BT-Drucksache 15/501

Vereinfachung des deutschen Steuerrechts

Vom 19. Februar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/501
15. Wahlperiode 19. 02. 2003

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig
Thiele, Birgit Homburger, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer
Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz
Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Dr. Werner Hoyer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sybille Laurischk, Harald Leibrecht, Ina
Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern),
Detlef Parr, Gisela Piltz, Marita Sehn, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Jürgen
Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Vereinfachung des deutschen Steuerrechts

Seit langem wird beklagt, dass das deutsche Steuerrecht zunehmend kompli-
zierter wird und selbst für Experten nicht mehr verständlich ist. Die Finanzver-
waltung und die steuerberatenden Berufe können die ständig wachsende Vor-
schriftenflut nicht mehr bewältigen. Fachleute gehen davon aus, dass die nicht
korrekte Anwendung des Steuerrechts zu immensen Steuerausfällen führt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Gesetze gibt es, die ausschließlich die Besteuerung regeln?
2. Wie viele Gesetze gibt es darüber hinaus, die Vorschriften zur Besteuerung

enthalten?
3. Wie viele Steuerarten gibt es, an deren Aufkommen der Bund ganz oder teil-

weise beteiligt ist?
4. Wie viele gültige Rechtsverordnungen zur Besteuerung gibt es?
5. Wie viele Richtlinien zur Besteuerung gibt es?
6. Wie viele gültige sog. BMF-Schreiben (BMF: Bundesministerium der

Finanzen) gibt es?
7. Vertritt die Bundesregierung weiterhin die Auffassung, dass BMF-Schreiben

Weisungen des Bundes an die Länder im Sinne von Artikel 108 Abs. 3
Satz 2, Artikel 85 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) sind (vgl. die Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP zur Rechts-
natur von Schreiben des Bundesministers der Finanzen auf Bundestags-
drucksache 14/6716)?

8. Wie viele der 34 Änderungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der
14. Legislaturperiode beruhen auf Gesetzentwürfen der Bundesregierung?

9. Gibt es Vorschriften im EStG, die in der 14. Legislaturperiode mehrfach
geändert wurden, und falls ja, welche?

Drucksache 15/501 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

10. Welches sind die Gründe für diese Mehrfachänderungen?
11. Wie viele der 21 Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in

der 14. Legislaturperiode beruhen auf Gesetzentwürfen der Bundesregie-
rung?

12. Gibt es Vorschriften im KStG, die in der 14. Legislaturperiode mehrfach
geändert wurden, und falls ja, welche?

13. Welches sind die Gründe für diese Mehrfachänderungen?
14. Wie viele der 11 Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der

14. Legislaturperiode beruhen auf Gesetzentwürfen der Bundesregierung?
15. Gibt es Vorschriften im UStG, die in der 14. Legislaturperiode mehrfach

geändert wurden, und falls ja, welche?
16. Welches sind die Gründe für diese Mehrfachänderungen?
17. Wie viele der 9 Änderungen des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der

14. Legislaturperiode beruhen auf Gesetzentwürfen der Bundesregierung?
18. Gibt es Vorschriften im GewStG, die in der 14. Legislaturperiode mehrfach

geändert wurden, und falls ja, welche?
19. Welches sind die Gründe für diese Mehrfachänderungen?
20. Wie viele BMF-Schreiben haben sich infolge der Abschaffung der Gewer-

bekapitalsteuer erübrigt?
21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Pflicht zur Ermittlung

der Bemessungsgrundlage für die Gewerbeertragsteuer das Steuerrecht
verkompliziert und für viele Unternehmer eine kostenträchtige Belastung
darstellt, zumal die Gewerbesteuer anschließend mit der Einkommensteuer
verrechnet wird?

22. Wie viele BMF-Schreiben wurden in der 14. Legislaturperiode herausge-
geben?

23. Wie viele von diesen Schreiben gehen auf die Gesetzgebung der 14. Legis-
laturperiode zurück?

24. Wie viele von diesen Schreiben gehen auf Änderungen der Rechtsprechung
zurück?

25. Wie häufig wurden Änderungen der Steuergesetze der 14. Legislaturperi-
ode von den Finanzgerichten oder dem Bundesfinanzhof zumindest für
rechtlich bzw. verfassungsrechtlich bedenklich gehalten?

26. Wie häufig wurden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs in der 14. Legis-
laturperiode für über den Einzelfall hinaus nicht anwendbar erklärt?

27. Wie viele BMF-Schreiben gehen auf die Gesetzgebung des Jahres 2002
zurück?

28. Sind weitere BMF-Schreiben geplant oder in Vorbereitung, die sich auf
diese Gesetzgebung beziehen?

29. Wie viele Steuerformulare gibt es insgesamt?
30. Welche Steuerformulare mit wie vielen Seiten muss ein Arbeitnehmer (ver-

heiratet, Alleinverdiener, zwei schulpflichtige Kinder, in- und ausländische
Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpach-
tung aus einer Eigentumswohnung) mit einem Vertrag über vermögens-
wirksame Leistungen sowie einem Vertrag über die sog. Riester-Rente aus-
füllen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/501

31. Welche Steuerformulare mit wie vielen Seiten muss ein Unternehmer aus-
füllen, der umsatz-, gewerbe- und körperschaftsteuerpflichtig ist und zu-
dem eine Investitionszulage beantragen möchte?

32. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass neue Steuergesetze das
Steuerrecht weiter verkomplizieren?

33. Falls ja, stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass die ökologi-
sche Steuerreform das Steuerrecht weiter verkompliziert hat?

34. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Abschaffung ganzer
Steuergesetze das Steuerrecht vereinfacht?

35. Falls ja, teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass z. B. die Abschaf-
fung der Kraftfahrzeugsteuer und ihre Umlegung auf die Mineralölsteuer
das Steuerrecht vereinfacht?

36. Würde nach Auffassung der Bundesregierung die Abschaffung der Gewer-
besteuer zur Vereinfachung des Steuerrechts beitragen?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage, dass der Wegfall der Ge-
werbesteuer für Unternehmer und Verwaltung eine erhebliche Entlastung
bedeutet?

38. Ist die Bundesregierung bereit, umgehend Schritte zur Abschaffung der
Gewerbesteuer einzuleiten?

39. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Wiedererhebung der
Vermögensteuer das Steuerrecht weiter verkomplizieren würde?

40. Welche Maßnahmen müssten Gesetzgeber und Finanzverwaltung veranlas-
sen, damit die Vermögensteuer wieder erhoben werden könnte?

41. Welche Steuerformulare mit wie vielen Seiten wurden zuletzt zur Erhe-
bung der Vermögensteuer benötigt?

42. Wie viele BMF-Schreiben zur Anwendung bzw. Auslegung des Vermögen-
steuergesetzes waren in ihrem letzten Erhebungszeitraum gültig?

43. Wie viele BMF-Schreiben wurden im Zusammenhang mit der ökolo-
gischen Steuerreform herausgegeben?

44. Wie viele Steuerformulare zur Erhebung der Ökosteuern gibt es?
45. Existieren weitere Steuerformulare, die z. B. notwendig sind, um steuer-

liche Ermäßigungen oder Ausnahmen bei den Ökosteuern zu beantragen?
46. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass steuerliche Vergünstigun-

gen und Ausnahmen zur Verkomplizierung des Steuerrechts beitragen?
47. Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass viele steuerliche

Vergünstigungen und Ausnahmetatbestände im EStG mit ursächlich dafür
sind, dass unsere Steuersätze nominell sehr hoch sind?

48. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Reduzierung der Ein-
kunftsarten bei der Einkommensteuer wesentlich zur Steuervereinfachung
beitragen würde?

49. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Verfolgung außersteu-
erlicher Ziele mit Mitteln des Steuerrechts das Steuerrecht verkompliziert?

50. Falls ja, trifft es nach Auffassung der Bundesregierung dann zu, dass z. B.
ein Einkommensteuerrecht ohne jegliche Lenkungsnorm einfacher wäre als
das geltende Recht?

Drucksache 15/501 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

51. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Abbau von
Steuervergünstigungen und steuerlichen Sondertatbeständen von den Bür-
gern nur dann akzeptiert wird, wenn gleichzeitig die Steuertarife abgesenkt
werden?

52. Wie beurteilt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen einem
von den Bürgern als immer komplizierter empfundenen Steuerrecht und
dem steigenden Personalbedarf der Finanzverwaltung?

53. Wie beurteilt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen dem im-
mer komplizierter werdenden Steuerrecht und der zunehmend länger wer-
denden Verfahrensdauer bei der Finanzgerichtsbarkeit?

54. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die geltende Form der Er-
hebung der Kapitalertragsteuer von vielen Bürgern nicht akzeptiert wird?

55. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass die Steuerformulare zur
Erklärung der Einkünfte aus Kapitalvermögen von Bürgern nicht verstan-
den werden?

56. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung einen Zusammenhang zwi-
schen der geltenden Kapitalertragsbesteuerung und der zunehmenden Ka-
pitalflucht?

57. Falls ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Eindämmung
der Steuerflucht?

58. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass ein System flächen-
deckender Kontrollmitteilungen für die Finanzverwaltung zusätzlichen
Verwaltungsaufwand bedeutet?

59. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Abgeltungsteuer für
sämtliche Kapitalerträge erheblich einfacher wäre als die geltende Kapital-
ertragbesteuerung?

60. Falls ja, ist die Bundesregierung bereit, die Einführung einer solchen Ab-
geltungsteuer vorzubereiten?

61. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Abgeltungsteuer auf
Kapitalerträge das Steueraufkommen sichert und Steuerhinterziehung ver-
meidet?

62. Falls ja, teilt die Bundesregierung dann die Auffassung, dass nach Einfüh-
rung einer Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge Kontrollmitteilungen zur
Sicherung des Steueraufkommens aus Kapitaleinkünften nicht notwendig
sind?

63. Wie viele BMF-Schreiben zur geltenden Kapitalertragsteuer gibt es?
64. Wie beurteilt die Bundesregierung die geltende Besteuerung der Einkünfte

aus privaten Veräußerungsgeschäften unter dem Gesichtspunkt der Ein-
fachheit der Besteuerung?

65. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der Bundesfinanzhof
die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und Wert-
papieren für verfassungsrechtlich bedenklich hält, weil sie nicht durchführ-
bar ist?

66. Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung dann die vorgesehene Besteue-
rung von Wertzuwächsen bei der Veräußerung von beweglichen Gegen-
ständen wie Kunstgegenständen und Antiquitäten?

67. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass mehr Pauschalierungen im
Steuerrecht der Steuervereinfachung dienen können?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/501

68. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Steuerrecht das
Prinzip „Einfachheit geht vor Einzelfallgerechtigkeit“ stärker berücksich-
tigt werden sollte?

Berlin, den 18. Februar 2003
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Andreas Pinkwart
Carl-Ludwig Thiele
Birgit Homburger
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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