BT-Drucksache 15/5386

Hintergründe zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes/"Urwaldschutzgesetz"

Vom 20. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5386
15. Wahlperiode 20. 04. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Daniel
Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga
Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Hintergründe zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung
des Bundesnaturschutzgesetzes/„Urwaldschutzgesetz“

Der Schutz der noch erhaltenen ursprünglichen Wälder, die Bekämpfung des
illegalen Holzeinschlags sind im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wichtige
Ziele. Wichtige Voraussetzung zur Verwirklichung dieser Ziele sind größere
Erfolge bei der Armutsbekämpfung. Außerdem muss in den betroffenen Län-
dern Überzeugungsarbeit geleistet werden, dass es zu den staatlichen Aufgaben
gehört, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, ursprünglicheWälder zu schützen.
Verschiedene Umweltverbände leisten dabei eine hervorragende Arbeit.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits im März 2004 in ihrer Kleinen Anfrage
„Schutz von Ur- und Primärwäldern“ nach der wissenschaftlichen Definition der
Begriffe Urwald, Altwald, Naturwald, Primärwald, Sekundärwald sowie nach
den vorhandenen Resten von Ur- und Naturwäldern in Deutschland gefragt. Die
Bundesregierung teilte in ihrer Antwort mit, dass es keine international ab-
gestimmte Definition des Begriffes „Urwald“ gibt und dass es in Deutschland
keine Urwälder gibt (Bundestagsdrucksache 15/2744).
Am 15.März 2005 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesna-
turschutzgesetzes vorgelegt, das das Ziel verfolgt, Urwälder vor illegalem Holz-
einschlag zu schützen. In § 49a Abs. 3 des Entwurfs findet sich die folgende
Begriffserklärung: „Urwälder im Sinne dieser Vorschrift sind zusammenhän-
gendeWälder von einer Größe von mindestens 10 ha mit weitgehend natürlicher
Entwicklung ihrer Artenzusammensetzung, Struktur und Dynamik, die darin nur
in unbedeutendem Umfang durch menschliche Aktivitäten unmittelbar beein-
flusst worden sind.“

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welcher internationalen Vereinbarung basiert die in dem Gesetzes-

entwurf angeführte Urwalddefinition?

Drucksache 15/5386 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Nach welchen wissenschaftlich fundierten Kriterien wird in dem Gesetzent-
wurf, § 49a Abs. 3, die für einen „Urwald“ notwendige Mindestgröße von
10 ha festgelegt?

3. Gibt esWälder in Deutschland, die der getroffenen Definition von „Urwald“
entsprechen und wenn ja, welche sind dies?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass auf Grund der im Gesetz-
entwurf genannten Urwalddefinition mit dieser geringen Flächengröße (von
mindestens 10 ha) aufwendige nationale und internationale Prüfverfahren
notwendig werden, und welcher bürokratische Aufwand ist für die Durch-
führung dieser Verfahren zu veranschlagen?

5. Wie effizient wird der Schutz von Waldökosystemen bzw. Waldökosys-
temarten nach Einschätzung der Bundesregierung bei dieser im Gesetzent-
wurf angeführten doch sehr geringen Mindestgröße sein können?

6. Was versteht die Bundesregierung unter der Formulierung „weitgehend
natürliche Entwicklung eines Waldes und seiner Artenzusammensetzung,
Struktur und Dynamik“ in § 49a Abs. 3 des Entwurfs eines Ersten Gesetzes
zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, und welcher Entwicklungs-
zeitraum für eine solche „weitgehend natürliche Waldentwicklung“ wird
zugrunde gelegt?

7. Welche Begründung bzw. Herleitung für die im Gesetzentwurf genannte
Bagatellgrenze für die Unternehmen (Jahresumsatz von bis zu 100 000 Eu-
ro) kann die Bundesregierung anführen?

8. Für wie realistisch hält die Bundesregierung die Möglichkeit einer Umset-
zung der Besitz- und Vermarktungsverbote von Holz- und Holzprodukten
aus Urwäldern (§ 49a Abs. 4 des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände-
rung des Bundesnaturschutzgesetzes) und wie hoch wird der bürokratische
Aufwand hierfür sein?

9. Wie plant die Bundesregierung den Herkunfts- und Nachhaltigkeitsnach-
weis in Form einer schriftlichen Bestätigung einer Zertifizierungsstelle ohne
hohen bürokratischen Aufwand durchzuführen?

10. Wie schätzt die Bundesregierung nach Inkrafttreten des Gesetzes die Reali-
sierungsmöglichkeit ein, Herkunftsnachweise für Hölzer bzw. Holzproduk-
te zu erbringen, die vor dem Stichtag 1. Januar 2007 hergestellt wurden?

11. Welchen Anteil haben nach Einschätzung der Bundesregierung die 8 von
der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
(FAO) anerkannten Zertifizierungssysteme am Urwaldschutz und an der
Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags?

12. Wie definiert die Bundesregierung den in § 52 Abs. 7a Nr. 1 des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes formulierten
Passus: „bestimmte Wälder, deren Beitrag zur biologischen Vielfalt dem
von Urwäldern vergleichbar ist und die im selben Maße von der Zerstörung
bedroht sind“ und welche konkreten Beispiele lassen sich für solche Wald-
typen anführen?

13. Soll der in dem Gesetzesentwurf angeführte Urwaldbegriff nach Einschät-
zung der Bundesregierung zukünftig auch auf deutsche Wälder anwendbar
sein, und wenn ja, in welchem Ausmaß wären deutsche Waldflächen hier-
von voraussichtlich betroffen?

14. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass bei Umsetzung des Gesetz-
entwurfs auf kleinere nachhaltig bewirtschaftete Privatwaldflächen in
Deutschland, die z. B. im „aussetzenden Betrieb“ bewirtschaftet und somit
oftmals über Jahrzehnte ungenutzt bleiben, weitere Umweltauflagen zu-
kommen, und wenn nein, wie viele deutsche Waldeigentümer wären von
solchen Maßnahmen betroffen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5386

15. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Gesetzentwurf einen
massiven Widerspruch zur Charta für Holz darstellt, da das neue Gesetzt zu
einer starken Imagebeschädigung aller Holzprodukte führen kann, und
wenn nein, warum nicht?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Chance, dass das Gesetz von der EU-
Kommission notifiziert wird?

Berlin, den 20. April 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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