BT-Drucksache 15/5276

Telekommunikationsmärkte liberalisieren - Digitale Spaltung überwinden

Vom 13. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5276
15. Wahlperiode 13. 04. 2005

Antrag
der Abgeordneten Markus Löning, Ulrich Heinrich, Dr. Karl Addicks, Dr. Werner
Hoyer, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel
Happach-Kasan, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Telekommunikationsmärkte liberalisieren – Digitale Spaltung überwinden

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Möglichkeit, mit Hilfe moderner Technologien zu kommunizieren, ist eine
wichtige Frage der Teilhabe an der globalen Gesellschaft, an den Möglichkeiten
für wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand. Seitdem Internet und andere
neue Technologien sich in den Industrieländern rasant ausgebreitet haben, gibt
es eine Diskussion darüber, wie die Länder der sich entwickelnden Welt an den
Vorteilen dieser Entwicklung teilnehmen können. Das wird zunehmend auch
als eine wichtige Aufgabe von Entwicklungspolitik gesehen.
Die Vereinten Nationen haben im März 2005 einen „Digital Solidarity Fund“
aufgelegt, aus dem Menschen und Länder dabei unterstützt werden sollen, die
neuen Informationstechnologien nutzen zu können. Gedacht wird dabei vor al-
lem an Internetzugänge. Im September 2005 soll über die Finanzierung des
Fonds diskutiert werden. Ein Vorschlag ist dabei, eine „digitale Solidaritätsab-
gabe“ in Höhe von 1 Prozent auf die Gewinne, der Telekommunikationsfirmen,
die in Entwicklungsländern tätig sind. Diese Art der Finanzierung würde ausge-
rechnet die Firmen bestrafen, die in die Telekommunikationsinfrastruktur der
Entwicklungsländer investieren. Darüber hinaus ist die Frage der einheitlichen
Erhebung der Steuer mehr als fraglich.
Es stellt sich auch die Frage, ob es richtig ist, Internetzugänge als oberste Prio-
rität zu behandeln. Dagegen sprechen zum Beispiel fehlende Stromversorgung,
weit verbreiteter Analphabetismus gerade in den ärmeren Regionen der Ent-
wicklungsländer und die verhältnismäßig hohen Kosten für die technische Aus-
rüstung. Sehr viel näher liegend ist es, zunächst auf eine stärkere Ausbreitung
von Mobiltelefonen zu setzen. Speziell für die Märkte der Dritten Welt werden
von einigen Anbietern zurzeit besonders kostengünstige Geräte entwickelt, auch
spezielle Abrechnungsmodi für ärmere Länder werden angeboten. Die Firmen

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bieten also angepasste Technologie an. Zwei Millionen Inder kaufen z. B. zur-
zeit jeden Monat ein Mobiltelefon.
Das größte Hindernis bei der Verbreitung mobiler Telefonie sind nicht man-
gelnde Mittel der Bevölkerung, sondern mangelnde Möglichkeiten der Anbieter.
In zu vielen Ländern bestehen noch staatliche oder andere Telekommunika-
tionsmonopole, die einen Wettbewerb der Anbieter zu Gunsten der Kunden ver-
hindern. Die Monopole begünstigen Korruption und behindern die Ausbreitung
mobiler Telefone. So gibt es im Kongo z. B. sechs Mobilfunknetze, in Äthio-
pien nur ein einziges. Trotz eines gleich niedrigen Pro-Kopf-Einkommens von
nur 100 US-Dollar in beiden Ländern, gibt es im Kongo zwei Telefone pro 100
Einwohner, während es in Äthiopien nur 0,13 sind.
Der Aufbau von Mobilfunknetzen wird in freien Märkten von den Anbietern
finanziert und erfordert daher keine staatlichen Zuschüsse. Zudem bieten Fir-
men, die in Entwicklungsländern tätig sind, angepasste Geräte und Tarife an.
Eine finanzielle Unterstützung dieser Entwicklung ist zurzeit nicht notwendig.
Die Aufgabe der Entwicklungspolitik liegt vielmehr in der Beratung von Regie-
rungen beim Abbau von Hindernissen für den Aufbau einer modernen Tele-
kommunikationsinfrastruktur. Die Hindernisse liegen imWesentlichen in Mono-
polstrukturen oder übermäßiger Regulierung, die in der Regel auch noch die
Korruption fördern. Die Erfahrung zeigt, dass Wettbewerb ein elementarer
Motor von Entwicklung auch im Telekommunikationssektor ist.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. sich in der UN dafür einzusetzen, dass bei der Überwindung der digitalen

Spaltung zunächst auf die Entwicklung von Mobilfunknetzen gesetzt wird;
2. sich jeder Form von Finanzierung des „Digital Solidarity Fund“ zu wider-

setzen, die durch zusätzliche Abgaben von den Firmen finanziert werden
sollen, die in Entwicklungsländern in die Telekommunikationsinfrastruktur
investieren;

3. darauf zu drängen, dass der „Digital Solidarity Fund“ sich vor allem mit der
Beratung von Regierungen bei der Liberalisierung ihrer Telekommunika-
tionsmärkte beschäftigt;

4. in ihrer eigenen Entwicklungspolitik ebenfalls die Entwicklung von Mobil-
funkmärkten zu unterstützen, in denen mehrere Firmen zum Vorteil der
Kunden im Wettbewerb miteinander stehen;

5. Regierungen in Entwicklungsländern auf Grund der deutschen und europä-
ischen Erfahrungen bei der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes
Beratung anzubieten.

Berlin, den 12. April 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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