BT-Drucksache 15/5054

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/3640, 15/5049- Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Vom 9. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5054
15. Wahlperiode 09. 03. 2005

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Gudrun Kopp, Rainer Funke, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Daniel Bahr (Münster), Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Dr. Christel Happach-Kasan, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/3640, 15/5049 –

Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. den § 4 GWB-E (Verbotsnorm für Preisbindungen) zu streichen. Dieser

Paragraph ist überflüssig, weil er komplett durch die Ausdehnung des § 1
auf das Verbot vertikaler Bindungen abgedeckt wird;

2. den § 23 GWB-E zu streichen. Die geforderte maßgebliche Zugrundelegung
der Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts (bei den §§ 1 bis 4
und 19 GWB-E) führen zu einer Komplizierung des nationalen Kartellrechts
und bringen weitere Rechtsunsicherheit mit sich;

3. den § 33 Abs. 3 GWB-E durch ein Verbot des sog. passing on defence zu
ergänzen. Das schafft Rechtsklarheit und sorgt dafür, dass der Geschädigte
den vollen Umfang des Schadens auch tatsächlich einklagen kann;

4. den § 34a GWB-E zu streichen. Die Vorteilsabschöpfung durch Verbände
und Einrichtungen führt zu einer systemwidrigen Vermengung von Strafe,
Wettbewerbsgesichtspunkten, Haushaltsinteressen und Belangen der Ver-
bände;

5. den § 65 Abs. 3 Satz 4 GWB-E zu streichen. Die vorgesehene Beschränkung
der Drittantragsbefugnis im Eilverfahren ist mit der Idee einer präventiven
Fusionskontrolle nicht vereinbar;

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6. die Verlängerung der in § 131 Abs. 1 und 2 vorgesehenen Übergangsfristen
für legalisierte Spezialisierungs-, Rationalisierungs- und Mittelstandskar-
telle von einem auf mindestens drei, besser noch fünf Jahre auszudehnen.
Die von Unternehmen im Vertrauen auf freigestellte Kartelle getroffenen
längerfristig orientierten Investitionsentscheidungen dürfen nicht entwertet
werden;

7. den § 31 GWB-E, der die Freistellung von Anzeigen, Vertriebs- und Druck-
kooperationen im Zeitungsmarkt regelt, zu streichen oder zumindest zu
modifizieren. Das GWB darf nicht als Instrument für sektorale Struktur-
politik missbraucht werden, deshalb muss mindestens bei der vorgesehenen
Genehmigung durch das Bundeskartellamt das Kriterium der Markt-
beherrschung berücksichtigt werden;

8. die vorgesehenen Änderungen im § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB-E zu streichen.
Eine Bagatellklausel von 2 Mio. Euro Umsatzerlöse fördert die fusions-
rechtlich ungeprüfte Konzentration im Zeitungsmarkt;

9. den § 36 Abs. 1a und 1b zu streichen. Die so genannte Altverlegerklausel
bedeutet im Prinzip das Ende der Pressefusionskontrolle. Das ist mit einem
allgemeinen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht vereinbar;

10. von der vorgesehenen Verdoppelung der Aufgreifschwellen für Pressefusi-
onen in § 38 Abs. 3 GWB-E abzusehen. Das würde den Konzentrations-
prozess im Pressemarkt weiter beschleunigen und damit den Anteil der
sog. Einzeitungskreise nochmals erhöhen. Das schadet der Pressevielfalt in
Deutschland.

Berlin, den 9. März 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) gilt als Grundgesetz der
Sozialen Marktwirtschaft und bildet den Rahmen für das Funktionieren unserer
Wirtschaftsordnung. Dies ist in der Vergangenheit von allen Parteien des Deut-
schen Bundestages anerkannt worden. Deshalb war es in der vergangenen Jahr-
zehnten auch üblich, dass anstehende GWB-Novellen im Deutschen Bundestag
einvernehmlich von allen Parteien mitgetragen wurden. Das setzt selbstverständ-
lich ernsthafte parlamentarische Beratungen zwischen Regierungsfraktionen und
Opposition voraus. Von diesem guten Brauch weichen die die Regierungskoali-
tion tragenden Fraktionen diesmal ab. Sie sind nicht bereit, über den von der
Bundesregierung eingebrachten GWB-Entwurf und die von den Koalitions-
fraktionen gemachten Änderungsvorschläge mit den Oppositionsparteien in
Gespräche einzutreten. Das deutet darauf hin, dass die Koalitionsfraktionen
jegliche Verhandlungs- und Einigungsbereitschaft vermissen lassen, und ist
ausgesprochen bedauerlich.
Das GWB ist ein allgemeines Wettbewerbsrecht, das für alle Branchen und
über alle Sektoren hinweg gleichermaßen gilt. In einigen Branchen, hier auch in
der Pressefusionskontrolle wurden in den 1970er Jahren Rechenklauseln einge-
führt, die die Aufgreifkriterien der auf Industrieunternehmen zugeschnittenen
Fusionskontrolle zum Beispiel im kleinräumigen Pressebereich überhaupt an-
wendbar machen sollen. Wer davon spricht, dass es schon immer Ausnahme-
regelungen für den Zeitungsmarkt gab, der übersieht, dass materiell auch hier

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die gleichen Kontrollmaßstäbe (Entstehung oder Verstärkung einer marktbe-
herrschenden Stellung) wie in allen anderen Branchen gelten. Insofern handelt
es sich bei diesen Rechenklauseln bzw. den speziellen Aufgreifschwellen für
die Fusionskontrolle lediglich um branchengebundene Ausformungen allge-
meiner Regeln.
Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen schlagen jetzt allerdings
Ausnahmereglungen im Pressekartellrecht vor. Das ist systematisch nicht nach-
vollziehbar und verstößt gegen den Geist des GWB als allgemeines Wett-
bewerbsrecht. Es öffnet den Weg in eine sektorale Wettbewerbspolitik und
missbraucht das GWB im speziellen Fall des Zeitungsmarktes für sektorale
Strukturpolitik. Einer solchen Aushöhlung des allgemeinen Wettbewerbsrechts
kann nicht gefolgt werden. Ansonsten könnten auch andere Branchen, die sich
in strukturellen Krisen befinden, ähnliche Ausnahmeregelungen einfordern.
Das wäre das Ende eines allgemeinen Wettbewerbsrechts.
Die siebte GWB-Novelle ist grundsätzlich notwendig, um deutsche Kartell-
regeln an das europäische Recht anzupassen. Der Systemwechsel vom behörd-
lichen Genehmigungsverfahren zum Prinzip der Legalausnahme muss trotz
grundsätzlich fortbestehender Bedenken zur Schaffung eines einheitlichen
europäischen Wettbewerbsrahmens auch im deutschen Recht nachvollzogen
werden. Allerdings gibt es auch hier einige wettbewerbsrechtliche Bedenken
gegen den vorliegenden Gesetzentwurf.

Im Einzelnen werden die Änderungsvorschläge wie folgt begründet:
Zu Nummer 1
Dies ist eine rechtssystematische Klarstellung, die das Kartellrecht zudem ver-
einfacht.
Zu Nummer 2
Diese Regelung steht im Widerspruch zur ausschließlichen Zuständigkeit des
nationalen Kartellamtes unterhalb bestimmter Umsatzschwellen. Denn wenn
die ständige Spruchpraxis europäischer Gerichte und die Verwaltungspraxis der
Europäischen Kommission gemeint ist, so müssen für nationale Kartellerechts-
entscheidungen demnächst umfangreichste Bekanntmachungen und Leitlinien,
die in sich nicht immer konsistent sind, zu Rate gezogen werden. Das hemmt
nicht nur die Arbeitseffektivität des Kartellamtes, sondern ermuntert voraus-
sichtlich auch zu zusätzlichen Anfechtungen von kartellbehördlichen Entschei-
dungen. Zudem ist ein fruchtloser Streit um die Auslegung der „Grundsätze“
vorprogrammiert.
Zu Nummer 3
Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung, dass der Ausschluss des „passing on
defence“ aufgrund der herrschenden Meinung im kartellrechtlichen Schrifttum
im Gesetzestext nicht explizit genannt werden muss. Aber aus Gründen der
Rechtsklarheit sollte ein entsprechendes Verbot, wie es im Referentenentwurf
enthalten war, wieder aufgenommen werden.
Zu Nummer 4
Das ist rechtssystematisch nicht zu begründen und ebnet den Weg von europä-
ischen Recht in amerikanisches Recht. Zudem ist die Möglichkeit der Vorteils-
abschöpfung durch Verbände auch eingeführt worden, um dem möglicherweise
entstehenden Kontrollvakuum durch den Wechsel der Kartellprinzipien ent-
gegenzuwirken. Allerdings dürfte diese Maßnahme weitgehend wirkungslos
sein, weil Verbände und Einrichtungen den abgeschöpften Gewinn an den

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Bundeshaushalt weiterreichen müssen. Insofern stehen den Kosten eines verlo-
renen Prozesses keine zusätzlichen Anreize gegenüber. Der Bundesrat nennt
dies zu Recht „Schaufenstergesetzgebung“. Schon allein im Interesse von
Rechtsklarheit und Einfachheit des Gesetzes sollte dieser Paragraph wegfallen.
Zu Nummer 5
Die Einschränkung des Rechtsschutzes im Eilverfahren führt dazu, dass ein
Wettbewerber, der zwar im Hauptsacheverfahren Beschwerde einlegen kann,
letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Diese Einschränkung ist nicht
mit der Idee einer präventiven Fusionskontrolle vereinbar. Denn: Damit besteht
die Gefahr, dass zumindest zeitweilig wettbewerbswidrige Marktstrukturen ent-
stehen. Das nachträgliche (z. T. mit Verzug von bis zu zwei Jahren) Auflösen
solcher Strukturen ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Diese Ein-
schränkung des Rechtsschutzes im Eilverfahren schwächt eine funktionsfähige
Fusionskontrolle und stärkt nicht primär wettbewerblich orientierte Entschei-
dungsverfahren wie die Ministererlaubnis. Das ist abzulehnen.
Zu Nummer 6
Diese Gruppenfreistellungen unterliegen nach geltendem Recht keiner Befris-
tung. Insoweit sollten hier die Übergänge von altem zu neuem Recht großzügi-
ger geregelt werden.
Zu Nummer 7
Hier wird ein kartellrechtlicher Ausnahmetatbestand für Verlage geschaffen.
Dieses Sonderrecht ermöglicht sogar Hardcore-Kartelle, wie Preisabsprachen.
Hierdurch kann eine marktbeherrschende Stellung im Anzeigen-, Druck- und
Vertriebsbereich entstehen. Dadurch ist auch ein Einfluss auf die redaktionelle
Unabhängigkeit nicht auszuschließen. Zwar hat der Kompromiss der Regie-
rungsfraktionen im Unterschied zum Kabinettsbeschluss dazu geführt, dass
jetzt das Bundeskartellamt die Kooperation genehmigen muss, aber dem Kar-
tellamt werden klare Prüfkriterien vorgegeben (nicht mehr als fünf Zeitungen
dürfen an Zusammenarbeit beteiligt sein, Kooperation muss dazu dienen, Wett-
bewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen zu verbessern und Zusammenar-
beit muss für die langfristige Sicherung der wirtschaftlichen Existenz mindes-
tens einer beteiligten Zeitung notwendig sein). Zudem ist der weite Begriff des
„Vertriebs“ missverständlich und sollte zur Klarstellung durch den Begriff
„Abonnementsvertrieb“ ersetzt werden. Die Kooperation von Verlagen, die
über den Abonnementsvertrieb hinausgehen, stellen einen Eingriff in das be-
stehende System des neutralen Pressesortimentvertriebs durch das Pressegrosso
dar. Die Sicherung von Wettbewerb spielt hingegen beim Prüfauftrag keine
Rolle. Ohne die Berücksichtigung des Kriteriums der Marktbeherrschung bei
der Befassung durch das Bundeskartellamt, ist diese Regelung als Schritt in die
sektorale Wettbewerbspolitik abzulehnen.
Zu Nummer 8
Aufgrund der Einführung einer Bagatellklausel könnten ca. 30 selbständige
Zeitungsverlage (ohne Anzeigenblätter) kontrollfrei aufgekauft werden. Gerade
Großverlagen wird auf diese Weise der Erwerb kleiner Presseobjekte ermög-
licht. Dies fördert die (fusionsrechtlich ungeprüfte) Konzentration und ist des-
halb abzulehnen.
Zu Nummer 9
Hier handelt es sich um ein Sonderrecht für die Presse, dass das Kriterium der
Marktbeherrschung aushebelt, einen Konzentrationsprozess im Verlagswesen
einleiten könnte, von einer künstlichen Trennung zwischen redaktionellen Be-
reich und wirtschaftlichen Bereich einer Zeitung ausgeht und die Presse- und
Meinungsvielfalt gefährdet. Zwar ist nach den Koalitionsverabredungen davon

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auszugehen, dass diese wettbewerbswidrige Regelung gestrichen wird. Aber
ganz klar ist: Eine solche Aushebelung der Fusionskontrolle ist strikt abzulehnen.
Zu Nummer 10
Mit dieser Anhebung der Schwellenwerte könnten sich zusätzlich rund 50 Zei-
tungsverlage (ohne Anzeigenblätter) kontrollfrei zusammenschließen. Derzeit
leben schon die Hälfte der Bundesbürger in Regionen, in denen nur eine regio-
nale Tageszeitung erscheint. Eine weitere Konzentration bedeutet auch eine
Einschränkung der bestehenden Pressevielfalt und ist deshalb problematisch.

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