BT-Drucksache 15/5323

50 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft würdigen, sich zur NATO bekennen und sie stärken

Vom 19. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5323
15. Wahlperiode 19. 04. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Schäuble, Christian Schmidt
(Fürth), Ruprecht Polenz, Volker Rühe, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolfgang Bötsch,
Anke Eymer (Lübeck), ErichG. Fritz, Karl-Theodor Freiherr von und zuGuttenberg,
Klaus-Jürgen Hedrich, Joachim Hörster, Claudia Nolte, Dr. Klaus Rose, Bernd
Schmidbauer, Dr. Andreas Schockenhoff, Dr. Hans-Peter Uhl, Ulrich Adam, Ernst-
Reinhard Beck (Reutlingen), Siegfried Helias, Jürgen Herrmann, Ernst Hinsken,
Robert Hochbaum, Volker Kauder, Thomas Kossendey, Dr. Karl A. Lamers
(Heidelberg), Werner Lensing, Ursula Lietz, Dr. Gerd Müller, Hans Raidel, Helmut
Rauber, Kurt J. Rossmanith, Anita Schäfer (Saalstadt), Matthias Sehling, Bernd
Siebert und der Fraktion der CDU/CSU

50 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft würdigen, sich zur NATO bekennen
und sie stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Am 6. Mai 2005 jährt sich der Beitritt Deutschlands zur NATO zum 50. Mal.
In politisch schwierigen Zeiten traf die junge Bundesrepublik Deutschland
1955 unter der Bundesregierung von Bundeskanzler Konrad Adenauer mit dem
Beitritt zur Nordatlantischen Allianz eine historische Grundsatzentscheidung.
Sie schloss damit ihre Integration in die Gemeinschaft der westlichen Demo-
kratien ab. Zahlreiche politische Kräfte in Deutschland, einschließlich der SPD,
lehnten Beitritt und Mitgliedschaft lange entschieden ab. In einer einmaligen
Erfolgsgeschichte hat das atlantische Bündnis in 50 Jahren die Freiheit und
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland garantiert und entscheidend mit
dazu beigetragen, den Kalten Krieg friedlich zu beenden sowie die deutsche
und europäische Teilung in Frieden und Freiheit zu überwinden. Ein wichtiger
Meilenstein auf diesem Weg war 1979 der NATO-Doppelbeschluss, der das
Ende der Sowjetunion und des Warschauer Paktes einleitete. Dieser Erfolg
wurde nur möglich, weil die Bundesregierung von Bundeskanzler Dr. Helmut
Kohl gegen erbitterten innenpolitischen Widerstand am NATO-Doppelbe-
schluss festhielt und damit die deutsche Außenpolitik wieder glaubwürdig und
berechenbar wurde.
Die NATO war von Anfang an stets mehr als ein reines Verteidigungsbündnis.
Getragen vom Leitbild von Freiheit, Demokratie und Schutz vor Unterdrü-
ckung ist sie ebenso Wertegemeinschaft, zentrales euro-atlantisches Konsulta-
tionsforum und transatlantisches Scharnier. Die Mitgliedschaft beruht auf der
Freiwilligkeit und der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder. Indem die NATO neue
Demokratien aus Mittel-, Ost- und Südosteuropas aufgenommen hat, hat sie die
Teilung des Kontinents auch sicherheitspolitisch überwunden. Die Attraktivität

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der NATO auf potentielle Beitrittskandidaten ist ungebrochen. Die NATO hat
deutlich gemacht, dass die Tür offen steht.
Der Deutsche Bundestag würdigt die Weitsicht und die Einsicht derjenigen
Bundesregierungen und Politiker aller demokratischen Parteien, die an der
essentiellen Rolle der NATO für die Sicherheit Deutschlands festgehalten und
zur Stärkung und Vitalität der NATO beigetragen haben. Er spricht den deut-
schen Soldaten seinen Dank und seine Anerkennung aus, die durch ihr Wirken
im Bündnis Vertrauen für Deutschland geschaffen und unser Land bündnisfähig
gehalten haben.
Der Deutsche Bundestag betont, dass die Mitgliedschaft Deutschlands in der
NATO im deutschen Interesse liegt. Er fordert die Bundesregierung auf, den
50. Jahrestag der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der NATO
öffentlich und öffentlichkeitswirksam zu würdigen.
2. Deutschland sieht sich auch nach Ende des Kalten Krieges einer Vielzahl
sicherheitspolitischer Herausforderungen ausgesetzt. Sie erwachsen aus Insta-
bilitäten in den europäischen Nachbarregionen, dem transnationalen Terroris-
mus, der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, internationaler
Kriminalität und aus zerfallenden Staaten. Existentiell bedroht der islamistische
Extremismus und Terrorismus, vor allem in Verbindung mit Massenvernich-
tungswaffen, die westliche Welt. Dass die NATO nach den Anschlägen vom
11. September 2001 erstmals in ihrer Geschichte gemäß Artikel V des NATO-
Vertrags den Bündnisfall ausrief, war richtig und hat ihre Bedeutung unterstri-
chen. Der Bündnisfall ist nach wie vor in Kraft.
Angesichts dieser Bedrohungen bleibt die NATO das unentbehrliche Instru-
ment, das auch weiterhin Frieden und Freiheit gewährleistet und unter Anwen-
dung eines erweiterten Sicherheitsbegriffs die Wahrung gemeinsamer regiona-
ler und globaler Interessen ermöglicht. Die NATO verbindet Europa und
Nordamerika in politisch einzigartiger Weise. Ohne die USA ist die Mehrzahl
der heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht zu meistern. Nur
die Allianz verfügt über eine effektive funktionierende militärische Integration.
Die Bedeutung der NATO auch für die globale Sicherheit unterstreicht der Be-
richt der Hochrangigen Gruppe zur VN-Reform vom 1. Dezember 2004.
3. Die NATO hat mit der langfristigen Aufgabe begonnen, sich auf die neuen,
diffuseren, zum Teil asymmetrischen sicherheitspolitischen Herausforderungen
einzustellen. Mit Erfolg war das Bündnis erstmals in seiner Geschichte nach
1990 außerhalb des Bündnisgebietes militärisch im Einsatz. Dabei handelte es
sich um Missionen zur Friedensdurchsetzung (Kosovo, Enduring Freedom)
bzw. -sicherung sowie zur Stabilisierung (Bosnien, Afghanistan). Zum Teil
erfolgten die Operationen im Auftrag und zur Unterstützung der Vereinten
Nationen. Der Deutsche Bundestag würdigt die herausragenden Leistungen der
Bundeswehr in diesen Missionen und gedenkt der Soldaten, die im Dienst für
Deutschland ihr Leben verloren.
Über den Europäisch-Atlantischen Partnerschaftsrat, das Programm Partnership
for Peace (PfP) und den Membership Action Plan hat die NATO einen Koope-
rations- und Stabilisierungsrahmen für die südöstliche und östliche Nachbar-
schaft geschaffen. Mit dem NATO-Russland-Rat konnten die Beziehungen zu
Russland entspannt und ihnen ein umfassender Rahmen gegeben werden. Die
NATO-Ukraine-Kommission hat die Grundlage für einen weiteren Ausbau der
Zusammenarbeit zwischen der NATO und der Ukraine gelegt. Der 1994 einge-
leitete Mittelmeer-Dialog soll der Vertrauensbildung zwischen NATO und den
Staaten Nordafrikas und dem Nahen Osten dienen. Die in Istanbul im Juni 2004
ins Leben gerufene „Cooperation Initiative“ ergänzt wesentlich die verschiede-
nen, auf die Staaten Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens gerichte-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5323

ten Modernisierungsinitiativen und hat zum Ziel, mit den Staaten dieser Region
Sicherheitspartnerschaften aufzubauen.
1999 verabschiedete die NATO in Washington ein neues strategisches Konzept.
Nach dem 11. September 2001 ergänzte sie dieses u. a. um ein Programm zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die NATO-Außenminister be-
schlossen im Mai 2002 in Reykjavik, dass die NATO dort eingesetzt werden
könne, wo immer sie gebraucht werde. Sie erkennen damit an, dass die NATO
sich auch fern vom Bündnisgebiet liegenden Gefahren widmen muss, um
Sicherheit für die Mitgliedstaaten gewährleisten zu können. Der Gipfel in Prag
November 2002 leitete einen umfassenden Transformationsprozess ein, dessen
Kernbestandteile die Verpflichtung zur Steigerung der Fähigkeiten vor allem
der europäischen Mitgliedstaaten, die Neuordnung der NATO-Kommando-
struktur und die Schaffung einer NATO Response Force waren. Mit der EU
einigte sich die NATO im Berlin-Plus-Abkommen im März 2003 über eine
enge Zusammenarbeit.
4. Der Deutsche Bundestag begrüßt diese Entwicklung und den eingeleiteten
Anpassungsprozess der NATO. Er ist sich bewusst, dass dieser Prozess noch
lange nicht abgeschlossen ist. Dazu bedarf es weiterhin der Entschlossenheit
aller Beteiligten. Vor allem müssen die eingegangenen Verpflichtungen zur
Stärkung der Fähigkeiten und Ressourcen, insbesondere im Rahmen der
„Prague Capabilities“, bei denen die europäischen Mitgliedstaaten einschließ-
lich Deutschlands großen Nachholbedarf haben, eingehalten werden. Die meis-
ten europäischen Staaten liegen hinter den Planungen zurück. Als Folge droht
die anhaltende Kluft bei den Fähigkeiten das Ziel militärischer Interoperabilität
innerhalb der NATO, insbesondere mit den USA, zu gefährden. Dieses Ziel ist
ein wesentlicher Pfeiler der NATO, seine Aufgabe würde der NATO großen
Schaden zufügen. Nicht zuletzt entscheiden die Fähigkeiten auch über das ge-
wünschte politische Mitsprachegewicht in der Allianz.
Während sich die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU im Rahmen von
„Berlin Plus“ zunehmend bewährt, wie es der Übergang in Bosnien von SFOR
auf ALTHEA zuletzt belegt hat, stellt der vereinbarte sicherheitspolitische Dia-
log zwischen EU und NATO bisher nicht zufrieden. Zum einen verharrt der
Dialog im Ritual, zum anderen blockiert ihn derzeit die Türkei wegen der Teil-
nahme der EU-Mitglieder Zypern und Malta. Dieser Zustand ist inakzeptabel.
5. Trotz des Wandels der NATO durch Anpassung, der maßgeblich von den
deutschen Verteidigungsministern Wörner, Stoltenberg und Rühe aktiv und
zukunftsorientiert gestaltet wurde und der hohe Anerkennung verdient, hat die
NATO in den letzten Jahren eine Krise durchlebt. Die notwendigen transatlan-
tischen strategischen und sicherheitspolitischen Diskussionen, die in der NATO
hätten geführt werden müssen, blieben aus. Die NATO-Mitgliedstaaten nahmen
die Risiken, die von den vielfältigen Herausforderungen ausgingen, unter-
schiedlich wahr und differierten folglich auch in ihren Ansichten darüber, wie
darauf reagiert werden sollte. Während die USA sich beklagten, dass die euro-
päische Forderung nach mehr Mitsprache in der NATO sie einengten, und dazu
übergingen, die NATO auf einen militärischen Werkzeugkasten zu reduzieren,
kritisierten europäische Staaten die mangelnde Rücksichtnahme auf ihre Inte-
ressen und betrieben ihrerseits eine politische Entsolidarisierung in der NATO.
Ebenso haben Unsicherheit und Uneinigkeit unter den transatlantischen Part-
nern über die sicherheitspolitische Rolle der EU neben der NATO geherrscht.
Diese Irritationen haben die Ambitionen einzelner europäischer Staaten gegen
die NATO sowie ungeschickte oder unzeitige Vorstöße zur Weiterentwicklung
der ESVP, wie auf dem sog. Pralinengipfel in Brüssel im April 2003, befördert.
Darüber ist das große Potential der NATO-EU-Zusammenarbeit ungenutzt ge-
blieben. Die EU ist ein sicherheitspolitischer Akteur, der komplementär zur
NATO wirkt. Der Deutsche Bundestag versteht die Stärkung der ESVP auch als

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Stärkung des europäischen Pfeilers und Profils in und zum Wohle der Allianz.
Die ESVP stellt kein Gegengewicht dar. Nur gemeinsam verfügen NATO und
EU über das volle Spektrum aller notwendigen Mittel zur Schaffung und nach-
haltigen Gestaltung von Sicherheit.
Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die Bundesregierung maßgeblich zu
der Krise der NATO beigetragen hat. Mit ihrer wochenlangen Blockade zu An-
fang des Jahres 2003 gegen die Planung von Hilfsmaßnahmen der NATO für
die Türkei hat die Bundesregierung das Bündnis in seinem zentralen Selbstver-
ständnis als Verteidigungsgemeinschaft in Frage gestellt. Mit dieser und ande-
ren Politiken hat sie Vorschub zur Entsolidarisierung in der Allianz und zur
Entwicklung der Allianz zu einem bloßen Werkzeugkasten geleistet. Auch hat
die Bundesregierung es in den letzten Jahren unterlassen, wichtige sicherheits-
politische Themen zum Gegenstand einer Debatte in der NATO zu machen.
Nicht zuletzt hat die Bundesregierung seit der Jahreswende 2002/2003 in der
Irak-Frage, die für die Mehrheit der Bündnispartner eine essentielle sicherheits-
politische Frage darstellte, mit Russland, einem Staat außerhalb des Bündnis-
ses, gegen eigene Bündnispartner Achsen gebildet.
6. Der Deutsche Bundestag erachtet es als vordringliche außenpolitische Auf-
gabe Deutschlands, dazu beizutragen, dass die Krise in der NATO rasch über-
wunden und die NATO weiter auf die aktuellen und zukünftigen Herausforde-
rungen eingestellt wird. Ziel muss es sein, dass die NATO wieder die
unumstrittene, vorrangige sicherheitspolitische Zweck- und Schicksalsgemein-
schaft der transatlantischen Partner wird. Dazu bedarf die NATO weniger der
von der Bundesregierung angestoßenen Selbstfindungsdebatte vor allem außer-
halb der Strukturen als vielmehr der Entschlossenheit der Mitgliedstaaten, die
NATO effektiv zu nutzen und gemeinsam zu handeln. Diese Verantwortung
liegt bei den Regierungen der Mitgliedstaaten und kann bzw. darf nicht auf eine
externe Beratungsgruppe abgewälzt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,
1. sich zur Stärkung des Zusammenhalts der NATO zu verpflichten und alles zu
unternehmen, damit in der NATO transatlantisches Vertrauen wiederhergestellt
und die Allianz wieder der zentrale Ort des sicherheitspolitischen Dialoges
wird;
2. sich dafür einzusetzen, dass in der NATO wieder grundsätzlich Einigkeit
über die sicherheitspolitischen Strategien und ihre Umsetzung herrscht. Dazu
sollte sich die Allianz mit der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA, der
Europäischen Sicherheitsstrategie und dem Bericht des Rates Hoher Experten
zur Reform der VN vom 1. Dezember 2004 eingehend auseinander setzen und
daraus Konsequenzen für ihre strategischen Richtlinien (Comprehensive Politi-
cal Guidance) und ihr eigenes Handeln ziehen. Eine gemeinsame Sicht ist
zwingende Voraussetzung dafür, gemeinsam handeln und vor allem die NATO
Response Force (NRF) einsetzen zu können;
3. sich dafür auszusprechen, dass die NATO klare Kriterien für den vor-
beugenden Einsatz militärischer Mittel entwickelt. Dabei sollten die im Bericht
des Rates Hoher Experten erarbeiteten Überlegungen berücksichtigt werden;
4. darauf hinzuarbeiten, dass die bislang unverbindlichen Szenarien und Krite-
rien für den Einsatz der NRF diskutiert und konkretisiert werden. Die NATO
muss sich auf ein grundsätzliches Einsatzspektrum für die NRF einigen. Die
USA sollten sich stärker bei der NRF beteiligen;
5. da das letzte Weißbuch zur sicherheitspolitischen Lage Deutschlands noch
von 1994 stammt, zügig ein neues Weißbuch zu verabschieden, damit Deutsch-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5323

lands Positionen in den wichtigen strategischen Fragen sowohl für die deut-
schen Bürger als auch für die Bündnispartner erkennbar werden;
6. sich für eine Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes einzusetzen. Um
bei Entscheidungen über den Einsatz integrierter Verbände der Funktionsfähig-
keit und außenpolitischen Verlässlichkeit Rechnung zu tragen, sollte das Gesetz
deren Einsatz auch ohne vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages
ermöglichen, wobei die Bundesregierung dann innerhalb von 30 Tagen die Zu-
stimmung des Deutschen Bundestages einholen muss;
7. dafür Sorge zu tragen, dass die NATO-Mitgliedstaaten alle relevanten
sicherheitspolitischen Entwicklungen und Herausforderungen gemeinsam ana-
lysieren, im Rahmen der Allianz über gemeinsame Schritte entscheiden und
schließlich auch gemeinsam handeln sollten. Die NATO darf zu keiner Zeit
weder als Pool für „Ad-hoc-Koalitionen“ noch als politischer und militärischer
Werkzeugkasten angesehen werden;
8. alles zu unterlassen, was die NATO schwächt. Insbesondere müssen die
NATO-Mitgliedstaaten NATO-Operationen mit jenen Kräften unterstützen, die
in integrierten Strukturen der Allianz, wie z. B. den AWACS-Aufklärungsflug-
zeugen, tätig sind. Das heißt vor allem, dass dabei aus den integrierten Struktu-
ren keine Soldaten abgezogen werden dürfen. Ebenso sind Ad-hoc-Bündnisse
mit Staaten außerhalb der NATO gegen NATO-Partner zu unterlassen;
9. mit Nachdruck daran zu arbeiten, dass die Zusammenarbeit zwischen EU
und NATO im Interesse und zum Wohle beider Organisationen vertieft wird.
Vorrangig muss die Türkei gedrängt werden, ihre gegenwärtige Blockade ge-
gen Aspekte der Zusammenarbeit aufzugeben;
10. die europäische Zusammenarbeit auch in der NATO in dem Verständnis zu
stärken, dass sich die EU weder innerhalb noch außerhalb der NATO als
Gegenpol zu den USA versteht und so handelt. Ebenfalls sind die Interessen der
anderen Nicht-EU-Staaten zu berücksichtigen und diese einzubinden. Eine
Marginalisierung dieser Staaten muss vermieden werden;
11. sich dafür einzusetzen, dass die Bewältigung einer sicherheitspolitischen
Krise zunächst an die NATO herangetragen wird und die EU erst dann eigenes
sicherheitspolitisches Handeln prüft, wenn die NATO als Ganzes nicht aktiv
werden will. Im Falle eigenen Handelns der EU muss eine enge Verzahnung
EU-NATO sichergestellt sein, dies gilt vor allem bei autonomen Operationen
der EU;
12. den Dialog in der NATO auch als Vorwarnsystem zu nutzen, um mit trans-
atlantischen Meinungsverschiedenheiten besser umgehen zu können. Hierzu
gehört z. B. die Diskussion und Konsultation im Bündnis zu der Frage der Auf-
hebung des EU-Waffenembargos gegenüber China;
13. aufbauend auf die enge Kooperation in der NRF, Frankreich für eine
baldige vollständige Rückkehr in die integrierten militärischen Strukturen zu
gewinnen;
14. sich dafür auszusprechen, dass die Fähigkeiten der NATO sowohl zur vor-
beugenden Konfliktverhinderung als auch zur Stabilisierung und zum Wieder-
aufbau von Post-Konfliktregionen gestärkt werden. In diesem Zusammenhang
sollte die NATO eine größtmögliche Kohärenz zwischen Entwicklungs- und
Sicherheitspolitik beachten;
15. noch stärkere Anstrengungen zum Aufbau insbesondere der strategischen
Fähigkeiten der Bundeswehr zu unternehmen, um einen Beitrag zur Leistungs-
fähigkeit sowie zum militärischen Zusammenhalt der NATO zu leisten und die
Bundeswehr im Bündnis partnerschaftsfähig zu halten. Dies trägt essentiell
dazu bei, die Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten und in der NATO deut-

Drucksache 15/5323 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sches Mitspracherecht zu erhalten. Die Einstellung der Mitgliedstaaten zum
Aufbau von Fähigkeiten und zur Transformation der NATO wird über die Zu-
kunft der Allianz mit entscheiden;
16. in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern neue Wege zum Aufbau
der militärischen Fähigkeiten einzuschlagen. Dazu müssen u. a. die Verteidi-
gungsanstrengungen besser zwischen den europäische Partnern koordiniert,
Synergien ausgeschöpft und die Möglichkeit einer europäischer Arbeitsteilung,
des Poolings von Ressourcen und der Schaffung integrierter Fähigkeiten
genutzt werden. Der Weg zu mehr Fähigkeiten muss in erster Linie über die
effizientere Nutzung vorhandener Ressourcen führen;
17. streng auf eine enge Abstimmung einheitlicher Streitkräfteentwicklungen in
NATO und EU zu achten, um der transatlantischen Politik der Single Set of
Forces gerecht zu werden und angesichts knapper Ressourcen Duplizierung
von Fähigkeiten zu vermeiden;
18. sich für eine effizientere und verbesserte Streitkräfteplanung und -stellung
einzusetzen. Es darf nicht vorkommen, dass die NATO ihren politischen Auf-
trägen und Absichten nicht unmittelbar gerecht werden kann, weil die Mitglied-
staaten im Nachgang nicht ausreichend Truppen und Geräte stellen;
19. sich für vermehrt gemeinsame Finanzierung von NATO-Aufgaben und
-Missionen, allen voran der NRF, unter der Voraussetzung auszusprechen, dass
der Finanzierungsschlüssel verändert wird und sich nach den jeweiligen Brutto-
sozialprodukten der Mitgliedstaaten richtet;
20. in der NATO wieder eine aktive Personalpolitik zu betreiben, um den Ein-
fluss Deutschlands in der NATO zu wahren und zu erhöhen;
21. die Tür zur NATO-Mitgliedschaft für andere demokratische Staaten, bei-
spielsweise für die Ukraine, weiter offen zu halten, wobei auch in Zukunft
NATO-Beitritte die Handlungsfähigkeit des Bündnisses stärken müssen. Bisher
neutrale EU-Mitglieder sollen für eine Erweiterung gewonnen werden;
22. sich dafür einzusetzen, dass die Zusammenarbeit zwischen der NATO und
Russland ausgebaut wird und Russland fest in einer globalen Koalition gegen
die neuen Risiken eingebunden bleibt;
23. sich in der NATO dafür auszusprechen, den Staaten des Größeren Nahen
und Mittleren Ostens und Nordafrikas weitergehende Kooperation anzubieten.
Um weiteres Vertrauen aufzubauen, sollte ein Dialog über gemeinsame strategi-
sche und militärpolitische Ziele begonnen werden;
24. die Vertiefung der Zusammenarbeit der NATO mit Israel zu fördern und
sich einem eventuellen Einsatz der NATO auf der Basis eines VN-Mandates zur
Absicherung eines Friedensabkommens zwischen Israel und Palästina weiter-
hin aufgeschlossen zu zeigen;
25. sich für eine Intensivierung der institutionellen Zusammenarbeit mit den
VN, anderen regionalen Sicherheitsorganisationen und Staaten zu verwenden.

Berlin, den 19. April 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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