Bildungsabschlüsse sowie
auf deutsche Schulabgänger mit Migrationshintergrund
ausgeweitet werden. Das Ziel muss sein, dass sich bei al-
len Abschlüssen ein repräsentativer Migrantenkinderanteil
wieder findet. Dabei sind auch deutsche Schulabgänger mit
Migrationshintergrund zu erfassen. Bei der Integration sind

alle Möglichkeiten des neuen Zuwanderungsgesetzes auszu-
schöpfen.
Entwicklungszusammenarbeit
Der Parlamentarische Beirat hält die Erreichung des interna-
tional vereinbarten Entwicklungshilfe-Ziels von 0,7 % des
Bruttonationaleinkommens für unverzichtbar. Dieses Lang-
fristziel muss mit einem glaubwürdigen Zeitplan, z. B. bis
zum Jahre 2015, und konkreten Schritten dahin versehen
werden. Die Bundesregierung wollte dazu bis zum Jahr
2006 den Betrag der eigenen Entwicklungsgelder auf
0,33 % des Bruttonationaleinkommens steigern. Das Er-
reichen dieses Ziels wird immer dringlicher.
Märkte öffnen
Der Parlamentarische Beirat hält grundsätzlich eine stärkere
internationale Ausrichtung der Ziele und Indikatoren für
wünschenswert. Der Indikator Einfuhren der EU aus Ent-
wicklungsländern ist in mehrer Hinsicht allerdings zu hin-
terfragen: zum einen wird damit überhaupt nicht erkennbar,
um welche Art von Einfuhren es sich handelt – es könnte
sich z. B. um pure „Rohstoffausbeutung“ handeln – und
zum anderen gibt es eine begrenzte nationale Handlungs-
kompetenz. Die Bundesregierung wird gebeten, einen ge-
eigneten Indikator für das zentrale Ziel der Marktöffnung zu
finden bzw. in der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie zu
implementieren.
Ehrliche Einschätzung darüber, ob Ziele mit den bisherigen
Maßnahmen erreicht werden
Der parlamentarische Beirat hält es im Rahmen der Fort-
entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie für entscheidend,
dass die Fortschrittsberichte eine Bestandsaufnahme mit
einem hohen Maß an Transparenz und Ehrlichkeit vor-
nehmen. Dabei ist zum einen eine nachvollziehbare Bilan-
zierung notwendig, ob und inwieweit Ziele erreicht werden.
Zum anderen bedarf es einer Analyse, welche Faktoren für
Erfolge und Defizite in Handlungsfeldern ursächlich waren.
Gerade die Auseinandersetzung mit Hemmnissen und Fehl-
einschätzungen bei der Umsetzung von Zielen und Maßnah-
men ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Management-
ansatzes. Eine solche kritische Evaluation ist auch die
Voraussetzung dafür, dass im Anschluss ein neuer und ziel-
gerichteter Maßnahmeplan entwickelt werden kann.
6. Ausgewählte Handlungsfelder
Der Parlamentarische Beirat hat sich im Rahmen der Befas-
sung mit dem Fortschrittsbericht 2004 Schwerpunkte ge-
setzt. Er hat deshalb fünf Handlungsfelder aus dem Fort-
schrittsbericht und der Nachhaltigkeitsstrategie ausgewählt,
die er bewertet und für die er, auch mit Blick auf die Weiter-
entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie, weitere Empfeh-
lungen an die Bundesregierung richtet.
6.1 Flächeninanspruchnahme
Die Schwerpunktsetzung zur Verminderung der Flächen-
inanspruchnahme wird ausdrücklich begrüßt. Boden ist eine
wertvolle Ressource; eine ungezügelte Flächennutzung für
Verkehrs- und Siedlungszwecke hätte bedenkliche ökologi-
sche Konsequenzen. Aber auch die sozialen und ökonomi-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/5399

schen Konsequenzen der Mobilitäts- und Siedlungspolitik
sind zu beachten.
Die Flächeninanspruchnahme ist für das Jahr 2002 auf
105 ha pro Tag zurückgegangen; im Jahr 2003 waren es
nach neusten Angaben durchschnittlich 93 Hektar pro Tag.
Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2020 die tägliche
Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflä-
chen auf 30 ha zu reduzieren.
Die Wichtigkeit des Indikators Flächenverbrauch für die
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung sollte ökolo-
gisch weiter begründet werden Eine größere Differen-
zierung des Indikators ist notwendig. Eine isolierte Orien-
tierung allein auf das 30 ha-Ziel könnte zu erheblichen
Konflikten mit anderen politischen Zielstellungen führen.
Deshalb wäre es sinnvoll, zwischen verschiedenen Nut-
zungsarten zu differenzieren und Zielkonflikte zwischen
Mobilität und Flächenverbrauch darzustellen.
Es ist erforderlich, zur Erreichung dieser Zielsetzung die
Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch das Auf-
zeigen konkreter Handlungsfelder, Arbeitsschritte und (zeit-
licher und regionaler) Etappenziele zu operationalisieren.
Dabei sollte im Einzelnen aufgezeigt werden, wie die je-
weiligen Maßnahmen die biologische Vielfalt fördern (z. B.
Sicherung des nationalen Biotopverbundes).
Finanzielle Anreize für Investitionen in den Bestand könn-
ten eine schnell wirksame Maßnahme im Rahmen einer
stadtpolitischen Strategie sein. Neue Instrumente zur Re-
duktion des Flächenverbrauchs sollten in Pilotprojekten mit
Blick auf die verschiedenen Handlungsansätze zügig er-
probt werden.
Die Bundesregierung sollte bei der Weiterentwicklung der
Nachhaltigkeitsstrategie die Empfehlungen des Nachhaltig-
keitsrates zum Flächenverbrauch „Mehr Wert für die Flä-
che“ sowie die Empfehlungen des Büros für Technikfolgen-
abschätzung „Reduzierung der Flächeninanspruchnahme –
Ziele, Maßnahmen, Wirkungen“ prüfen.
Angesichts der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Land
und Kommunen müssen Maßnahmen zur Reduktion des
Flächenverbrauchs alle Handlungsebenen berücksichtigen
und diese rechtzeitig in die Planungen einbeziehen.

6.2 Mobilität
Mobilität bestimmt unsere heutige Lebens- und Arbeits-
weise. Der Mobilitätsbedarf hat innerhalb von Deutschland
und der industrialisierten Welt seit Jahrzehnten bis heute
stetig zugenommen und wird weltweit noch weit mehr an
Bedeutung gewinnen. Eine Umkehrung dieses Trends ist
noch nicht in Sicht. Mobilität erzeugt Verkehr. Bei einer
nachhaltigen Mobilität geht es um die Verbesserung von
Mobilität bei gleichzeitiger Reduzierung des Verkehrsauf-
kommens und den damit verbundenen negativen Auswir-
kungen auf Mensch und Umwelt. Da Mobilität bislang stets
mit erheblichen Emissionen von Schadstoffen und klima-
relevanten Gasen verbunden ist, muss die Forschung nach
umweltverträglichen Antrieben verstärkt in den Vorder-
grund gerückt werden, damit der bestehende und zuneh-
mende Mobilitätsbedarf mit einer nachhaltigen Entwicklung
in Einklang gebracht werden kann.

Der Fortschrittsbericht geht zwar auf sämtliche Handlungs-
felder ein und informiert über den Stand, die Möglichkeiten
und Ziele der Verkehrspolitik. Die Darstellung beschränkt
sich jedoch auf die technokratische Einflussnahme auf die
Verkehrsträger und ihre Planung. Es fehlen Querverbindun-
gen und Zusammenhänge zu anderen Handlungsfeldern,
insbesondere zur Flächeninanspruchnahme und zum demo-
grafischen Wandel. Zudem ist der Beurteilungszeitraum zu
kurz, um eine sinnvolle Bewertung abzugeben.
Der Beirat schlägt vor, folgende Facetten im Bezug auf eine
nachhaltige Mobilität stärker zu fokussieren:
Der bestehende hohe Verkehrsbedarf sollte hinterfragt wer-
den. Es findet weder eine eingehende Ursachenforschung
statt noch werden in ausreichendem Maße Ansätze zur Ver-
kehrsvermeidung geprüft. Vorschläge der Stadt- und Regio-
nalplanung etwa zur Zusammenführung von Wohnen und
Arbeiten können dabei einen wichtigen Beitrag leisten. Bei
dem Schwerpunkt „Nachhaltige Raum- und Siedlungsstruk-
turen“ steht man erst am Anfang der Debatte. Die Potenziale
sind noch zu wenig erforscht.
Der parlamentarische Beirat begrüßt, dass an dem Ziel, den
Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, fest-
gehalten wird. Die Entwicklung der Anteile von Schienen-
verkehr aber auch der Binnenschifffahrt an der Güterver-
kehrsleistung ist allerdings nach wie vor niedrig. Man ist
weit von dem Ziel 25 % (2015) entfernt. Vielmehr ist der
Verkehrsanteil in den letzten Jahren sogar gesunken. Eine
Analyse, warum die langjährigen Anstrengungen zur Verla-
gerung des Verkehrs von der Straße weg bisher gescheitert
sind, unterbleibt aber. Eine Schadstoffbelastung durch die
Binnenschifffahrt als Alternative zum Straßengüterverkehr
und eventuelle Kapazitätsgrenzen bei Schiene und Wasser-
straßen werden nicht thematisiert. Die Potenziale beim
„Kombinierten Güterverkehr“ und bei „Intermodalen Mo-
bilitätsangeboten für den Personenverkehr“, wie z. B. der
Verknüpfung des öffentlichen Verkehrs mit Car-Sharing-
Angeboten sind zu nutzen. Ohne stärkeren Wettbewerb auf
dem Netz lassen sich die Potenziale des Schienenverkehrs
nicht heben. Bei der Binnenschifffahrt sind lokale Maßnah-
men zur Erhöhung der Kapazität, wie Brückenerhöhungen
und Schleusenvergrößerungen, großräumigen Ausbaumaß-
nahmen vorzuziehen.
Der Bereich Verkehrslärm wird im Fortschrittsbericht nur
unzureichend erörtert. Beim Thema Straßenverkehrslärm
hinkt der Bericht der Entwicklung ebenso hinterher wie die
deutsche Automobilindustrie. Die Lärmminderungspoten-
ziale moderner Technologien bleiben unberücksichtigt. Dies
gilt auch für deren Durchsetzung im Bereich des Schienen-
verkehrs. Das Problem des in den Zuständigkeiten stark zer-
splitterten und gesetzlich nicht konsequent geregelten
Lärmschutzes wird zwar angesprochen, aber nicht ausge-
führt.
Zwischen wachsendem Verkehr und ökologischer Nachhal-
tigkeit besteht ein Spannungsverhältnis. Ziel einer nachhal-
tigen Entwicklung muss es sein, Verkehrswachstum zu er-
möglichen und zugleich die Auswirkungen auf Umwelt und
Klima zu minimieren. Zum einen geht es darum, die Ener-
gieeffizienz zu steigern, zum anderen sind sowohl die For-
schung nach als auch die Einführung von neuen Antriebs-
technologien voranzutreiben, um die verkehrsbedingten
Schadstoffemissionen zu reduzieren.

Drucksache 15/5399 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Parlamentarische Beirat unterstützt daher die neue
Schwerpunktsetzung im Bereich der „Alternativen Kraft-
stoffe und Antriebstechnologien“. Wir begrüßen, dass die
Bundesregierung die Kraftstoffstrategie im Vergleich zum
ersten Entwurf des Fortschrittberichts weiter ausgearbeitet
hat. Wir bedauern, dass die Darstellung sehr deskriptiv
bleibt und nur einige Handlungsalternativen ausgesondert
werden. Zu den verbleibenden gibt es bisher noch keine
klare Priorisierung für das politische Handeln. Ein wichtiger
Schritt in einem zentralen Innovationsfeld ist gemacht. Was
jetzt folgen muss, ist ein entscheidendes politisches Auf-
bruch-Signal.
Ebenso wie die Kraftstoffstrategie sehen wir bis 2020 die
höchsten Potenziale, die den Verbrauch fossiler Kraftstoffe
mindern, bei Effizienzsteigerungen bei Benzin- und Diesel-
motoren, bei synthetischen Kraftstoffen aus Biomasse
(BTL), bei Hybridantrieben und bei Wasserstoff und Brenn-
stoffzellen. Die heutige Verbrennungstechnologie führt da-
gegen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in eine
Sackgasse. Die endliche Verfügbarkeit fossiler Energien
und das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzie-
ren, erfordern ein Umdenken. Integrierte Automobil-Strom-
versorgungssysteme mit Brennstoffzellen bieten eine lang-
fristige Lösung und die Chance auf die Einführung eines
Null-Emissionsautos. Aus ökologischer Sicht muss lang-
fristig die Verwendung des schadstofffreien Wasserstoffs als
Energieträger, erzeugt durch erneuerbare Energiequellen,
angestrebt werden. Andere Länder wie die USA und Japan
investieren bereits mehrere Milliarden Dollar in die Ent-
wicklung der Wasserstofftechnologie und haben sich ehr-
geizige Ziele zur Einführung gesetzt. In der staatlichen För-
derung haben diese Länder Deutschland bereits abgehängt.
Um international nicht den Anschluss zu verlieren und um
dieser Technologie zu einem Durchbruch zu verhelfen, ist
eine gemeinsame Anstrengung von Staat und Industrie er-
forderlich, mit dem Ziel die Wasserstofftechnologie zum
kommerziellen Einsatz weiterzuentwickeln. Für den Bund
heißt das, die Grundlagenforschung und Pilotprojekte stär-
ker als bislang zu fördern.
Auch für künftige Generationen und für deren Wohlstands-
sicherung ist Mobilitätspolitik von entscheidender Bedeu-
tung. Investitionen zur Modernisierung der Infrastruktur
und Innovationen wie z. B. Verkehrssteuerungssysteme sind
deshalb wichtige Zukunftsaufgaben, die dem Leitbild einer
Nachhaltige Entwicklung folgen müssen.
Sondervotum CDU/CSU und FDP:
Der Transrapid ist eine neue und innovative Technologie,
die vergleichbar weniger Energie verbraucht als Flugzeug,
Bahn und Auto und zudem zahlreiche Arbeitsplätze in
Deutschland schaffen könnte.
6.3 Globale Verantwortung
Der Entwurf des Fortschrittsberichtes konzentriert sich vor
allem auf Politikstrategien im nationalen Rahmen. Aber
auch notwendiges verantwortliches Handeln im globalen
Rahmen wird in mehreren Kapiteln aufgegriffen. Allerdings
sind die Fragen der Zusammenarbeit auf globaler Ebene
nicht konzentriert und kohärent in der nationalen und inter-
nationalen Wechselwirkung politischer Entscheidungen und
Nachhaltigkeitsstrategien dargestellt.

Entwicklungszusammenarbeit und Marktöffnung
Entwicklungspolitik ist auch Zukunftspolitik. Sie ist Teil der
nachhaltigen Entwicklung im internationalen Kontext.
Deutschland hat hier eine besondere Verantwortung als
bedeutende Industrienation, die davon lebt, Produkte und
Dienstleistungen in die ganze Welt zu exportieren. Ziel
muss es sein, eine stabile Staatengemeinschaft zu fördern
und Hilfe zur Selbsthilfe dort zu geben, wo stabile politische
und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht gegeben sind.
Es liegt in Deutschlands ureigenem Interesse, den Entwick-
lungsländern die bestmöglichen Voraussetzungen und Chan-
cen für ihre Entwicklung einzuräumen und einen wirksamen
Beitrag für eine erfolgreiche Integration in die Weltwirt-
schaft zu leisten. Dazu gehört eine Politik der offenen
Märkte für die Produkte der Entwicklungsländer sowie der
Wissens- und Technologietransfer.
Der Entwicklungspolitik kommt eine zentrale Rolle dabei
zu, langfristig und nachhaltig unsere Partnerländer beim
Aufbau demokratischer, rechtsstaatlicher und marktwirt-
schaftlicher Strukturen sowie tragfähiger Bildungs-, Ge-
sundheits- und Infrastruktursysteme zu unterstützen. Nur
wenn die Entwicklungspolitik dazu beiträgt, Armut, Unwis-
senheit und Perspektivlosigkeit zu überwinden, kann auch
dem weltweiten Terrorismus der Nährboden entzogen wer-
den.
Der Fortschrittsbericht weist Defizite beim Thema des Welt-
handels, der Marktöffnung und der WTO-Konferenzen auf.
Bei den Konferenzen in Doha und Cancún forderten die
Schwellen- und Entwicklungsländer insbesondere eine
Marktöffnung des Nordens im Agrarsektor. Erst im Juli
2004, also fast ein Jahr nach Cancún, ist es gelungen, we-
nigstens einen Verhandlungsrahmen für den Fortgang der
Doha-„Entwicklungsrunde“ zu vereinbaren. Auch wenn
hier Europa das Ende der Agrarexportsubventionen und
anderer Handelsverzerrungen in Aussicht gestellt hat, ist
eine wirkliche entwicklungspolitische Perspektive noch
nicht in Sicht.
Die Frage der Entschuldung ärmster Länder wird nicht er-
wähnt. Dabei ist diese HIPC-Initiative über Weltbank und
IWF ein wichtiger Beitrag, um ärmsten Ländern überhaupt
Strategien für eigene nachhaltige Entwicklung zu ermög-
lichen. Dies verbessert weltweit die Chancen für die Um-
setzung der Festlegungen aller UN-Konferenzen seit Rio,
kann aber nur ein Baustein zur Entwicklung dieser Länder
sein und muss mit Reformen für Marktwirtschaft, Rechts-
staat und Bildung verbunden sein.
Wir erinnern an die Notwendigkeit, so bald wie möglich
die Höhe des Entwicklungshaushaltes an die international
vereinbarte Zielgröße von 0,7 Prozent des Bruttoinlands-
produktes anzunähern. Bis zum Jahr 2015 soll – so ist es
auf dem Millenniumsgipfel vereinbart worden – die Zahl
der in extremer Armut lebenden Menschen um die Hälfte
reduziert werden. Die Bundesregierung wollte dazu bis
zum Jahr 2006 den Betrag der eigenen Entwicklungsgel-
der auf 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens stei-
gern. Das Erreichen dieses Ziels wird immer dringlicher.
Sondervotum CDU/CSU:
Die jüngsten Kürzungen des Entwicklungshaushalts der
Bundesregierung sind ein besonders erschreckendes Sig-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/5399

nal. Ein zielgerichtetes, nachhaltiges Handeln in der Ent-
wicklungspolitik ist nicht erkennbar. Medienwirksame
Aktionsprogramme reichen nicht aus, vielmehr ist kon-
struktive Sacharbeit erforderlich. Ein Musterbeispiel für
die Konzeptlosigkeit der Bundesregierung ist das Aktions-
programm 2015 zur weltweiten Halbierung der Armut. Die
Zielsetzung der Halbierung weltweiter extremer Armut in-
nerhalb von 13 Jahren ist angesichts der Tendenzen bei der
globalen Armutssituation schlichtweg utopisch. Hier wäre
der Beginn einer nachhaltigen Politik die Einsicht, zuerst
das zu tun, was möglich ist, bevor man nicht erreichbare
Ziele medienwirksam veröffentlicht.
In diesem Kontext wäre es wünschenswert gewesen, wenn
die Bundesregierung den engen Zusammenhang zwischen
nachhaltiger Entwicklung und sicherheitspolitischer Stabili-
tät stärker herausgestellt hätte. Sicherheit ist nicht nur eine
Grundvoraussetzung für Entwicklung. Der Teufelskreis aus
Armut und Unterentwicklung ist eine der Ursachen für Ge-
walt und Terrorismus.
Wasser
Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung der Wasser-
frage bewusst. In der Entwicklungszusammenarbeit ist
Deutschland der größte europäische Geber im Wassersektor.
Aufgrund seiner hohen Bedeutung wäre es für den Parla-
mentarischen Beirat wünschenswert, dass Wasser als essen-
tielle Ressource mit aufgeführt würde. Zudem ist bezüglich
eines notwendigen nachhaltigen Umgangs mit Wasser im-
mer noch ein großes Potential vorhanden im Hinblick auf
die ökologische Dimension (z. B. Kreislaufwirtschaft,
Schadstoffe in Gewässern), auf die ökonomische Dimen-
sion, auf die soziale Dimension (z. B. Armutsbekämpfung,
Wasser sparende Techniken) und auf die politische Dimen-
sion (z. B. Menschenrecht auf Wasser), das noch nicht in
Angriff genommen wurde.
Unabhängig von einer privaten oder öffentlichen Versor-
gung mit Wasser sind rechtliche und institutionelle Rah-
menbedingungen zu prüfen, um eine sozial tragbare und
ökologisch nachhaltige Versorgung, auch der ärmsten Be-
völkerungsschichten weltweit zu gewährleisten.
Globale Umweltveränderungen
Die größten ökologischen Herausforderungen der Nachhal-
tigkeit sind heute die globalen Umweltveränderungen. Hier-
für hat die Bundesregierung einen eigenen Wissenschaft-
lichen Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU)
eingerichtet. Dieser ist mit mehreren alarmierenden Gutach-
ten an die Öffentlichkeit getreten. Insbesondere machen
neuere Erkenntnisse zum Klimawandel deutlich, dass das
Kyotoprotokolls zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist,
wenn eine gefährliche Interaktion des Menschen mit dem
Erdklima verhindert werden soll. Letzteres aber ist die For-
derung in Artikel 2 der auch von Deutschland ratifizierten
Klimarahmenkonvention. Der Beirat empfiehlt die Auf-
nahme der aus den WBGU-Erkenntnissen resultierenden
Hausaufgaben in die Nachhaltigkeitsstrategie. Bezüglich
der Klimavorsorge sieht er insbesondere die Notwendigkeit
einer verstärkten Nutzung flexibler und kosteneffizienter
Instrumente wie Joint Implementation in Übergangsländern
und Clean Development Mechanism in Entwicklungslän-

dern. Hierzu erwarten wir von der Bundesregierung sowohl
auf nationaler als auch auf europäischer Ebene Vorstöße.
Globalisierung
Der Trend zur Globalisierung in Produktion, Handel und
Kapitalverkehr wird einerseits als sozial-ökonomische
Bedrohung wahrgenommen, ist aber zugleich auch eine
Chance für Entwicklung und politische Freiheit und deshalb
eine enorme Herausforderung für die Politik. Der Globali-
sierungsprozess hat seit 1990 an Ausmaß und Geschwin-
digkeit zugenommen: die Produktion hat sich weltweit
verdreifacht, der Handel versechsfacht, die Direktinvesti-
tionen verzehnfacht, die Umsätze auf Devisenmärkten sind
auf 1,2 Billionen US Dollar pro Tag hochgeschnellt.
Gleichzeitig hat sich der Abstand zwischen Arm und Reich,
aber auch die soziale Mobilität nach oben innerhalb der
meisten Länder deutlich vergrößert. In einigen der ärmsten
Ländern hat zudem eine bedenkliche De-Industrialisierung
stattgefunden: sie konnten viele ihrer noch jungen Indus-
trien vor allem gegenüber der Konkurrenz aus Schwellen-
ländern nicht halten. Der für die Soziale Marktwirtschaft
charakteristische Ausgleichsmechanismus existiert auf glo-
baler Ebene nicht.
Das Bruttoinlandsprodukt in Industrieländern liegt mittler-
weile durchschnittlich bei 20 900 US-Dollar pro Kopf. Trotz
enormer Bevölkerungsentwicklung ist seit 1990 die Zahl
derer, die mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag leben müs-
sen, um ca. 118 Millionen gesunken. Einem deutlichen
Rückgang der Armut vor allem in China und Südasien
– allein in China von 377 Millionen (1990) auf 212 Millio-
nen (2001) – stehen dramatische Zuwächse von 227 Millio-
nen (1990) auf 314 Millionen (2001) in den subsaharischen
Ländern Afrikas gegenüber.
Der Beirat fordert die Bundesregierung auf, sich für eine
freiheitliche, aber auch faire Gestaltung des Globalisie-
rungsprozesses einzusetzen. Die ökonomische Globalisie-
rung muss durch Verbesserungen im internationalen Rechts-
rahmen politisch im Sinne der Nachhaltigkeit begleitet
werden. Über die Gewichtung und die Intensität dieser Re-
geln herrscht im Parlamentarischen Beirat allerdings kein
Konsens.
Sondervotum CDU/CSU:
Die internationale Verantwortung für eine nachhaltige Ent-
wicklung der Chancen der Entwicklungsländer erfordert ein
gemeinsames Vorgehen mit den internationalen Institu-
tionen wie der Europäischen Union und der UNO. Vor
allem aber muss die Rolle der WTO gestärkt werden.
6.4 Potenziale älterer Menschen
Der demografische Wandel wird politisches Handeln in
Deutschland in den nächsten Jahrzehnten bestimmen. Im
Laufe der Jahrhunderte haben es die Menschen mit Hilfe
von Medizin und Hygiene geschafft, Lebensstandards zu
verbessern und die Lebenserwartung zu erhöhen. Diese Er-
rungenschaft verändert den Altersaufbau der Gesellschaft,
gerade weil gleichzeitig immer weniger Kinder geboren
werden. Die Prognose des Statistischen Bundesamtes in
Wiesbaden für 2050 geht von einem Anstieg der Lebens-
erwartung auf 86,6 Jahre aus.

Drucksache 15/5399 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Diese Entwicklung hat Konsequenzen für fast alle Le-
bensbereiche und muss daher frühzeitig politisch begleitet
werden. Ein längeres Leben erfordert neue Konzepte in ver-
schiedensten Bereichen – u. a. bei Rente, Soziales, Arbeit.
Im Zeichen des demografischen Wandels muss sich auch die
Politik grundlegend wandeln.
Die Erwerbstätigenquote älterer Menschen zwischen 55 und
64 Jahren liegt in Deutschland weit hinter der Quote anderer
OECD-Länder. Durch Arbeitslosigkeit, Altersteilzeit und
Frühverrentung ist in dieser Personengruppe eine erhebliche
Beschäftigungslücke entstanden. Dabei wollen und können
viele ältere Menschen noch Leistung erbringen. Sie wollen
nicht nur abgeschoben und versorgt werden. Unstrittig ist,
dass Menschen, die älter und gesünder werden, auch länger
arbeiten können und sollten. Aber weniger klar sind die
Details.
In ihrem Fortschrittbericht schlägt die Bundesregierung
mehrere „Leuchtturmprojekte“ vor. Diese zu diskutieren
und in der Praxis in Wirtschaft und Verwaltung zu erproben,
findet die Zustimmung des Parlamentarischen Beirats für
nachhaltige Entwicklung. Die Vorschläge sind im Wesent-
lichen richtig, reichen aber bei weitem nicht aus, um die
Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer zu verbessern.
Es müssen Fehlanreize und Einstellungshemmnisse für
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer abgebaut werden.
Starre Altersgrenzen beim Renten- bzw. Ruhestandseintritt
sowie im Arbeits- und Beamtenrecht sind zu überprüfen.
Sondervotum FDP:
Zum Abbau von Fehlanreizen gehören konkret die Be-
endigung der Altersteilzeit nach dem sog. Blockmodell, die
Erleichterung der Erwerbstätigkeit neben dem Bezug von
Altersrente und die Beseitigung des § 428 SGB III. Das
Kriterium „Lebensalter“ sollte für die Sozialauswahl bei
betriebsbedingten Kündigungen entfallen. Im Kündigungs-
recht ist ein Optionsmodell (Abfindungsreglung statt
Kündigungsschutz) gerade für ältere Arbeitnehmer zu ver-
ankern.
Unabdingbar damit verbunden ist der systematische Ausbau
der Fort- und Weiterbildung und deren Weiterentwicklung
zu einer Architektur des lebenslangen Lernens. Ältere Men-
schen nutzen schon heute vermehrt die Angebote von Hoch-
schulen zum „Seniorenstudium“. Das Internet ist auch für
ältere Menschen eine gute Kontakt- und Informationsmög-
lichkeit. Sowohl im Arbeits- als auch im Bildungsbereich
bedarf es eines Mentalitätswechsels, welcher die Potenziale
der älteren Menschen erkennt und fördert.
Durch umfassende Fort- und Weiterbildung müssen ältere
Menschen in die Lage versetzt werden, am sozialen und
technischen Fortschritt teilzuhaben. Dies wiederum verbes-
sert ihre Chancen auf Weiter- und Wiederbeschäftigung in
erheblichem Maße.
In diesem Zusammenhang muss eine Überprüfung der be-
stehenden Arbeitsprozesse bzw. -Abläufe in Hinblick auf
die Bedürfnisse älterer Menschen vorgenommen werden.
Moderne Technik, richtig gestaltet und eingesetzt, eröffnet
Potenziale für eine älter werdende Gesellschaft, die für das
Individuum und für die Volkswirtschaft von eminenter
Bedeutung sind.

Staat, Unternehmen und Tarifparteien sind gleichermaßen
gefordert, die Arbeitsbedingungen älter werdender Arbeit-
nehmer zu verbessern. Es muss gelingen, einen gesellschaft-
lichen Konsens über die notwendigen Veränderungen herzu-
stellen. Dies ist keine leichte, aber eine spannende Aufgabe.
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung
wird hier einen Erfahrungsaustausch mit Gewerkschaften,
Arbeitgebern und Wissenschaftlern suchen.
Ältere Menschen müssen Möglichkeiten vorfinden, sich
produktiv einbringen zu können, im und außerhalb des re-
gulären Erwerbslebens. Es sollten Freiwilligendienste für
ältere Menschen geschaffen werden, analog dem Freiwilli-
gen Sozialen Jahr. Von der Gelassenheit und Lebenserfah-
rung der älteren Generation können Jüngere profitieren –
auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Anerkennung und men-
tales Wohlbefinden von älteren Menschen haben darauf
indirekt Auswirkungen. Es muss gelingen, Verständnis für-
einander zu wecken: Kein Jung oder Alt, sondern Jung und
Alt. Kein Auseinandertriften, sondern Verständnis und da-
raus resultierende Solidarität und Zusammenarbeit zwi-
schen den Generationen.
6.5 Energie und Klima
Der Parlamentarische Beirat begrüßt, dass die Themen
Energieversorgung und Klimaschutz bereits zentrale Bau-
steine der Nachhaltigkeitsstrategie sind. Durch sinkende
Treibhausgasemissionen, die wachsende Energieproduktivi-
tät und den zunehmenden Anteil der Erneuerbaren Energien
am Energiemix ist Deutschland bei wichtigen Faktoren für
eine nachhaltige Energieversorgung auf dem richtigen Weg.
Der Parlamentarische Beirat erwartet, dass Deutschland und
die Europäische Union auch in Zukunft im Klimaschutz
international eine Vorreiterrolle übernehmen. Die Bundes-
regierung muss darauf drängen, dass sich die EU auch zu
langfristigen und ambitionierten Klimaschutzzielen für
2050 verpflichtet.
Der Parlamentarische Beirat weist darauf hin, dass selbst die
Reduktionsziele des bisher noch nicht umgesetzten Kyoto-
Protokolls für einen nachhaltigen Schutz des Weltklimas
nicht ausreichen werden. Über Kyoto hinaus sind weltweit
wesentlich größere Anstrengungen notwendig. Dazu gehört
auch, dass die Verhandlungen um die zweite Verpflichtungs-
periode des Kyoto-Protokolls (und nachfolgende Zeiträume)
auch Beschränkungen des Emissionswachstums in Entwick-
lungs- und Schwellenländern wie China oder Indien be-
inhalten müssen. Notwendige Voraussetzung für diesen
Schritt ist allerdings, dass die Industrieländer überzeugende
Anstrengungen unternommen haben, ihre Emissionen zu
reduzieren, und entsprechende Emissionsreduktionen nach-
weisen können.
Zur Einbindung der Schwellen- und Entwicklungsländer
gehört auch die Weiterentwicklung der flexiblen Kyoto-
Mechanismen.
In Deutschland und weltweit sind die gezielte Förderung
und der Ausbau von Erneuerbaren Energien in Stromerzeu-
gung, Wärmeversorgung und Verkehr für eine nachhaltige
Energiepolitik unerlässlich. Der Anteil der Erneuerbaren
Energien am Bruttostromverbrauch soll EU weit bis zum
Jahr 2010 auf 22 Prozent erhöht werden. Gleichzeitig soll
der Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamt-Energie-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/5399

verbrauch der Europäischen Union auf 12 Prozent steigen.
Erneuerbare Energien vereinen drei wichtige politische
Ziele: die langfristige Bedeutung für den Klimaschutz, das
technologische Innovationspotenzial und die Erschließung
neuer Märkte im Export. Ziel einer Förderung der Erneuer-
baren Energien sollte es aber auch sein, sie langfristig zu
Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu führen, um Marktreife
und Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Eine nachhaltige
Entwicklung muss zum Ziel haben, die Abhängigkeit von
fossilen Brennstoffen wie Erdöl und Erdgas konsequent zu
reduzieren. Hierfür sind weitergehende Maßnahmen und
Fahrpläne in der Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.
Der Parlamentarische Beirat weist – unabhängig von unter-
schiedlichen Auffassungen bezüglich der Fördermodelle –
darauf hin, dass ein weiterer deutlicher Ausbau erneuerbarer
Energien insbesondere dann erfolgreich realisiert werden
kann, wenn parallel ein Schwerpunkt der Maßnahmen auf
die Einführung von Speichertechnologien gelegt wird. Auch
die Effizienzsteigerung bei der Umwandlung fossiler Ener-
gieträger sollte weiter erforscht werden.
Sondervotum CDU/CSU und FDP:
Daneben muss auch die Forschung im Bereich der fried-
lichen Nutzung der Kernspaltung und der Kernfusion fort-
geführt werden.
Neben der Förderung der Erneuerbaren Energien müssen
ebenso Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur effi-
zienteren Stromverwendung vorangetrieben werden. Trotz
erkennbarer Fortschritte sieht der Parlamentarische Beirat in
diesem Bereich den größten Bedarf zur Weiterentwicklung
der Nachhaltigkeitsstrategie: Im Bereich der energetischen
Sanierung von Altbauten besteht mit einem CO2-Einspar-potenzial von 40 bis 55 % gegenüber 1990 das größte Ener-
gieeinsparpotenzial überhaupt. Altbauten verbrauchen heute
nachweislich nahezu doppelt so viel Energie (Strom, Hei-
zung, Kühlen von Gebäuden) wie Neubauten. Obwohl auch
hier in der Praxis Fortschritte z. B. durch Klimaschutzmaß-
nahmen im Bau- und Wohnungsbereich zu erkennen sind,
wird die Bedeutung des Energiesparens für den Erfolg einer
Klimaschutzstrategie immer noch unterschätzt. Die Fortfüh-
rung und Weiterentwicklung der Energiesparmaßnahmen im
Gebäudebereich sowie neuer Effizienz- und Einspartechno-
logien sind daher zwingend notwendig. Dazu sollten u. a.
folgende Maßnahmen erprobt werden:
l Kreditzuschüsse, Kreditschuldenerlasse oder direkte

Zulagen für die nachweisliche, energetische Gebäude-
sanierung.

l Förderprogramme für innovative Energieeinspar- und
Effizienztechnologien (Passivstandard im Altbau,
Brennstoffzelle etc.).

l Darüber hinaus sollten z. B. die Möglichkeiten zur Be-
förderung von Energiedienstleistungen wie dem Con-
tracting verbessert werden.

7. Neue Handlungsfelder
Im Rahmen der neuen Handlungsfelder zeigt der Parlamen-
tarische Beirat fünf Themen auf, die im Fortschrittsbericht
keine bzw. keine ausreichende Berücksichtung gefunden ha-
ben. Der Parlamentarische Beirat wird sich in seiner Arbeit

mit diesem Themen auch weiterhin beschäftigen und emp-
fiehlt der Bundesregierung, sich an einem konstruktiven
Dialog auf diesen Gebieten zu beteiligen.

7.1 Bildung für Nachhaltigkeit – für mehr Nachhaltigkeit in
der Bildung

Bildung ist der Schlüssel, um die ökologischen, ökonomi-
schen und sozialen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
zu bewältigen. Investitionen in Bildung und Forschung sind
deshalb Investitionen in die Zukunft künftiger Generatio-
nen. Nachhaltigkeit als zentrales Leitbild für mehr Qualität
und Reformen im deutschen Bildungssystem ermöglicht
Teilhabe und die Fähigkeit zur aktiven Mitgestaltung des
Wandels im Zeitalter der Globalisierung.
Die Bildung und Ausbildung der Bürgerinnen und Bürger,
das hohe Niveau von Forschung und Technologie in
Deutschland sind Fundament unserer Wirtschaft und zu-
gleich Antwort auf die Herausforderungen der Globalisie-
rung. Dies bedeutet: Die Leistungsfähigkeit unseres Bil-
dungssystems muss gestärkt, die Spitzenstellung unserer
Forschung ausgebaut werden. Ein modernes Schul- und
Berufsbildungssystem sowie wettbewerbsfähige Hochschu-
len sind unverzichtbar, um die Vorteile der Globalisierung
ausschöpfen zu können. Für ein rohstoffarmes Land wie
Deutschland ist Wissen das wichtigste Kapital, um sich im
globalen Wettbewerb behaupten zu können.
Nachhaltigkeit als eines der Leitbilder für mehr Qualität und
Reformen im deutschen Bildungssystem ermöglicht Teil-
habe und die Fähigkeit zur aktiven Mitgestaltung des
Wandels im Zeitalter der Globalisierung. Inhaltlich und me-
thodisch geht es um die Vermittlung von Grundfertigkeiten
und Faktenwissen über die Zusammenhänge von Mensch,
Natur und Technik genauso wie um die Förderung von
Handlungs- und Gestaltungskompetenz, die für das Ein-
schlagen eines nachhaltigen Entwicklungspfades unabding-
bar sind. Dies erfordert angemessene Lernformen.
Nur auf der Grundlage einer breiten und qualitativ hochwer-
tigen Ausbildung können Forschung und Wirtschaft den
notwendigen Nachwuchs gewinnen. Dies beginnt bereits bei
der Schulbildung: Der wichtigste Ansatzpunkt für nach-
haltig bessere Ausbildungs- und Studienchancen ist eine
bessere Ausbildungs- und Studierfähigkeit der Schulabgän-
ger. Hierfür tragen in Deutschland vor allem die Länder die
Verantwortung. Unverzichtbar ist zudem ein modernes
Berufsbildungssystem, das inhaltlich und organisatorisch
modernisiert wird und neuen wirtschaftlichen Entwicklun-
gen Rechnung trägt. Wir brauchen in Deutschland ein insge-
samt forschungs-, technik- und innovationsfreundlicheres
Klima.
Dem Zusammenhang von Bildung, Nachhaltigkeit und In-
novation Rechnung tragend, nennt die Nachhaltigkeitsstra-
tegie den Bereich der Bildung als zentrales Handlungsfeld,
das es bei der Weiterentwicklung der Strategie mit Hand-
lungskonzepten zu füllen gelte. Diesem Anspruch wird der
Fortschrittsbericht allerdings nur unzureichend gerecht. So
ist es zwar grundsätzlich sehr zu begrüßen, dass im Kontext
des Handlungsfeldes „Potenziale älterer Menschen in
Wirtschaft und Gesellschaft“ der Fokus auf den Bereich der
Weiterbildung und des lebensbegleitenden Lernens im Alter
gelegt wird. Lebensbegleitendes Lernen ist allerdings ein

Drucksache 15/5399 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

umfassendes Konzept und darf nicht allein im Hinblick auf
ältere Menschen behandelt werden. Die Vermittlung der
Fähigkeit zum „Lernen ein Leben lang“, die Optimierung
der Schnittstellen zwischen den Bildungsebenen und zwi-
schen Ausbildung und Arbeitswelt, eine höhere Durchläs-
sigkeit sowie die Förderung zweiter Bildungschancen sind
Aspekte des lebensbegleitenden Lernens, die auch und ge-
rade jüngere Menschen betreffen und im Zusammenhang
der Nachhaltigkeitsstrategie behandelt werden sollten.
Im Fortschrittsbericht wird das Thema Bildung für eine
nachhaltige Entwicklung weitgehend ausgespart. Aktuellen
Anlass, dieses Thema als zukünftigen Schwerpunkt in die
weitere Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie aufzu-
nehmen, bietet der Beschluss der UN-Vollversammlung im
Dezember 2002, die Jahre 2005 bis 2014 zur Weltdekade
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung auszurufen.
Dabei kann an einen interfraktionellen Beschluss des Bun-
destages vom Juli 2004 angeknüpft werden, der eine ganze
Reihe von Forderungen an die Bundesregierung zur Inte-
gration der nachhaltigen Entwicklung in formellen wie
informellen Bildungsprozessen enthält, sowie an den in der
Nachhaltigkeitsstrategie enthaltenen Schwerpunkt „Alte
Strukturen verändern – neue Ideen entwickeln: Bildungs-
offensive und Hochschulreform“, der ein mögliches Heran-
gehen bereits skizziert.
Aus dem Forderungskatalog beispielhaft genannt seien nur
die breitenwirksame Umsetzung der Ergebnisse des Bund-
Länder-Modellprogramms „BLK 21“, die Entwicklung und
Erprobung von Konzepten zur Integration von Nachhal-
tigkeit in die berufliche Bildung, die Förderung von Nach-
haltigkeit in der Hochschul- und allgemeinen Weiterbildung
sowie der Transfer von Ergebnissen der Nachhaltigkeits-
forschung in die verschiedenen Bildungsbereiche. Münden
sollen diese und weitere Initiativen in einem nationalen
Aktionsplan der Bundesregierung, der die nachhaltige Ent-
wicklung auf allen Bildungsebenen zu verankern sucht.

7.2 Forschung und Innovation
Hervorragende Bildung und leistungsfähige Forschung
gehören untrennbar zusammen, sie bedingen einander. Wo
heute geforscht wird, können morgen Innovationen und
damit die Arbeitsplätze für die nächste Generation entste-
hen. Innovative Arbeitsplätze sind weniger gefährdet, in
Länder mit niedrigerem Lohnniveau verlagert zu werden.
Sie bieten außerdem die Chance auf hohe Wertschöpfung
und haben daher eine große Bedeutung bei Sicherung des
wirtschaftlichen Wohlstands und der sozialen Sicherheit in
der Zukunft. Ebenso ist es die Wissenschaft, deren Er-
gebnisse uns die Chance geben, ökologische Probleme zu
bewältigen, die Versorgung der Weltbevölkerung mit
Nahrung, Wasser und Energie sicherzustellen.
Im Fortschrittsbericht der Bundesregierung wird das Thema
Forschung leider nur sehr kurz am Rande erwähnt. Es
werden weder Perspektiven aufgezeigt, noch konkrete
Forschungsfelder zugunsten der nächsten Generation dar-
gestellt. Der parlamentarische Beirat empfiehlt, die techno-
logische Leistungsfähigkeit und die wissenschaftliche Ex-
zellenz in der Grundlagenforschung – einschließlich
disziplinübergreifender Ansätze – als Indikatoren in die
Nachhaltigkeitsstrategie aufzunehmen.

Wir brauchen in Deutschland ein insgesamt forschungs- und
technikfreundlicheres Klima. Deutschland war seit dem frü-
hen 19. Jahrhundert an der Entwicklung der wesentlichen
Technologien in der Welt beteiligt. Dies nicht zuletzt des-
halb, weil neue Technologien und Entwicklungen als
Chance für Wohlstand und Gerechtigkeit begriffen wurden.
Weniger als heute war die Debatte von Misstrauen und
Angst vor neuen Technologien und deren Möglichkeiten ge-
prägt. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung müssen wir
neue Technologien und Entwicklungen als Chance für
Wohlstand und Sicherheit begreifen und zum Wohle der
nächsten Generation fördern. Das bedeutet nicht, dass die
Risiken vernachlässigt werden.
Für die Zukunftschancen der nächsten Generation ist unab-
dingbar, dass die Ziele der Lissabon-Strategie erreicht wer-
den und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf
3 % des BIP gesteigert werden. Deshalb müssen Bund und
Länder sowie die Privatwirtschaft die Mittel für die For-
schung deutlich aufstocken und die Wettbewerbsfähigkeit
der Hochschulen in Forschung und Lehre muss verbessert
werden. Besonders muss aber der Anteil der Wirtschaft an
den Ausgaben für Forschung und Entwicklung höher wer-
den. Faktoren, die dabei als Hemmnisse dienen müssen ver-
mieden, neue Anreizsysteme dagegen geschaffen werden.
Ein besonderes Augenmerk müssen die Anstrengungen
erhalten, neue Schlüsseltechnologien frühzeitig zu identi-
fizieren und deren Entwicklung im Rahmen einer strate-
gischen Forschungsförderung baldmöglichst zu stärken. Im
Kontext der Nachhaltigkeit ist dabei die strategische Erhö-
hung der Ressourcenproduktivität ein inzwischen europa-
weit (und in den asiatischen Wachstumsregionen) anerkann-
tes Innovationsfeld mit hoher Priorität.
Eine Politik der Nachhaltigkeit bedeutet Innovations- und
Zukunftsfreude: Wir müssen wieder Dinge können, die
andere nicht können.

Sondervotum CDU/CSU und FDP:
Deutschland darf sich deshalb aus wichtigen Forschungs-
bereichen wie der Grünen Gentechnik, der europäischen
Raumfahrt oder der Fusionsforschung nicht weiter zurück-
ziehen, um nicht den Anschluss im internationalen Wettbe-
werb zu verlieren. Als weitere Bespiele hierfür können die
Stammzellenforschung, die Chemie- und pharmazeutische
Forschung und nicht zuletzt auch die Mobilfunktechnologie
angeführt werden.

7.3 Prävention
Der demographische Wandel macht deutlich, dass unsere
sozialen Sicherungssysteme fortentwickelt werden müssen.
Immer weniger Menschen werden für immer mehr Leis-
tungsempfänger sorgen müssen. Pauschale Lösungen oder
Antworten kann es nicht geben. Die Politik ist aber auf-
gefordert, die Einsicht zu vermitteln, dass Veränderungen
notwendig sind und solche auch nicht ohne Einschnitte
möglich sein werden, gerade um die Chancen der künftigen
Generation nicht zu gefährden. Das muss natürlich in sozial
verträglicher Weise geschehen. Die soziale Dimension der
nachhaltigen Entwicklung braucht in der Nachhaltigkeits-
strategie deshalb eine Aufwertung.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/5399

Der demografische Wandel stellt das Gesundheitswesen vor
große Herausforderungen und bietet eine große Chance für
mehr Wachstum und Beschäftigung. Auf Ärztinnen, Ärzte
und Pflegepersonal kommen neue Herausforderungen zu.
Die betrifft sowohl die Forschung (Entwicklung neuer Heil-
verfahren) als auch die Betreuung von Patienten. Generatio-
nengerechtigkeit bei der Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung entsteht nur dann, wenn ein System
gefunden wird, was die wirtschaftlichen Chancen mit den
sozialen und demografischen Herausforderungen versöhnt.
Prävention als nationale Aufgabe ist eine Investition in die
Zukunft unseres Gesundheitssystems. Sie muss im direkten
Lebensumfeld der Menschen verankert und mittels Eigen-
initiative gestärkt werden. Gesundheitsförderung und Prä-
vention müssen in den Kindergärten und Schulen, an Ar-
beitsstellen, im öffentlichen Bereich angesiedelt und auf
gemeinsame Ziele ausgerichtet werden. Ziel ist es, mög-
lichst alle Bürgerinnen und Bürger mit nachhaltig wirken-
den präventiven Angeboten zu erreichen. Der Leitsatz „Prä-
vention vor Kuration“ hat sich bisher nicht im finanziellen
Engagement der Verantwortlichen niedergeschlagen. Nicht
nur aus finanziellen Gründen, sondern auch aus Gründen
der Vermeidung von Krankheit und Abhängigkeit ist hier
ein deutlicher Kurswechsel erforderlich. Die Verführung
von Kindern zu gesundheitsschädlichem Konsumverhalten
(„junk food“, Alkohol und Tabakwaren) wurde zwar einge-
schränkt, es wird aber immer noch weitaus mehr Geld für
die Verführung zum Tabakkonsum ausgegeben, als für die
gesundheitliche Aufklärung. Auch für die Prävention von
Krankheiten gilt – über die gesundheitliche Aufklärung und
die Vermeidung von Infektionskrankheiten hinaus – neben
dem Solidarprinzip auch das Subsidiaritätsprinzip. Jede und
jeder Einzelne ist auch selbst gefordert, sich im Rahmen
ihrer bzw. seiner Möglichkeiten eigenverantwortlich um die
individuelle Gesundheitsvorsorge zu kümmern sowie ris-
kante und schädliche Lebensweisen zu vermeiden.
Die Möglichkeit konzertierter präventiver Aktionen, die für
einzelne Regionen des Landes angemessene, am konkreten
Bedarf orientierte Präventionsstrategien entwickeln und
umsetzen, setzt eine engere Kooperation der verantwortli-
chen Akteure in Krankenkassen, Gebietskörperschaften und
Wirtschaft voraus.
Auch im Pflegesektor werden die Möglichkeiten der Prä-
vention und Gesundheitsförderung noch nicht hinreichend
genutzt. Durch Förderung geeigneter sozialer Strukturen
und Infrastruktur in Wohnquartieren können stationäre
Pflege und teure Heimunterbringung weitgehend vermieden
werden. Außerdem bedarf es zusätzlicher Anstrengungen,
um die gesellschaftliche Wertschätzung der Pflegeberufe
und von Pflegeleistungen zu erhöhen.
Mit der Agenda 2010 hat die Bundesregierung begonnen,
die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren, die Oppo-
sition hat bei wichtigen Reformen über ihre Mehrheit im
Bundesrat mitgewirkt. Bei einzelnen Indikatoren (u. a. Be-
schäftigung, Staatsverschuldung, Bildung) stellt der Fort-
schrittsbericht eine Verbindung zwischen den notwendigen
Reformen und der Nachhaltigkeitsdebatte her. Eine grund-
sätzliche Zielorientierung findet allerdings noch nicht statt.
Die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
(Hartz I bis IV) sollen es ermöglichen, dass mehr Menschen
ihre Leistungsbereitschaft in Arbeit und Beschäftigung ein-

bringen können. Diese Form von Teilhabe am gesellschaft-
lichen Leben ist unverzichtbar. Keine Gesellschaft kann es
sich leisten, auf Dauer Massenarbeitslosigkeit zu akzep-
tieren.
Die Reformen bei der Kranken- und Rentenversicherung
basieren auf den Grundprinzipien der Gemeinschaft und
Gerechtigkeit. Ergänzt vor allem um die Komponente der
eigenen Verantwortung, auch der eigenen Leistungserbrin-
gung, ermöglichen die Reformen nicht nur Beitragssenkun-
gen und die Entlastung des Faktors Arbeit. Vielmehr gelingt
es dadurch, die Menschen dafür zu sensibilisieren, wie die
Sicherungssysteme funktionieren und dass spürbar gerade
das eigene Verhalten dazu beiträgt, diese für die zukünftigen
Generationen zu erhalten.
Vor allem bei der Kranken- und Rentenversicherung sind
weitere Reformen, die Generationengerechtigkeit sicher-
bzw. herstellen, notwendig. Sie müssen auch auf den
Grundprinzipien der Selbstverantwortung und der eigenen
Leistungserbringung basieren. Ziel der Reformen muss die
dringend erforderliche Entlastung des Faktors Arbeit sein.
Dabei müssen zukünftig alle Einkommensarten zur Finan-
zierung der sozialen Sicherungssysteme beitragen, wenn
die Löhne entlastet werden sollen.

Sondervotum CDU/CSU:
Die Einbeziehung aller Einkommensarten zur Finanzierung
der sozialen Sicherungssysteme erzeugt einen gigantischen
Verwaltungs- und Kontrollaufwand und steht damit im
Gegensatz zu den Zielen von Deregulierung und Bürokra-
tieabbau zugunsten der nächsten Generation. Ziel einer
nachhaltigen Politik muss es sein, die Lohnnebenkosten von
nicht lohnabhängigen Leistungssystemen zu entkoppeln und
damit wieder die Voraussetzungen für mehr Arbeit und
Beschäftigung zu schaffen, gerade auch in den Zukunfts-
märkten der Gesundheitsdienstleistungen. Entscheidend
sind die Antworten auf die demographische Entwicklung
und Vorsorgemaßnahmen gegen künftige Ausgabensteige-
rungen im Gesundheitswesen.

Sondervotum FDP:
Die bisher durchgeführten Reformen bei der Kranken- und
Rentenversicherung basieren auf verengten Prinzipien der
Gemeinschaft und Gerechtigkeit. Sie vernachlässigen den
Grundsatz der Subsidiarität und schaffen keine Gerechtig-
keit im Sinne von Gleichbehandlung. Zudem werden trotz
dieser Reformen künftige Generationen über Gebühr be-
lastet. Nur eine Pflicht zur individuell gestaltbaren Versiche-
rung sowie der zügige und konsequente Einstieg in die
Kapitaldeckung bei Gesundheit, Rente und Pflege sichern
Subsidiarität und schaffen Generationengerechtigkeit im
demografischen Wandel.
Um Beitragsexplosionen in der Krankenversicherung und
weitere Rationierung in der Zukunft zu verhindern, müssen
heute Altersrückstellungen aufgebaut werden. Ein Wechsel
zu einem privatwirtschaftlichen System ist dazu am besten
geeignet und auch sozial akzeptabel, wenn ein sozialer
Ausgleich über Steuermittel erfolgt und von allen Versiche-
rungen ein Basistarif mit Kontrahierungszwang und Diskri-
minierungsverbot angeboten werden muss.

Drucksache 15/5399 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Nach wie vor stellt die Familie in ihren verschiedenen
Facetten das zentrale Fundament unserer Gesellschaft dar.
Die Bundesrepublik kann diesbezüglich auf eine lange
Erfolggeschichte zurückblicken: Kindergeld, Kinderfrei-
beträge, Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei der
Rente, Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und Rechtsan-
spruch auf einen Kindergartenplatz sind nur einige Beispiel
dafür.
Wünschenswert wäre ein familienpolitisches Maßnahmen-
paket, das die Rahmenbedingungen der Familien nachhaltig
verbessert. Es sollten insbesondere drei Bereiche reformiert
werden: Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
eine Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern sowie
eine stärkere präventive Orientierung der Familienpolitik.
Nicht außer Acht gelassen werden darf aber auch die sozia-
le und gesellschaftliche Situation von allein erziehenden
Frauen und Männern. Hier müssen auch weiterhin alle An-
strengungen unternommen werden, um Bedingungen und
Akzeptanz zu verbessern.

7.3 Demografischer Wandel und Infrastruktur
Die Auswirkungen des demografischen Wandels wurden
bisher vorrangig im Blick auf die Sozialsysteme diskutiert.
Der demografische Wandel wird sich aber auch die künftige
Infrastruktur auswirken. Neue Fragestellungen werden die
Anforderungen an eine nachhaltige Infrastruktur qualitativ
und quantitativ verändern. Unsere Infrastruktur muss an-
gesichts des demografischen Wandels überprüft und neu
ausgerichtet werden. Wir brauchen eine Analyse, wie viel
und welche Straßen, Schienen- und Verkehrswege, Bau-
und Gewerbegebiete und öffentlichen Einrichtungen wie
z. B. Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Sportstätten
sowie Jugend- und Alteneinrichtungen zukünftig noch ge-
braucht werden. Insbesondere die soziale und medizinische
Infrastruktur und die Wohnformen müssen den veränderten
demografischen Verhältnissen angepasst werden.
Eine solche quantitative und qualitative Analyse ist notwen-
dig, um heute die richtigen Entscheidungen für morgen zu
treffen. Unsere Gesellschaft muss sich frühzeitig auf die
Bedürfnisse zukünftiger Generationen einrichten und darf
nicht Kosten für künftige Fehlinvestitionen verursachen.
Wir brauchen deshalb einen Nachhaltigkeits-Check für
Infrastrukturmaßnahmen mit Zeithorizonten von 20, 40 und
50 Jahren. Die Kosten von nicht angepasster oder falscher
Infrastruktur müssen dargestellt werden. Es muss untersucht
werden, mit welchen Bau- und Nutzungskonzepten Einrich-
tungen flexibel genutzt werden können. Altersgerechtes
Wohnen und Bauen als Umbau sind in diesem Zusammen-
hang wichtige Stichworte. Eine nachhaltige Strategie ver-
langt auch für den Bereich Demografie und Infrastruktur
einen umfassenden Ansatz, der Querverbindungen herstellt
und themenübergreifend angelegt ist. Der demografische
Wandel wird Auswirkungen auf die Mobilität haben. Ver-
kehrskonzepte und -systeme müssen auf Ihre Angemessen-
heit untersucht werden. Versorgungseinrichtungen sollten
wieder stärker wohnungsnah ausgerichtet sein.
Der Parlamentarische Beirat, der Rat für nachhaltige Ent-
wicklung und die Bundesregierung müssen diese Themen
stärker als bisher aufgreifen.

7.4 Finanzen
Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte in Bund und
Ländern erfordert große Anstrengungen bei der Konsolidie-
rung der öffentlichen Finanzen. Die öffentlichen Haushalte
sind derzeit unter anderem geprägt von Lasten der Vergan-
genheit, insbesondere Zins- und Rentenlasten, den Kosten
der Wiedervereinigung und der anhaltenden konjunkturellen
Schwäche. Die Spielräume für Zukunftsinvestitionen wer-
den dagegen immer kleiner. Auch die Zustimmungspflich-
tigkeit finanzpolitischer Maßnahmen in Verbindung mit den
unterschiedlichen politischen Mehrheiten in Bundestag und
Bundesrat behinderten bisher eine spürbare Konsolidierung
des Bundeshaushaltes. Die aktuellen Maßnahmen, mit
denen Bund, Länder und Kommunen Defizite kurzfristig
reduzieren, aber zusätzliche Lasten für die Zukunft pro-
duzieren, sind nicht die Lösung des Problems.
Die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung muss
im Bereich der Finanzpolitik das Ziel haben, die Verant-
wortlichkeit für politische Entscheidungen wieder eindeutig
und transparent zu machen. Die Finanzbeziehungen im
föderalen Staat müssen so gestaltet werden, dass Sanktio-
nen denjenigen treffen, dessen Konsolidierungsbemühun-
gen unzureichend bleiben.
„Nachhaltige Finanzpolitik“ muss als Querschnittsthema zu
einem Schwerpunkt der Weiterentwicklung der Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie 2006 werden – wohl wissend, dass
es keine einfachen Lösungen gibt und Erfolge nur erzielt
werden, wenn alle politischen Ebenen und Parteien ihrer
Verantwortung gerecht werden.
Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Die
zunehmende Staatsverschuldung ist ein Phänomen in fast
allen westlichen Demokratien. Auch in Deutschland wurde
in den letzten Jahrzehnten das Prinzip der nachhaltigen
Finanzpolitik immer wieder verlassen. Heute droht die Ver-
schuldungsfalle. Mit dem Wachstum der Zinslasten ist eine
solche Ausgabendynamik verbunden, dass die Handlungs-
fähigkeit des Staates immer stärker unter Druck gerät.
Der Zeithorizont einer nachhaltigen Finanzpolitik reicht
weit über die mittelfristige Finanzplanung hinaus. Sie orien-
tiert sich am fiskalischen Ziel langfristig ausgeglichener
Staatsfinanzen und an der Fairness zwischen den Generatio-
nen. Die Verschuldung aller staatlichen Ebenen erfordert die
Erarbeitung von Entschuldungsstrategien. Finanzpolitische
Instrumente sind ein Weg, die externen Effekte des Umwelt-
verbrauchs zu internalisieren und ein nachhaltiges und effi-
zientes Wirtschaften mit erschöpfbaren und erneuerbaren
Ressourcen zu unterstützen. Ökologisch schädliche Subven-
tionen sind so schnell wie möglich abzubauen. Eine nach-
haltige Finanzpolitik muss außerdem eine Antwort darauf
finden, dass sich der demografisch bedingten Rückgang der
Bevölkerung sowie deren Alterung dämpfend auf künftiges
Wirtschaftswachstum und Steueraufkommen auswirken
wirken wird.
Für die Akzeptanz von Steuern und Abgaben ist ein einfa-
ches und transparentes System notwendig. Dieses muss eine
nachhaltige Entwicklung stimulieren.
Sondervotum CDU/CSU:
Schon zum wiederholten Male haben die so genannten
„fünf Wirtschaftsweisen“ eine grundlegende Steuerreform

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/5399

angemahnt. Im Fortschrittsbericht findet sich dazu kein
Wort. Ein modernes, einfaches und wachstumschaffendes
Steuerrecht muss dringend auf den Weg gebracht werden,
auch um Generationengerechtigkeit herzustellen. Steuern,
die eine nachhaltige Entwicklung stimulieren sollen, dür-
fen nicht – wie etwa die Ökosteuer – an Punkten angrei-
fen, die kaum Spielräume für eine Lenkungswirkung haben
und daher als reine Abgabenerhöhung wirken.

Sondervotum FDP:
Eine weitergehende Steuersenkung bleibt wegen der not-
wendigen Steuervereinfachung auf der politischen Tages-
ordnung, um Wachstum zu stimulieren, Investitionen anzu-
regen und finanzielle Handlungsspielräume für kommende
Generationen zu eröffnen.

Staatsausgaben und Staatseinnahmen müssen in einem aus-
gewogenen Verhältnis stehen. Ausgaben und Einnahmen
müssen so gestaltet sein, dass die notwendigen Finanzmittel
ohne einen ungerechtfertigten Rückgriff auf die zukünftigen
Generationen aufgebracht werden können.

Sondervotum FDP:
Dafür sind Änderungen des politisch-verfassungsrecht-
lichen Rahmens notwendig, da der Appell allein an die Ein-
sicht der jeweils in Bund, Ländern und Kommunen handeln-
den Politiker nicht ausreicht. Zu prüfen sind vor allem die
Festschreibung der Maastricht-Kriterien im Grundgesetz,
die Verschärfung des Artikels 115 GG mit Blick auf den
Verschuldungsrahmen bzw. eine Regelung, dass die Störung
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch eine von
der jeweiligen Regierung und dem Parlament unabhängige
Institution zu überprüfen ist. Die finanzpolitischen Verant-
wortlichkeiten in Artikel 104a Abs. 2 GG sollten durch Zu-
sammenfassung von Gesetzgebungskompetenz und Pflicht
zur Kostentragung geschärft werden. Das Haushaltsgrund-
sätzegesetz sollte vorsehen, dass alle Subventionen degres-
siv ausgestaltet und befristet werden.

Nachhaltige Finanzpolitik ist aber mehr als bloßer Schul-
denabbau. Um die richtige Balance zwischen Sparen und
Investieren zu finden, müssen in der politischen Debatte
auch Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und vorsorgen-
den Umweltschutz als Investitionen in die Zukunft verstan-
den werden. Die Einnahmen und Ausgaben sind so zu
gestalten, dass das ökologische, soziale und Sachkapital
zumindest erhalten bleibt und durch ausreichende Investi-
tionen in Bildung alle Wissens-, Kreativitäts- und Innova-
tionspotenziale der Gesellschaft erschlossen werden. Die
künftigen Lasten, die sich aus den Generationenverträgen
der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und durch
die steigenden Versorgungslasten im öffentlichen Dienst
ergeben, sind Verbindlichkeiten und implizite Schulden, die
bisher in den kurzfristig orientierten Indikatoren der kon-
ventionellen – einseitig vergangenheits- und gegenwarts-
bezogenen – Haushaltsrechnung nicht enthalten sind.
Der Parlamentarische Beirat schlägt vor, für Deutschland
ein Konzept für eine regelmäßige offizielle Generationenbi-
lanz zu entwickeln. Damit könnte ein besseres Bewusstsein
für die berechtigten Anliegen der kommenden Generationen

geschaffen und der Politik ein Maßstab für die Wirkung
politischer Maßnahmen gegeben werden.
In Generationenbilanzen werden, aufgeschlüsselt nach Jahr-
gängen, auf der Habenseite Leistungen für die nachrücken-
den Generationen – wie Ausgaben für Bildung, Infrastruk-
tur, vorsorgenden Umweltschutz, Kinder- und Jugendhilfe
und soziale Sicherheit – erfasst, auf der Sollseite Belastun-
gen wie Staatsverschuldung, Pensionslasten, Verpflichtun-
gen aus Generationenverträgen und Umweltschäden ausge-
wiesen.
Künftig sollte jedes Gesetz, das zu heutigen oder künftigen
Ausgaben des Staates oder der Sozialversicherungen führt,
einer Generationenverträglichkeitsprüfung unterzogen wer-
den. Diese sollte sich möglichst an den Kriterien und Struk-
turen der Generationenbilanzierung orientieren. Hierfür sind
innerhalb des Deutschen Bundestages praktikable Verfahren
zu entwickeln.

7.5 Biologische Vielfalt
Der Parlamentarische Beirat hält es für ein falsches Signal,
dass das im Entwurf des Fortschrittsberichts angekündigte
Thema „Biologische Vielfalt“ als Schwerpunkt des Fort-
schrittsberichts 2006 keine Erwähnung mehr findet. Er geht
davon aus, dass die Arbeit der kommenden Jahre dennoch
auf diesen Bereich konzentriert wird.
Die Biologische Vielfalt nimmt als Folge menschlicher
Aktivitäten weiter ab. Deshalb soll das Artensterben in
Deutschland bis 2010 deutlich reduziert werden. Dafür
brauchen wir eine Biodiversitätsstrategie, zu deren Vorlage
sich Deutschland auch im Rahmen der Biodiversitätskon-
vention (CBD; Cartagena-Protokoll) verpflichtet hat. Eine
Biodiversitätsstrategie, die den Schutz und die Nutzung der
Biodiversität aus ökologischer, ökonomischer und sozialer
Sicht betrachtet, muss Bestandteil der weiterentwickelten
Nachhaltigkeitsstrategie werden. Damit könnte es auch ge-
lingen, wirtschaftliche, handels- und entwicklungspolitische
Ziele zu integrieren.
Die Indikatoren für die Biodiversität müssen weiterentwi-
ckelt werden, um sicherzustellen, dass der menschliche Ein-
fluss auf die Artenvielfalt gemessen werden kann und um
auszuschließen, dass nur Populationsentwicklungen abge-
bildet werden, ohne Rückkoppelung zu den vom Menschen
induzierten Veränderungen im ökologischen System.
Natur- und Artenschutz geht alle an. Er muss als kontinuier-
liche Querschnittsaufgabe aller Ressorts betrieben werden.
Das Ziel ist der Erhalt der natürlichen Vielfalt und der Auf-
nahme- und Regenerationsfähigkeit der Umwelt. Dies ist
Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften.
Wichtiges Aufgabenfeld des Naturschutzes ist der Arten-
und Biotopschutz wie er in Naturschutzgebieten, Fauna-
Flora-Habitat-Gebieten und durch Einrichtung des nationa-
len Biotopverbundes, Biotopkartierungen und Erarbeitung
Roter Listen realisiert wird. Zunehmend Berücksichtigung
finden aber auch menschliche Nutzungsinteressen. Den
kooperativen Naturschutz gilt es, weiter zu stärken.
Beispiele für einen kooperativ umgesetzten Naturschutz
sind der Vertragsnaturschutz und die Arbeit der Land-
schaftspflegeverbände.

Drucksache 15/5399 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beim Vertragsnaturschutz werden Naturschutzflächen in die
Obhut der in der Natur und mit der Natur wirtschaftenden
Menschen gegeben; seine ökologischen Leistungen werden
honoriert. Die Vertragsnaturschutzprogramme der Länder
können mit EU-Mitteln kofinanziert werden.
Landschaftspflegeverbände sind gemeinnützige Vereine, in
deren Vorstand verschiedene gesellschaftliche Gruppen
(Kommunalpolitiker, Landwirte, Naturschützer) freiwillig
und zu gleichen Teilen zusammenarbeiten. Sie setzen
Agrarumweltmaßnahmen, Vertragsnaturschutz und Gewäs-
serpflege im Auftrag örtlicher Behörden um, gleichen dabei
Gegensätze aus und schaffen neues Vertrauen zueinander.
Die nachhaltige Nutzung von Natur bringt positive Effekte
sowohl für den Schutz der Gebiete als auch die Nutzer.
Beispiele hierfür sind die landwirtschaftliche, touristische
und natursportliche Nutzung von Großschutzgebieten ver-
bunden mit Beschäftigungseffekten (vgl. Studie des Büros
für Technikfolgenabschätzung: Tourismus in Großschutzge-
bieten – Impulse für eine nachhaltige Regionalentwicklung,
Berlin 2003). Intakte Landschaften sind ein wichtiger
Standortfaktor geworden.
Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im
Bereich des Naturschutzes erschwert die Umsetzung euro-
päischer Vorgaben. Hier sollten im Rahmen der Föderalis-
musdebatte der Bund in geeigneter Weise gestärkt werden.
III. Schlussbemerkung
Diese Stellungnahme ist die erste gemeinsame öffentliche
Äußerung des Parlamentarischen Beirats für Nachhaltige
Entwicklung. Wir wollen damit nicht nur die Debatte, son-
dern auch die Realisierung einer Strategie für nachhaltige
Entwicklung vorantreiben. Diese fraktionsübergreifende
Wortmeldung soll zugleich deutlich machen, dass wir die
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung nicht als zeit-
lich befristete Aufgabe verstehen. Es ist und bleibt, unab-
hängig von Wahlentscheidungen, eine langfristige Dauer-
aufgabe für alle, unser Land zukunftsfähig zu machen.

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