BT-Drucksache 15/5164

"Auslandskopfüberwachung" in der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV)

Vom 17. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5164
15. Wahlperiode 17. 03. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainer Funke, Rainer Brüderle, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Daniel Bahr (Münster), Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus
Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Eberhard Otto (Godern),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

„Auslandskopfüberwachung“ in der Telekommunikations-
Überwachungsverordnung (TKÜV)

Im Entwurf der TKÜV findet sich erstmals eine Regelung zur so genannten Aus-
landskopfüberwachung (§ 4 TKÜV-E vom 13. Dezember 2004). Es heißt hierzu
in der Begründung, dass die „Auslandskopfüberwachung“ aufgrund der Straf-
prozessordnung (StPO) zulässig sei. Zudem bedeute diese Regelung keinen Ein-
griff in die Souveränität anderer Staaten, weil die Überwachungsmaßnahme an
inländischer Technik, eben den „Auslandsköpfen“ stattfinde.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was versteht man unter einer „Auslandskopfüberwachung“ und inwieweit

unterscheidet diese sich von anderen in der TKÜV geregelten Überwa-
chungsmaßnahmen?

2. Inwieweit ergibt sich eine Zulässigkeit der „Auslandskopfüberwachung“ aus
der StPO?

3. Liegen der Bundesregierung konkrete rechtstatsächliche Erkenntnisse über
die Erfahrungen mit der TKÜV vom 22. Januar 2002 vor?

4. Wenn ja, welche?
5. Welche Bedeutung kam der TKÜV vom 22. Januar 2002 mit Maßnahmen im

Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus zu?
6. Wie viele Anordnungen einer „Auslandskopfüberwachung“ gemäß § 4

TKÜV a. F. („… es sei denn, die zu überwachende Telekommunikation wird
an einem im Inland gelegenen Anschluss um- oder weitergeleitet.“) gab es in
den Jahren 1995 bis 2004, durch welche Behörde wurden diese angeordnet
und wer war jeweils zur Durchführung der Maßnahme verpflichtet?

Drucksache 15/5164 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

7. Welche Kommunikation soll mit der „Auslandskopfüberwachung“ erfasst
werden, die abgehende, die eingehende Kommunikation oder beides?

8. Für welche konkreten Tatbestände kann eine „Auslandskopfüberwachung“
angeordnet werden?

9. Was ist unter dem Begriff der „Zieladresse“ zu verstehen?
10. Werden hiervon auch E-Mail-Adressen, ENUM (Telephone Number Map-

ping) etc. erfasst und wie lässt sich sicherstellen, dass es sich bei den Ziel-
adressen um „ausländische Zieladressen“ handelt?

11. Wie wird die zu „überwachende Zieladresse“ ermittelt und ist es erforder-
lich, dass bei der „Auslandskopfüberwachung“ sichergestellt wird, dass die
zu überwachende Zieladresse der zu überwachenden Person gehört?

12. Wenn ja, wie wird dies sichergestellt?
13. Was versteht man unter einem in der Begründung zu § 4 Satz 2 aufgeführten

„Nachrichtenmittler“?
14. Erlaubt die StPO nach Ansicht der Bundesregierung eine Überwachung am

„Auslandskopf“ mit dem Ziel, einen im Ausland ansässigen Ausländer zu
überwachen?

15. Wie erfolgt die Strafverfolgung eines Ausländers imAusland und wäre hier-
zu ein Rechtshilfeersuchen erforderlich?

16. Ist § 4 TKÜV-E so zu verstehen, dass auch die von der bekannten ausländi-
schen Zieladresse ankommende Kommunikation ins Inland am „Auslands-
kopf“ erfasst werden darf?

17. Wie wird gewährleistet, dass mit einer „Auslandskopfüberwachung“ nicht
in die Souveränität anderer Staaten eingegriffen wird?

18. Gibt es Vereinbarungen, Abkommen etc. mit den Staaten, in denen die zu
überwachende Zieladresse vergeben wurde, die eine „Auslandskopfüber-
wachung“ erlauben?

19. Wie sieht das Verhältnis der „Auslandskopfüberwachungen“ zu internatio-
nalen Rechtshilfeersuchen aus (ultima ratio, Subsidiarität oder Gleichlauf
der Mittel)?

20. Sind zukünftig Rechtshilfeersuchen bei Überwachungen ausländischer
Zieladressen überflüssig, weil die Überwachung direkt in Deutschland um-
gesetzt werden soll?

21. Bei welchen Sachverhalten muss zukünftig noch zwingend ein Rechts-
hilfeersuchen eingeleitet werden?

22. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass es zu Doppelüberwachungen
a) am Auslandskopf und
b) via Rechtshilfeersuchen im Ausland
kommt?

23. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass bei der Erfassung von Kom-
munikation, die weder ihren Ursprung noch ihre Zieladresse im Inland hat,
aber über Deutschland geroutet wird, die Überwachung an einem „Aus-
landskopf“ im Widerspruch zu Völkerrecht und/oder Europarecht steht?

24. Gibt es Erkenntnisse über die Anzahl der in Deutschland betriebenen „Aus-
landsköpfe“?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5164

25. Wie viele Unternehmen gibt es in Deutschland, die für die Durchführung
einer „Auslandskopfüberwachung“ eine Anordnung erhalten müssten, um
den zu überwachenden Anschluss zu ermitteln?

26. An wie vielen „Auslandsköpfen“ müsste eine einzelne Überwachungsmaß-
nahme parallel umgesetzt werden?

27. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung „Auslandsköpfe“ standardisiert
mit Überwachungstechnik ausgestattet?

28. Gibt es Schätzungen über die Höhe der zusätzlichen Kosten für die Einrich-
tung und den Betrieb der „Auslandsköpfe“ mit der erforderlichen Überwa-
chungstechnik?

29. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Nutzung bestehender
Überwachungseinrichtungen (beispielsweise an den Teilnehmervermitt-
lungsstellen) und -prozesse gesamtwirtschaftlich kostengünstiger ist?

30. Soll nach Auffassung der Bundesregierung die „Auslandskopfüberwa-
chung“ auch in IP-Netze umgesetzt werden?

31. Wenn ja, wie und wo soll diese Überwachung umgesetzt werden?
32. Haben die Verbindungsnetzbetreiber oder die IP-Backbonebetreiber die

„Auslandskopfüberwachung“ umzusetzen?
33. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass auch in paketvermitteln-

den Netzen, in denen einzelne Pakete der zu überwachenden Kommuni-
kation unterschiedliche Routen über unterschiedliche Provider nehmen und
erst wieder am Ziel zusammengefügt werden, eine vollständige Über-
wachung dennoch realisiert wird?

34. Wird durch die Einführung des Begriffs des „Nutzungsberechtigten“ in § 3
Abs. 2 TKÜV-E der Kreis der Verpflichteten erweitert?

35. Wenn ja, wie viele Unternehmen wären nach Kenntnis der Bundesregierung
hiervon betroffen?

Berlin, den 16. März 2005
Rainer Funke
Rainer Brüderle
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Daniel Bahr (Münster)
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer

Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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