BT-Drucksache 15/5047

Belastungen für Nordhorn und Siegenburg durch neue Nutzungsanordnung für die dortigen Luft-Boden-Schießplätze reduzieren

Vom 9. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5047
15. Wahlperiode 09. 03. 2005

Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Carl-
Ludwig Thiele, Günther Friedrich Nolting, Helga Daub, Jörg van Essen, Birgit
Homburger, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Dr. Werner
Hoyer, Jürgen Koppelin, Dr. Rainer Stinner, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der FDP

Belastungen für Nordhorn und Siegenburg durch neue Nutzungsanordnung
für die dortigen Luft-Boden-Schießplätze reduzieren

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Aufgabenspektrum der Bundeswehr hat sich gewandelt. Internationale Ein-
sätze zur Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und im Kampf gegen den in-
ternationalen Terrorismus sind die wahrscheinlichsten Aufgaben ihrer Soldatin-
nen und Soldaten. Zurzeit sind knapp 7 000 von ihnen in Auslandsmissionen
engagiert. Diese Einsätze sind gefährlich und können durchaus den Schutz
durch fliegende Verbände der Streitkräfte erforderlich machen. Flugzeugbesat-
zungen können ihre vielfältigen Aufgaben jedoch nur erfüllen, wenn sie bereits
im Frieden den dafür erforderlichen Leistungsstand erwerben und erhalten. Sie
müssen gut ausgebildet sein und konstant ausreichende Übungsmöglichkeiten
haben. Erfahrungen aus Konflikten der jüngsten Geschichte zeigen, dass neben
dem Einsatz von Abstands- und Präzisionswaffen aus mittleren und großen
Höhen in bestimmten Bedrohungsszenarien auch der Einsatz von ungelenkten
Waffen aus niedrigen Höhen nach wie vor erforderlich ist.
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 fordern die Fähigkeit
zum kurzfristigen Einsatz im Rahmen der Krisenbewältigung gemeinsam mit
alliierten Partnern. Dies ist nur durch Einsatzorientierung und Kontinuität im
täglichen Übungsbetrieb zu erreichen. Das regelmäßige Üben von Waffenein-
satzverfahren auf Luft-Boden-Schießplätzen ist ein wesentlicher Bestandteil
einer wirksamen und am Auftrag orientierten Ausbildung von fliegenden Be-
satzungen in Kampfflugzeugen. Neben den Luft-Boden-Schießplätzen und eini-
gen Truppenübungsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland nutzt die Luft-
waffe entsprechende Einrichtungen im europäischen und überseeischen Aus-
land.
Für die imAusland stattfindenden Trainingsflüge werden die Verbände der Luft-
waffe jährlich für ca. 2 bis 3 Monate dorthin verlegt. Zur Erhaltung des erforder-
lichen Leistungsstandes für den Einsatz mit einer kurzen Vorwarnzeit reichen
diese Übungsperioden allerdings nicht aus. Zum einen können sie die kontinu-
ierliche Praxis lediglich ergänzen, aber nicht ersetzen, und andererseits sind die
Sicht- und Witterungsbedingungen in den Wüsten Amerikas nicht von allge-
mein gültiger Natur. Daher ist eine Übungstätigkeit in Deutschland, wenn auch

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auf relativ niedrigem Niveau, dauerhaft zwingend erforderlich. Sie bietet die zu-
sätzliche Möglichkeit, den Einsatz von Bordwaffen gegen Ziele auf dem Boden
unter realistischen Bedingungen zu üben.
Diese Übungstätigkeit findet derzeit auf den Luft-Boden-Schießplätzen Nord-
horn in Niedersachsen und Siegenburg in Bayern statt, deren Fläche ca. 2 000 ha
bzw. ca. 270 ha beträgt. Zur Entlastung der im Raum dieser beiden Kommunen
lebendenMenschen wie auch zur gerechteren Lastenverteilung im Bundesgebiet
soll der ca. 12 000 ha große Luft-Boden-Schießplatz Wittstock dienen, dessen
baldige Inbetriebnahme geplant ist.
Übungstätigkeiten von Streitkräften rufen immer einen Zielkonflikt mit dem be-
rechtigten Anspruch der betroffenen Bevölkerung auf Lärm- und Gesundheits-
schutz sowie mit den Belangen des Umweltschutzes und der Regionalentwick-
lung hervor. Stets gilt deshalb das Postulat, die Belastungen für Bevölkerung
und Umwelt so gering wie möglich zu halten. Es muss in einem sinnvollen
Kompromiss sichergestellt werden, dass einerseits die in der Nähe von Übungs-
plätzen lebenden sowie die dort Erholung suchenden Menschen nicht über ein
zumutbares Maß hinaus durch die Übungstätigkeit der Bundeswehr und ihrer
Alliierten beeinträchtigt werden, andererseits aber die Soldatinnen und Soldaten
ihre für die Auslandseinsätze überlebensnotwendigen Übungen durchführen
können.
Wie jahrzehntelange Erfahrungen im Betrieb von Truppenübungsplätzen der
Bundeswehr belegen, nehmen Natur und Landschaft durch die militärische
Nutzung keinen Schaden. Im Gegenteil, sie entwickeln sich häufig geradezu zu
Refugien für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Der Bundeswehr ist Natur- und
Landschaftsschutz unzweifelhaft ein wichtiges Anliegen. Zusammen mit der
Bundesforstverwaltung führt sie regelmäßige Maßnahmen durch, die weit über
die gesetzliche Verpflichtung zum Naturschutz hinausgehen. Mit der „Richtlinie
zur nachhaltigen Nutzung von Truppenübungsplätzen“ legt sie verbindliche
Grundsätze und Verfahren für die umweltverträgliche und nachhaltige Nutzung
aller Übungsplätze fest. Somit erhält und fördert die Bundeswehr das Leistungs-
vermögen des Naturhaushaltes in vorbildlicher Weise.
Die Bundeswehr legt richtigerweise großen Wert auf ihre Integration in die Ge-
sellschaft und auf eine für alle Seiten förderliche zivil-militärische Zusammen-
arbeit. Seit ihrer Aufstellung vor nunmehr 50 Jahren bringt sie der Bevölkerung,
die durch ihre notwendigen Übungstätigkeiten betroffenen ist, stets Verständnis
entgegen und bemüht sich, im Rahmen des Möglichen und Verantwortbaren,
Anträgen und Wünschen nachzukommen. Dennoch ist es unbestritten, dass die
Streitkräfte Übungsplätze benötigen. Soldatinnen und Soldaten in Einsätze zu
befehlen, ohne ihnen vorher ausreichend Möglichkeiten zur Ausbildung und zur
Übung zur Verfügung gestellt zu haben, wäre moralisch wie politisch unverant-
wortlich.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Nutzungsintensität der Luft-Boden-Schießplätze Nordhorn und Siegen-

burg den zwingenden Erfordernissen anzupassen und unverzüglich die der-
zeit jährlich erlaubten Einsätze für Nordhorn von 3 000 auf 1 000 und für
Siegenburg von 2 000 auf 500 zu reduzieren;

2. nach Inbetriebnahme des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock diese Ober-
grenzen erneut zu senken, und zwar für Nordhorn auf 700 und für Siegenburg
auf 300;

3. den Flug- und Übungsbetrieb der Kampfflugzeugbesatzungen in den für
Nordhorn und Siegenburg geltenden Sommer-, Herbst- und Weihnachts-
ferien sowie an gesetzlichen Feiertagen zu untersagen;

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4. in den Wochen, in denen der Flug- und Übungsbetrieb erlaubt ist, diesen auf
die Zeit von Montag bis Donnerstag, jeweils von 9.00 bis 12.00 Uhr und von
14.00 bis 17.00 Uhr zu begrenzen;

5. Nachtflüge ausschließlich vom 1. Oktober bis zum 31. Mai eines Jahres zu
genehmigen, ebenfalls beschränkt auf die Wochentage Montag bis Donners-
tag, und zwar jeweils von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 23.30 Uhr;

6. zu untersagen, dass auf den Luft-Boden-SchießplätzenNordhorn und Siegen-
burg scharfe Bomben abgeworfen werden;

7. sicherzustellen, dass alle anderen, jetzt bereits gültigen Nutzungsbestimmun-
gen unverändert Bestand haben;

8. zu garantieren, dass alle genannten Einschränkungen für die alliierten
Übungsplatznutzer ohne Abstriche Gültigkeit besitzen.

Berlin, den 8. März 2005
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Carl-Ludwig Thiele
Günther Friedrich Nolting
Helga Daub
Jörg van Essen
Birgit Homburger
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Dr. Werner Hoyer
Jürgen Koppelin
Dr. Rainer Stinner
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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