BT-Drucksache 15/4976

Herkunftskennzeichnung und Qualitäts- bzw. Herstellungsangaben bei Lebensmitteln

Vom 25. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4976
15. Wahlperiode 25. 02. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr
(Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer
Funke, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Dirk Niebel, Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Herkunftskennzeichnung und Qualitäts- bzw. Herstellungsangaben
bei Lebensmitteln

Verbraucher verbinden mit regionalen Produkten häufig besonders positive Ei-
genschaften wie besondere Frische oder bestimmte Geschmackseigenschaften.
Das besondere Interesse der Verbraucher an regionalen Nahrungsmitteln resul-
tiert darüber hinaus häufig aus einer emotionalen Bindung an die eigene oder
eine andere Region. Regionale Produktkennzeichnungen sind daher für die Er-
nährungswirtschaft von zentraler Bedeutung für die Vermarktung ihrer Pro-
dukte.
Regionalität ist nicht beschränkt auf Produkte aus der Region und für die
Region, sondern umfasst auch regionale Spezialitäten, bei denen landwirt-
schaftliche Vorprodukte oder nur die Verarbeitung aus einer bestimmten Region
stammen. Regionalität im umfassenden Sinne, wie sie zum Beispiel die Be-
zeichnung „geschützte Ursprungsbezeichnung“ gemäß Verordnung (EWG)
Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen An-
gaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel
(im Weiteren: Verordnung 92/2081/EWG) verlangt, ist bei den heutzutage
komplex zusammengesetzten und häufig hoch verarbeiteten Nahrungsmitteln
oft gar nicht mehr möglich.
Mit der Verordnung 92/2081/EWG gibt die Europäische Union einen geeigne-
ten Rahmen vor, um Nahrungsmittel mit Herkunftskennzeichen zu versehen
und zu bewerben. In Deutschland wurde von diesen Möglichkeiten bisher je-
doch wenig Gebrauch gemacht, insbesondere im Vergleich zu anderen euro-
päischen Staaten, so dass Chancen für die Stärkung des ländlichen Raums und
für die Ernährungswirtschaft brachliegen. Durch eine konsequente Unter-
stützung der Herkunftskennzeichen können Arbeitsplätze im ländlichen Raum
erhalten und sogar geschaffen werden. Auch aus verbraucherschutzpolitischer
Sicht ist die Nutzung der Herkunftskennzeichen mit ihren klar definierten
Qualitätskriterien ein richtiger Schritt zu mehr Transparenz und Vergleichbar-
keit.

Drucksache 15/4976 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Herkunftskennzeichnung bietet der deutschen Ernährungswirtschaft so-
wohl bei den deutschen Verbrauchern als auch international die große Chance,
sich mit ihrer guten Qualität Absatzmärkte zu sichern und neue zu erschließen.
Neben Herkunftskennzeichen dienen Qualitäts- und Herstellungsangaben wie
„Premium“, „aus eigener Herstellung“, „aus Meisterhand“ oder „von Tieren
aus kontrollierter Aufzucht“ der Ernährungsindustrie und insbesondere dem Er-
nährungshandwerk zur Information und Werbung. Gerade das Ernährungs-
handwerk setzt auf den Kundenwunsch nach guter Qualität und Transparenz,
indem Produkte frisch und mit guter fachlicher Praxis selbst und unter Verwen-
dung von Zutaten aus nachvollziehbarer Quelle hergestellt werden. Zugleich ist
aber gerade im Bäckerhandwerk zu beobachten, dass Pre-Back-Waren oder
Backmischungen industrieller Fertigung auch von kleinen Bäckereien verwen-
det werden. Dies ist in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft ein ganz normaler
Vorgang. Die Angabe „aus eigener Herstellung“ bietet dem Verbraucher aber
die Gewähr, dass der Hersteller eine besondere Verantwortung für das Produkt
übernimmt, auch wenn Vorprodukte aus anderer Herstellung stammen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Herkunftskennzeichnung

von Nahrungsmitteln zu?
2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verordnung 92/2081/EWG einerseits

im Hinblick auf Verbraucherinformation und andererseits hinsichtlich der
Anwendbarkeit für die Ernährungswirtschaft?

3. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um die Nutzung
der geschützten Herkunftszeichen gemäß Verordnung 92/2081/EWG in
Deutschland anzuregen?

4. Will die Bundesregierung ähnlich wie in Frankreich oder Italien die syste-
matische Nutzung der Verordnung 92/2081/EWG durch Sammlung und
Sichtung regionaler Produkte auf institutioneller Ebene etablieren?

5. Hält die Bundesregierung die in Verordnung 92/2081/EWG vorgeschriebe-
nen Qualitätskriterien für ausreichend?
Falls nein, für welche Kriterien will sie sich national oder auf europäischer
Ebene einsetzen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung Forderungen beispielsweise der Ver-
braucherzentrale Bundesverband (vzbv) (AGRA-EUROPE vom 24. Januar
2005), die Bezeichnung der geschützten geographischen Angabe (g.g.A.) in
der gegenwärtigen Form auf europäischer Ebene abzuschaffen und bei der
Vergabe des Zeichens einer garantierten traditionellen Spezialität (g.t.S.) auf
europäischer Ebene nachzubessern?

7. Welche nationalen Gesetze plant die Bundesregierung zum Schutz und zur
Verwendung von Herkunftskennzeichnungen bei Nahrungsmitteln?

8. Will die Bundesregierung die deutsche Ernährungswirtschaft verpflichten,
Lebensmittel, die gemäß Verordnung 92/2081/EWG mit einer geschützten
geographischen Angabe (g.g.A.) ausgezeichnet sind, mit zusätzlichen An-
gaben zur Herkunft der verarbeiteten Produkte zu versehen?
Wenn ja, wie ist dies mit EU-Recht vereinbar?

9. Aufgrund welcher Normen im Kapitel Verbraucherinformation des Gesetz-
entwurfs eines Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sollen neue Kenn-
zeichnungspflichten hinsichtlich regionaler Herkunftszeichen sowie Aus-
gangsprodukten von Lebensmitteln eingeführt werden, wie von der Bundes-
ministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate
Künast, in der „BILD“-Zeitung vom 20. Januar 2005 dargestellt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4976

10. In welchem finanziellen Umfang und aus welchen Haushaltstiteln wurden
in den vergangenen Jahren und werden in Zukunft regionale Produkte von
der Bundesregierung und von den Bundesländern sowie der Europäischen
Union, beispielsweise im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesse-
rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, gefördert?

11. Wie begründet die Bundesregierung, dass ein besonderer Förderschwer-
punkt bei der Unterstützung regionaler Nahrungsmittel in der Vergangen-
heit auf ökologisch erzeugte Lebensmittel gelegt wurde, während andere
regionale Spezialitäten und Produkte mit traditionellem regionalem Hinter-
grund keine spezielle Förderung erhielten?

12. Hält die Bundesregierung finanzielle Zuwendungen für den Aufbau von
Erzeugerzusammenschlüssen und den Betrieb von Kontroll- und Zertifizie-
rungsinstanzen im Sinne der Verordnung 92/2081/EWG für sinnvoll?
Wenn ja, in welchem Rahmen?
Wenn nein, warum nicht?

13. Wie bewertet die Bundesregierung Forderungen der Verbraucherzentrale
Bundesverband (vzbv) (AGRA-EUROPE vom 24. Januar 2005), Qualitäts-
und Herstellungsangaben auf Lebensmitteln wie z. B. „Premium“ oder
„aus eigener Herstellung“ an bestimmte Voraussetzungen zu binden?

14. Wie ist in diesem Zusammenhang die Aussage von Bundesministerin
Renate Künast in der „BILD“-Zeitung vom 20. Januar 2005 zu verstehen,
dass „was draufsteht, auch drin sein muss“?

15. Will die Bundesregierung diesbezüglich gesetzgeberische Schritte auf
nationaler bzw. europäischer Ebene ergreifen?
Falls ja, welche?

Berlin, den 22. Februar 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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