BT-Drucksache 15/4968

Instrumente zur Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit von Gemeinden

Vom 25. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4968
15. Wahlperiode 25. 02. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Ina Lenke, Rainer Funke, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Ulrike Flach, Otto Fricke, Hans-Michael Goldmann, Gudrun Kopp,
Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Max Stadler, Jürgen Türk, Dr. Volker Wissing, Daniel
Bahr (Münster), Angelika Brunkhorst, Helga Daub, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt,
Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Hans-JoachimOtto (Frankfurt),
Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und
der Fraktion der FDP

Instrumente zur Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit von Gemeinden

Die Finanzlage vieler Kommunen ist dramatisch: Allein in Nordrhein-Westfalen
sind nach einer Auskunft des Landesinnenministeriums 20 Großstädte, 4 Land-
kreise und 142 kreisangehörige Gemeinden in der Haushaltssicherung. Weitere
38 Gemeinden befinden sich im Nothaushaltsrecht. Ausgeglichene Haushalte
sind in weiter Ferne. So wird z. B. für die Stadt Oberhausen der nächste ausge-
glichene Haushalt für das Jahr 2022 prognostiziert. Hiermit verbunden sind tiefe
Einschnitte in die Handlungsfähigkeit der Kommunen. Gemeindevertretungen
fehlt häufig jeder Gestaltungsspielraum. Vielfach bleibt nur noch das Bemühen
um ein einigermaßen vernünftiges Schuldenmanagement.
Nach den Gemeindeordnungen der Länder sind Kommunen für den Fall, dass
ein Haushaltsausgleich nicht herbeigeführt werden kann, verpflichtet, ein Haus-
haltskonsolidierungs- bzw. -sicherungskonzept aufzustellen. Derartige Konzep-
te dienen dem Ziel, im Rahmen einer geordneten Haushaltswirtschaft die künf-
tige, dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde zu erreichen. Sie bedürfen der
Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Das genehmigte Konzept stellt einen
für die Gemeinde verbindlichen Handlungsrahmen dar, der zumeist mit tiefen
Einschnitten verbunden ist. Gleichwohl wird in vielen Fällen das Ziel, innerhalb
eines bestimmten Zeitraums, in Nordrhein-Westfalen z. B. im vierten auf das
Haushaltsjahr folgenden Jahr, wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zu
kommen, nicht erreicht.
In der kommunalrechtlichen Literatur wird deshalb über andere, radikalere
Möglichkeiten für Gemeinden, sich von Verbindlichkeiten zu befreien, disku-
tiert. Unter anderem wird in einer beschränkten Insolvenzfähigkeit für Kommu-
nen ein Instrument gesehen, Handlungsspielraum zurück zu gewinnen. Die In-
solvenzfähigkeit würde hierzu auf die freiwilligen kommunalen Aufgaben
beschränkt werden. Hingegen würden die verbindlichen hoheitlichen Aufgaben
der Kommunen (Meldewesen, Ordnungsamt etc.) in der gesetzlich vorgeschrie-
benen Art weitergeführt werden. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden,
dass die finanzielle Konsolidierung der Gemeinden zu Lasten ihrer Gläubiger

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gehen könnte. So liefen z. B. mittelständische, ortsansässige Unternehmen
Gefahr, mit ihren Forderungen aus der Abwicklung von Aufträgen für Gemein-
den ganz oder teilweise auszufallen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es sich bei den jetzigen Haus-

haltskonsolidierungs- bzw. -sicherungskonzepten um taugliche Instrumente
zur Sicherung der dauernden finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommu-
nen und damit zur Absicherung des verfassungsrechtlich garantierten
Rechts der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne von Artikel 28 Abs. 2
Grundgesetz handelt, und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbe-
zügliche Auffassung?

2. Sind der Bundesregierung andere Instrumente zur Sicherung der dauernden
finanziellen Leistungsfähigkeit von Kommunen bekannt, und wenn ja, wel-
che?

3. Sehen ausländische Rechtsordnungen eine Insolvenzfähigkeit für Kommu-
nen vor, und wenn ja, um welche Staaten handelt es sich?

4. Was ist der Grund dafür, dass die Bundesländer solche juristischen Personen
des öffentlichen Rechts, die ihrer Aufsicht unterstehen, z. B. Kommunen,
gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung vom Insolvenzverfahren aus-
schließen können?

5. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass diese Gründe in Anbetracht der
dramatischen Finanzlage vieler Kommunen und in Anbetracht der Tatsache,
dass sich Kommunen heute vielfach selbst wirtschaftlich betätigen sowie
nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden, unverändert
gültig sind?

6. Wäre eine beschränkte Insolvenzfähigkeit für Kommunen nach Ansicht der
Bundesregierung mit dem in Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz verfassungs-
rechtlich garantierten Recht der kommunalen Selbstverwaltung vereinbar,
insbesondere im Hinblick auf die Rechte eines Insolvenzverwalters in Ab-
grenzung zu denen der Gemeindevertretung?

7. Welche Auswirkungen hätte eine beschränkte Insolvenzfähigkeit für Kom-
munen auf die Wirtschaft, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung von
Kommunen als Auftraggeber für mittelständische ortsansässige Unterneh-
men?

8. Welche Auswirkungen hätte eine beschränkte Insolvenzfähigkeit für Kom-
munen auf das Vertrauen Privater in die finanzielle Leistungsfähigkeit der
öffentlichen Hand?

9. Welche Auswirkungen hätte eine beschränkte Insolvenzfähigkeit für Kom-
munen auf deren Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, insbesondere auf
deren Rating?

10. Trifft Kommunen bei Unternehmen, die in ihrem alleinigen oder mehrheit-
lichen Anteilsbesitz stehen, eine besondere Insolvenzabwendungspflicht?

11. Haftet eine Gemeinde aus den Grundsätzen des qualifiziert faktischen Kon-
zerns für ein in ihrem Anteilsbesitz stehendes insolventes Unternehmen je-
denfalls dann, wenn sie das Unternehmen immer wieder mit finanziellen
Mitteln ausgestattet bzw. dessen Verluste ausgeglichen hat?

Berlin, den 24. Februar 2005
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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