BT-Drucksache 15/4965

Europarechtswidrigkeit steuerlicher Vorschriften und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

Vom 23. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4965
15. Wahlperiode 23. 02. 2005

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Hermann Otto
Solms, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Europarechtswidrigkeit steuerlicher Vorschriften und Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs

Die Bedeutung des Europarechts für die direkten Steuern wurde lange Zeit ver-
nachlässigt. Sekundäres Gemeinschaftsrecht spielte eine nur untergeordnete
Rolle, primäres Gemeinschaftsrecht – vor allem der EG-Vertrag – wurde igno-
riert. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat hier für
grundlegende Änderungen gesorgt. Das Gericht hat in vielen Entscheidungen
über die Vereinbarkeit von Vorschriften der direkten Steuern der Mitglied-
staaten mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags entschieden. Der EuGH ist
der Auffassung, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mit-
gliedstaaten fallen, dass bei Ausübung dieser Zuständigkeiten aber das Ge-
meinschaftsrecht zu wahren ist. Bei den Grundfreiheiten handelt es sich im
Wesentlichen um die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit,
die Warenverkehrsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrs-
freiheit.
Aus deutscher bzw. aus Sicht der Mitgliedstaaten ist zu befürchten, dass viele
steuerliche Vorschriften, die Sachverhalte mit (EU-)Auslandsbezug regeln, aus
Sicht des EuGH nicht mit den Grundfreiheiten des EU-Vertrags vereinbar sind.
Der Bundesminister der Finanzen hat entsprechende Befürchtungen bereits
öffentlich geäußert. Es können bei evtl. notwendigen Änderungen erhebliche
finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte zukommen. Aus der
Finanzverwaltung werden zweistellige Milliardenbeträge genannt. Auch andere
Mitgliedstaaten befürchten bzw. verzeichnen erhebliche Steuerausfälle durch
die Rechtsprechung des EuGH. Für Großbritannien werden z. B. 10 Mrd. £
durch die bisherige Rechtsprechung genannt, weitere 8 Mrd. £ werden noch er-
wartet.

Drucksache 15/4965 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sind nach Auffassung der Bundesregierung die direkten Steuern an den

Grundfreiheiten des EG-Vertrags zu messen, obwohl es für die Harmoni-
sierung der direkten Steuern keine ausdrückliche Rechtsgrundlage gibt?

2. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung rechtlich?
3. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zum Verhältnis der spe-

ziellen Rechtsgrundlagen zur Harmonisierung (z. B. für die direkten
Steuern) und der allgemeinen Rechtsangleichungsvorschrift des
Artikels 94 des EG-Vertrags?

4. Wie begründet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, dass der
EG-Vertrag mit Artikel 93 ausdrücklich nur eine Vorschrift zur Harmoni-
sierung der indirekten Steuern enthält?

5. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob bei der Unterzeichnung
bzw. Ratifizierung des EG-Vertrags beabsichtigt war oder in Kauf genom-
men wurde, dass erhebliche Auswirkungen nicht nur für die ausdrücklich
zu harmonisierenden indirekten, sondern auch für die direkten Steuern
bzw. das Steueraufkommen zu erwarten sein würden?

6. Hat die Bundesregierung die Absicht, auf die Harmonisierung auch der
direkten Steuern innerhalb der EU hinzuwirken?

7. Falls ja, wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung?
8. Falls ja, in welchem Umfang strebt die Bundesregierung eine Harmonisie-

rung der direkten Steuern an?
9. Falls nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?
10. Welche Rechtsgrundlage haben nach Auffassung der Bundesregierung die

Fusionsrichtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie und die Zins- und Lizenz-
gebührenrichtlinie?

11. Welche Bedeutung im Zusammenhang mit der Harmonisierung der direk-
ten Steuern sieht die Bundesregierung in Artikel 58 des EG-Vertrags, nach
dem die Vorschriften über den Kapital- und Zahlungsverkehr nicht das
Recht der Mitgliedstaaten berühren, „die einschlägigen Vorschriften ihres
Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem
Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“?

12. Welche Rolle misst die Bundesregierung dem Subsidiaritätsgrundsatz an-
gesichts einer im EG-Vertrag fehlenden ausdrücklichen Rechtsgrundlage
zur Harmonisierung der direkten Steuern zu?

13. Wie begründet die Bundesregierung, dass es in Doppelbesteuerungs-
abkommen (DBA) keinen Bezug auf europäisches Recht gibt?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsprechung des EuGH, nach der
die Grundfreiheiten des EG-Vertrags Vorrang haben vor DBA und anderen
international angewandten Besteuerungsverfahren?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Beschränkung der Möglichkeit
der Mitgliedstaaten, ihre Steuerpolitik im Rahmen internationaler Verein-
barungen selbst zu bestimmen?

16. War diese Beschränkung nach Kenntnis der Bundesregierung bei Unter-
zeichnung bzw. Ratifizierung des EG-Vertrags beabsichtigt – insbesondere
im Hinblick darauf, dass es keine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur
Harmonisierung der direkten Steuern im EG-Vertrag gibt?

17. Sind der Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die Harmonisierung
und Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Steuerrechts Grenzen gesetzt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4965

18. Wie beurteilt die Bundesregierung Entscheidungen des EuGH zu Vor-
schriften der direkten Steuern der Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund,
dass der EG-Vertrag ausdrücklich nur die Harmonisierung der indirekten
Steuern vorsieht?

19. Handelt es sich bei diesen Entscheidungen noch um die Auslegung und
Anwendung des EG-Vertrags (vgl. Artikel 7 und 220)?

20. Bewirkt die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern nach Ein-
schätzung der Bundesregierung faktisch die im EG-Vertrag nicht ausdrück-
lich vorgesehene Harmonisierung der direkten Steuern?

21. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang aus
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Grenzen
zwischen den Verfahren der Vertragsauslegung und der Vertragsänderung
gewahrt bleiben müssen (BVerfGE 89, 155, 209 f.)?

22. Gab oder gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen, euro-
päisches Recht so zu ändern, dass Entscheidungen des EuGH zu den direk-
ten Steuern nicht oder nicht mehr im bisherigen Umfang möglich sind, und
wenn ja, welche?

23. Sind der Bundesregierung entsprechende Überlegungen der Regierungen
anderer Mitgliedstaaten bekannt?

24. Trifft es zu, dass die fiskalischen Interessen der Mitgliedstaaten bei den
Entscheidungen des EuGH keine Rolle spielen?

25. Falls ja, gibt es Bestrebungen innerhalb der Bundesregierung, in diesem
Zusammenhang auf europäischer Ebene Änderungen herbeizuführen?

26. Sind der Bundesregierung ähnliche Überlegungen anderer Mitgliedstaaten
bekannt?

27. Trifft es zu, dass das Bundesverfassungsgericht bei seinen Entscheidungen
die fiskalischen Interessen des Staates berücksichtigen kann?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung Überlegungen, europäisches Recht so
zu ändern, dass Entscheidungen des EuGH nur noch Wirkung für die Zu-
kunft haben bzw. mit Übergangsfristen für die Umsetzung versehen werden
können?

29. Sind die Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH Gegenstand der
Beratungen des Europäischen Konvents zur Erarbeitung der Europäischen
Verfassung gewesen?

30. Falls ja, wie und in welcher Form war die Bundesregierung an den Be-
ratungen des mit dem EuGH befassten Arbeitskreises beteiligt?

31. Falls ja, welche Ergebnisse wurden erzielt?
32. Falls ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Er-

gebnissen?
33. Falls nein, warum nicht?
34. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Warenverkehrsfreiheit

und der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, dass nach § 90 Abs. 2 der Ab-
gabenordnung (AO) bei Auslandssachverhalten höhere Anforderungen an
die Mitwirkungspflichten gestellt werden als bei Inlandssachverhalten?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Niederlas-
sungsfreiheit die in § 90 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 und 4 AO geregelten
Dokumentationspflichten und die Sanktionen bei Verstößen im Zusammen-
hang mit Auslandssachverhalten?

Drucksache 15/4965 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

36. Wie beurteilt die Bundesregierung die in § 146 Abs. 2 AO geregelte Pflicht
zur Aufbewahrung von Unterlagen im Geltungsbereich der AO bzw. die
Einschränkungen bei Aufbewahrung im EU-Ausland unter dem Gesicht-
punkt der Dienstleistungs- sowie der Niederlassungsfreiheit?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung die verschiedenen Beschränkungen des
Verlustausgleichs in § 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die
Abschaffung des Absatzes 3 der Vorschrift unter dem Gesichtspunkt der
Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit?

38. Beinhaltet nach Auffassung der Bundesregierung die Beschränkung der
Steuerbefreiungen auf Inlandszahlungen in § 3 Nr. 1, 2, 2a, 3, 11, 12, 14,
17, 18, 36, 37, 40, 43, 44, 46, 47, 48, 57, 58, 59, 60, 61, 67, 69 EStG einen
Verstoß gegen die allgemeine Freizügigkeit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit
bzw. die Kapitalverkehrsfreiheit?

39. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendung der Entnahmegrund-
sätze (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) bei Überführung eines Wirtschaftsguts in
ein ausländisches Betriebsvermögen unter dem Gesichtspunkt der Nieder-
lassungsfreiheit bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit?

40. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung der Niederlassungs-
freiheit bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit, dass nach § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG
die Übertragung von Betriebsvermögen in das EU-Ausland u. U. (keine
Besteuerung aufgrund DBA; Vorraussetzungen des Betriebsstättenerlasses
sind nicht (mehr) gegeben) nicht unter Fortführung der Buchwerte durch-
geführt werden kann?

41. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit den Grundsätzen der
Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, dass die Über-
tragung stiller Reserven von Wirtschaftsgütern einer inländischen Betriebs-
stätte nach § 6b EStG auf Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebs-
stätte nicht möglich ist?

42. Sind nach Auffassung der Bundesregierung die Regelungen über das be-
grenzte Realsplitting in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 1a
Abs. 1 Nr. 1 EStG bei Wohnsitz des Leistungsempfängers im EU- oder
EWR-Ausland mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot sowie dem
Grundsatz der Freizügigkeit vereinbar (vgl. Bundesfinanzhof v. 22. Juli
2003 XI R 5/02)?

43. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung der Dienstleistungs-
freiheit, dass ein im Inland beschränkt steuerpflichtiger Angehöriger eines
Mitgliedstaates der EU anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger die
ihm entstandenen Steuerberatungskosten nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 6
EStG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG als Sonderausgaben ab-
ziehen kann?

44. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung dem Grundsatz der
Niederlassungsfreiheit, dass die Verlagerung eines Betriebes ins EU-Aus-
land nach § 16 Abs. 3 EStG als Betriebsaufgabe gelten kann?

45. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Kapitalverkehrs-
freiheit vereinbar, dass die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze nach
§ 17 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 34a EStG von 10 % auf 1 % für
Auslandsbeteiligungen bereits ab dem 1. Januar 2001, für Inlandsbeteili-
gungen dagegen erst ab dem 1. Januar 2002 gilt?

46. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung der Niederlassungs-
freiheit, der Dienstleistungs- sowie der Kapitalverkehrsfreiheit, dass der
negative Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG nach § 2a EStG nicht für
ausländische Verluste gewährt wird?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4965

47. Sind nach Auffassung der Bundesregierung durch die Beschränkung der
Pauschalierung der Einkommensteuer auf Sachprämien nach § 37a EStG
an im Inland ansässige Steuerpflichtige die Grundsätze der Arbeitnehmer-
freizügigkeit bzw. der Niederlassungsfreiheit gewahrt?

48. Sind die erhöhten Anforderungen für die Erteilung einer Freistellungs-
bescheinigung im Rahmen der Bauabzugssteuer an im Ausland ansässige
Leistende nach § 48b EStG nach Auffassung der Bundesregierung mit der
Dienstleistungsfreiheit vereinbar?

49. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung dem Grundsatz der
Niederlassungsfreiheit, wenn Einkünfte nach § 49 Abs. 3 EStG zu ver-
steuern sind, obwohl die Einzelveranlagung günstiger wäre?

50. Wie beurteilt die Bundesregierung das in § 50 Abs. 2 EStG geregelte Aus-
gleichs- und Abzugsverbot für inländische Einkünfte im Hinblick auf die
Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit
sowie Kapitalverkehrsfreiheit?

51. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Dienstleistungsfreiheit
und der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, wenn ein im EU-Ausland an-
sässiger Vergütungsgläubiger nach § 50d Abs. 1 EStG sich die zunächst
abgezogene Steuer erstatten lassen muss, obwohl das betreffende DBA das
Besteuerungsrecht Deutschlands ausschließt?

52. Entspricht nach Auffassung der Bundesregierung die Beschränkung der
Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuer-
gesetzes (KStG) auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften den
Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit?

53. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, die darin einen Verstoß
gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags sieht, dass Fremdkapital-
entgelte bei Auslandsbeteiligungen von Steuerinländern im Zusammen-
hang mit § 8a KStG als Zinsen zu versteuern sind, dass also die deutschen
Dividendenregelungen nicht gelten?

54. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfreiheit
vereinbar, wenn nach § 12 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 KStG im Fall der Ver-
legung von Sitz oder Geschäftsleitung ins Ausland stille Reserven aufzu-
lösen und zu versteuern sind (auch wenn stille Reserven insofern weiterhin
im Inland steuerverhaftet sind, als die beschränkte Steuerpflicht im Rah-
men einer Betriebstätte fortbesteht)?

55. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfreiheit
vereinbar, wenn nach § 12 Abs. 2 KStG bei Verlegung einer inländischen
Betriebstätte durch eine beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die
Wegzugsbesteuerung zur Anwendung kommt?

56. Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Nieder-
lassungsfreiheit, dass nach den §§ 14 ff. KStG die Organschaft auf Inlands-
sachverhalte beschränkt wird?

57. Wie beurteilt die Bundesregierung unter diesem Gesichtspunkt die seit dem
1. Januar 2005 in Österreich geltenden Regelungen zur Gruppenbesteue-
rung?

58. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Zins- und Lizenz-
gebührenrichtlinie vereinbar, dass Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zur Hälfte dem Gewinn hinzugerechnet
werden, wenn die Zinsen an verbundene Unternehmen im EU-Ausland
gezahlt werden?

Drucksache 15/4965 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

59. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Kapitalverkehrsfrei-
heit vereinbar, wenn nach § 8 Nr. 2 GewStG Renten und dauernde Lasten
an einen nicht der Gewerbesteuer unterliegenden Empfänger dem Gewinn
aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden, die Hinzurechnung hingegen
unterbleibt, wenn der Empfänger gewerbesteuerpflichtig ist?

60. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Kapitalverkehrsfrei-
heit vereinbar, dass Gewinnanteile des nicht der Gewerbesteuer unter-
liegenden stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 3 GewStG hinzugerechnet
werden, diese Hinzurechnung bei Gewinnanteilen eines der Gewerbesteuer
unterliegenden stillen Gesellschafters hingegen unterbleibt?

61. Stellen nach Auffassung der Bundesregierung die eingeschränkten Voraus-
setzungen der Gewerbesteuerfreiheit von Auslandsdividenden nach § 8
Nr. 5 in Verbindung mit § 9 Nr. 7 GewStG bzw. bei Inanspruchnahme eines
DBA-Schachtelprivilegs einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit
dar?

62. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Dienstleistungsfreiheit
vereinbar, dass nach § 8 Nr. 7 GewStG Miet- und Pachtzinsen dem Gewinn
hinzuzurechnen sind, wenn sie an ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat
ansässiges Unternehmen gezahlt werden, dass die Hinzurechnung hinge-
gen unterbleibt, wenn sie an ein der Gewerbesteuer unterliegendes Unter-
nehmen gezahlt werden?

63. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfreiheit
und der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, dass nach § 9 Nr. 7 GewStG
das Schachtelprivileg für ausländische Tochterkapitalgesellschaften aktive
Tätigkeiten im Sinne des § 8 Außensteuergesetz (AStG) und eine Behalte-
frist voraussetzt?

64. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die unterschiedliche steuerliche
Behandlung bei Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen im
Inland bzw. EU-Ausland nach § 1 AStG mit der Niederlassungs- bzw.
Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar (vgl. Bundesfinanzhof v. 21. Juni 2001
I B 141/00)?

65. Wie beurteilt die Bundesregierung die erweiterte beschränkte Steuerpflicht
bei Wohnsitzverlagerung nach § 2 AStG im Hinblick auf die Arbeit-
nehmerfreizügigkeit bzw. die Niederlassungsfreiheit?

66. Wie beurteilt die Bundesregierung unter den gleichen Gesichtspunkten § 4
AStG?

67. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wegzugsbesteuerung nach § 6
Abs. 1 und Abs. 3 AStG unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Frei-
zügigkeit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und
der Kapitalverkehrsfreiheit?

68. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Hinzurechnungsbesteuerung
nach den §§ 7 ff. AStG mit der Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfrei-
heit vereinbar?

69. Sind die Regelungen zur Besteuerung von Stiftern, Bezugs- und Anfalls-
berechtigten in § 15 Abs. 1 AStG mit dem Grundsatz der allgemeinen Frei-
zügigkeit, der Niederlassungsfreiheit oder der Kapitalverkehrsfreiheit ver-
einbar?

70. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Nichtanwendung des
Halbeinkünfteverfahrens sowie der Ausschluss vom körperschaftsteuer-
lichen Dividendenprivileg nach § 17 des Auslandsinvestmentgesetzes
(AuslInvestmG) mit der Niederlassungs- sowie der Kapitalverkehrsfreiheit
vereinbar?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4965

71. Beinhaltet die so genannte Strafbesteuerung nach § 18 Abs. 3
AuslInvestmG nach Auffassung der Bundesregierung einen Verstoß gegen
die Kapitalverkehrsfreiheit?

72. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfreiheit
vereinbar, dass nach § 1 Abs. 1 und 5 des Umwandlungssteuergesetzes
(UmwStG) der zweite bis siebte Teil des Gesetzes nur für Körperschaften
gilt, die unbeschränkt steuerpflichtig sind?

73. Enthält § 20 Abs. 3 UmwStG nach Auffassung der Bundesregierung einen
Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit,
soweit die Einbringung zum Buchwert ausgeschlossen ist, wenn das deut-
sche Besteuerungsrecht nicht erhalten bleibt?

74. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfrei-
heit, der Kapitalverkehrsfreiheit und dem Grundsatz der Freizügigkeit ver-
einbar, dass § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG einen Gewinnrealisierungs-
tatbestand in Bezug auf einbringungsgeborene Anteile bei Wegfall des
deutschen Besteuerungsrechts enthält?

75. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfreiheit
vereinbar, dass nach § 23 Abs. 4 Satz 2 UmwStG der Teilwert – nicht der
Buchwert – als Veräußerungspreis gilt, wenn das Besteuerungsrecht im
Inland zum Zeitpunkt der Sacheinlage ausgeschlossen ist?

76. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Niederlassungsfrei-
heit sowie der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, dass nach § 26 Abs. 2
UmwStG bei einem grenzüberschreitenden Anteilstausch eine Einbringung
rückgängig zu machen ist und die stillen Reserven aufzudecken sind, wenn
die eingebrachten Anteile innerhalb einer Frist von 7 Jahren nach einer
Buchwerteinbringung veräußert werden?

77. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Verlängerung der unbe-
schränkten Steuerpflicht für deutsche Staatsangehörige bei Auswanderung
in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer-
gesetzes (ErbStG) mit den Grundsätzen der allgemeinen Freizügigkeit, der
Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungs- sowie der Kapitalver-
kehrsfreiheit vereinbar?

78. Entspricht es dem Grundsatz der Freizügigkeit, dass § 5 ErbStG den Zu-
gewinnausgleich des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), nicht aber den
Ausgleich nach den Rechtssystemen anderer EU-Mitgliedstaaten steuerfrei
stellt?

79. Ist der eingeschränkte Abzug von Verbindlichkeiten nach § 10 Abs. 6
ErbStG nach Auffassung der Bundesregierung mit den Grundsätzen der
allgemeinen Freizügigkeit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlas-
sungs- bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar?

80. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung den in Frage 79
genannten Grundsätzen, dass nach § 12 Abs. 6 ErbStG ausländisches Ver-
mögen anders als inländisches Vermögen bewertet wird?

81. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung den soeben genannten
Grundsätzen, dass nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG nur im Inland belegene
Wohnungen steuerfrei gestellt werden?

82. Wie beurteilt die Bundesregierung die nur eingeschränkte Steuerfreiheit
von Zuwendungen an ausländische Körperschaften nach § 13 Nr. 16 Buch-
stabe c ErbStG unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit der
ausländischen Gesellschaft?

Drucksache 15/4965 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
83. Entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung dem Grundsatz der
Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit, dass ausländischesVermögen
von den Vergünstigungen der §§ 13a und 19a ErbStG ausgeschlossen ist?

84. Stellt der Ausschluss ausländischer Familienstiftungen von der Tarifver-
günstigung des § 15 Abs. 2 ErbStG nach Auffassung der Bundesregierung
einen Verstoß gegen die Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit dar?

85. Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der allge-
meinen Freizügigkeit sowie der Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügig-
keit, der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit, dass beschränkt
Steuerpflichtige nach § 16 Abs. 2 ErbStG einen deutlich niedrigeren Frei-
betrag erhalten als unbeschränkt Steuerpflichtige?

86. Wie beurteilt die Bundesregierung nach den gleichen Maßstäben, dass nach
§ 17 ErbStG kein besonderer Versorgungsfreibetrag für Ehegatten und
Kinder bei beschränkter Steuerpflicht gewährt wird?

87. Entspricht nach Auffassung der Bundesregierung die Beschränkung der
Eigenheimzulage auf Objekte im Inland der allgemeinen Freizügigkeit
bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit?

88. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Arbeitnehmerfrei-
zügigkeit vereinbar, wenn nach § 95 EStG die Beendigung der unbe-
schränkten Steuerpflicht des Arbeitnehmers durch Wegzug ins (EU-)Aus-
land als schädliche Verwendung im Sinne von § 93 EStG angesehen wird
und zur Rückzahlungsverpflichtung der Förderung im Rahmen der sog.
Riesterrente führt?

89. Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, welche finanziellen
Auswirkungen die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern bis-
her auf die öffentlichen Haushalte hatte?

90. Gibt es seitens der Bundesregierung Einschätzungen darüber, welche fi-
nanziellen Auswirkungen sich ergeben, falls der EuGH weitere in dieser
Großen Anfrage angesprochene nationale Vorschriften für nicht vereinbar
mit dem EG-Vertrag erklärt?

Berlin, den 23. Februar 2005
Dr. Volker Wissing
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Hermann Otto Solms
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger

Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Claudia Winterstein
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